Urteil des LAG Düsseldorf vom 25.08.2008

LArbG Düsseldorf: verleiher, erlöschen, handelsregister, bergwerk, besondere härte, juristische person, auflösung, arbeitsgericht, rechtsnachfolger, unternehmen

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 17 Sa 153/08
Datum:
25.08.2008
Gericht:
Landesarbeitsgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
17. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
17 Sa 153/08
Vorinstanz:
Arbeitsgericht Essen, 8 Ca 1295/06
Schlagworte:
Erlöschen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis Abgrenzung
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zum Dienstvertrag/Werkvertrag
Normen:
§ 1 Abs. 1 S. 1 AÜG §§ 9 Nr. 1, 10 Abs. 1 S. 1 AÜG, 611 Abs. 1, 631
BGB
Sachgebiet:
Arbeitsrecht
Leitsätze:
1.) Die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG
erlischt mit der Verschmelzung des Erlaubnisträgers auf ein anderes
Unternehmen.
2.) Eine nach der Verschmelzung neu erteilte
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis wirkt auf den Zeitpunkt der
Verschmelzung zurück, wenn die aufnehmende Gesellschaft bei
Abschluss des notariellen Verschmelzungsvertrages einen Antrag auf
Erteilung einer Erlaubnis gestellt hat und die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis zu diesem Zeitpunkt
vorliegen.
3.) Die Beschäftigung eines Arbeitnehmers für die Dauer von einem
Monat auf der Grundlage eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages
reicht zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher aus,
wenn der Verleiher während dieser Beschäftigungszeit keine Erlaubnis
gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG besitzt.
4.) Dies gilt auch dann, wenn der Verleiher keine Kenntnis vom Verlust
der Erlaubnis hatte und während der übrigen Vertragszeit mit dem
Arbeitnehmer im Besitz einer Erlaubnis gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AÜG ist
oder wenn der Arbeitnehmer ansonsten auf der Grundlage eines Werk-
oder Dienstvertrages bei dem Entleiher eingesetzt wird.
Tenor:
1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts
Essen vom 06.12.07 - 8 Ca 1295/06 - wird zurückgewiesen.
2) Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3) Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.
2
Die Beklagte betreibt über ihre Betriebsführungsgesellschaft Deutsche T. AG (im
Folgenden: E.) T.-Bergwerke, u.a. das Bergwerk "West", in dem ca. 3550 Arbeitnehmer
beschäftigt sind.
3
Der 46 jährige, verheiratete Kläger war seit dem 01.04.1985 bei der - inzwischen
insolventen - E.-I. GmbH E. (im Folgenden: E. GmbH) bzw. deren
Rechtsvorgängerinnen als Mitarbeiter beschäftigt. Seit dem Jahr 2000 besitzt der Kläger
einen Dieselkatzenführerschein und war - nach eigener Darstellung - in der Zeit vom
01.01.2004 bis zum 01.09.2005 als Dieselkatzenfahrer auf dem Bergwerk West
eingesetzt.
4
Die ursprüngliche E. GmbH ist durch Verschmelzungsvertrag vom 13.12.1999 auf die E.
I. GmbH - anschließend umfirmiert in I.-E.-I. GmbH (I. GmbH) - verschmolzen worden
und damit erloschen. Sodann ist die H. & L. Gesteins- und Tiefbau GmbH, eine
Tochtergesellschaft der I. GmbH, in E. GmbH umfirmiert und sitzmäßig nach E. verlegt
worden. Diese E. GmbH hatte eine unbefristete Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Mit notariellem Vertrag vom 13.08.2003 wurde sie auf die S. Bau- und Wegebaustoffe
GmbH verschmolzen. Die Verschmelzung wurde wirksam mit der Eintragung in das
Handelsregister am 29.01.2004.
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Mit Schreiben vom 19.05.2005 teilte die Bundesagentur für Arbeit - Regionaldirektion
Nordrhein-Westfalen - der neuen E. GmbH mit, dass die Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung aufgrund der Verschmelzung erloschen sei. Mit einem
Bescheid vom 07.09.2005 wurde der E. GmbH eine neue Erlaubnis zur gewerblichen
Arbeitnehmerüberlassung erteilt.
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Bei der durch die Verschmelzung entstandenen E. GmbH handelt es sich um eine
Bergbauspezialgesellschaft, die im ersten Halbjahr 2006 noch mehr als 1.500
Arbeitnehmer beschäftigte. Sie erhielt laufend Aufträge durch die Beklagte und bot u.a.
Leistungen für den Bergbau, Schacht- und Tunnelbau an. Auf dem Bergwerk West hat
die E. GmbH in den Jahren 2004 und 2005 Projekte für die Beklagte, u.a. das Projekt
"Auffahrung von ca. 480 m Gesteinsberg BP D 305, Baufeld ROW, zur Anbindung des
Flözes Matthias 2 an das vorhandene Grubengebäude" durchgeführt. (Bezüglich der
Einzelheiten dieses Projektes wird auf die Bestellung vom 06.04.2004, Bl. 116 f der Akte
und das Leistungs- und Preisverzeichnis vom 06.04.2004, Bl 84 ff der Akte verwiesen).
Gemäß Ziffer A 3.1 dieses Verzeichnisses gehörte zu den Aufgaben des
Auftragnehmers (E. GmbH) auch die "Stellung von Dieselkatzenfahrern in
ausreichender Anzahl". Die Beklagte legte den Aufträgen der bei ihr tätigen
Bergbauspezialgesellschaften ihre Einkaufsbedingungen für Bauleistungen (kurz: AGB-
Bau) zugrunde, die durch die Regelungen für die Bestellung bergmännischer
Unternehmerarbeiten (RBBU) ergänzt werden. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die
von der Beklagten überreichten Anlagen 9 und 10 (Bl. 421 bis 434 d.A.) Bezug
genommen.
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Daneben erfolgte die Zusammenarbeit zwischen der Beklagten und der E.-GmbH auch
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auf der Basis von Rahmenarbeitnehmerüberlassungsverträgen, die es zumindest seit
dem 16.11.1999 gab. Bezüglich der Einzelheiten wird auf den
Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag vom 16.11.1999 (Anlage 8, Bl. 414 ff d.A.)
verwiesen.
In der Zeit vom 01.06.2004 bis zum 09.07.2004 war der Kläger im Rahmen einer
"echten" Arbeitnehmerüberlassung als Dieselkatzenfahrer im Bergwerk West tätig. Der
Einsatz in 25 Schichten erfolgte im Rahmen dieser Arbeitnehmerüberlassung auf der
Basis der Bestellung Nr. 2875033/411 vom 08.04.2004 im Rahmen der zwischen der
Beklagten und der E. GmbH geschlossenen
Rahmenarbeitnehmerüberlassungsverträge.
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Die Arbeitnehmer der E. GmbH nutzen die Kauen der Beklagten, um sich umzukleiden.
Die gesamte persönliche Arbeitskleidung sowie die Schutzausrüstung einschließlich
Schuhe, Helm, Schienbeinschoner, Handschuhe, Lampe mit Akku und CO-
Selbstretterfilter werden von der Beklagten gestellt. Diese Arbeits- und Schutzkleidung
unterscheidet sich optisch nicht von derjenigen, die die Mitarbeiter der Beklagten tragen.
Alle Arbeitnehmer der bei der Beklagten tätigen Bergbauspezialgesellschaften verfügen
über eine Chipkarte, die der Einlasskontrolle bzw. der Entriegelung des Drehkreuzes
am Eingang des Werksgeländes dient. Um an die eigentlichen Arbeitsplätze zu
gelangen, nutzen die Arbeitnehmer der E. GmbH die von der Beklagten durchgeführten
Seilfahrten unter Tage sowie den Personentransport in die einzelnen Reviere.
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Die für den Streckenvortrieb und deren Ausbau erforderlichen Maschinen und
Materialien werden untertage mit Dieselkatzen der Beklagten über deren
Transportsystem transportiert. Der Transportleitstand steuert die Materialtransporte mit
Dieselkatzen und verfolgt den Weg des Materials. Die (Flur)-Lokfahrer und
Dieselkatzenfahrer teilen mit, wohin das Material transportiert wird. Bei der
Durchführung von Fahraufträgen müssen sich sämtliche Fahrer außerdem über Funk
bei der Steuerbühne (Dieselkatzenleitstand) melden und mitteilen, wo die Flurloks
abgestellt werden. Zur Aufrechterhaltung des Führerscheins als Dieselkatzenfahrer
müssen die Arbeitnehmer an den Lehrgängen und Unterweisungen der Beklagten
teilnehmen.
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Mit seiner am 14.03.2006 beim Arbeitsgericht Essen eingegangenen Klage hat der
Kläger geltend gemacht, es sei aufgrund einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung
ein Arbeitsverhältnis zur Beklagten zustande gekommen. Zeitnah wurden beim
Arbeitsgericht Essen über 1000 weitere Klagen von Arbeitnehmern der E. GmbH gegen
die Beklagte auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses anhängig gemacht.
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Der Kläger hat behauptet, bei der Beklagten seien Arbeiten regelmäßig in gemischten
Teams aus Mitarbeitern der E. GmbH als auch der Beklagten verrichtet worden.
Aufsichtsarbeiten seien abwechselnd von Aufsichten dieser beiden Unternehmen
ausgeübt worden. Zu Beginn einer Schicht hätten sich alle Dieselkatzenfahrer, sowohl
die Fahrer der Beklagten als auch die Fahrer der E. GmbH, an einem Sammelpunkt
getroffen und ihre Fahraufträge von einem Aufsichtshauer der Beklagten erhalten. Die
Fahraufträge hätten sowohl Materialtransporte für die Beklagte als auch für die E. GmbH
umfasst. Es sei allein auf die Einteilung der Strecke angekommen. Wenn er dem
Leitstand gemeldet habe, dass seine Dieselkatze leere Loren habe, sei ihm regelmäßig
mitgeteilt worden, dass er diese mit Material der Beklagten auffüllen solle, um dieses
mitzutransportieren. Die Beklagte habe seine Arbeit sowohl mengen- als auch
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einsatzmäßig gesteuert. Ebenso habe er auf Anweisung des Leitstandes
Zwischentransporte ausgeführt. Während seiner Beschäftigungszeit seien der
Reviersteiger und die Leitstandführer des Rangierbahnhofs von der Beklagten ihm
gegenüber weisungsbefugt gewesen.
