Urteil des KG Berlin vom 17.07.2006

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 140/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 536 BGB, § 812
Abs 1 BGB
Gewerbemietvertrag: Anspruch auf Mietminderung wegen eines
Konkurrenzschutzverstoßes
Leitsatz
Eine vertragswidrige Konkurrenzsituation stellt einen zur Minderung des Mietzinses
berechtigenden Sachmangel der Mietsache dar.
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 17. Juli 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer
12 des Landgerichts Berlin wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Berufung der Kläger richtet sich gegen das am 17. Juli 2006 verkündete Urteil der
Zivilkammer 12 des Landgerichts Berlin, auf dessen Tatbestand und
Entscheidungsgründe Bezug genommen wird.
Die Kläger tragen zur Begründung der Berufung vor:
Das vom Landgericht in Bezug genommene Urteil des Bundesgerichtshofes vom 23.
Dezember 1953 – VI ZR 244/52 – sei nicht einschlägig.
Zudem habe das Landgericht verkannt, dass es sich bei dem ausdrücklich
mietvertraglich vereinbarten Konkurrenzschutz um eine zugesicherte Eigenschaft der
Mietsache handele. Die zugesicherte Eigenschaft sei durch den Betrieb der Frau Dr. Y.
später weggefallen. Ein Anspruch auf Mietminderung bestehe auch, ohne dass es zu
Umsatzeinbußen gekommen sein müsse.
Die Kläger beantragen,
das am 17. Juli 2006 verkündete Urteil der Zivilkammer 12 des Landgerichts
Berlin abzuändern und
a) die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.932,93 € nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
b) festzustellen, dass die Kläger berechtigt sind, bis zur Beseitigung des
Konkurrenzverhältnisses zwischen den Klägern und der Frau Dr. Y., ... die Miete um
1.032,17 € pro Monat zu mindern.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor:
Die Kläger hätten durch den vermeintlichen Verstoß gegen die Konkurrenzschutzklausel
keine Schäden erlitten. Da die Umsätze der Kläger nach Einzug der Frau Dr. Y. sogar
gestiegen seien, verhielten sich die Kläger treuewidrig, wenn sie sich auf einen Verstoß
gegen die Konkurrenzschutzklausel beriefen.
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Der Kläger zu 1) habe vor Abschluss des Mietvertrages zwischen der Beklagten und der
Konkurrentin Dr. Y. im Frühjahr 1999 in Vertretung für die Klägerin zu 2) unter Verzicht
auf alle Formerfordernisse ausdrücklich erklärt, dass sie kein Problem damit hätten,
wenn Frau Dr. Y. im selben Haus eine Praxis für chinesische Medizin etabliere und als
Allgemeinmedizinerin tätig werden würde.
Der Senat hat aufgrund des am 11. Januar 2007 verkündeten Beweisbeschlusses die von
der Beklagten benannten Zeugen Dr. H. R. und T. K. zu der Behauptung der Beklagten
vernommen, der Kläger zu 1) habe vor Abschluss des Mietvertrages zwischen der
Beklagten und der Konkurrentin Dr. Y. im Frühjahr 1999 in Vertretung für die Klägerin zu
2) unter Verzicht auf alle Formerfordernisse ausdrücklich erklärt, dass sie kein Problem
damit hätten, wenn Frau Dr. Y. im selben Haus eine Praxis für chinesische Medizin
etabliere und als Allgemeinmedizinerin tätig werden würde. Wegen des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 11. Januar 2007 (Bl. 124 ff) Bezug
genommen.
II.
Die Berufung der Kläger ist unbegründet.
Die Kläger haben gegen die Beklagte weder gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB einen
Anspruch auf Rückzahlung von im Zeitraum von Juni 2003 bis Oktober 2005 ohne
Rechtsgrund gezahlten Mietzinses, noch haben die Kläger gemäß § 256 ZPO einen
Anspruch auf Feststellung, dass sie berechtigt sind, bis zur Beseitigung des
Konkurrenzverhältnisses zwischen ihnen und der Frau Dr. Y. die Miete um 1.032,17 € pro
Monat zu mindern.
