Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 24.05.2007

LArbG Baden-Württemberg: unerlaubte handlung, zitat, darstellung des sachverhaltes, jurist, rechtliches gehör, berufliche tätigkeit, arbeitsgerichtsbarkeit, gerichtsstand, firma, unterlassungsklage

LArbG Baden-Württemberg Beschluß vom 24.5.2007, 9 Ta 2/07
Persönlich Diffamierung eines Vertreters des Arbeitgeberverbandes durch Gewerkschaftssekretär - Rechtsweg - koalitionsspezifische
Tätigkeit - Streitwert einer Unterlassungsklage
Leitsätze
1. Wenn ein Gewerkschaftssekretär einen Vertreter eines Arbeitgeberverbandes persönlich diffamiert, ist für die Entscheidung über einen
Unterlassungsanspruch der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet.
2. Das gilt nicht, wenn die Äußerung einen Bezug zur Tätigkeit der Koalitionen hat. Den hat derjenige zu beweisen, der sich auf die Zulässigkeit des
Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten beruft. Ist der Beweis nach der von Amts wegen durchzuführenden Beweisaufnahme nicht erbracht, verbleibt es
bei der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
3. „Er war ein Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand.“ stammt nicht von Kurt Tucholsky. Das Zitat stammt von Ludwig Thoma und lautet richtig:
„Er war ein guter Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand“ (aus der Kurzgeschichte „Der Vertrag“ über den königlichen Landgerichtsrat Alois
Eschenberger).
4. Wenn man über einen Verbandsfunktionär eines Arbeitgeberverbandes, der zugleich als Rechtsanwalt tätig ist sagt, „Er war ein Jurist und auch
sonst von mäßigem Verstand.“, beträgt der Streitwert einer Unterlassungsklage nicht 50.000 EUR. sondern allenfalls 4000 EUR.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg, Kammern Villingen-Schwenningen vom 25.01.2007,
13 Ca 511/06 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
1
Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten.
2
Der Kläger, Rechtsanwalt, Geschäftsführer eines tarifgebundenen Arbeitgeberverbandes wie auch eines nicht tarifgebundenen
Arbeitgeberverbandes begehrt mit der vorliegenden Klage, den Beklagten zu verurteilen, zur Vermeidung eines für jeden Falles der
Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes zu unterlassen, über den Kläger zu äußern: "Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand."
3
Der Beklagte, Gewerkschaftssekretär der IG Metall - Verwaltungsstelle in F. hielt sich in dieser Funktion am 22.11.2006 bei der Firma S. E. AG in
Sch. aus Anlass einer Betriebsversammlung auf. Dieses Unternehmen ist seit Ende der neunziger Jahre nicht mehr tarifgebunden. Auf dieser
vom Betriebsrat einberufenen Betriebsversammlung, sprach zunächst der Betriebsratsvorsitzende und Zeuge M. die Frage der Zahlung von
Zuschlägen an. Er kündigte an, dass der Betriebsrat die Angelegenheit zur Prüfung einem Rechtsanwalt übergeben wolle. In dem darauf
folgenden Referat des Vorstandsmitgliedes Sch. wurde dieses Thema nicht behandelt. Der Beklagte griff sodann in seinem sich anschließenden
Redebeitrag das Thema der Zahlung von Zuschlägen wieder auf. Der weitere Hergang der Dinge ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls
wurde von dem Beklagten sodann in diesem Zusammenhang geäußert, er, der Beklagte, halte es mit Tucholsky der bereits gesagt habe: "Er war
Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand."
4
Ob sich dieses fälschliche "Tucholsky-Zitat" auf den Kläger oder ganz allgemein auf den Berufsstand der Rechtsanwälte bezogen hatte, ist
zwischen den Parteien insbesondere streitig.
