Urteil des KG Berlin vom 06.10.2008

KG Berlin: untersuchungshaft, quelle, rechtswidrigkeit, verhinderung, anklageschrift, verfügung, strafverfahren, ausnahmefall, vorrang, inhaftierung

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Gericht:
KG Berlin 3.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 Ws 341/08, 1 AR
1446/07 - 3 Ws
341/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 121 StPO, § 305 S 1 StPO
Umfangreiches Strafverfahren gegen sieben Angeklagte:
Ausschluss der Beschwerde gegen die Terminierung der
Hauptverhandlung ohne Terminsabsprache mit den Verteidigern
Leitsatz
In einem umfangreichen Strafverfahren gegen sieben Angeklagte, von denen sich fünf - zum
Teil bereits seit fast sechs Monaten - in Untersuchungshaft befinden und von insgesamt acht
Rechtsanwälten vertreten werden, kommt der Beachtung des Beschleunigungsgebots ein so
großes Gewicht zu, dass Einzelinteressen der Angeklagten dahinter zurückzustehen haben.
Die in einem solchen Verfahren ohne vorherige Absprache mit den Verteidigern erfolgte
Terminierung der Hauptverhandlung begründet daher keinen Ausnahmefall von der in § 305
Satz 1 StPO getroffenen Regelung.
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen die Terminsverfügung der Vorsitzenden der
Strafkammer 37 des Landgerichts Berlin vom 18. September 2008 wird als unzulässig
verworfen.
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeklagten mit der gegen insgesamt sieben
Personen gerichteten Anklageschrift vom 20. August 2008 zur Last, sich im April und Juli
diesen Jahres in zwei Fällen (Fälle 3 und 4 der Anklageschrift) wegen gemeinschaftlich
unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge strafbar
gemacht zu haben. Anfang April soll er von den Mitangeklagten M. und von M. mit der
Beschaffung von 10 Kilogramm Kokain beauftragt worden sein und versucht haben, mit
einem potentiellen Lieferanten in Kontakt zu treten (Fall 3), und am 10. Juli 2008 soll er in
der K.str. 18 in … insgesamt 12,256 Kilogramm Blütenstände der Cannabispflanze mit
einem Wirkstoffgehalt von 602,7 Gramm THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf
aufbewahrt haben. Durch Beschluss vom 18. September 2008 hat die Strafkammer die
Anklage unter Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung zugelassen. Mit
Verfügung vom selben Tage hat die Vorsitzende den Beginn der Hauptverhandlung auf
den 6. Oktober 2008 bestimmt und zugleich als weitere Fortsetzungstermine den 16.
Oktober, 3., 13., 17., 20., 24. und 27. November sowie den 1., 4. und 8. Dezember 2008
festgelegt. Die Ladung der insgesamt acht Verteidiger der sieben in Untersuchungshaft
befindlichen Angeklagten enthielt den Zusatz: „
“ Nachdem die Vorsitzende den Antrag des Angeklagten
vom 19. September 2008, die Termine vom 16. Oktober, 3., 13., 24. und 27. November
sowie 4. Dezember 2008 aufzuheben, abgelehnt hatte, hat der Angeklagten gegen die
Terminierung der Vorsitzenden Beschwerde eingelegt. Das Rechtsmittel ist unzulässig.
Grundsätzlich unterliegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der
Urteilsfällung vorausgehen, d.h. mit dem Urteil in einem inneren Zusammenhang
stehen, ausschließlich seiner Vorbereitung dienen und keine weiteren
Verfahrenswirkungen entfalten, nicht der Beschwerde [vgl. Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl.,
§ 305 Rdn. 1], es sei denn sie gehören zu den in § 305 Satz 2 StPO bezeichneten
Ausnahmen. Allerdings wird eine Anfechtung von der Rechtsprechung u.a. dann
ausnahmsweise für zulässig erachtet, wenn eine in rechtsfehlerhafter
Ermessensausübung getroffene Entscheidung für einen Angeklagten eine besondere,
selbständige Beschwer beinhaltet, weil sein Recht, sich eines Verteidigers seines
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selbständige Beschwer beinhaltet, weil sein Recht, sich eines Verteidigers seines
Vertrauens zu bedienen, beeinträchtigt worden ist, dies leicht zu vermeiden gewesen
wäre und die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung offensichtlich ist [vgl. LG
Dresden, Beschluss vom 7. Februar 2007 - 3 Ws 14/07 - bei juris Rdn. 6; OLG Hamburg
StV 1995, 11]. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier jedoch nicht vor. Weder bewirkt die
Terminierung der Vorsitzenden der Strafkammer 37 eine besondere Beschwer des
Beschwerdeführers, noch ist die Rechtswidrigkeit der Verfügung evident. Zwar ist bei der
Terminierung zu berücksichtigen, dass ein Angeklagter das Recht hat, sich durch einen
Rechtsanwalt seines Vertrauens verteidigen zu lassen, und diesem Recht den Vorrang
vor der Beachtung des Beschleunigungsgebotes einräumen kann, dies gilt jedoch nicht
uneingeschränkt. Sind neben ihm weitere Personen angeklagt und befinden sich diese
gleichfalls in Untersuchungshaft, kommt der Beachtung des Beschleunigungsgebotes
ein so großes Gewicht zu, dass Einzelinteressen dahinter zurückzustehen haben [vgl.
BGH NStZ 2007, 163]. Vorliegend sind sieben Personen angeklagt, die sich bis auf die
haftverschonten Mitangeklagten R. und B. sämtlich, teilweise seit fast sechs Monaten
(M., von M. und D.) in Untersuchungshaft befinden und von insgesamt acht
Rechtsanwälten verteidigt werden. Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf insgesamt 21
Zeugen und hat vorsorglich fünf Sachverständige benannt und eine Vielzahl von
Augenscheinsobjekten bezeichnet. Angesichts dieses Umfanges erscheint es nicht
offensichtlich rechtswidrig, die Bestimmung der zunächst auf elf Tage angesetzten
Hauptverhandlungstermine ohne vorherige Rücksprache mit den Verteidigern
vorzunehmen. Angesichts des Umstandes, dass bei drei Mitangeklagten die Prüfung der
Haftfortdauer nach § 121 StPO bevorstand und sämtliche Angeklagte einen mit der
Dauer der Inhaftierung an Gewicht gewinnenden Anspruch auf möglichst baldige und
schnelle Durchführung der Hauptverhandlung haben, hatte die Vorsitzende kaum
Spielraum für eine nähere Terminabsprache mit sämtlichen Verteidigern, zumal die
Strafkammer auf die ihr zugewiesenen wöchentlichen Verhandlungstage angewiesen ist.
Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Verhinderung des Verteidigers des Angeklagten
diesen nicht unbeachtlich beschwert, weil jener an sechs von elf Sitzungstagen
verhindert ist, ob dies jedoch angesichts des im vorliegenden Verfahren mit der
Durchführung der Hauptverhandlung verbundenen personellen und räumlichen
Aufwandes überhaupt hätte vermieden werden können, erscheint fraglich. Da vorliegend
die Verhinderung des Verteidigers nicht zur Aufhebung der Terminsverfügung führt,
bleibt es der inhaltlichen Planung der Fortsetzungstermine vorbehalten, dies - soweit
möglich - in Rechnung zu stellen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
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