Der Kläger hat beantragt,
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festzustellen, dass er sich mit der Beklagten in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis als
Dieselkatzenfahrer befindet.
15
Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hat vorgetragen, der Vergabe von bergbaulichen Spezialarbeiten an die E. GmbH
hätten überwiegend Werkverträge zugrunde gelegen. Mitarbeiter der Beklagten hätten
den Arbeitnehmern der E. GmbH keine arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt. Gemäß
den gesetzlichen Vorschriften träfe sie jedoch die Verpflichtung, Kontroll- und
Überwachungsfunktionen wahrzunehmen. Außerdem sei der Sachvortrag des Klägers
überwiegend zu allgemein gehalten und nicht einlassungsfähig.
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Der Kläger sei - bis auf die Zeit vom 01.06. bis 09.07.2004 - ausschließlich auf der
Grundlage der zwischen ihr und der E. GmbH abgeschlossenen Werkverträge
eingesetzt worden. Außerhalb der Zeit vom 01.06. bis 09.07.2004 habe der Kläger keine
Transporte für sie durchgeführt. Die Tätigkeit des Klägers im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung sei ein Ausnahmefall gewesen und nur deshalb erfolgt, weil
aufgrund eines erhöhten Transportvolumens ein zusätzlicher Bedarf an
Dieselkatzenfahrern bestanden habe, der mit eigenen Mitarbeitern nicht habe gedeckt
werden können.
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Das Arbeitsgericht Essen hat mit Urteil vom 06. Dezember 2007 der Klage stattgegeben
und seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
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Zwischen den Parteien sei kraft der Fiktion des § 10 Abs.1 Satz 1 AÜG i.V.m. § 9 Nr. 1
AÜG ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag
zwischen der Beklagten und der E. GmbH sei unwirksam gewesen, da die E. GmbH
zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht über
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die erforderliche Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügt
habe. Unstreitig sei der Kläger in der Zeit vom 01.06. bis zum 09.07.2004 im Rahmen
einer Arbeitnehmerüberlassung als Dieselkatzenfahrer für die Beklagte tätig gewesen.
Dabei habe es sich nicht nur um einen gelegentlichen vom Normalfall abweichenden
Einzelfall gehandelt. Vielmehr sei der Kläger in diesen 25 Schichten ausschließlich für
die Beklagte tätig gewesen.
22
Gegen dieses Urteil, welches der Beklagten am 07.01.2008 zugestellt wurde, hat sie mit
einem am 16.01.2008 beim Landesarbeitsgericht Düsseldorf eingegangenen Schriftsatz
Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit
einem am 04.04.2008 eingegangenen Schriftsatz begründet.
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Sie vertritt die Auffassung, die Klage hätte schon als unzulässig abgewiesen werden
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müssen. Der Klageantrag sei nicht bestimmt genug. So blieben Beginn und Dauer des
fingierten Arbeitsverhältnisses offen. Die Arbeitszeit sei unklar, da es denkbar sei, dass
der Kläger nur mit einem Teil seiner Tätigkeiten im Rahmen einer unerlaubten
Arbeitnehmerüberlassung eingesetzt gewesen sei und nur insoweit ein
Arbeitsverhältnis zur Beklagten fingiert werde. Außerdem würden Angaben zum
Vertragsinhalt fehlen.
Zur Begründetheit der Klage vertritt die Beklagte die Auffassung, der Kläger habe sein
Klagerecht verwirkt. Bezüglich des Zeitmoments sei nicht auf den Zeitpunkt der
Neuerteilung der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, sondern auf denjenigen des
erstmaligen Einsatzes im Bergwerk der Beklagten abzustellen. Bei dem
Umstandsmoment sei zu beachten, dass der Kläger in Kenntnis der von der
Bundesagentur für Arbeit geäußerten Rechtsansicht über
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das vorübergehende Fehlen einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis unverändert für
die E. weitergearbeitet und von dieser die Vergütung bezogen habe. Insoweit sei durch
die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses des Klägers mit der E. GmbH über den
06.09.2005 hinaus von einem Fortbestand seines Vertrages mit dieser auszugehen.
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Ein Fall der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung scheide aus mehreren Gründen aus.
Die Erlaubnis der früheren E. GmbH sei durch die Verschmelzung auf die S. Bau- und
Wegebaustoffe GmbH nicht erloschen. Es liege ein Fall der Rechtsnachfolge ohne
Liquidation vor, bei der ein Erlöschen - insbesondere bei einer wie hier bestehenden
Geschäftsführeridentität der ursprünglichen und der neuen Gesellschaft - nicht
angebracht sei. Außerdem müsse man von einer Übergangsfrist von mindestens einem
Jahr ausgehen. Es sei auch der Vertrauensschutz zu beachten, da selbst die E. GmbH
bis zu dem Anschreiben durch die Bundesagentur für Arbeit keine Kenntnis von einem
Erlöschen der Erlaubnis gehabt habe. Auf den Inhalt der Durchführungsanweisung der
Bundesagentur für Arbeit komme es nicht an, weil es sich dabei um reine
Innenrechtssätze handele, die das Gericht nicht binden würden. Außerdem enthalte
diese Dienstanweisung keine nähere Begründung. Der durch die Verschmelzung
entstandene Rechtsträger müsse nicht von der Notwendigkeit einer neu zu erteilenden
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 AÜG ausgehen.
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Darüber hinaus erfordere die vorliegende Sachverhaltskonstellation eine teleologische
Reduktion der Regelungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Selbst wenn man im
vorliegenden Fall eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung für die Zeit vom
29.01.2004 bis zum 06.09.2005 annehmen würde, so sei zu bedenken, dass die Firma
E. GmbH ab dem 07.09.2005 erneut im Besitz einer
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Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gewesen sei und der Kläger sein Arbeitsverhältnis
mit der E. GmbH in der bisherigen Form fortgesetzt und tatsächlich durchgeführt habe.
Er habe seine Bezüge von der E. GmbH erhalten und sei im Rahmen der
beschriebenen Werkverträge auf dem Bergwerk West der Beklagten eingesetzt worden.
In einem solchen Fall bedürfe ein Leiharbeitnehmer nicht mehr des besonderen
Schutzes durch ein gesetzlich fingiertes Arbeitsverhältnis zum angeblichen Entleiher.
Eine eventuelle Fiktion eines Arbeitsverhältnisses könne insoweit nur vorübergehend
sein, wenn man sie überhaupt annehmen würde.
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Außerdem sei der Kläger außerhalb des Zeitraumes vom 01.06.2004 bis 09.07.2004
ausschließlich im Rahmen "echter" Werkverträge tätig gewesen. Insbesondere sei das
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unsubstantiierte Vorbringen des darlegungs- und beweisbelasteten Klägers nicht als
geeignet anzunehmen, dass außerhalb des zugestandenen Zeitraumes tatsächlich
Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG und kein Werkvertrag vorliege. Der Kläger
sei weder in ihrem Betrieb eingegliedert gewesen, noch habe er die Arbeiten allein nach
Weisungen ihrer Arbeitnehmer ausgeführt. Der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt
sei nicht geeignet, das Gegenteil darzulegen. Sie alleine verfüge über das
Transportsystem zur Materiallieferung. Das Material würde mit ihren Dieselkatzen und
ihren Fahrern zu den Betriebspunkten der E. GmbH gebracht. Nur wenn einer ihrer
Fahrer ausfiele, erfolge der Transport der Materialien und Maschinen der E. GmbH
durch deren Fahrer. Transporte für die Beklagte würden nicht durch Mitarbeiter der E.
GmbH durchgeführt. Eine Begehung und Kontrolle der Werke durch ihre Mitarbeiter
finde ausschließlich zur Koordination von Werkleistungen und/oder der
Betriebssicherheit statt bzw. zur Durchführung von Teil-Abnahmen.
Ebenso wenig sei sie an der Urlaubsplanung des Klägers beteiligt gewesen. Dieser
habe seine Urlaubsanträge allein an die Betriebsstellenleitung der E. GmbH gerichtet,
die für jede von ihr eingerichtete Betriebsstelle in der Regel
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- insoweit unbestritten - einen gesonderten Urlaubsplan gehabt habe. Eine
Arbeitszeitkontrolle der Mitarbeiter der E. GmbH sei durch die Beklagte nicht erfolgt.
Vielmehr benutze sie das Arbeitserfassungssystem bezüglich der Arbeitnehmer von
Drittunternehmen lediglich zum Zwecke der gemäß § 12 Abs. 5 AB Werkverordnung
vorgeschriebenen Anwesenheitskontrolle. Nach Ablauf einer Arbeitszeit von acht
Stunden werde - unstreitig - eine "Nichtherausliste" erstellt, um feststellen zu können, ob
eine Person ihre Ausfahrt - gegebenenfalls wegen eines Unglücks - nicht gestempelt
habe.
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Aufgrund der Infrastruktur eines Bergwerks sowie aufgrund der unverhältnismäßig
hohen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten habe die E. GmbH nicht über eigene
Flurloks- und Dieselkatzen verfügt, sondern diejenigen der Beklagten sowie deren
Schienennetz mitbenutzt.