5
Der Kläger hat seine Unterlassungsklage zunächst beim Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - erhoben. Er hatte zuvor,
vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, dem Beklagten eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit Schreiben vom 28.11.2006
übersandt und den Beklagten aufgefordert, diese bis zum 04.12.2006 unterschrieben zurückzusenden. Diese Verpflichtungserklärung hatte
folgenden Inhalt:
6
"Hiermit verpflichte ich mich gegenüber Herrn Dr. K., ...,
1. es ab sofort zu unterlassen, auf Herrn Dr. K. das Tucholsky-Wort "Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand." anzuwenden
und öffentlich zu verlautbaren;
2. Herrn Dr. K. für jeden zukünftigen Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 eine Vertragsstrafe von 5.000,00 EUR zu bezahlen;
3. die Abmahnkosten der Rechtsanwälte H. & K. aus einem Streitwert von 50.000,00 EUR in Höhe von 1.359,80 EUR nebst Auslagen
und Mehrwertsteuer, mithin insgesamt 1.600,57 EUR zu bezahlen."
7
Das Justitiariat des Arbeitgebers des Beklagten äußerte sodann, dass man keine Veranlassung sehe, dem Beklagten zu raten, die übersandte
Verpflichtungserklärung zu unterzeichnen.
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Der Vorsitzende des Arbeitsgerichts Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - wies sodann auf Bedenken sowohl hinsichtlich der
sachlichen als auch der örtlichen Zuständigkeit des Arbeitsgerichts hin.
9
Er gewährte rechtliches Gehör. Mit Beschluss vom 25.01.2007 erklärte das Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - den
Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig und verwies den Rechtsstreit an das zuständige Amtsgericht Oberndorf am Neckar.
10 Zur Begründung führte es aus, ein Fall des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG liege nicht vor, denn bei der streitgegenständlichen Handlung handele es sich
weder um eine unerlaubte Handlung im Rahmen von Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfes noch gehe es um die Frage der
Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit in Zusammenhang stehenden Betätigungsrechtes einer der Parteien als tariffähige Vereinigung.
11 Dieser Beschluss wurde dem Beklagten am 31.01.2007 zugestellt. Er legte hiergegen sofortige Beschwerde am 12.02.2007 mit Schriftsatz vom
09.02.2007 ein.
12 Er wurde dem Kläger am 29.01.2007 zugestellt. Dieser beantragte mit Schriftsatz vom 08.02.2007, der an das Amtsgericht Oberndorf gerichtet
war, die Verweisung an das Landgericht Freiburg.
13 Zur Begründung trug er vor, das Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen - habe zu Unrecht entschieden, der Rechtsweg zu
den Arbeitsgerichten sei unzulässig. Der Kläger sei Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes S. Die behaupteten Aussagen des Beklagten
seien im Zusammenhang einer Betriebsversammlung im Betrieb Sch. der S.E. erfolgt. Die Rechtstreitigkeit habe einen kollektivrechtlichen Bezug,
so dass die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten gegeben sei. Die Rede des Beklagten habe sich auf das Thema
Schichtzuschläge des nicht mehr tarifgebundenen Arbeitgebers bezogen. Stellungnahmen des Beklagten im Rahmen seiner beruflichen
Tätigkeit hierzu seien koalitionsspezifische Aktivitäten im Rahmen der Tätigkeit der IG Metall. Ein lediglich fehlerhaftes Zitat eines
Gewerkschaftssekretärs auf einer Betriebsversammlung könne nicht die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit für Vorgänge bei einer
Betriebsversammlung in Frage stellen. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Beklagte den abwesenden Kläger gerade nicht persönlich
angegriffen habe, sondern lediglich zum Ausdruck gebracht habe, dass er kein Verständnis dafür habe, dass den Arbeitnehmern bestimmte
Vergütungen nicht gezahlt würden, während sich zwei Anwälte kostenspielig über Schichtzuschläge streiten sollten. Der Beklagte habe gemeint,
dass das Geld, welches die Anwälte kosten würden, besser für die Spätschichtzuschläge der Kolleginnen und Kollegen verwendet werden solle.
