Urteil des KG Berlin vom 14.03.2017

KG Berlin: unterbringung, grobes verschulden, verwaltungsbehörde, öffentlich, psychose, gefahr, tod, beendigung, verfahrensgegenstand, zwang

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 298 und 340/04,
1 W 134/05, 1 W
298/04, 1 W 340/04, 1
W 134/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1896 Abs 2 S 2 BGB, § 1906
Abs 1 Nr 2 BGB, § 13a Abs 2 S 1
FGG, § 13a Abs 2 S 3 FGG, § 70
Abs 1 S 2 Nr 1 FGG
Freiheitsentziehende Unterbringung: Kostenentscheidung bei
zivilrechtlicher Unterbringung im Falle des Todes des
Betroffenen; Kostenentscheidung bei öffentlich-rechtlicher
Unterbringung; Bestellung eines Betreuers bei Vorliegen einer
Vorsorgevollmacht
Leitsatz
I. Im Fall der zivilrechtlichen Unterbringung kann keine Kostenerstattung nach § 13 a Abs. 2
Satz 1 FGG erfolgen, wenn der Betroffene nach Einlegung eines Rechtsmittels stirbt, weil die
Beendigung nicht ohne Entscheidung über eine Maßnahme erfolgte. Eine bestandskräftige
Entscheidung ist nicht erforderlich.
Ebenso scheidet eine Kostenerstattung nach § 13 a Abs. 2 Satz 3 FGG bei einer öffentlich-
rechtlichen Unterbringung aus, wenn dem Antrag der Verwaltungsbehörde durch das
Vormundschaftsgericht entsprochen wurde.
II. Eine Vorsorgevollmacht steht der Bestellung eines Betreuers nicht entgegen, wenn der
Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen,
insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen
durch ihn eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet.
Tenor
Die Unterbringungsverfahren 1 W 298/04 und 1 W 340/04 - sind beendet.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Die sofortige Beschwerde im Verfahren 1 W 134/05 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Unterbringungsverfahren - 1 W 298/04 und 1 W 340/04 sind beendet, weil mit dem
Tod der Betroffenen, die allein die vormundschaftsgerichtlichen Entscheidungen
angefochten hatte, kein Verfahrensbeteiligter mehr vorhanden und der
Verfahrensgegenstand, der hier noch in der Feststellung der Rechtswidrigkeit der
angeordneten Unterbringungsmaßnahmen bestand, nicht vererblich ist (BayObLG,
FamRZ 2001, 1645, 1646).
1. Die außergerichtlichen Kosten der Betroffenen im Unterbringungsverfahren nach § 70
Abs. 1 S. 2 Nr. 3 FGG - 1 W 298/04 - waren nicht dem Land Berlin aufzuerlegen.
a) Gemäß § 13a Abs. 2 S. 3 FGG hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen der
Körperschaft, der die für die Antragstellung zuständige Verwaltungsbehörde angehört,
aufzuerlegen, wenn ein Antrag auf eine öffentlich-rechtliche Unterbringungsmaßnahme
nach § 70 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 FGG abgelehnt oder zurückgenommen wird und das
Verfahren ergeben hat, dass für die Verwaltungsbehörde ein begründeter Anlass, den
Unterbringungsantrag zu stellen, nicht vorlag. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor,
weil ein Antrag der Verwaltungsbehörde weder abgelehnt noch zurückgewiesen wurde.