Entgegen der vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen
Rechtsauffassung scheitern die geltend gemachten Ansprüche allerdings nicht daran,
dass, wie das Landgericht rechtsirrig meint, ein Konkurrenzschutzverstoß nicht zu einem
Sach-mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB führe.
Die Mietsache ist seit Juni 2003 mit einem Sachmangel im Sinne von § 536 Abs. 1 BGB
behaftet. Die Beklagte hat die ihr vertraglich obliegende Verpflichtung, den Klägern
Konkurrenzschutz zu gewähren, verletzt.
Im Sommer 2000 vermietete die Beklagte in dem streitgegenständlichen
Gebäudekomplex Räumlichkeiten an Frau Dr. Y. zum Betrieb einer Arztpraxis mit dem
Tätigkeitsschwerpunkt chinesische Heilpraxis. Später, nämlich spätestens im Juni 2003 -
erweiterte Frau Dr. Y. ihre Tätigkeit und wurde auch als praktische Ärztin tätig.
Spätestens seit Juni 2003 wurde der zwischen den Parteien vertraglich vereinbarte
Konkurrenzschutz durch die Tätigkeit der Ärztin Dr. Y. verletzt. Laut Mietvertrag wird
Konkurrenzschutz für folgenden Umfang vereinbart:
“Praktischer Arzt speziell hausärztlicher Internist“
Diese Vereinbarung kann nur dahingehend ausgelegt werden, dass sich der
Konkurrenzschutz sowohl auf die Tätigkeit praktischer Arzt als auch hausärztlicher
Internist beziehen soll. Es handelt sich bei dem praktischen Arzt und dem hausärztlichen
Internisten um verschiedene Fachärzte mit identischem Tätigkeitsbereich. Beide
betreiben eine so genannte Hausarztpraxis, haben also eine identische Klientel.
Unerheblich ist, dass Frau Dr. Y. als praktische Ärztin mit der speziellen Ausrichtung
Chinesische Heilkunde tätig ist. Als praktische Ärztin ist sie Konkurrentin der Kläger.
Unerheblich für die Konkurrenzsituation ist auch der Umstand, dass es sich bei Frau Dr.
Y. um eine gebürtige Chinesin und bei dem Kläger zu 1) um einen gebürtigen Russen
handelt. Entscheidend ist die von den beiden Ärzten ausgeübte Tätigkeit als praktischer
Arzt.
Es ist sowohl in der Literatur (Schmitt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, 536, Rdnr. 172;
Ermann, BGB, 11. Auflage, 535, Rdnr. 45; Dr. Joachim, BB Beilage 6/1986 zu Heft
19/1986; Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Auflage, III. B
Rdnr. 1250; Staudinger, BGB, 2003, 535, Rdnr. 23; Soergel, BGB, 12. Auflage, 535, 536,
Rdnr. 175; Emmerich/Sonnenschein, Miete, 8. Auflage, 536, Rdnr. 11; Sternel, Mietrecht,
3. Auflage, II, 518; Dr. Gather, GE 2000, 1450; Kulik, NZM 1999, 546), als auch in der
Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, NZM 2001, 1033; OLG Düsseldorf, ZMR 1997, 583;
OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 451; RGZ 119, 353; OLG Karlsruhe; NJW-RR 1990, 1234)
herrschende Meinung, dass eine vertragswidrige Konkurrenzsituation einen zur
Minderung des Mietzinses berechtigenden Sachmangel der Mietsache darstellt.
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Minderung des Mietzinses berechtigenden Sachmangel der Mietsache darstellt.