Im Übrigen habe er geäußert, er halte es mit Kurt Tucholsky. Dieser habe einst gesagt, er - Tucholsky - sei Jurist und auch sonst von mäßigem
Verstand. Auch aus dem Verhalten des Beklagten während des weiteren Verlaufs seiner Rede ergäbe sich, dass der Kläger nicht persönlich
gemeint gewesen sei. Der Beklagte habe am Mikrofon erklärt, sollte jemand im Raum sein Zitat so verstanden haben, dass er damit den Kläger
gemeint habe, so würde er sich dafür bei Herrn Dr. K. entschuldigen. Bei Herrn Tucholsky entschuldige er sich dafür aber nicht. Hätte der
Beklagte den Kläger persönlich gemeint, so hätte er keineswegs stehenden Fußes in der Versammlung erklärt, dass er sich bei Herrn K.
entschuldigen würde, falls hier jemand ein Missverständnis gehabt hätte. Im Übrigen habe bereits aufgrund dieses Vorganges keinerlei
Wiederholungsgefahr bestanden. Im Übrigen sei der von dem Kläger angegebene Gegenstandswert für die Unterlassungserklärung völlig
überhöht.
14 Der Beklagte
beantragt
15
1. Der Beschluss des Arbeitsgerichts Freiburg, 13 Ca 511/06 vom 25.10.2006 wird aufgehoben und abgeändert.
16
2. Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für zulässig erklärt.
17 Der Kläger
beantragt,
18
die Beschwerde zurückzuweisen.
19 Er trägt zur Begründung vor, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei gegeben, da der Beklagte ihn persönlich angegriffen habe, indem er
bezogen auf den Kläger erklärt habe: Er - und damit sei der Kläger gemeint gewesen - sei Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand. Der
Versuch des Beklagten, mit seiner Einlassung die Vorgänge in der Betriebsversammlung vom 22.11.2006 in diesem Punkte zu verwischen
zeigten, dass Geistes Kind der Beklagte sei. Auch die von ihm behauptete Entschuldigung sei besten Falls geheuchelt. Auch der Betriebsrat
selbst habe den verunglimpfenden Charakter der Aussage eindeutig auf den Kläger bezogen verstanden. Es fehle daher an jedem
kollektivrechtlichen Bezug, weil es sich ausschließlich um persönliche und diffamierende Äußerungen des Beklagten gegenüber dem Kläger
gehandelt habe.
20 Im Übrigen sei angesichts des Streitwertes von 50.000,-- EUR das Amtsgericht Oberndorf, sondern das Landgericht Freiburg sachlich als auch
örtlich zuständig. Es handele sich um eine unerlaubte Handlung des Beklagten. Bei derartigen Begehungsdelikten richte sich der Gegenstand
nach dem Ort an welchem das geschützte Recht in das geschützte Rechtsgut eingegriffen worden sei. Dieser sogenannte Erfolgsort liege in F.,
da der Kläger auf der Betriebsversammlung nicht persönlich anwesend gewesen sei, sei der Erfolgsort der ständige Aufenthaltsort des Klägers.
21 Das Beschwerdegericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Herrn H., Herrn Z und Herrn M. zur Frage des Inhaltes der
Äußerung des Beklagten auf der Betriebsversammlung am 22.11.2006 bei der Firma S.r E. AG. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme
wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.05.2007 Bezug genommen.
B.
22 Die zulässige, sofortige Beschwerde des Beklagten ist unbegründet und war daher kostenpflichtig zurückzuweisen.
23 Der Schriftsatz des Klägers vom 08.02.2007 an das Amtsgericht Oberndorf stellt keine Beschwerde dar, da er nicht an das Arbeitsgericht oder
das Beschwerdegericht gerichtet war.
I.
24 Die nach § 48 Abs. 1 ArbGG i.V.m. § 17 a Abs. 4 S. 3 ZPO statthafte Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 569 ZPO form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden.
25 Nach § 17 a Abs. 2 S. 1 GVG hat das Gericht die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs vorab auszusprechen und den Rechtsstreit an
das zuständige Gericht des zulässigen Rechtswegs zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, wird an das vom Kläger oder Antragsteller
auszuwählende Gericht verwiesen.
II.
26 Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist unzulässig, da ein die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit begründender Tatbestand nach § 2
Abs. 1 ArbGG nicht vorliegt.