Dem Antrag vom 11. August 2004 wurde seitens des Vormundschaftsgerichts vielmehr
entsprochen und das Landgericht hat das Rechtsmittel hiergegen zurückgewiesen. Im
Rahmen der sofortigen weiteren Beschwerde hat das Verfahren durch den Tod der
Betroffenen sein Ende gefunden, ohne dass eine bestandskräftige Entscheidung über die
Rechtmäßigkeit der Unterbringungsmaßnahmen ergangen ist.
b) Eine Kostenentscheidung zu Lasten der Verwaltungsbehörde gemäß § 13a Abs. 1 S. 1
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b) Eine Kostenentscheidung zu Lasten der Verwaltungsbehörde gemäß § 13a Abs. 1 S. 1
FGG kam nicht in Betracht, weil das bisherige Verfahren nicht ergeben hat, dass für die
Stellung des Unterbringungsantrags kein begründeter Anlass bestand, § 13a Abs. 2 S. 3
FGG, und sonstige Gründe, die eine Kostenerstattungsanordnung aus Billigkeitsgründen
geboten erscheinen lassen könnten, nicht ersichtlich sind (vgl. Senat, Beschluss vom 1.
September 1992 – 1 W 4144/92, FamRZ 1993, 84 ff; Juris, Rdn. 11; OLG Frankfurt/Main,
OLG-Report 1995, 264). Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 PsychKG können psychisch Kranke gegen
oder ohne ihren Willen nur untergebracht werden, wenn und solange sie durch ihr
krankheitsbedingtes Verhalten ihr Leben, ernsthaft ihre Gesundheit oder besonders
bedeutende Rechtsgüter anderer in erheblichem Maße gefährden und diese Gefahr nicht
anders abgewendet werden kann. Psychisch Kranke in diesem Sinne sind Personen, die
an einer Psychose, einer psychischen Störung, die in ihren Auswirkungen einer Psychose
gleichkommt, oder einer mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehenden
Abhängigkeit von Suchtstoffen leiden und bei denen ohne Behandlung keine Aussicht
auf Heilung oder Besserung besteht, § 1 Abs. 1 Nr. 2a und Abs. 2 PsychKG. Die
Betroffene, die in der Vergangenheit bereits mehrfach nach dem PsychKG untergebracht
war, befand sich am 10. August 2004 in einem akuten manischen Schub ihrer bekannten
Psychose. In diesem Zustand gefährdete sie sich und andere in erheblichem Maße, wie
das Landgericht fehlerfrei festgestellt hat.
2. Die außergerichtlichen Auslagen der Betroffenen im Unterbringungsverfahren nach §
70 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FGG in Verbindung mit § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB - 1 W 340/04 - waren
nicht der Staatskasse aufzuerlegen.
a) In einem solchen Fall kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der
Staatskasse auferlegen, wenn eine Unterbringungsmaßnahme abgelehnt, als
ungerechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über
eine Maßnahme beendet wird, § 13a Abs. 2 S. 1 FGG.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, insbesondere liegt kein Fall vor, in dem
das Unterbringungsverfahren ohne Entscheidung über eine Maßnahme beendet worden
wäre. Das Vormundschaftsgericht hat die Unterbringung der Betroffenen durch die
ehemalige Betreuerin genehmigt und das Landgericht hat das hiergegen gerichtete
Rechtsmittel zurückgewiesen. Damit unterscheidet sich dieser Fall im Ergebnis nicht von
dem der öffentlich-rechtlichen Unterbringung (vgl. oben 1. a). Hier wie dort kommt es für
die Frage einer Kostenerstattung nach Beendigung des Verfahrens nicht darauf an, ob
eine bestandskräftige Entscheidung über die Unterbringungsmaßnahme getroffen
wurde. Maßgeblich ist allein, dass eine Unterbringungsmaßnahme gerichtlich genehmigt
bzw. im Fall der öffentlich-rechtlichen Unterbringung einem entsprechenden Antrag
durch ein Gericht entsprochen wurde.
b) Eine Kostenerstattung gemäß § 13a Abs. 1 FGG zu Lasten der Staatskasse kam nicht
in Betracht, weil diese nicht Beteiligte des Unterbringungsverfahrens war. Die Anordnung
der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Betroffenen durch andere am
Unterbringungsverfahren beteiligte Personen, insbesondere durch die ehemalige
Betreuerin widerspräche der Billigkeit, § 13a Abs. 1 S. 1 FGG. Für ein grobes Verschulden
(§ 13 a Abs. 1 S. 2 FGG) ist nichts ersichtlich.