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Selbst wenn man jedoch annehmen würde, dass es in Einzelfällen zu arbeitsrechtlichen
Weisungen von Mitarbeitern der Beklagten gegenüber dem Kläger gekommen sei, so
müssten diese außer Betracht bleiben, da diese Arbeitsanweisungen weder von
vertretungsberechtigten Personen abgegeben worden seien noch von diesen geduldet
worden seien. Einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung, die zur Feststellung eines
vom Vertragswortlaut abweichenden Geschäftsinhalts herangezogen würden, seien nur
dann geeignet, wenn es sich nicht um untypische Einzelfälle, sondern um beispielhafte
Erscheinungsformen einer durchgehend geübten Vertragspraxis handele. Dies sei
vorliegend nicht der Fall. Viele der vom Kläger für die Eingliederung in eine fremde
Betriebsorganisation angegebene Beispiele seien auf die Besonderheiten eines
Bergwerkbetriebes und die gesetzlichen Verpflichtungen der Beklagten zur Beachtung
von Sicherheitsvorschriften zurückzuführen.
34
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 06. Dezember 2007 - 8 Ca 1295/06 -
abzuändern und die Klage abzuweisen.
36
Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
38
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und nimmt Bezug auf seinen Sachvortrag in der
ersten Instanz. Er vertritt die Ansicht, gemäß § 10 Abs. 1 AÜG sei ein Arbeitsverhältnis
mit der Beklagten zustande gekommen. Seit dem Jahr 2000 sei er überwiegend als sog.
Dieselkatzenfahrer für die Beklagte tätig gewesen, wobei er nicht nur in der Zeit vom 01.
Juni 2004 bis zum 09. Juli 2004 im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung an die
Beklagte ausgeliehen worden sei, sondern auch in der folgenden Zeit bis Ende 2007 als
Dieselkatzenfahrer bei der Beklagten eingesetzt wurde. Dies sei nicht im Rahmen von
Werkverträgen geschehen, vielmehr habe er sämtliche arbeitsrechtliche Weisungen
konkret vor Ort durch die Aufsichtshauer der Beklagten erhalten. Keinesfalls sei es so
gewesen, dass die "Aufsicht" durch den Dieselkatzenleitstand nur aus
verkehrstechnischen Gründen erfolgt sei. Die Dieselkatzenfahrer hätten sich jeweils
beim Leitstand an- und abmelden müssen. Durch den Leitstand sei auch im Einzelnen
geprüft worden, ob der jeweils eingesetzte Dieselkatzenfahrer über die entsprechenden
Berechtigungen verfüge.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen
den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, insbesondere auf die
Berufungsbegründung vom 04.04.2008 Bl. 270 bis 501 d.A. und die
Berufungserwiderung vom 02. Mai 2008 Bl. 506 bis 519 d.A. Bezug genommen.
40
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
41
A.
42
Die Berufung ist zulässig. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der
Berufung. Die Berufung ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 ZPO
form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft im Sinne
des § 64 Abs. 1, 2 ArbGG.
43
B.
44
Die Berufung ist unbegründet. Zwischen den Parteien besteht ein Arbeitsverhältnis.
45
I.
46
Die Klage ist zulässig.
47
1.
48
Das für den Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche
Feststellungsinteresse liegt vor, da durch den Feststellungsantrag der Streit der Parteien
über das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abschließend geklärt werden kann.
49
Der Klageantrag ist auch hinreichend bestimmt genug. Das Bestimmtheitserfordernis
des Antrags im Sinne von § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO gilt auch für die Feststellungsklage
(BAG vom 17.01.2007 - 7 AZR 33/06 -, EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 116; BAG vom
17.10.2001 - 4 AZR 638/00 - n.v.; BGH vom 17.06.1994 - V ZR 34/92 -, NJW-RR 1994,
1272). Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags soll
50
gewährleisten, dass das Urteil zu einer Befriedung des zur Entscheidung stehenden
Streits der Parteien führt. Ein Feststellungsantrag muss deshalb den genauen Inhalt des
Feststellungsbegehrens enthalten, der in Rechtskraft erwachsen soll (BAG vom
17.10.2001 a.a.O.).
Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Klageantrag. Die Rechtsprechung hat
vergleichbare Anträge stets als ausreichend bestimmt angesehen (vgl. BAG vom
24.05.2006 - 7 AZR 365/05 - n.v. unter Ziffer III 2 a der Gründe; BAG vom 06.08.1997 - 7
AZR 663/96 - EzAÜG § 631 BGB Werkvertrag Nr. 39; BAG vom 20.07.1984 - 5 AZR
627/93 - AP Nr. 73 zu § 611 BGB Abhängigkeit; ähnlich BAG vom 30.01.1991 - 7 AZR
497/89 - AP Nr. 8 zu § 10 AÜG). Das im Klageantrag bezeichnete Rechtsverhältnis ist
durch die Verwendung des Begriffs "Arbeitsverhältnis" hinreichend konkretisiert. Die
von der Beklagten angeführten möglichen Streitpunkte (Umfang der Arbeitszeit, Beginn
des Beschäftigungsverhältnisses, sonstige Arbeitsbedingungen) betreffen einzelne aus
dem Arbeitsverhältnis resultierende Ansprüche, die gegebenenfalls in einem
Folgeverfahren mit entsprechenden Leistungs- oder Feststellungsanträgen geklärt
werden können. Hinsichtlich des Beginns des Beschäftigungsverhältnisses steht bei
einem klagestattgebenden Urteil jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung fest, dass ein solches besteht. Bezüglich der sonstigen
Arbeitsbedingungen bedarf es keiner Konkretisierung im Klageantrag, da sich diese im
vorliegenden Fall gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 AÜG nach den im Betrieb der Beklagten
geltenden Vorschriften und sonstigen Regelungen richten.
51
2.
52
Das Klagerecht ist nicht verwirkt, da die Voraussetzungen einer Prozessverwirkung
nicht erfüllt sind.
53
Nach der ständigen Rechtsprechung des BAG kann das Recht, eine Klage zu erheben,
verwirkt werden, mit der Folge, dass eine gleichwohl erhobene Klage unzulässig ist
(BAG vom 24.05.2006 a.a.O.; BAG vom 02.12.1999 - 8 AZR 890/98 - AP Nr. 6 zu § 242
BGB Prozessverwirkung; BAG vom 11.11.1982
54
- 2 AZR 552/81 - AP Nr. 71 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; grundlegend BAG
vom 02.11.1961 - 2 AZR 66/61 - AP Nr. 1 zu § 242 BGB Prozessverwirkung). Das
Klagebegehren ist verwirkt, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines
längeren Zeitraums erhebt (Zeitmoment) und dadurch ein Vertrauenstatbestand beim
Anspruchsgegner geschaffen wird, dass er gerichtlich nicht mehr in Anspruch
genommen werde. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes das Interesse
des Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm behaupteten Anspruchs derart
überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf die nicht innerhalb angemessener
Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist (Umstandsmoment) (BAG vom 24.05.2006
a.a.O.; BAG vom 06.11.1997 - 2 AZR 172/97 - AP Nr. 45 zu § 242 BGB Verwirkung). Die
verfassungsrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 2 GG gebietet es,
den Weg zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, mit Sachgründen nicht zu
rechtfertigender Weise zu erschweren (vgl. BverfG vom 26.01.1972 - 2 BvR 255/67 -,
BverfGE 32, 305 zu Ziffer II 2 b der Gründe; BAG vom 24.05.2006 a.a.O.). An eine
Prozessverwirkung sind sehr hohe Anforderungen zu stellen (BAG vom 10.10.2007 - 7
AZR 448/06 - n.v.).
55
Im vorliegenden Fall fehlt es sowohl am Zeitmoment als auch am Umstandsmoment.
56
Anders als es die Beklagte meint, kann hinsichtlich des Zeitmoments frühestens auf die
Zeit ab der Wiedererteilung einer Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung im September
2005 abgestellt werden, da jedenfalls bis zu diesem Zeitpunkt eine etwaige
Arbeitnehmerüberlassung rechtswidrig war. Von diesem Zeitpunkt an sind bis zur
Einreichung der Klage lediglich sechs Monate vergangen. Dieser kurze Zeitraum ist
unter den strengen Voraussetzungen, die an die Verwirkung zu stellen sind, als nicht
ausreichend anzusehen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist beim Zeitmoment
nicht auf den Zeitpunkt des erstmaligen Einsatzes des Klägers in dem Bergwerk der
Beklagten abzustellen. Unstreitig besaß die frühere Vertragsarbeitgeberin E. GmbH
eine Erlaubnis gemäß §§ 1, 2 AÜG, so dass bis zum 29.01.2004 eine etwaige
Arbeitnehmerüberlassung des Klägers an die Beklagte keineswegs rechtswidrig war.
Ob der Kläger gegenüber der E. GmbH hätte geltend machen können, dass sein
Arbeitsvertrag mit der E. GmbH keine Möglichkeit des Verleihs beinhaltet, ist im
vorliegenden Fall für die Frage des Zeitmoments der Verwirkung unerheblich. Fraglich
ist, ab wann die Beklagte gegebenenfalls darauf vertrauen durfte, dass ihr gegenüber
keine Ansprüche des Klägers mehr geltend gemacht werden. Hier kann frühestens auf
den Zeitpunkt ab dem 07.09.2005 abgestellt werden, da die E. GmbH ab diesem
Zeitpunkt wieder eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis besaß und damit die
Arbeitnehmerüberlassung des Klägers an die Beklagte nicht mehr rechtswidrig war,
zumal die Parteien zu diesem Zeitpunkt auch einen weiteren
Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen hatten.
