Urteil des KG Berlin vom 04.09.2002

KG Berlin: fristlose kündigung, widerklage, kaution, anfechtung, mietzins, täuschung, rückzahlung, vollstreckung, nichtigkeit, rechtsgeschäft

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Gericht:
KG Berlin 8. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
8 U 40/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 15 GmbHG, § 15ff GmbHG, §
123 Abs 1 BGB, § 139 BGB, §
142 Abs 1 BGB
Gewerberaummietvertrag: Anfechtbarkeit wegen arglistiger
Täuschung des Mieters im Rahmen eines mit dem Vermieter
geschlossenen GmbH-Geschäftsanteilsübertragungsvertrag
Tenor
1. Auf die Berufungen des Klägers werden die am 4. September 2002 und 22. Januar
2003 verkündeten urteile der Zivilkammer 32 des Landgerichts Berlin – 32 O 547/01 –
abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.112,92 EUR nebst 4 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 Diskont-Überleitungsgesetz seit dem 6.7.2001 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 2/5 und die Beklagte 3/5 zu
tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.000,– EUR
abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe
leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Mit der Berufung wendet sich der Kläger gegen die Urteile des Landgerichts vom
4.9.2002 und 22.1.2003, durch die der von ihm geltend gemachte Mietzinsanspruch für
die Monate April bis Juli 2001 in Höhe von 32.000,– DM abgewiesen und der Widerklage
auf Auszahlung der Kaution in Höhe von 20.000,– DM stattgegeben worden ist.
Der Kläger hält die Beweiswürdigung des Landgerichts für unzutreffend und meint. dass
eine Anfechtung des Mietvertrages vom 10.4.2001 wegen einer im Zusammenhang mit
dem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 17.4.2001 begangenen arglistigen
Täuschung durch Nichtaufklärung über die Steuerschulden der Gesellschaft nicht in
Betracht komme. Da der Mietvertrag erst durch seine fristlose Kündigung vom
19.7.2001 beendet worden sei, schulde ihm die Beklagte bis zum Ablauf des Monats Juli
2001 Mietzins.
Nachdem die Parteien den Rechtsstreit wegen der im Mietzins enthaltenen Nebenkosten
in Höhe von (4 x 500,– DM=) 2.000,– DM übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt haben, hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vom
14.7.2003 die Aufrechnung mit dem Mietzinsanspruch für die Monate April und Mai 2001
sowie anteilig Juni 2001 gegenüber dem mit der Widerklage geltend gemachten
Kautionsrückzahlungsanspruch in Höhe von 20.000,– DM erklärt.
Der Kläger beantragt nunmehr, unter Abänderung der landgerichtlichen Urteile
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.112,92 EUR nebst 4 % Zinsen über dem
Basiszinssatz nach § 1 Diskontüberleitungsgesetz seit dem 6.7.2001 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
2. die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Sie hält das landgerichtliche Urteil für zutreffend und meint, dass die Kaution zu
verzinsen und eine Aufrechnung durch den Kläger nicht zulässig sei, weil dieser schon
längst über die Kaution hätte abrechnen müssen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der zwischen
ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die zulässigen Berufungen des Klägers führen zur Abänderung der landgerichtlichen
Urteile in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.
1. Mietzins
Der Kläger konnte von der Beklagten nach § 535 II BGB i. V. m. § 3 des Mietvertrages
vom 10.4.2001 für die Zeit von April bis Juli 2001 Mietzins in Höhe von 32.000,– DM
verlangen. Der Mietvertrag ist durch die von der Beklagten im Schriftsatz vom
24.12.2001 erklärte Anfechtung wegen arglistiger Täuschung nicht als von Anfang an
nichtig anzusehen. Zwar ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem
Landgericht davon auszugehen, dass der Kläger der beklagten vor Abschluss des
Geschäftsanteilsübertragungsvertrags vom 17.4.2001 das Vorhandensein von
Steuerschulden verschwiegen hat, wobei es sich – je nachdem, ob man der Aussage des
Zeugen D oder der des Zeugen K folgt – um rückständige Vergnügungssteuern in Höhe
von rund 59.000,– DM oder um allgemeine Steuern der GmbH in Höhe von rund
33.000,– DM handelte.
Zur – unaufgeforderten – Aufklärung war der Kläger verpflichtet, da das Vorhandensein
von Steuerschulden ein Anzeichen von Zahlungsunfähigkeit und für die Entscheidung
über den Erwerb der Gesellschaft von ausschlaggebender Bedeutung ist (vgl. BGH, NJW-
RR 1406, 1407 I. Sp.). Insoweit wäre die Beklagte möglicherweise zur Anfechtung des
Geschäftsanteilsübertragungsvertrages vom 17.4.2001 nach § 123 I BGB berechtigt
gewesen. Dessen sodann aus § 142 I BGB folgende Nichtigkeit hätte nach § 139 BGB die
Nichtigkeit auch des Mietvertrages zur Folge gehabt, wenn es sich bei den beiden
Verträgen trotz unterschiedlicher Form und unterschiedlichen Abschlusszeitpunkten um
ein einheitliches Rechtsgeschäft dergestalt gehandelt hätte, dass beide Verträge
"miteinander stehen und fallen" sollten. So liegt der Fall aber hier gerade nicht: die
Beklagte hat den Geschäftsanteilsübertragungsvertrag nicht angefochten, so dass
gerade das "vernichtbare" Rechtsgeschäft fortbesteht. Die Anfechtung des
Mietvertrages ging demgegenüber ins Leere, da insoweit schon keine
Täuschungshandlung des Klägers über den Mietgegenstand vorliegt. Daher ist das
Mietverhältnis erst durch die fristlose Kündigung des Klägers vom 19.7.2001 beendet
worden mit der Folge, dass der Mietzinsanspruch für die Zeit von April bis Juli 2001 in
Höhe von 32.000,– DM bestanden hat. Dieser beschränkt sich wegen der
übereinstimmenden Hauptsachenerledigung auf 30.000,– DM nebst Zinsen.
Allerdings ist diese Mietzinsforderung durch die vom Kläger gegenüber dem von der
Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Anspruch auf Rückzahlung der Kaution
in Höhe von 20.000,– DM nach § 389 BGB erloschen. Nachdem das Mietverhältnis durch
die Kündigung des Klägers vom 19.7.2002 beendet worden war, hätte die Abrechnung
der Kaution spätestens nach sechs Monaten erfolgen müssen. Da dies nicht erfolgte,
war der Kautionsrückzahlungsanspruch der Beklagten fällig geworden, so dass der Kläger
zur Rückzahlung verpflichtet war. Gegenüber der Forderung auf Rückzahlung kann der
Kläger aber mit den Mietzinsforderungen für April, Mai und – anteilig – Juli 2001
aufrechnen, so dass sich die Mietzinsforderung auf 10.000,– DM reduziert. Hierbei kann
dahinstehen, ob die Kaution der Beklagten zu verzinsen war: ein entsprechender
Zinsbetrag ist von der Beklagten nicht geltend gemacht worden.
2. Kaution
Die Widerklage ist unbegründet, da ein Kautionsrückzahlungsanspruch aus den unter
Ziffer 1 aufgeführten Gründen nicht (mehr) besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 I, 92 I ZPO. Da der Kläger den Zahlungsantrag
nur in Höhe des ausgeurteilten Betrages gestellt hat, liegt eine Klagerücknahme vor, so
dass insoweit § 269 III ZPO Anwendung findet. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO.
Revisionszulassungsgründe nach § 543 II ZPO waren nicht ersichtlich.
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