Entgegen den Ausführungen des Landgerichts in der angefochtenen Entscheidung hat
der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 23. Dezember 1953 (ZMR 1954, 78
= BB 1954, 177) nicht ausgeführt, dass ein Konkurrenzschutzverstoß nicht zu einem
Sachmangel im Sinne des 536 Abs. 1 BGB führe. Nach den Ausführungen des BGH in
dieser Entscheidung sind die Mieträume eines hinzukommenden Mieters nicht mit einem
Sachmangel behaftet, wenn die Vermietung an diesen hinzukommenden Mieter einer
Konkurrenzschutzpflicht des Vermieters gegenüber einem anderen Mieter zuwiderläuft,
weil diese schuldrechtliche Verpflichtung die Tauglichkeit der Räume des Zweitmieters
nicht unmittelbar beeinflusse. Damit ist aber nicht gesagt, dass das örtliche
Konkurrenzverhältnis als solches keinen Mangel der Mieträume darstellen kann, denn
hierauf kam es in jenem Fall gar nicht an, weil der Zweitmieter die örtliche
Konkurrenzsituation bei Vertragsschluss genau kannte. Er irrte nur über den Umfang des
Konkurrenzschutzes des ansässigen Mieters und damit über dessen Abwehrbefugnisse
gegenüber der Zweitvermietung (Bub/Treier, a.a.O.). Aufgrund des
Konkurrenzschutzverstoßes weicht der tatsächliche Zustand der Mietsache in für den
Mieter nachteiliger Weise von dem vertraglich vorausgesetzten Zustand der Mietsache
ab (Palandt/Weidenkaff, BGB, 66. Auflage, 536, Rdnr. 16). Für die Beurteilung der Frage,
ob ein Konkurrenzschutzverstoß zu einem Mangel der Mietsache führt, ist es ohne
Belang, ob dieser nachweisbar mit Umsatzeinbußen des Mieters einhergeht (OLG
Düsseldorf, ZMR 2000, 451; OLG Düsseldorf, ZMR 1997, 583; OLG Düsseldorf,, Kulik,
a.a.O.). Dass die Abweichung des vertraglich vereinbarten Zustandes vom tatsächlichen
Zustand der Mietsache bei Vorliegen eines Konkurrenzschutzverstoßes für den Mieter
nachteilig ist, ergibt sich schon allein daraus, dass die Miete für ein Objekt ohne
Konkurrenz im Allgemeinen höher ist, als diejenige für Räume, bei denen eine
Konkurrenzsituation besteht (OLG Düsseldorf a.a.O., Kulik, a.a.O.).
Die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gebieten es aber den Klägern ein
Minderungsrecht zu versagen (so auch OLG Düsseldorf, ZMR 2000, 451). Nach dem
Ergebnis der am 11. Januar 2007 durchgeführten Beweisaufnahme steht zur
Überzeugung des Senates fest, dass der Kläger zu 1) vor Abschluss des Mietvertrages
zwischen der Beklagten und der Konkurrentin Dr. Y. im Frühjahr 1999 in Vertretung für
die Klägerin zu 2) unter Verzicht auf alle Formerfordernisse ausdrücklich erklärt hat, dass
sie kein Problem damit hätten, wenn Frau Dr. Y. im selben Haus eine Praxis für
chinesische Medizin etabliere und als Allgemeinmedizinerin tätig werden würde.
Entgegen der Meinung der Kläger konnten sowohl der Zeuge Dr. H. R., als auch der
Zeuge T. K. als Zeuge vernommen werden. Beide Personen sind weder selbst Partei
noch gesetzlicher Vertreter einer Partei (Zöller, ZPO, 25. Auflage, § 373, Rdnr. 1).
Die Beklagte hat bereits mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2006 unbestritten
vorgetragen, dass alleinige Geschäftsführerin der Beklagten nunmehr Frau M. R. sei.
Einer Vernehmung des früheren Geschäftsführers K. als Zeugen steht daher nichts mehr
im Wege.
Herr Dr. H. R. ist zwar Gesellschafter der Beklagten, ist aber gleichwohl zeugnisfähig
(Baumbach, ZPO, 65. Auflage, Übers. § 373, Rdnr. 15).
Beide Zeugen haben übereinstimmend und glaubhaft ausgesagt, dass sie den Kläger zu
1) vor Abschluss des Vertrages mit Frau Dr. Y. darauf hingewiesen hätten, dass Frau Dr.
Y. Interesse an Mieträumen im Haus hätte und dort als praktische Ärztin chinesische
Heilkunde ausüben wolle und dass der Kläger zu 1) ausdrücklich auch im Namen der
Klägerin zu 2) erklärt habe, dass er gegen eine Vermietung an Frau Y. keinerlei Einwände
habe. Beide Zeugen haben aus eigenem Antrieb erklärt, weshalb es ihnen wichtig
gewesen sei, mit den Klägern über die Frage der Vermietung an Frau Dr. Y. zu sprechen.