Der Kläger hat außerdem keinen Umstand gesetzt, der bei der Beklagten die Erwartung
erwecken konnte, er werde das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses nicht mehr
"prozessual" geltend machen. Allein auf die Weiterarbeit bei der E. GmbH kann aus
verschiedenen Gründen nicht abgestellt werden. Zum Einen ist diese Tätigkeit in keiner
Weise aussagekräftig, da sie unverändert im Betrieb der Beklagten erfolgt ist. Zum
Anderen ist nicht ersichtlich, auf welche Weise der Kläger Kenntnis von dem -
möglichen - Fehlen einer Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung in der
Zeit vom 29.01.2004 und der (Wie-
57
der-)erteilung derselben zum 07.09.2005 erlangt haben soll. Ebenso wenig bestehen
Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagten eine inhaltliche Einlassung auf die Klage
unzumutbar wäre. Den Kläger trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen
einer unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung, so dass etwaige Darlegungs- und
Beweisprobleme aufgrund des Zeitablaufs zu seinen Lasten gehen. Darüber hinaus
zeigt der ausführliche Vortrag der Beklagten im Rahmen dieses Prozesses, dass ihr
eine prozessuale Einlassung unproblematisch möglich ist. Auch wenn die Beklagte
befürchtet, dass es ihr aufgrund der Einstellung des Steinkohlebergbaus und der damit
verbundenen hohen Personalfluktuation zukünftig nur schwer möglich sein wird, sich
substantiiert gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 138 Abs. 1 ZPO zu entsprechenden
Behauptungen einzulassen, so gilt dies jedenfalls nicht für den vorliegenden Fall, in
dem es der Beklagten möglich war, sich ausführlich und substantiiert zu den einzelnen
Behauptungen des Klägers einzulassen.
58
II.
59
Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht Essen hat zu Recht angenommen, dass
zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis kraft der Fiktion des § 10
60
Abs. 1 S.1 AÜG i.V.m. § 9 Nr. 1 AÜG zustande gekommen ist.
61
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und
Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn
der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag
zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer gemäß
62
§ 9 Nr. 1 AÜG unwirksam ist. Dies ist der Fall, wenn der Verleiher nicht die nach § 1
AÜG erforderliche Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung besitzt.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
63
1.)
64
Unstreitig war der Kläger zumindest in der Zeit vom 01.06.2004 bis 09.07.2004 im
Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung der E. GmbH als sog. Dieselkatzenfahrer im
Bergwerk West der Beklagten eingesetzt. Diesem Einsatz lag die Bestellung der
Beklagten vom 08.04.2004 (Bestellnummer 2875033) zugrunde. Der Kläger wurde
innerhalb dieses Zeitraums mindestens während 25 Schichten als Dieselkatzenfahrer
eingesetzt. Während dieses Zeitraums bestand weder die gegenüber der E. GmbH
ursprünglich erteilte Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung fort, noch war dieser
Einsatz des Klägers - entgegen der Ansicht der Beklagten - unerheblich.
65
a)
66
Die durch die Verschmelzung entstandene E. GmbH verfügte in dem vorgenannten
Zeitraum nicht über eine Arbeitnehmerüberlassung, da die der früheren E. GmbH erteilte
Erlaubnis mit der Verschmelzung auf die S. Bau- und Wegebaustoffe GmbH erloschen
ist.
67
In der Literatur werden unterschiedliche Auffassungen zu der Lösung des Problems
vertreten, dass die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erlischt. Hierbei wird zumeist
zwischen dem Erlöschen der Erlaubnis bei Tod des Verleihers als natürlicher Person
und bei Auflösung des Verleihers als juristischer Person unterschieden. Die
Auffassungen in der Literatur und Rechtsprechung zum Erlöschen der Erlaubnis bei der
Auflösung des Verleihers unterscheiden sich wie folgt:
68
(1)
69
Ein Teil der Literatur vertritt die Ansicht, dass in den Fällen der Übernahme eines
Verleihers durch einen Rechtsnachfolger die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
befristet fortwirkt und somit nicht ohne Weiteres ein erlaubnisfreier Zustand eintritt
(Thüsing/Kaemmerer, AÜG, § 2 Rdn. 32). Zwar wird auch von diesen Vertretern
angenommen, dass mit der Auflösung einer juristischen Person oder dem Tod einer
natürlichen Person die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis grundsätzlich erlischt,
jedoch wird die Auffassung vertreten, dass die Annahme der Nichtigkeit des
Leiharbeitverhältnisses und die Fiktion eines Arbeitsverhältnisses zum Entleiher gemäß
§§ 9 Ziffer 1, 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG unbillig wäre. Vielmehr sei § 9 Ziffer 1 AÜG so zu
interpretieren, dass die Unwirksamkeit des Arbeitsvertrages erst mit dem Abschluss der
Liquidation einer juristischen Person eintrete, wenn die Abwicklung nicht länger als 12
Monate andauere.
70
(2)
71
Ein anderer Teil der Literatur nimmt an, dass die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
zwar auf den oder die Rechtsnachfolger zur Abwicklung übergehen soll, jedoch
unverzüglich eine neue Erlaubnis zu beantragen ist, um das Verleihunternehmen
fortführen zu können. Insoweit soll es keinen bestimmten, befristeten
Übergangszeitraum geben, wenn auch ein sofortiger erlaubnisfreier Zustand nicht
eintreten soll (ErfK/Wank, 8. Aufl., § 2 AÜG Rdn. 19; HWH/Pods, Arbeitsrecht
Kommentar, 2. Auflage 2006, § 2 Rdn. 4).
72
(3)
73
Demgegenüber wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, dass die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß §§ 1, 2 AÜG im Falle der
Unternehmensnachfolge aufgrund ihres höchstpersönlichen Charakters nicht - auch
nicht für einen bestimmten Übergangszeitraum - aufrechterhalten bleibt. Insoweit würde
die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis stets mit einem Inhaberwechsel beim Verleiher
und in allen Fällen einer Rechtsnachfolge erlöschen (Sandmann/Maschall, AÜG,
Loseblattsammlung, § 2 Anm. 23; Schüren in Schüren/Hamann, AÜG, 3. Aufl. 2007, § 2
Rdn. 24 ff.). Für die
74
Annahme, dass die Überlassungserlaubnis mit der endgültigen Auflösung der
juristischen Person unmittelbar erlischt, gibt es nach dieser Ansicht keine Ausnahme. Es
wird vertreten, dass dies auch unter dem Aspekt der Sicherung der Leiharbeitnehmer
hinnehmbar sei. Die Auflösung einer juristischen Person beinhalte stets die
vorhergehende Abwicklung der laufenden Geschäfte, wie etwa §§ 70 Satz 1 GmbHG,
268 Abs. 1 Satz 1 AktienG zeige (Schüren in: Schüren/Hamann, AÜG, 3. Aufl., § 2 Rdn.
102).
75
Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten schlägt ein Teil der Literatur vor, die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis rückwirkend und zügig unter Widerrufsvorbehalt zu
erteilen, wenn der Rechtsnachfolger unverzüglich einen Erlaubnisantrag stellt. So
könne sichergestellt werden, dass für die Zwischenzeit nicht die Fiktion des § 10 Abs. 1
AÜG eintrete (Sandmann/Marschall, AÜG, Loseblattsammlung, § 2, Anm. 23).
76
(4)
77
Die Rechtsprechung geht ebenfalls davon aus, dass die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 AÜG grundsätzlich nicht im Wege der
Rechtsnachfolge auf einen anderen Rechtsträger übergeht (LAG Schleswig-Holstein
vom 06.04.1984 - 3 (4) Sa 597/82 - EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 35; BSG vom
12.12.1991 - 7 RAR 56/90 - NZA 1992, 668 ff.). Dies ergebe sich aus dem Wesen der
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Dabei handele es sich um
eine rein personenbezogene Erlaubnis. Ihr höchstpersönlicher Charakter lasse sich aus
den gesetzlichen Versagungsgründen des § 3 AÜG herleiten, insbesondere den
Merkmalen der Zuverlässigkeit (Abs. 1 Nr. 1), der Gestaltung der Betriebsorganisation
(Abs. 1 Nr. 2) sowie der Ausgestaltung der Verträge durch den Verleiher (Abs. 1 Nr. 3).
Eine einmal erteilte Erlaubnis erlische mithin nicht nur durch Zeitablauf (§ 2 Abs. 4 Satz
1 und 3 AÜG), bei einjähriger Nichtausübung (§ 2 Abs. 5 Satz 2 AÜG), bei Rücknahme
(§ 4 AÜG) oder Widerruf ( § 5 AÜG), sondern auch bei Tod oder bei Auflösung des
Erlaubnisträgers (BSG, 12.12.1991, a.a.O.).
78
Darüber hinaus gibt es - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung, die sich mit der
Frage auseinandersetzt, ob im Falle der Rechtsnachfolge bei einer Verschmelzung
ohne Liquidation die Arbeitnehmerüberlassung mit sofortiger Wirkung erlischt oder auf
den Rechtsnachfolger befristet oder unbefristet übertragen wird.
79
(5)
80
Die Kammer vertritt für diesen Fall die Auffassung, dass die
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis der ursprünglichen Erlaubnisinhaberin mit der
Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister erlischt. Nur für den Fall, dass die
die ursprüngliche Erlaubnisinhaberin aufnehmende Gesellschaft bei Abschluss des
notariellen Verschmelzungsvertrages auch einen ordnungsgemäßen Antrag auf
Erteilung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei der zuständige Behörde gestellt
hat und die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis durch die zuständige Behörde nicht bis
zur Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister erteilt wurde, soll die neu erteilte
Erlaubnis auf den Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung ins Handelsregister
zurückwirken, so dass kein erlaubnisfreier Zustand entsteht.
