Urteil des KG Berlin vom 13.03.2017

KG Berlin: persönliche anhörung, vorschlag, vorrang, sammlung, quelle, link, vergütung

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Gericht:
KG Berlin 1. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 W 36/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1897 Abs 4 S 2 BGB, § 12 FGG,
§ 68g Abs 5 S 3 FGG
Betreuerbestellung: Pflicht zur Sachaufklärung bei Ablehnung
einer bestimmten Person durch den Betroffenen; erneute
persönliche Anhörung im Beschwerdeverfahren
Leitsatz
Lehnt der Betroffene die Bestellung einer bestimmten Person zum Betreuer ab, sind die dafür
maßgeblichen Gründe des Betroffenen durch die Tatgerichte zu ermitteln.
Zur Pflicht des Beschwerdegerichts, den Betroffenen in einem solchen Fall erneut persönlich
anzuhören.
Tenor
Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 23. Oktober 2009 – 87 T 93/09 – wird
aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen.
Gründe
Die zulässige, insbesondere nunmehr formgerecht, vgl. §§ 29 Abs. 1, 11 FGG, erhobene
weitere Beschwerde hat in der Sache vorläufig Erfolg. Es finden die bis zum 31. August
2009 geltenden Verfahrensvorschriften Anwendung, weil das dem Beschwerdeverfahren
zugrunde liegende Verfahren der Betreuerbestellung vor dem 1. September 2009
eingeleitet und von dem Vormundschaftsgericht entschieden worden war, Art. 111 Abs.
1 FGG-ReformG.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Beteiligte zu 1, der als Vater zum engsten
Verwandtenkreis des Betroffenen gehöre, sei unter Heranziehung der in § 1897 Abs. 4
bis 6 BGB aufgeführten Kriterien als Mitbetreuer zu bestellen. Konkrete Anhaltspunkte,
die gegen die Eignung des Vaters sprächen, seien nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für
einen ernsthaften Vater-Sohn-Konflikt ließen sich nicht feststellen. Er sei bereits von
August 1999 bis Januar 2002 und von September 2002 bis April 2008 Betreuer des
Betroffenen gewesen und auch mit Beschluss vom 9. März 2009 wieder vorläufig bestellt
worden. Persönliche Differenzen des Beteiligten zu 1 mit der – vormals zuständigen –
Amtsrichterin rechtfertigten nicht die Annahme, der Beteiligte zu 1 sei als Betreuer
ungeeignet. Eine Ablehnung seiner Bestellung durch den Betroffenen habe gegenüber
einem positiven Vorschlag geringeres Gewicht. Dem Auswahlkriterium des § 1897 Abs. 5
BGB sei bei einer Gesamtabwägung der für und gegen die Bestellung des Beteiligten zu
1 sprechenden Gründe der Vorrang zu geben, wobei die Kammer berücksichtigt habe,
dass die Betreuung durch den Vater ehrenamtlich geführt werden könne.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung, auf die das Gericht der
weiteren Beschwerde beschränkt ist, §§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO, nicht stand. Die
tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind unter Verstoß gegen
Verfahrensvorschriften getroffen worden. Das Landgericht hat den zugrunde liegenden
Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, § 12 FGG, insbesondere hätte es nicht ohne
erneute persönliche Anhörung des Betroffenen entscheiden dürfen.
a) Vor der Bestellung eines Betreuers hat das Vormundschaftsgericht den Betroffenen
persönlich anzuhören, § 68 Abs. 1 S. 1 FGG. Soweit dies zur Gewährung des rechtlichen
Gehörs oder zur Sachaufklärung erforderlich ist, hat das Vormundschaftsgericht das
Ergebnis der Anhörung, das Gutachten des Sachverständigen, den etwaigen Umfang
des Aufgabenkreises und die Frage, welche Person oder Stelle als Betreuer in Betracht
kommt, mit dem Betroffenen im Rahmen eines sogenannten Schlussgesprächs
mündlich zu erörtern, § 68 Abs. 5 S. 1 FGG. Für das Beschwerdeverfahren gelten die
Vorschriften über den ersten Rechtszug entsprechend, das Beschwerdegericht kann
aber von solchen Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten
Rechtszug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen
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Rechtszug vorgenommen worden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen
Erkenntnisse zu erwarten sind, § 69g Abs. 5 S. 3 FGG. Danach hat auch das
Beschwerdegericht grundsätzlich die Pflicht zur persönlichen Anhörung des Betroffenen
(vgl. OLG Köln, Beschluss vom 9. Mai 2007 – 16 Wx 79/07; Klier, in: Jurgeleit,
Betreuungsrecht, § 69g, Rdn. 130).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht bei einer erneuten
persönlichen Anhörung des Betroffenen zu einer abweichenden Beurteilung gekommen
wäre. So wäre zu klären gewesen, aus welchem Grund der Betroffene sich im Rahmen
der Anhörung vor dem Vormundschaftsgericht gegen die Bestellung seines Vaters als
Betreuer ausgesprochen hat. Den Akten lässt sich hierzu aber nichts entnehmen,
vielmehr ist das Ergebnis der Anhörung durch das Vormundschaftsgericht überhaupt
nicht aktenkundig gemacht worden. Auch wenn einem negativen Betreuervorschlag des
Betroffenen kein so starkes Gewicht wie einem positiven Vorschlag zukommen kann, hat
das Gericht bei der Auswahlentscheidung aber doch immerhin Rücksicht darauf zu
nehmen, § 1897 Abs. 4 S. 2 BGB. Das aber ist nur dann überhaupt möglich, wenn die
hinter einem solchen negativen Vorschlag stehenden Gründe bekannt sind.
b) Das Landgericht hätte auch weitere Ermittlungen zur Eignung des Beteiligten zu 1 als
Betreuer anstellen müssen, § 12 FGG. Zwar ist es zutreffend, dass den Akten konkrete
Anhaltspunkte, die Anlass zu Zweifeln an der Eignung des Beteiligten zu 1 hätten geben
können, nicht zu entnehmen sind. Immerhin hatte aber nicht nur die vormals zuständige
Amtsrichterin den Beteiligten zu 1 als Betreuer für ungeeignet gehalten, sondern auch
der den Betroffenen im... -Krankenhaus behandelnde Arzt Dr. ..., wie einem
Aktenvermerk vom 16. April 2009 zu entnehmen ist. Es hätte nahegelegen, Dr. ...
insoweit zu einer Stellungnahme aufzufordern.
c) Schließlich beruhen die Ausführungen des Landgerichts zur Abwägung der für und
gegen den Beteiligten zu 1 sprechenden Argumente auf einer nicht ausreichenden
Ausschöpfung des Sachverhalts. So kann es auf den Vorrang der ehrenamtlichen
Betreuung, § 1897 Abs. 6 BGB, der in erster Linie auf fiskalischen Gründen beruht (vgl.
BT-Drs. 13/7158, S. 50, li. Sp.) dann nicht ankommen, wenn ein ehrenamtlicher Betreuer
lediglich noch als Mitbetreuer neben einem Berufsbetreuer bestellt werden kann. Denn
die Vergütung erhält der Berufsbetreuer grundsätzlich unabhängig vom Umfang der ihm
übertragenen Aufgabenkreise. Darüber hat das Landgericht die Regelung in § 1899 Abs.
1 S. 1 BGB nicht in seine Erwägungen einbezogen. Danach kann das
Vormundschaftsgericht mehrere Betreuer bestellen, wenn die Angelegenheiten des
Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. Dass dies vorliegend der Fall sein
könnte, ist den Ausführungen des Landgerichts nicht zu entnehmen.
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