Urteil des KG Berlin vom 10.10.2008

KG Berlin: auszahlung der versicherungsleistung, versicherungsnehmer, quelle, leistungskondiktion, lebensversicherung, nummer, anweisung, versicherungsvertrag, bereicherungsanspruch, vollstreckbarkeit

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Gericht:
KG Berlin 6. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 72/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 812 Abs 1 BGB
Bereicherungsanspruch des Versicherers bei vertragsgemäßer
Auszahlung der Versicherungsleistung auf das Konto eines
Dritten und unterbliebener Weiterleitung an den
Versicherungsnehmer
Leitsatz
Dem Versicherer, der entsprechend einer vorherigen, unwidersprochen gebliebenen
Ankündigung eine Versicherungsleistung auf das Konto eines Dritten überweist, das in dem
Antrag des Versicherungsnehmers ausdrücklich als „Konto für ... Überweisungen von
Versicherungsleistungen“ bezeichnet worden ist, steht gegen den Dritten kein
Rückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB zu,
(auch) wenn der Dritte die Versicherungsleistung nicht an den Versicherungsnehmer
weiterleitet.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Zivilkammer 3 des Landgerichts Berlin
vom 9. April 2008 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert der Beschwer des Klägers liegt unter 20.000,00 EUR.
Gründe
Der Kläger - ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit - nimmt die Beklagte - vormals
Schwiegermutter des Versicherungsnehmers … - auf Rückerstattung einer Überweisung
in Höhe von 10.017,24 EUR nebst Zinsen in Anspruch.
Der damalige Schwiegersohn der Beklagten D. B. hatte bei dem Kläger eine
Lebensversicherung abgeschlossen, deren Bezugsberechtigter im Erlebensfalls S. B. -
der Enkel der Beklagten - sein sollte. In dem von D. B. am 24. September 1988
unterzeichneten Antrag (Ablichtung Bl.- 12 d. A.) ist als „Konto für Abbuchung von
Beiträgen und Überweisung von Versicherungsleistungen“ ein Konto der Beklagten
angegeben und dieser Abschnitt des Antrages neben der vorgedruckten Zeile
„Unterschrift des Kontoinhabers, falls dieser nicht selbst der Antragsteller ist“ gesondert
von der Beklagten abgezeichnet worden. Von diesem Konto wurden sämtliche Beiträge
eingezogen. Nach Ablauf der Versicherung überwies der Kläger am 27. September 2006
den Auszahlungsbetrag von 10.017,24 EUR auf dieses Konto, was er D. B. zuvor mit
Schreiben vom 6. Juli 2006 (Ablichtung Bl. 28 d. A.) angekündigt hatte. Die Beklagte
leitete den Betrag nicht an den Versicherungsnehmer D. B. weiter.
Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen
Feststellungen in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Berlin vom 9. April 2008
Bezug genommen, durch das das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt hat,
da die Beklagte den Auszahlungsbetrag durch eine Leistung des Klägers ohne
rechtlichen Grund erlangt habe.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihr
erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Beklagte beantragt,
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unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für richtig und tritt dem Vorbringen der Beklagten weiter
entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den
vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
A
Die statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet
worden und damit zulässig (§§ 511 ff ZPO).
B
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg, da die Klage unbegründet ist.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung des auf ihr
Konto überwiesenen Betrages in Höhe von 10.017,24 EUR aus ungerechtfertigter
Bereicherung gemäß § 812 Abs. 1 BGB zu. Denn es fehlt bereits an einer Leistung des
Klägers an die Beklagte; vielmehr hat der Kläger an seinen Versicherungsnehmer D. B.
geleistet, wobei er sich entsprechend seiner vorherigen Ankündigung vom 6. Juli 2006
des Kontos der Beklagten als vertraglich vereinbarter Zahlstelle bedient hat. Dabei kann
für die Entscheidung des vorliegenden Falles dahin stehen, ob zu diesem Zeitpunkt das
Recht auf Leistung dem Versicherungsnehmer D. B. oder dem Bezugsberechtigten S. B.
(vgl. § 166 Abs. 2 VVG) zustand.
Bei objektiver Betrachtung unter Berücksichtigung des Inhalts des Antrages vom 24.