81
Die Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit zum Gesetz zur
Regelung der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, Stand Oktober 2004, Ziffer
7.1 sehen vor, dass im Falle einer Verschmelzung die dem übertragenen Rechtsträger
erteilte Erlaubnis erlischt. Insoweit orientieren sich auch diese
Durchführungsanweisungen an dem Grundsatz, dass es sich um eine rein
personenbezogene Erlaubnis mit höchstpersönlichem Charakter handelt. Es kann nicht
auf den vorliegenden Einzelfall abgestellt werden, bei dem eine Geschäftsführeridentität
vorliegt, sondern es muss von dem Grundsatz ausgegangen werden, dass die
Erlaubnisbehörde in jedem Einzelfall überprüfen muss, ob der Rechtsnachfolger die
Zuverlässigkeit und die erforderliche Betriebsorganisation besitzt und ob die
Ausgestaltung der Verträge durch den Verleiher den gesetzlichen Anforderungen auch
bei dem Rechtsnachfolger genügen.
82
Die Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit ist dem aufnehmenden
Unternehmen bekannt oder hätte ihm bekannt sein müssen, dass mit der
Verschmelzung die dem übertragenen Rechtsträger erteilte Erlaubnis erlischt. Mit
Abschluss des notariellen Verschmelzungsvertrages ist beurkundet worden, wer die den
alten Erlaubnisträger aufnehmende Gesellschaft ist. Von daher kann diese
aufnehmende Gesellschaft auch unter Vorlage des notariellen
Verschmelzungsvertrages eine eigene Erlaubnis bei der zuständigen Behörde
unverzüglich beantragen. Sollte die aufnehmende Gesellschaft sämtliche
Voraussetzungen für die Erteilung einer eigenen Erlaubnis durch die Erlaubnisbehörde
erfüllen, so kann es nicht zu ihren Lasten oder zu Lasten einer etwaigen Entleiherfirma
oder zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer gehen, wenn zwischen dem Zeitpunkt der
Beantragung und der Erteilung der Erlaubnis die Eintragung der Verschmelzung ins
Handelsregister erfolgt und damit die ursprünglich vorhandene Erlaubnis erlischt. In
einem solchen Fall wären die Rechtsfolgen einer erlaubnisfreien Zeit für die an dem
Verleiharbeitsverhältnis beteiligten Parteien weitaus gravierender als dies durch den
Schutzzweck des § 10 ABs. 1 Satz 1 AÜG beabsichtigt ist.
83
Wenn feststeht, dass sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung einer
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei der aufnehmenden Gesellschaft bereits zum
Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister vorliegen, wäre dem
84
Schutzzweck der Norm, nach der besonders die Leiharbeitnehmer vor unseriösen
Verleiher- und Entleiherfirmen geschützt werden sollen, genüge getan, da keine
Versagungsgründe im Sinne des § 3 AÜG vorliegen würden.
Wenn man trotz dieser Voraussetzungen keinerlei Übergangszeitraum zwischen der
Eintragung der Verschmelzung im Handelregister und der Erteilung der Erlaubnis
annehmen würde, hätte dies für die Leiharbeitnehmer zur Folge, dass ihr
Arbeitsverhältnis zum Verleiherbetrieb gemäß § 9 Ziffer 1 AÜG mit Erlöschen der
Erlaubnis unwirksam wäre mit der Rechtsfolge, dass nur noch ein faktisches
Arbeitsverhältnis bestünde, von dem sich die Arbeitsvertragsparteien durch einseitige
Erklärung ohne jede Einschränkung und mit sofortiger Wirkung lösen könnten. Dies
würde insbesondere für die Leiharbeitnehmer eine besondere Härte bedeuten, die zum
Zeitpunkt des Erlöschens der Erlaubnis nicht bei einer Entleiherfirma beschäftigt sind,
da die Verleiherfirma für sie z.B. zu diesem Zeitpunkt keine passende
Einsatzmöglichkeit hat. Für sie würde kein Arbeitsverhältnis zu einer Entleiherfirma
begründet. Für die Entleiherfirma hätte dies zur Konsequenz, dass gemäß § 10 Abs. 1
Satz 1 AÜG zwischen ihr und den Leiharbeitnehmern ein Arbeitsverhältnis begründet
würde, obwohl die Verleiherfirma sich an sämtliche gesetzliche Voraussetzungen für die
Durchführung eines ordnungsgemäßen Leiharbeitsverhältnisses gehalten hat und die
Entleiherfirma selbst keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die gesellschaftsrechtlichen
Veränderungen der Verleiherfirma und deren Beantragung einer neuen Erlaubnis hat.
Von daher erscheint es unbillig, bei der oben dargestellten Sachverhaltskonstellation
keinen Übergangszeitraum einzuräumen. Statt dessen vertritt die Kammer die
Auffassung, dass die von der Erlaubnisbehörde zu erteilende Erlaubnis auf den
Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung zurückwirken muss, wenn die
aufnehmende Gesellschaft bereits mit Abschluss des notariellen
Verschmelzungsvertrages eine entsprechende Erlaubnis beantragt hat und sämtliche
Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Zeitpunkt der Eintragung der
Verschmelzung im Handelsregister gegeben sind. Sollte in diesen Fällen ein zeitlicher
Verzug seine Ursache in der Organisation der Erlaubnisbehörde haben oder sollte es zu
Rückfragen kommen, die nichts mit der grundsätzlichen Geeignetheit der
aufnehmenden Gesellschaft in Bezug auf die Erteilung der Erlaubnis zu tun haben, so
darf dies nicht zu Lasten der am Verleiharbeitsverhältnis beteiligten Parteien gehen.
85
(6)
86
Für den vorliegenden Fall bedeutet diese Auffassung der Kammer, dass die bei der
ursprünglichen Erlaubnisinhaberin (E. GmbH) vorhandene Erlaubnis mit Eintragung der
Verschmelzung im Handelsregister erloschen ist, da es die aufnehmende Gesellschaft
(S. Bau- und Wegebaustoffe GmbH) versäumt hat, bei Abschluss des
Verschmelzungsvertrages eine eigene Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu
beantragen. Der notarielle Verschmelzungsvertrag stammt vom 13. August 2003.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die S. Bau- und Wegebaustoffe GmbH, auf die die
alte E. verschmolzen wurde, einen neuen Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur
Arbeitnehmerüberlassung stellen können. Bis zur Eintragung der Verschmelzung in das
Handelsregister und dem dadurch bedingten Erlöschen der E. GmbH wäre eine neue
Erlaubnis - jedenfalls unter Zugrundelegung des normalen Zeitablaufs - erteilt worden.
Dies kann auch daraus abgeleitet werden, dass zwischen dem Antrag der neuen E.
GmbH und der Erteilung der Erlaubnis keine vier Monate lagen. Nur wenn die S. Bau-
und Wegebaustoffe GmbH im Hinblick auf die bevorstehende Verschmelzung einen
entsprechenden Antrag auf Erteilung der Erlaubnis gestellt hätte und dieser nicht bis zur
87
Eintragung der Verschmelzung erteilt worden wäre, müsste man unter dem
Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes annehmen, dass die bestehende Erlaubnis bis
zum Zeitpunkt der Neuerteilung nachwirkt bzw. die neu erteilte Erlaubnis auf den
Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung zurückwirkt. Diese Voraussetzungen sind
aber im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die E. GmbH den Antrag auf Erteilung einer
neuen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis erst ca. 1,5 Jahre nach Eintragung der
Verschmelzung ins Handelsregister beantragte, obwohl ihr nach den
Durchführungsanweisungen der Bundesagentur für Arbeit hätte bekannt sein müssen,
dass die Erlaubnis mit der Eintragung der Verschmelzung erlischt.
b)
88
Zwischen dem Kläger und der Beklagten ist ein Arbeitsverhältnis kraft gesetzlicher
Fiktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen, da der Einsatz des Klägers im
Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung in einem zur Begründung dieses
Arbeitsverhältnisses nicht nur unerheblichen Zeitraumes geschah und - entgegen der
Auffassung der Beklagten - eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 AÜG nicht in
Betracht kommt.
89
(1)
90
§ 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG knüpft an die Unwirksamkeitsregelung des § 9 Nr. 1 AÜG an
und bestimmt deren Rechtsfolgen. Danach sind Verträge zwischen Verleihern und
Entleihern sowie zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern unwirksam, wenn der
Verleiher nicht die für eine gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nach § 1 AÜG
erforderliche behördliche Erlaubnis besitzt. Für diesen Fall der Unwirksamkeit eines
Arbeitsvertrages zwischen einem Verleiher und einem Leiharbeitnehmer gilt nach § 10
Abs. 1 Satz 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem
Leiharbeitnehmer als zustande gekommen.
91
Der Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion setzt mithin voraus, dass nach dem Inhalt der
vertraglichen Vereinbarungen, die die beteiligten Vertragspartner getroffen haben, der
Tatbestand der gewerbsmäßigen und erlaubnispflichtigen Arbeitnehmerüberlassung
vorliegt. Es darf sich also bei dem Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher, in
dessen Betrieb der Arbeitnehmer eingesetzt werden soll, nicht um einen Werk- oder
Dienstvertrag handeln, in dessen Rahmen der Arbeitnehmer lediglich als
Erfüllungsgehilfe seines Arbeitgebers in dem Betrieb des Dritten tätig wird. Im letzteren
Fall greifen die Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes nicht ein (vgl.
BAG, 24.05.2006 - 7 AZR 365/05 -, EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 114; BAG 06.08.2003 -
7 AZR 180/03 -, EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 111; BAG 30.01.1991 - 7 AZR 497/89 -,
EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 66).
92
Vorliegend ist es zwischen den Parteien unstreitig, dass zwischen der E. GmbH und der
Beklagten ein Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen wurde und der
Kläger zumindest in der Zeit vom 01.06.2004 bis 09.07.2004 im Rahmen einer echten
Arbeitnehmerüberlassung für die Beklagte tätig war. Im Zeitraum vom 01.06.2004 bis
09.07.2004 war es nicht etwa so, dass der Kläger auf der vertraglichen Grundlage eines
Werk- oder Dienstvertrages tätig werden sollte und die Ausgestaltung des
Vertragsverhältnisses eine Arbeitnehmerüberlassung darstellte. Vorliegend hat die
Beklagte den Kläger als Dieselkatzenfahrer im Rahmen des abgeschlossenen
Arbeitnehmerüberlassungsvertrages bei der E. GmbH für eine gewisse Anzahl von
93
Einsätzen angefordert und der Kläger war im Rahmen dieser Anforderung für die
Beklagte tätig. Die E. GmbH besaß während dieses Anforderungszeitraums nicht die
erforderliche behördliche Erlaubnis gemäß § 1 AÜG.
