Urteil des KG Berlin vom 14.06.2006

KG Berlin: verweigerung der leistung, auflage, erlass, zugang, verjährungsfrist, steuerberater, anschlussberufung, vertretung, öffentlich, bekanntgabe

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Gericht:
KG Berlin 27.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
27 U 112/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 280 Abs 1 BGB, § 675 BGB, §
68 StBerG vom 04.11.1975, §
153a StPO, § 370 AO
Haftung des Steuerberaters: Beginn der Verjährung bei zu
niedrigen Angaben für Betriebseinnahmen und -ausgaben in der
Gewinnermittlung; Haftung für die Höhe einer Geldauflage zur
Einstellung des Steuerstrafverfahrens
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung der
Klägerin das Urteil des Landgerichts Berlin vom 14. Juni 2006 - 28 O 305/06 – teilweise
geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i. V.
m. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet; die ebenfalls zulässige
Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.
1.
Die Klägerin kann gegen die Beklagte keinen Schadensersatz aus dem Gesichtspunkt
positiver Vertragsverletzung wegen der behaupteten Erstellung fehlerhafter
Gewinnermittlungen durch die teilweise Nichterfassung geleisteter Honorar- und
Mietzahlungen für die Jahre 1995 bis 1998 verlangen; denn daraus etwa erwachsende
Ansprüche sind verjährt, so dass die Beklagte nach § 214 BGB insoweit zur Verweigerung
der Leistung berechtigt ist.
Nach dem bis zum 15. Dezember 2004 geltenden § 68 StBerG a. F. - der auf den
vorliegenden Fall anwendbar ist, da etwaige Schadensersatzansprüche jedenfalls am 15.
Dezember 2004 bestanden haben (Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 4.
Aufl., Rn. 850) - verjähren Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegen den
Steuerberater aus dem Steuerberatungsvertrag in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in
dem der Anspruch entstanden ist, wobei eine Kenntnis des Berechtigten von den
anspruchsbegründenden Tatsachen nicht erforderlich ist. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beginnt die Verjährung eines vertraglichen
Ersatzanspruchs gegen einen Steuerberater, der steuerliche Nachteile seines
Mandanten verschuldet hat, dabei regelmäßig mit der Bekanntgabe des belastenden
Steuerbescheids, ohne dass es auf dessen Bestandskraft oder Unanfechtbarkeit
ankommt, da der Vermögensstand sich infolge der Fehlberatung gegenüber seinem
früheren Vermögensstand verschlechtert, indem die Finanzbehörde mit dem Erlass des
Steuerbescheids ihren hauptsächlichen Entscheidungsprozess zu Ungunsten des
Steuerpflichtigen abschließt, den öffentlich-rechtlichen Steueranspruch konkretisiert und
die Grundlage für die Verwirklichung dieses Anspruchs schafft (BGH Urt. v. 11.05.1995, IX
ZR 140/94).
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Nach dem in zweiter Instanz konkretisierten und unstreitig gebliebenen Vortrag der
Beklagten ist der Einkommenssteuerbescheid für 1995 am 25. September 1997, der
Einkommenssteuerbescheid für 1996 am 9. Februar 1998, der
Einkommensteuerbescheid für 1997 am 12. August 1998 sowie der
Einkommenssteuerbescheid für 1998 am 26. August 1999 erlassen worden, wobei
mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass die Steuerbescheide
zeitnah zum Erlasszeitpunkt bekannt gegeben worden sind. Grundlage der
Steuerbescheide waren u.a. jeweils die nach dem Vortrag der Klägerin durch teilweise
Nichtberücksichtigung von gewinnmindernden Honorar- und Mietzahlungen
unzutreffenden, weil im Ergebnis zu hohen Gewinnermittlungen durch die Beklagte.
Entgegen der Ansicht der Kläger beginnt die Verjährung im vorliegenden Fall nicht erst
mit der späteren Bekanntgabe der geänderten Steuerbescheide, weil in den zunächst
ergangenen Steuerbescheiden auf der anderen Seite zu Gunsten der Klägerin zu
niedrige Betriebseinnahmen berücksichtigt worden seien, was dazu geführt habe, dass
die im Erstbescheid festgesetzte Steuer niedriger als die materiell richtige Steuer
gewesen sei, so dass ein Schaden zu diesem Zeitpunkt nicht vorgelegen habe.
Die nach § 68 StBerG für den Verjährungsbeginn maßgebliche Schadensentstehung ist
anzunehmen, wenn der Schaden wenigstens dem Grund nach erwachsen ist, mag seine
Höhe noch nicht beziffert werden können, ferner wenn durch die Verletzungshandlung
eine als Schaden anzusehende Verschlechterung der Vermögenslage eingetreten ist,
ohne dass feststehen muss, ob ein Schaden bestehen bleibt und damit endgültig wird
(BGH Urt. v. 02.07.1992, IX ZR 268/91 = BGHZ 119, 69). Der Schaden ist im
vorliegenden Fall durch den Erlass der Erstbescheide bereits dem Grunde nach
entstanden, da das Finanzamt durch diese Bescheide seinen Entscheidungsprozess zu
Ungunsten der Beklagten dahin abgeschlossen hat, den öffentlich-rechtlichen
Steueranspruch ohne Berücksichtigung der in der Gewinnermittlung als
Betriebsausgaben nicht erfassten Honorar- und Mietzahlungen zu konkretisieren.
Entgegen der Ansicht der Klägerin lag zum Zeitpunkt des Erlasses der jeweiligen
Erststeuerbescheide nicht lediglich eine risikobehaftete Situation vor, in der offen war, ob
ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten der Beklagten zu einem
Schaden führen würde. Vielmehr hatte sich das behauptete Fehlverhalten der Beklagten
bereits in den Steuerbescheiden durch die Nichtberücksichtigung der weiteren
Betriebsausgaben konkretisiert.