27
1. Zwar sind die Arbeitsgerichte nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG zuständig und für die Entscheidung bürgerlicher Rechtsstreitigkeiten
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum
Zweck des Arbeitskampfes oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit in Zusammenhang stehenden
Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt.
28
Das Beschwerdegericht ist nicht davon überzeugt, dass sich ein Sachverhalt ereignet hat, der die Zuständigkeit der
Arbeitsgerichtsbarkeit begründen würde. Aus diesem Grunde war die Beschwerde zurückzuweisen.
29
Die Arbeitsgerichtsbarkeit wäre zuständig, wenn die vom Kläger beanstandete Äußerung des Beklagten einen Bezug zum
Betätigungsrecht der Koalitionen hat. Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig ist und dann,
wenn Zweifel verbleiben, ob die Arbeitsgerichtsbarkeit nach § 2 Abs. 1 ArbGG zuständig ist, es bei der Zuständigkeit der ordentlichen
Gerichtsbarkeit bleibt. Nur dann, wenn die Tatbestände des § 2 ArbGG zur Überzeugung des Gerichtes erfüllt sind, kann der Rechtsweg
zu den Arbeitsgerichten angenommen werden (Germelmann u.a., ArbGG, 5. Auflage, § 2, Rn. 189).
30
2. Nach Durchführung der Beweisaufnahme ist das Berufungsgericht nicht davon überzeugt, dass die Äußerungen des Beklagten einen
koalitionsspezifischen Bezug gehabt haben.
31
Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG weit
auszulegen ist und alle Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit einer Teilnahme der Koalitionen am Arbeitskampf
und ihrer Betätigung im Arbeitsleben erfassen. Darunter fällt auch der Streit über Widerrufs- und Unterlassungsansprüche wegen
ehrverletzender Behauptungen, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 823 BGB erfüllt sind oder nicht (BAG, Beschluss vom
29.10.2001, 5 AZB 44/00, AP-Nr. 80 zu § 2 ArbGG, 1979). Dabei muss allerdings die Äußerung des Beklagten einen unmittelbaren
Bezug zu gewerkschaftlichen Aufgaben haben. Die Gewerkschaften haben auf die Einhaltung von Tarifverträgen zu achten. Sie haben
ein Teilnehmerrecht an Betriebsversammlungen und können auch gegenüber Arbeitnehmern die Vorteile einer
Gewerkschaftsmitgliedschaft in einer Betriebsversammlung darstellen. Solange die Aussage des Beklagten einen irgendwie gearteten
Bezug zur Betätigungsfreiheit der Gewerkschaften und zur Wahrnehmung ihrer zugewiesenen Aufgaben hat, handelt es sich um eine
arbeitsrechtliche Streitigkeit, für die nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet ist. Nicht zu den
Aufgaben einer Gewerkschaft gehört es, Vertreter eines Arbeitgebers persönlich wegen deren persönlichen Eigenschaften und
Fähigkeiten anzugreifen, lächerlich zu machen oder zu diffamieren.
32
Nach Durchführung der Beweisaufnahme bleiben zumindest erhebliche Zweifel, ob die Äußerungen des Beklagten einen
koalitionsspezifischen Bezug gehabt haben. Vielmehr erscheint es zumindest in gleichwertigem Umfang denkbar, dass sich die
Äußerungen des Beklagten auf den Kläger persönlich bezogen haben. Der Zeuge Herr H. wie auch der Zeuge Herr Z. haben beide
übereinstimmend bekundet, dass die Äußerungen des Beklagten im Zusammenhang mit dem (fälschlichen) Tucholsky-Zitat sich
eindeutig auf den Kläger bezogen hätten. Der Zeuge Herr H. sagte aus, der Beklagte habe gesagt: "Ihm fällt Tucholsky ein, der gesagt
hat: Er war Jurist und auch sonst von mäßigem Verstand." Der Zeuge bekundete, dass unmittelbar zuvor der Beklagte sich über den
Kläger dahingehend ausgelassen habe, dass man bei diesem nicht wisse, in welcher Funktion er erscheinen würde und er deswegen
dieses Zitat auf den Kläger bezogen habe. Auch der Zeuge Herr Z. bestätigte Entsprechendes. Auch er sagte aus, dass der Beklagte
sich zunächst darüber ausgelassen habe, dass man bei Herrn Dr. K. nie wisse, in welcher Eigenschaft er komme und anschließend das
bereits beschriebene, angebliche und inhaltlich falsche Tucholsky-Zitat geäußert habe.