Die E. GmbH war auch im Rahmen einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung
tätig. Die Gewerbsmäßigkeit einer Arbeitnehmerüberlassung wird definiert als jede,
nicht nur gelegentliche, sondern auf eine gewisse Dauer angelegte und auf die
Erzielung unmittelbarer oder mittelbarer wirtschaftlicher Vorteile gerichtete selbständige
Tätigkeit (ErfK/Wank, 8.Aufl. § 1 AÜG Rdn. 40). Die Überlassung muss auf eine gewisse
Dauer angelegt sein. Der nur gelegentliche Verleih ist nicht erlaubnispflichtig.
Bagatellfälle sollen so ausgeklammert werden (BAG, 16.03.2000 - 2 AZR 196/99 -,
EzAÜG § 1 AÜG Gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung Nr. 34). Darüber hinaus ist
an das Tatbestandsmerkmal der Gewerbsmäßigkeit im Hinblick auf den sozialen
Schutzzweck der Norm, die die Arbeitnehmer vor unseriösen Verleihern bewahren will,
keine zu hohe Anforderung zu stellen. Es genügt vielmehr jede
Arbeitnehmerüberlassung, die wiederholt vorgenommen werden soll, wobei es nicht auf
die Dauer des Ablaufs einer bestimmten Zeit ankommt, sondern darauf, ob die Tätigkeit
der Arbeitnehmerüberlassung auf Dauer angelegt ist. (BAG, 16.03.2000 - 2 AZR 196/99
-, a.a.O.; BAG 18. Februar 1988 - 2 AZR 583/87 - EzAÜG § 1 AÜG Gewerbsmäßige
Arbeitnehmerüberlassung Nr. 23; ErfK/Wank, 8. Aufl. , § 1 AÜG Rdn. 38).
94
Die E. GmbH betreibt neben ihrem sonstigen Unternehmenszweck mindestens seit dem
Jahr 1999 eine auf Dauer angelegte Arbeitnehmerüberlassung. Allein mit der hiesigen
Beklagten hat die E. GmbH seit 1999 einen Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag
geschlossen, der auch nach der Wiedererteilung der Erlaubnis fortgesetzt wurde. Ob die
E. GmbH darüber hinaus auch noch mit anderen Unternehmen
Arbeitnehmerüberlassungsverträge geschlossen hatte, ist der Kammer nicht bekannt.
Für die Gewerbsmäßigkeit ist es aber bereits ausreichend, dass die E. GmbH der
Beklagten auf Dauer Arbeitnehmer im Wege der Arbeitnehmerüberlassung zur
Verfügung stellte und nicht etwa nur einen kurzfristigen Spitzenbedarf der Beklagten
abdeckte. Darüber hinaus betrieb die E. GmbH die Arbeitnehmerüberlassung mit
Gewinnerzielungsabsicht. Die E. GmbH war ein Wirtschaftsunternehmen, bei dem die
erzielten Einnahmen die Aufwendungen überschreiten sollten. An der
Gewerbsmäßigkeit der Arbeitnehmerüberlassung durch die E. GmbH bestehen daher
keine Zweifel.
95
(2)
96
Das Arbeitsgericht hat zutreffend gewürdigt, dass die Eingliederung des Klägers in den
Betrieb der Beklagten im Rahmen der unstreitig durchgeführten
Arbeitnehmerüberlassung ausreichend war, um ein Arbeitsverhältnis zwischen dem
Kläger und der Beklagten gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zu fingieren.
97
Richtig ist, dass das BAG in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass nicht jeder
drittbezogene Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung im Sinne des AÜG ist. Die
Arbeitnehmerüberlassung ist vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der
Vertragsbeziehungen zwischen Verleiher und Entleiher einerseits (dem
Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer
andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen
Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet (BAG, 24.05.2006 - 7
AZR 365/05 - a.a.O.; BAG, 06.08.2003 - 7 AZR 27/03 -, a.a.O.; BAG 19. März 2003 - 7
98
AZR 267/02 - BAGE 105, 317; BAG 03.12.1997- 7 AZR 764/96 - BAGE 97, 186).
Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ist die Verpflichtung des
Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen
Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen (BAG 19. Januar 2000, 7 AZR
6/99, zitiert nach juris; BAG 03.12.1997 - 7 AZR 764/96 - a.a.O. m.w.N.). Die
Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den
Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat (BAG
03.12.1997 - 7 AZR 764/96 - a.a.O.; BAG 22.Juni 1994 - 7 AZR 286/93 - BAGE 77, 102).
Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines
Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen
Fällen wird der Unternehmer für einen Anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung
eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen
Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der im Vertrag vorgesehenen Dienste oder
für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen
verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrags eingesetzten
Arbeitnehmer unterliegen der Weisung des Arbeitgebers und sind dessen
Erfüllungsgehilfen. Der Werkbesteller kann jedoch, wie sich aus § 645 Abs. 1 Satz 1
BGB ergibt, dem Werkunternehmer selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen Anweisungen
für die Ausführung des Werkes erteilen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom
Arbeitnehmerüberlassungsgesetz nicht erfasst (ständige Rechtsprechung vgl. BAG
30.01.1991 - 7 AZR 497/89 - BAGE 67, 124; 22. Juni 1994 - 7 AZR 286/93 - a.a.O.; BAG
06.08.2003 - 7 AZR 180/03 - a.a.O.; BAG 24.05.2006 - 7 AZR 365/05 - a.a.O.).
99
Über die rechtliche Einordnung eines Vertrages entscheidet der Geschäftsinhalt und
nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine Bezeichnung, die dem
Geschäftsinhalt tatsächlich nicht entspricht. Der Geschäftsinhalt kann sich sowohl aus
den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch aus der praktischen
Ausführung des Vertrages ergeben. Widersprechen sich beide, so ist die tatsächliche
Durchführung des Vertrages maßgebend, weil sich aus der praktischen Handhabung
der Vertragsbeziehungen am ehesten Rückschlüsse darauf ziehen lassen, von welchen
Rechten und Pflich-
100
ten die Vertragsparteien ausgegangen sind, was sie also wirklich gewollt haben. Der so
ermittelte wirkliche Wille der Vertragsparteien bestimmt den Geschäftsinhalt und damit
den Vertragstyp (BAG 30.01.1991 - 7 AZR 497/89 - a.a.O.). Einzelne Vorgänge der
Vertragsabwicklung sind zur Feststellung eines vom Vertragswortlaut abweichenden
Geschäftsinhalts nur geeignet, wenn es sich dabei nicht um untypische Einzelfälle,
sondern um beispielhafte Erscheinungsformen einer durchgehend geübten
Vertragspraxis handelt. Dabei muss diese abweichende Vertragspraxis den auf Seiten
der Vertragspartner zum Vertragsabschluss berechtigten Personen bekannt gewesen
und von ihnen zumindest geduldet worden sein; denn sonst kann eine solche, den
schriftlichen Vereinbarungen widersprechende Vertragsdurchführung nicht als Ausdruck
des wirklichen Geschäftswillens der Vertragspartner angesehen werden (BAG 30.
Januar 1991 - 7 AZR 497/89 - a.a.O., zu IV 2 der Gründe; BAG 06.08.2003 - 7 AZR
180/03 -, a.a.O.).
101
(3)
102
Unter Berücksichtigung dieser ständigen Rechtsprechung des BAG zur Abgrenzung
zwischen Arbeitnehmerüberlassungsverträgen und Werk- bzw. Dienstverträgen war der
103
Kläger zumindest in der Zeit vom 01.06.2004 bis 09.07.2004 im Rahmen einer
Arbeitnehmerüberlassung für die Beklagte tätig. Es ist zwischen den Parteien unstreitig,
dass der Kläger in dieser Zeit vollschichtig im Rahmen von 25 Arbeitsschichten als
Dieselkatzenfahrer von der Beklagten eingesetzt wurde. Er unterlag innerhalb dieses
Zeitraumes vollständig dem Direktionsrechts der Beklagten, die seinen Arbeitseinsatz
geplant und gesteuert hat. Der Kläger war vollständig in den Betrieb der Beklagten
eingegliedert und führte seine Arbeiten allein nach den Weisungen der Beklagten aus.
Die E. GmbH hatte der Beklagten den Kläger als Arbeitskraft zur Verfügung gestellt.
Damit endete die Vertragspflicht der E. GmbH gegenüber der Beklagten, da sie den
Kläger als Arbeitnehmer ausgewählt und der Beklagten nur Verfügung gestellt hatte.
Alle weiteren für die Durchführung der Arbeit erforderlichen Anweisungen erhielt der
Kläger während dieser Zeit von der Beklagten. Insofern war zumindest für die Zeit vom
01.06.2004 bis zum 09.07.2004 die Vertragsbeziehung zwischen der E. GmbH und der
Beklagten sowie die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung des Vertrages
inhaltsgleich. Es kommt für diesen Zeitraum - im Gegensatz zu den sonst meist
vorliegenden Fällen - nicht darauf an, ob sich die ausdrücklichen Vereinbarungen der
Vertragsparteien und die praktische Durchführung widersprechen und damit der
wirkliche Willen der Vertragsparteien ermittelt werden muss, um den Vertragsinhalt und
den Vertragstyp bestimmen zu können.