II. Das im Verfahren 1 W 134/05 als sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss
des Landgerichts vom 17. März 2005 auszulegende Rechtsmittel, §§ 20a Abs. 2, 27 Abs.
2 FGG ist zulässig, insbesondere beträgt die Beschwer mehr als 100,00 EUR. Die
sofortige weitere Beschwerde ist auch innerhalb der Frist von zwei Wochen eingelegt
worden, §§ 29 Abs. 4, 22 Abs. 1 FGG.
Der Tod der Betroffenen hat dieses Verfahren nicht beendet. Verfahrensgegenstand ist
allein die Kostenentscheidung des Landgerichts. Insoweit handelt sich nicht um
höchstpersönliche Ansprüche der Betroffenen.
Die sofortige weitere Beschwerde ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung
beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.
Zutreffend hat das Landgericht die Voraussetzungen von § 13a Abs. 2 S. 1 FGG, der hier
einzig in Betracht kommenden Vorschrift für eine Kostenerstattung, verneint.
Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler darauf abgestellt, dass die Entscheidung über die
Betreuerbestellung nicht als - von Anfang an - ungerechtfertigt aufgehoben worden ist.
Zwar wurde die Betreuung durch den Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 15.
Januar 2005 aufgehoben. Grund der Aufhebung war aber die Feststellung des
Vormundschaftsgerichts, dass die Voraussetzungen für die Betreuung aufgrund des
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Vormundschaftsgerichts, dass die Voraussetzungen für die Betreuung aufgrund des
verbesserten Gesundheitszustands der Betroffenen weggefallen waren, § 1908d Abs. 1
S. 1 BGB. Dieser Fall wird von § 13a Abs. 2 S. 1 FGG nicht erfasst (Zimmermann, in:
Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 13a, Rdn. 51b).
Das Landgericht konnte auch vom ursprünglichen Vorliegen der Voraussetzungen für die
Bestellung eines Betreuers ausgehen.
Nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. W. litt die Betroffene unter einer
schizoaffektiven Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Die Sachverständige
hat ausdrücklich festgestellt, dass die Betroffene deswegen nicht in der Lage war, ihre
Angelegenheiten selbst zu regeln. Danach lagen die Voraussetzungen des § 1896 Abs. 1
BGB vor. Gründe, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Ausführungen der
Sachverständigen gäben, kann der Senat nicht erkennen.
Die von der Betroffenen erteilte Vorsorgevollmacht machte die Bestellung eines
Betreuers nicht nach § 1896 Abs. 2 S. 2 BGB entbehrlich. Es ist aus Rechtsgründen nicht
zu beanstanden, wenn das Landgericht davon ausging, die Angelegenheiten der
Betroffenen könnten durch die beiden Bevollmächtigten nicht ebenso gut wie durch
einen Betreuer besorgt werden. Die Bestellung eines Betreuers trotz bestehender
Vollmacht ist möglich, wenn die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch
den Bevollmächtigten dem Wohl des Betroffenen klar zuwiderläuft, so dass eine konkrete
Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet wird (OLG Brandenburg, NJW 2005, 1587,
1588). Das ist der Fall, wenn ein Bevollmächtigter, wie in dem von dem Landgericht in
Bezug genommenen Verfahren dargestellt, den mit der Anordnung der Betreuung
eventuell verbundenen Zwang gegen den - kranken - Betroffenen prinzipiell ablehnt,
daher den Willen des Betroffenen unabhängig von seiner konkreten Hilfsbedürftigkeit in
jedem Fall über die am Wohl des Betroffenen ausgerichteten Maßnahmen stellt und
deswegen dann jegliche Zusammenarbeit mit Ärzten, Pflegepersonal, Behörden und
Sachverständigen sabotiert.
III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, §§ 128b, 131 Abs. 3 KostO.
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