Sie haben insoweit bekundet, dass es ihnen im Hinblick auf die mit den Klägern
vereinbarte Konkurrenzschutzklausel wichtig gewesen sei, mit diesen abzuklären, ob
diese aus ihrer Sicht Probleme mit einer Vermietung an Frau Dr. Y. hätten. Der Zeuge T.
K. hat insoweit überzeugend ausgeführt, dass es in der damaligen Vermietersituation
völlig widersinnig gewesen wäre, eine Neuvermietung nicht mit den bereits vorhandenen
Mietern abzusprechen. Sie hätten einerseits möglichst viele Ärzte in das Ärztehaus
holen wollen, natürlich aber auch Ärger mit den vorhandenen Ärzten wegen der
Überschneidung der einzelnen Fachgebiete vermeiden wollen. Beide Zeugen haben
spontan und überzeugend ausgesagt, dass der Kläger zu 1) erklärt habe, dass er seiner
Auffassung nach sogar von der Eröffnung einer Praxis durch Frau Y. profitieren würde.
Der Zeuge Dr. R. meinte sich zu erinnern, dass der Kläger zu 1) ausdrücklich auch im
Namen der Klägerin zu 2) erklärt habe, dass er mit einer Vermietung der Frau Dr. Y. als
Allgemeinmedizinerin einverstanden sei. Der Zeuge K. konnte sich genau daran
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Allgemeinmedizinerin einverstanden sei. Der Zeuge K. konnte sich genau daran
erinnern, dass der Kläger zu 1) sein Einverständnis auch im Namen der Klägerin zu 2)
erklärt habe und dass dies für ihn auch nichts überraschendes gewesen sei, da dieser
immer als Sprachrohr für die Klägerin zu 2) tätig gewesen sei. Beide Zeugen konnten
sich auch ungefragt an die äußeren Umstände des Gespräches erinnern. Sie wussten
noch genau, dass sie den Kläger zu 1) im Foyer des Hauses angetroffen haben und sich
dann mit ihm in das Vermietungsbüro begeben haben, um dort mit ihm in Ruhe die
ihnen wichtige Angelegenheit zu besprechen.
Die Glaubhaftigkeit der Zeugen wurde nicht durch die Bekundungen des gemäß § 141
Abs. 1 ZPO persönlich gehörten Klägers zu 1) erschüttert. Dieser hat zunächst erklärt, er
könne sich an ein Gespräch, wie von dem Zeugen Dr. R. geschildert nicht erinnern. Auf
Nachfragen hat er dann erklärt, ein derartiges Gespräch habe nicht stattgefunden. Er
hat sodann erklärt, dass es möglicherweise später ein Gespräch gegeben habe, das
möglicherweise in der Küche seiner Praxis stattgefunden habe und zwar zwischen ihm,
der Klägerin zu 2) und einem Gesprächspartner, an den er sich nicht mehr genau
erinnere und dass er sich an den Inhalt dieses Gespräches auch nicht mehr so genau
erinnere. Erst auf Nachfragen hat er dann erklärt, dass es später ein Gespräch zwischen
ihm, der Klägerin zu 2) und Herrn K. in der Küche seiner Praxis gegeben habe, bei dem
Herr K. mitgeteilt habe, dass eine chinesische Ärztin entweder einziehen werde oder
schon eingezogen sei und in ihrer Praxis Privatpatienten nach traditioneller chinesischer
Medizin behandeln werde und dass dies keine Konkurrenz für sie, die Kläger, sei.
Die unerklärlichen Erinnerungslücken des naturgemäß am Ausgang des Rechtsstreits
interessierten Klägers lassen seine Bekundungen wenig glaubhaft erscheinen. Jedenfalls
sind die Erklärungen des Klägers zu 1) nicht geeignet, Zweifel an der Glaubhaftigkeit der
Aussagen der beiden angehörten Zeugen zu wecken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die weiteren prozessualen
Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, § 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO.
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