(4)
104
Auf die Einwendungen der Beklagten, sie habe zum Einen keine Kenntnis von dem
Fehlen der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis bei der E. GmbH gehabt und der
Zeitraum, in dem der Kläger im Rahmen einer echten Arbeitnehmerüberlassung bei ihr
eingesetzt gewesen sei, sei für das Vertragsverhältnis insgesamt nicht prägend
gewesen, führen nicht dazu, dass die vom Gesetz vorgesehene Rechtsfolge nicht
eintritt.
105
Die Rechtsprechung des BAG, nach der die von der Vertragsgrundlage abweichende
Vertragspraxis den auf Seiten der Vertragspartner zum Vertragsabschluss berechtigten
Personen bekannt gewesen und von ihnen zumindestens geduldet worden sein muss,
ist für den vorliegenden Fall nicht einschlägig. Vorliegend geht es nicht um die Kenntnis
der vertretungsberechtigten Personen davon, dass der von ihnen abgeschlossene
Vertrag in der Vertragspraxis nicht umgesetzt wird, sondern darum, dass eine rechtliche
Voraussetzung (Vorliegen der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis) für den von ihnen
abgeschlossenen Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrag, nach dem eine zulässige
Arbeitnehmerüberlassung stattfinden sollte, nicht vorlag.
106
Richtig ist, dass die E. GmbH zum Zeitpunkt des Abschlusses des
Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrages vom 16.11.1999/01.12.1999 im Besitz der
Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Überlassung von Arbeitnehmern gemäß § 1 Abs. 1 AÜG
war und sich verpflichtet hat, der Beklagten über sämtliche Veränderungen im Hinblick
auf die erteilte Erlaubnis unverzüglich schriftlich Mitteilung zu machen. Richtig ist auch,
dass weder die E. GmbH noch die Beklagte Kenntnis von dem Erlöschen der Erlaubnis
mit Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister hatten. Diese fehlende Kenntnis
der E. GmbH und der Beklagten über das Fehlen einer gesetzlichen Voraussetzung für
eine zulässige Arbeitnehmerüberlassung kann aber nicht dazu führen, dass ein vom
Gesetz vorgesehene Rechtsfolge außer Kraft gesetzt wird. Wie oben bereits ausgeführt,
hätte die E. GmbH Kenntnis von dem Erlöschen der Erlaubnis haben können und wäre
insoweit auch nach § 1 des Rahmenarbeitnehmerüberlassungsvertrages verpflichtet
107
gewesen, der Beklagten unverzüglich von dem Erlöschen der Erlaubnis Mitteilung zu
machen. Wenn die E. GmbH dieser Verpflichtung nicht nach kommt, ergibt sich
gegebenenfalls eine Schadensersatzpflicht der Beklagten gegenüber der E. GmbH.
Keinesfalls kann dadurch aber die Rechtsfolge eines Gesetzes, welches als
Arbeitnehmerschutzgesetz ausgestaltet ist, außer Kraft gesetzt werden. Dies würde
ansonsten bedeuten, dass die Frage, ob die Rechtsfolge eines Gesetzes eintritt oder
nicht, daran festgemacht würde, ob Verleiher und Entleiherfirma von der fehlenden
Erlaubnis Kenntnis hatten und über welches Unrechtsbewusstsein sie verfügten. Zwar
mag es sein, dass die Beklagte bei Kenntnis der fehlenden
Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis den Kläger nicht im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung angefordert hätte. Für die Frage des Zustandekommens
eines Arbeitsverhältnisses ist diese Feststellung aber unerheblich.
Der Einwand der Beklagten, der Einsatz des Klägers sei im Verhältnis zu dem
Gesamtarbeitsverhältnis nicht prägend gewesen und habe insgesamt nur
108
0,04 % der gesamten vom Kläger behaupteten Arbeitszeit bei der E. GmbH betragen,
führt ebenfalls nicht dazu, dass zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis gemäß §
10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande gekommen wäre.
109
Zunächst ist auf den Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG und seinen Schutzzweck
hinzuweisen. § 10 Abs. 1 Satz 1 enthält keine Zeitangaben dergestalt, dass ein
Arbeitnehmer zunächst für einen bestimmten Zeitraum im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung ohne Vorliegen einer Erlaubnis eingesetzt wird, bevor zum
Entleiher ein Arbeitsverhältnis begründet wird. § 10 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AÜG sieht
lediglich vor, dass für den Fall, dass die Unwirksamkeit des zwischen dem Verleiher
und dem Leiharbeitnehmer geschlossenen Vertrages erst eintritt, nachdem der
Leiharbeitnehmer seine Tätigkeit beim Entleiher aufgenommen hat, das
Arbeitsverhältnis zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer erst mit dem
Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen gilt. Durch diese Vorschrift wird
sichergestellt, dass die Fiktion des Arbeitsverhältnisses erst dann eintritt, wenn der
Unwirksamkeitsgrund vorliegt. Das Gesetz sieht nicht vor, dass zwischen dem Beginn
der Unwirksamkeit durch Wegfall der Erlaubnis und der Begründung des
Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher ein gewisser Zeitraum
(wie lange) vergangen sein muss, bis das Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.
Darüber hinaus ergibt sich aus § 10 Abs. 1 AÜG, dass der Gesetzgeber einzelne
Regelungen hinsichtlich des Beginns des Arbeitsverhältnisses zwischen
Leiharbeitnehmer und Entleiher, einer möglichen Befristung und dem Inhalt des
Arbeitsverhältnisses getroffen hat. Hätte der Gesetzgeber für die Begründung eines
Arbeitsverhältnisses einen gewissen Umfang der durchgeführten
Arbeitnehmerüberlassung annehmen wollen, hätte er dies an dieser Stelle regeln
können. Insoweit ist nicht ersichtlich, warum die Rechtsfolge des § 10 Abs. 1 Satz 1
AÜG nach dem Gesetzeswortlaut nicht eingreifen sollte.
110
Dieses Ergebnis ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck des § 10 AÜG. Bei § 10
AÜG handelt es sich um zwingendes Arbeitnehmerschutzrecht, wobei diese Regelung
allein den unter Verstoß gegen die Vorschriften des AÜG verliehenen Arbeitnehmer
schützen will und ihn durch die gesetzlich geschaffene Fiktion eines zum Entleiher
begründeten Arbeitsverhältnisses bei gemäß §§ 9 Nr. 1 Abs. 1 AÜG unwirksamen
Verträgen zwischen Verleiher und Entleiher absichern will (Schüren a.a.O., § 10 Rdn. 2,
11 ff. sowie 36 am Ende; Böhmke/Lemke, AÜG, 2. Aufl. 2005, § 10 Rdn. 5 ff. und 27 ff.;
111
BAG, Urteil vom 30.01.1991 - 7 AZR 497/89 - a.a.O.; LAG München, 26.10.2006 - 4 Sa
1324/05 -, EzAÜG § 10 AÜG Fiktion Nr. 115). Arbeitnehmerüberlassung bedarf, wenn
sie gewerbsmäßig betrieben wird, gemäß § 1 Abs. 1 AÜG der behördlichen Erlaubnis.
Der Erlaubnisvorbehalt soll, wie die in § 3 AÜG normierten Versagungsgründe zeigen,
von vornherein sicherstellen, dass gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung nur von
zuverlässigen Personen betrieben wird, die nach behördlicher Prüfung die Gewähr für
eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Arbeitgeberpflichten bieten. Der Sicherung des
Erlaubnisvorbehalts dient die Regelung des § 9 Nr. 1 AÜG, nach der auf
Arbeitnehmerüberlassung gerichtete Verträge unwirksam sind, wenn der Verleiher die
erforderliche behördliche Erlaubnis nicht hat. Das Gesetz knüpft die
Unwirksamkeitsfolge allein an das Fehlen der behördlichen Erlaubnis ohne Rücksicht
darauf, ob der Verleiher zuverlässig ist und den Arbeitgeberpflichten korrekt nach kommt
(BAG, 30.01.1991 - 7 AZR 498/89 - a.a.O.).
Die außerdem von der Beklagten herangezogene Rechtsprechung des BAG, nach der
es im Zweifel auf die tatsächlichen Verhältnisse ankommt, ist für den vorliegenden Fall
nicht einschlägig.
112
Die von der Beklagten zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung beschäftigt sich mit
den Fällen, dass die Parteien einen Werk- oder Dienstvertrag ihrem Vertragsverhältnis
zugrundegelegt haben und einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung nicht dem
Wesen eines Werk- oder Dienstvertrages entsprechen, sondern für sich betrachtet, als
Arbeitnehmerüberlassung qualifiziert werden müssten. In diesen Fallkonstellationen
geht die Rechtsprechung des BAG davon aus, dass nicht jeder drittbezogene
Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung ist und nicht jeder untypische Einzelfall,
bei dem sich einzelne Vorgänge der Vertragsabwicklung nicht mit dem Vertragswortlaut
decken, zur Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung führen soll. Allein in diesem
Zusammenhang hat das BAG angenommen, dass von einer Arbeitnehmerüberlassung
nur dann ausgegangen werden kann, wenn die vom Vertrag abweichende
Vertragspraxis für den Vertrag prägend ist und die abweichende Vertragspraxis den auf
Seiten der Vertragspartner zum Vertragsabschluss berechtigten Personen bekannt
gewesen ist und von ihnen zumindest geduldet wurde (BAG, Urteil vom 06.08.2003 - 7
AZR 180/03 - a.a.O.).
113
Vorliegend handelt es sich bei der Tätigkeit des Klägers in dem besagten Zeitraum
jedoch nicht um eine vom Vertragswortlaut abweichende tatsächlich geübte
Vertragspraxis, sondern um eine Übereinstimmung zwischen Vertragswortlaut und
tatsächlich ausgeübter Vertragspraxis. Die Beklagte hat den Kläger im Rahmen des
Arbeitnehmerüberlassungsvertrages mit der E. GmbH angefordert und eingesetzt,
sodass es nicht darauf ankommt, zu prüfen, ob der Kläger während eines bestimmten
Zeitraums aufgrund eines Werkvertrages eingesetzt war und die tatsächliche
Vertragspraxis der Parteien zur Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung führen würde.