33
Demgegenüber hat der Betriebsratsvorsitzende Herr M., der sich an das Zitat an sich nicht mehr genau erinnern konnte gesagt, er wie
auch ein Großteil der Belegschaft habe dieses Zitat eher als humoristische Einlage und als nicht auf den Kläger persönlich, sondern auf
den Berufsstand der Rechtsanwälte bezogen.
34
Das Gericht braucht nicht zu entscheiden, welcher Sachverhaltsversion es den Vorrang gewährt. Jedenfalls ist nach Durchführung der
Beweisaufnahme keineswegs sicher, dass der Beklagte dieses "Tucholsky-Zitat" im Rahmen seiner koalitionspolitischen Betätigung in
dem Sinne verwendet habe, "man solle das Geld nicht Rechtsanwälten zahlen, sondern lieber den Mitarbeitern zukommen lassen" und
in diesem Zusammenhang dann durch das "Tucholsky-Zitat" lediglich den Beruf der Rechtsanwälte gewissermaßen durch den Kakao
gezogen habe. Die klaren und eindeutigen Aussagen der Zeugen H. und Z. haben mindestens ebensolches Gewicht wie die Aussage
des Zeugen M. und diese lassen nur den Rückschluss zu, dass der Beklagte das "Tucholsky-Zitat" ausschließlich auf den Kläger
bezogen hat.
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Es ist für das Gericht jedenfalls nicht erweislich, dass die die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit begründeten Tatsachen im Sinne
des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG vorliegen, so ist hier nach durchgeführter Beweisaufnahme die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den
Arbeitsgerichten zu verneinen.
36
Für die vorliegende Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob sich der Beklagte in der Betriebsversammlung selber sofort noch
entschuldigt hat und ob es nachvollziehbare Gründe für den Beklagten dafür gab, die Unterlassungsverpflichtung, an die die Erstattung
von Anwaltskosten von 1.600,-- EUR gebunden war, nicht zu unterschreiben. Diese Umstände wird das Gericht der ordentlichen
Gerichtsbarkeit im Rahmen der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen zu würdigen haben.
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3. a) Der Rechtsstreit war an das zuständige Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit zu verweisen. Funktional ist das Amtsgericht
zuständig. Das Beschwerdegericht geht von einem Gegenstandswert von 4.000,-- EUR aus. Zur Begründung dieses
Gegenstandswertes wird auf die Begründung des Vergleichsvorschlags in der Verfügung vom 13.04.2007 Bezug genommen, wo das
Beschwerdegericht im Zusammenhang mit einem den Parteien unterbreiteten Vergleichsvorschlag bereits ausgeführt hat:
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Entgegen der Auffassung des Klägers kommt nur ein Streitwert von 4.000,00 EUR nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG in Betracht, der ggf. eine
Zuständigkeit des Amtsgerichts Oberndorf begründen würde, was den Vorteil hätte, dass die dortigen Richter ortsnäher residieren und
mit lokalen Gepflogenheiten besser vertraut sind als das Landgericht Freiburg.
39
Der Streitwert von 4.000,00 EUR ist selbst bei unterstellter Richtigkeit der klägerischen Darstellung des Sachverhaltes ausreichend und
angemessen. Der beleidigende Inhalt der behaupteten Ausführungen des Beklagten hält sich in Grenzen. Einen Grund beleidigt zu
sein, hätte vor allem Dr. jur. Kurt Tucholsky, dem ein Zitat von Ludwig Thoma in den Mund bzw. den literarischen Nachlass geschoben
wurde. Aber auch Ludwig Thoma könnte sich ebenso mit Recht gekränkt fühlen, denn seine ironische Sprachschöpfung wurde durch
die unvollständige Zitierung durch den Beklagten ihres selbstkritischen Witzes beraubt. Schließlich heißt es bei Ludwig Thoma, der
selbst Rechtsanwalt war: "Der königliche Landgerichtsrat Alois Eschenberger war ein
guter
Verstand." Eschenberger hatte nämlich "im Staatsexamen einen Brucheinser bekommen". (Das Ganze ist nachzulesen in der Erzählung
"Der Vertrag" auf der Internetseite http://gutenberg.spiegel.de/thoma/muenchnr/mnch205.htm).