Die Klägerin kann sich zu ihren Gunsten nicht auf die Entscheidung des BGH vom
03.11.2005, IX ZR 208/04 berufen. Denn diese Entscheidung betrifft die Frage, ob der
Verjährungsbeginn auf einen Zeitpunkt vor dem Zugang des belastenden
Steuerbescheides vorverlegt werden kann. Diese Frage stellt sich vorliegend aber nicht.
Vielmehr ist die Frage, ob es nach dem Erlass der belastenden Steuerbescheide zu
Betriebsprüfungen kommt oder nicht, die zur Aufdeckung die Klägerin begünstigender
Fehler führen, für die Frage, ob bereits ein Schaden dem Grunde nach durch einen
Steuerbescheid entstanden ist, der bestimmte gewinnmindernde Umstände zu Lasten
der Klägerin nicht berücksichtigt, ohne Belang.
Der Annahme des Beginns der Verjährungsfrist mit dem Zugang der Erstbescheide
steht auch nicht entgegen, dass der Klägerin zu diesem Zeitpunkt eine
Feststellungsklage nicht zuzumuten gewesen wäre, weil sie dadurch indirekt zur
Selbstbezichtigung hinsichtlich der zu ihren Gunsten zu niedrig angesetzten
Betriebseinnahmen gezwungen gewesen wäre. Die Frage des Beginns der
Verjährungsfrist der Ansprüche gegen den Steuerberater kann nicht vom Interesse des
Steuerpflichtigen abhängen, unrichtige Angaben zu seinen Gunsten in den
Steuererklärungen nicht offenbaren zu wollen.
Ist daher von einem Beginn der Verjährungsfrist mit Zugang der jeweiligen
Erstbescheide auszugehen, ist die Verjährung auch bei Annahme einer Sekundärhaftung
der Beklagten wegen eines schuldhaften Verstoßes gegen die Pflicht zur Belehrung über
mögliche Schadensersatzansprüche der Beklagten und der hierfür geltenden Verjährung
eingetreten. Der Sekundäranspruch unterliegt wie der ursprüngliche
Schadensersatzanspruch ebenfalls der Verjährung nach § 68 StBerG a. F.
(Gräfe/Lenzen/Schmeer a.a.O). Der Verjährungsbeginn ist dabei identisch mit dem
Eintritt der Verjährung des Primäranspruchs (Kuhls u. a., SteuerberatungsG, 2. Aufl. § 68
Rn. 18), so dass eine Verjährung von Primär- und Sekundäranspruch jedenfalls nach
Ablauf von sechs Jahren seit Anspruchsentstehung durch den Zugang der belastenden
Erstbescheide eingetreten ist. Danach ist die zuletzt beginnende Verjährungsfrist
hinsichtlich des Steuerbescheides für 1998 nach dem Erlass am 26. August 1999 im
Herbst des Jahres 1999 abgelaufen und die Verjährung somit eingetreten. Die
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Herbst des Jahres 1999 abgelaufen und die Verjährung somit eingetreten. Die
Zustellung der Klage am 25. September 2006 konnte eine Hemmung der Verjährung
somit nicht mehr bewirken.
2.
Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.000,- Euro wegen
einer fehlerhaften Vertretung durch die Beklagte im Steuerstrafverfahren zu. Die
Klägerin kann sich insoweit nicht mit Erfolg darauf berufen, dass im Falle einer
fehlerfreien Vertretung durch die Beklagte die Auflage nach § 153a StPO um mindestens
3.000,- Euro niedriger ausgefallen wäre.
Da es sich bei der Frage, in welcher Höhe eine Auflage nach § 153a StPO festzusetzen
ist, um eine Einstellung des Steuerstrafverfahrens zu ermöglichen, um eine
Ermessensentscheidung des Finanzamts handelt, kommt es für die Frage des Eintritts
eines Schadens nicht auf eine Rechtsprüfung durch das Regressgericht, sondern auf die
Feststellung der mutmaßlichen Behördenentscheidung an. Die Klägerin trägt aber nicht
konkret unter Beweisantritt dazu vor, in welcher Höhe die Auflage festgesetzt worden
wäre, wenn die Beklagte die nach Ansicht der Klägerin sie entlastenden Umstände
geltend gemacht hätte. Eine Feststellung, in welcher Höhe sich die Auflage ermäßigt
hätte, ist dem Senat auch nicht im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO möglich, da es
insoweit an einem hinreichenden Vortrag etwaiger Schätzungsgrundlagen durch die
Klägerin fehlt. Abgesehen von der bloßen Behauptung einer geringeren Auflage fehlt
dazu jeglicher Sachvortrag der Klägerin, etwa in Form eines Vortrags zu einer sich
ausgebildeten Leitlinie der Finanzbehörden zur Höhe der Auflagen nach § 153a StPO. Es
liegen daher keinerlei Anhaltspunkte für eine Schätzung dahin vor, ob und inwieweit die
Festsetzung der Auflage durch das Finanzamt bei Berücksichtigung der geltend
gemachten entlastenden Umstände niedriger ausgefallen wäre. Eine Schätzung des
Schadens kommt daher nicht in Betracht
3.
Da der Klägerin nach den obigen Ausführungen ein Schadensersatzanspruch gegen die
Beklagte nicht zusteht, hat sie auch keinen Anspruch auf Ersatz der (anteiligen)
vorprozessualen Anwaltskosten nach § 286 BGB.
4.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO, 708 Nr. 10,
713 i. V. m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
5.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung
hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
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