114
(5)
115
Ebenso geht die Beklagte fehl in der Annahme, dass das Arbeitsgericht Essen von
einem bis zum 09.07.2004 befristeten Arbeitsverhältnis hätte ausgehen müssen. Zwar
sieht § 10 Abs. 1 Satz 2 AÜG vor, dass das Arbeitsverhältnis nach Satz 1 als befristet
gilt, wenn die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers bei dem Entleiher nur befristet
vorgesehen war und ein die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich
rechtfertigender Grund vorlag. Diese Voraussetzungen sind jedoch im vorliegenden Fall
116
nicht gegeben. Die Beklagte hat lediglich behauptet, die Bestellung vom 08.04.2004 sei
von vornherein zeitlich begrenzt gewesen, ohne dies im Einzelnen darzulegen und
unter Beweis zu stellen. Ebenso wenig hat die Beklagte dargelegt, dass auch die
Tätigkeit des Klägers bei der Beklagten nur befristet vorgesehen war und dass ein die
Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. Ein
Befristungsgrund kann sich nur aus der Rechtsbeziehung zwischen Verleiher und
Leiharbeitnehmer ergeben, denn nur zwischen ihnen besteht ein (Leih-
)arbeitsverhältnis, so dass auch nur aus den Umständen, die die in dieser
Rechtsbeziehung verbundenen Personen betreffen, Befristungsgründe herzuleiten sind
( ErfK/Wank, 8.Aufl., Einl. AÜG Rdn. 7). Vorliegend war der zwischen dem Kläger und
der E. GmbH geschlossene Vertrag unbefristet, so dass ein sachlicher Grund für die
Befristung des Arbeitsverhältnisse nicht vorliegt.
Die Tenorierung des Arbeitsgerichts Essen, wonach ein unbefristetes Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien zustande kommt, ist daher keineswegs widersprüchlich.
117
(6)
118
Die von der Beklagten vorgenommene teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 AÜG ist
vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt und deshalb auch nicht möglich.
119
Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 AÜG ist es - wie oben bereits dargelegt und wie auch
von der Beklagten richtig dargestellt -, dem Arbeitnehmer zu seinem Schutz einen
Ersatz dafür zu verschaffen, dass sein Arbeitsvertrag mit dem Verleiher wegen fehlender
behördlicher Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung gemäß § 9 Nr. 1 AÜG unwirksam
ist. Hierbei knüpft das Gesetz die Unwirksamkeitsfolge allein an das Fehlen der
behördlichen Erlaubnis ohne Rücksicht darauf, ob der Verleiher zuverlässig ist und den
Arbeitgeberpflichten korrekt nachkommt. Ebenso ist es unerheblich, ob der
Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, für den Verleiher weiter arbeitet und dieser zu
einem späteren Zeitpunkt die Erlaubnis wieder erhält, oder, ob der Arbeitnehmer in
einem sog. Mischbetrieb arbeitet, bei dem das Unternehmen sowohl auf der Basis von
Werk- und Dienstverträgen als auch auf der Basis von
Arbeitnehmerüberlassungsverträgen tätig ist. Das BAG hat sich im Urteil vom
30.01.1991 (- 7 AZR 498/89 - a.a.O) bereits mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine
teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG für den Fall in Betracht kommt,
dass zwar die Erlaubnis gemäß § 1 AÜG fehlt, der Arbeitgeber aber seine
Arbeitgeberpflichten korrekt erfüllt. Bereits in diesem Urteil hat das BAG ausgeführt,
dass es für eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 AÜG für diese
Fallkonstellation keinen Raum sehe. Nichts anderes kann gelten, wenn der
Arbeitnehmer - wie im vorliegenden Fall - sein Arbeitsverhältnis die gesamte Zeit mit der
Verleiherfirma abwickelt und auch dann fortsetzt, wenn die Verleiherfirma wieder im
Besitz einer entsprechenden Erlaubnis ist.
120
Nach der Rechtsprechung und der überwiegenden Meinung in der Literatur gelten für
die Auflösung eines gesetzlich gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingierten
121
Arbeitsverhältnisses die allgemeinen Regelungen. Es kann also nur durch Kündigung
oder durch Aufhebungsvertag unter Berücksichtigung der Regelungen, u.a. des § 623
BGB, beendet werden (BAG, Urteil vom 30.01.1991 - 7 AZR 497/89 - a.a.O.;
Thüsing/Mengel, AÜG, § 10 Rdn. 17; ErfK/Wank, 8. Aufl., § 10 AÜG Rdn. 33). Das
zwischen dem Kläger und der Beklagten zustande gekommene Arbeitsverhältnis ist
122
vorliegend weder durch eine Kündigung der Beklagten noch durch einen
Auflösungsvertrag beendet worden und besteht nach wie vor fort. Darüber hinaus hat
der Kläger mit der E. GmbH zu dem Zeitpunkt, zu dem die E. GmbH ihre Erlaubnis
wieder erlangte, konkludent ein neues neben dem Arbeitsverhältnis zu der Beklagten
bestehendes Arbeitsverhältnis begründet, dessen Hauptleistungspflichten - Arbeit
gegen Entgelt - zwischen der E. GmbH und dem Kläger ausgetauscht wurden. Das
daneben zur Beklagten bestehende Arbeitsverhältnis ruhte. Eine solche konkludente
Begründung des Arbeitsverhältnisses bedarf im Gegensatz zu der Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses nicht der Schriftform. Der Rechtsordnung ist das Nebeneinander
zweier Arbeitsverhältnisse, bei denen eines ruht und das andere aktiv betrieben wird,
durchaus bekannt. So gibt es die Möglichkeit, dass der Anstellungsvertrag eines
Arbeitnehmers so lange ruht, wie er als Geschäftsführer für das gleiche Unternehmen
tätig ist. Ebenso ergibt sich aus § 12 KSchG, dass der Arbeitnehmer zwischen dem
aufgrund einer Kündigung nicht wirksam beendeten Arbeitsverhältnis und dem während
des Kündigungsschutzprozesses neu eingegangenen Arbeitsverhältnisses wählen
kann. Zwar unterscheiden sich diese Fälle dadurch, dass sich die Parteien über das
Bestehen zweier Arbeitsverhältnisse bewusst sind und im vorliegenden Fall weder der
Kläger, noch die Beklagte, noch die E. GmbH Kenntnis davon hatten, wie die einzelnen
Vertragskonstellationen aussehen. Diese Unkenntnis führt jedoch nicht dazu, dass die
Vertragskonstellation nicht möglich ist und insbesondere kann sie nicht dazu führen,
dass die fest stehenden Rechtsgrundsätze durch diese Unkenntnis umgangen werden.
Wenn ein wirksam begründetes Arbeitsverhältnis nur durch Kündigung oder
Auflösungsvertrag schriftlich beendet werden kann, kann es eben nicht durch die
Fortsetzung des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses oder wie hier vertreten durch die
konkludente Neugründung des Arbeitsverhältnisses mit Erteilung der Erlaubnis in
Wegfall geraten.
c)
123
Im vorliegenden Fall kommt es somit auf die Frage, ob der Kläger außerhalb des
Zeitraumes vom 01.06.2004 bis zum 09.04.2004 ebenfalls im Rahmen der
Arbeitnehmerüberlassung tätig war oder - wie die Beklagte annimmt - anson-sten
ausschließlich im Rahmen von Werk- oder Dienstverträgen, nicht an. Dadurch, dass der
Kläger im Rahmen der echten Arbeitnehmerüberlassung in einem Zeitraum für die
Beklagte tätig war, in dem die E. GmbH keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung
gemäß § 1 AÜG besaß, war sein Arbeitsverhältnis mit der E. GmbH gemäß § 9 Nr. 1
AÜG unwirksam, was zur Folge hatte, dass zwischen der Beklagten und dem Kläger ein
Arbeitsverhältnis gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG zustande kam. Da dieses
Arbeitsverhältnis von der Beklagten weder gekündigt wurde, noch die Parteien einen
Auflösungsvertrag geschlossen haben, besteht zwischen den Parteien nach wie vor ein
Arbeitsverhältnis.
124
C.
125
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
126
Die Kammer hat die Revision gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zugelassen. Der
Entscheidung liegen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zugrunde, die so
noch nicht höchstrichterlich entschieden wurden.
127
RECHTSMITTELBELEHRUNG
128
Gegen dieses Urteil kann von der beklagten Partei
129
R E V I S I O N
130
eingelegt werden.
131
Für den Kläger ist gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel gegeben.
132
Die Revision muss innerhalb einer Notfrist* von einem Monat schriftlich beim
133
Bundesarbeitsgericht
134
Hugo-Preuß-Platz 1
135
99084 Erfurt
136
Fax: 0361 2636 2000
137
eingelegt werden.
138
Die Notfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils,
spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
139
Die Revisionsschrift muss von einem Bevollmächtigten unterzeichnet sein. Als
Bevollmächtigte sind nur zugelassen:
140
1. Rechtsanwälte,
141
2. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse
solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse
mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
142
3. Juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in
Nr. 2 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich
die Rechtsberatung und Prozessvertretung der Mitglieder dieser Organisation oder
eines anderen Verbandes oder Zusammenschlusses mit vergleichbarer Ausrichtung
entsprechend deren Satzung durchführt und wenn die Organisation für die Tätigkeit der
Bevollmächtigten haftet.
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In den Fällen der Ziffern 2 und 3 müssen die Personen, die die Revisionsschrift
unterzeichnen, die Befähigung zum Richteramt haben.
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Eine Partei die als Bevollmächtigter zugelassen ist, kann sich selbst vertreten.
145
* eine Notfrist ist unabänderlich und kann nicht verlängert werden.
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