40
Der Kläger selbst mag ebenfalls Anstoß daran nehmen, dass der Beklagte das Wort "guter" hat entfallen lassen. Es mag auch eine
grobe Ungehörigkeit sein, über den Kläger zu behaupten, "er sei von mäßigem Verstand". Das Ganze entschärft sich allerdings dadurch,
dass es sich dabei um eine in Bezug auf Juristen häufiger anzutreffende Redensart handelt. Jedenfalls ist es uns Juristen im
Allgemeinen bekannt, dass wir ob unseres gewählten Berufes und einer damit verbundenen geistigen Prägung gelegentlich als Objekt
des Spottes herhalten müssen. Ludwig Thoma hat dereinst davon noch mehr über unser aller Haupt ergossen (nachzulesen in "Der
Münchner im Himmel - Von Rechts wegen" auf jener o.g. Internetseite - die Annahme "von mäßigem" Verstand zu sein, erscheint da
noch harmlos). Das lässt sich jedenfalls aushalten; es ist - auch idealiter betrachtet - nicht mehr als 4.000,00 EUR wert. Das Ganze wird
noch dadurch unterstrichen, dass man sich ob der kampfeserprobten Persönlichkeit des Klägers nicht recht vorstellen kann, dass ihn
eine solche hingeschnäuzte Bemerkung gewissermaßen 50.000,00 EUR tief verletzten kann.
41
Sollte sich der Sachverhalt so darstellen wie vom Beklagten geschildert, erscheint es unwahrscheinlich, diesem Vorgang einen
beleidigenden Charakter zuzusprechen, was allerdings im Wege der Rechtswegzuständigkeit nicht zu prüfen ist.
42
b) Örtlich ist zuständig das Amtsgericht in Oberndorf in dessen Bezirk der Betrieb der Firma S. E. AG liegt. Hierbei handelt es sich um
den Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach § 32 ZPO. Selbst wenn man mit dem Kläger auf den Gerichtsstand des Erfolgsortes
abstellt, so ist dieser Erfolg auf der Betriebsversammlung der Firma S. E. an deren Firmensitz eingetreten, nicht jedoch in F.. Im Übrigen
erscheint es sehr zweifelhaft, den Gerichtsstand des Erfolgsortes in F. schon deswegen anzusiedeln, weil der Kläger hier seinen
Arbeitsplatz hat. Erstens ist der Kläger bedingt durch seine berufliche Tätigkeit und auch sein Hobby, an einer Vielzahl von
verschiedenen Orten - wenn auch noch nicht gleichzeitig - in Baden-Württemberg anzutreffen. Darüber hinaus hat nach allgemeinem
Verständnis ein Mensch - auch ein Verbandsfunktionär in leitender Stellung - seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort immer noch in seiner
Wohnung und nicht in seinem Büro. Von daher wäre als Gerichtsstand des Erfolgsortes allenfalls noch L. im Schwarzwald
heranzuziehen, nicht aber wie vom Kläger gewünscht F.. Wie oben dargestellt, ist Erfolgsort allerdings Sch., was sich bereits daraus
ergibt, dass der Beklagte mit seiner Äußerung - wie es der Zeuge H.l so plastisch formuliert hat, dort eine Pointe gelandet hat.
III.
43 Da die Beschwerde erfolglos geblieben ist, hat der Beklagte die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
44 Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht, da es sich zwar um eine außergewöhnliche Streitigkeit, aber nicht um eine
grundsätzliche Rechtsfrage handelt.