September 1988, auf dessen Grundlage der Versicherungsvertrag zwischen dem Kläger
und D. B. zustande gekommen ist, und des Schreibens des Klägers an D. B. vom 6. Juli
2006 sowie der Handhabung der Vertragsabwicklung kann in der Überweisung des
Auszahlungsbetrages auf das Konto der Beklagten nur eine Leistung des Klägers an
seinen Versicherungsnehmer gesehen werden. Die Person des Leistenden und des
Leistungsempfängers bestimmen sich in erster Linie nach den tatsächlichen
Zweckbestimmungen des Leistungsempfängers und des Zuwendenden im Zeitpunkt
der Leistung (vgl. Sprau in Palandt, BGB, 67. Aufl., § 812 Rdnr. 41 - 42a unter Hinweis auf
BGH NJW 2002, 2871). Ausschlaggebend ist also der Wille der Beteiligten, welcher Erfolg
mit der Vermögensvermehrung erstrebt wird und welcher Person gegenüber dieser
Erfolg eintreten soll. Der Inhalt dieses Parteiwillens ist nach objektiver Betrachtungsweise
zu bestimmen (vgl. Heimann-Trosien in BGB-RGRK, 12. Aufl., § 812 Rdnr. 16, 17 unter
Hinweis auf BGH Z 40, 272). Im vorliegenden Fall lag der Leistung des Klägers erkennbar
einzig und allein der Leistungszweck zugrunde, seiner (tatsächlichen oder
vermeintlichen) Verpflichtung zur Auszahlung der Versicherungsleistung gegenüber
seinem Versicherungsnehmer nachzukommen. Nach dem für alle Beteiligten
erkennbaren Willen des Klägers sollte ausschließlich diesem gegenüber der
beabsichtigte Leistungserfolg eintreten. Der Kläger hatte die Lebensversicherung mit
Schreiben vom 6. Juli 2006 an seinen Versicherungsnehmer abgerechnet, ihm die
Überweisung auf ein Konto, von dem er aufgrund der Angaben in dem Antrag vom 24.
September 1988 wußte, dass es nicht das eigene Konto seines Versicherungsnehmers
war, angekündigt und erst, nachdem ihm trotz ausdrücklicher entsprechender
Aufforderung keine anderslautende Anweisung seines Versicherungsnehmers
zugegangen war, die Überweisung auf das Konto der Beklagten veranlasst. Auch vom
Standpunkt des Versicherungsnehmers aus konnte bei objektiver Betrachtung keine
andere Beurteilung erfolgen. Nachdem er kurz vor Ablauf seiner Versicherung das
Schreiben vom 6. Juli 2006 von dem Kläger zugesandt erhalten hatte, musste aufgrund
des Inhalts des Schreibens auch für ihn klar sein, dass der Kläger an ihn als seinen
Versicherungsnehmer leisten und damit seiner (tatsächlichen oder vermeintlichen)
Verpflichtung zur Auszahlung der Versicherungssumme und der Überschussanteile ihm
gegenüber nachkommen wollte. Dagegen spricht auch nicht, dass in dem Schreiben
vom 6. Juli 2006 das Konto der Beklagten fälschlicherweise als „Ihr Konto“ - also als
Konto des Versicherungsnehmers - bezeichnet wird, da dieser wusste, dass er bei der …
Bank nicht das Konto mit der Nummer … unterhält.
Da somit ausschließlich der Versicherungsnehmer, nicht aber die Beklagte als
Leistungsempfänger in Betracht kommt, scheidet ein Anspruch des Klägers unter dem
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Leistungsempfänger in Betracht kommt, scheidet ein Anspruch des Klägers unter dem
Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung im Wege der Leistungskondiktion
nach § 812 Abs. 1 BGB aus, ohne dass es darauf ankommt, ob der
Versicherungsnehmer den Betrag tatsächlich von der Beklagten erhalten hat oder nicht
(vgl. Senat, Urteil vom 14.09.2001 - 6 U 7698/99 - unter Hinweis auf OLG Hamburg, MDR
1982, 670, 671).
2. Ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 812 Abs. 1 BGB aufgrund
Bereicherung „in sonstiger Weise“ ist wegen des grundsätzlichen Vorrangs der
Leistungskondiktion ausgeschlossen, da die in Rede stehende Vermögensverschiebung
im Rahmen eines Leistungsverhältnisses erbracht worden ist (vgl. BGH Z 40, 272, 278;
Senat, a.a.O.; Sprau, a.a.O., § 812 Rdnr. 2).
C
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10,
713 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil die Sache keine
grundsätzliche Bedeutung hat, nicht der Rechtsfortbildung dient und nicht von der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder der Oberlandesgerichte abweicht.
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