Urteil des FG Niedersachsen vom 24.08.2011

FG Niedersachsen: politische tätigkeit, aufwand, berechnung der steuer, fahrtkosten, dienstwagen, steuerbefreiung, verfügung, einkünfte, taxi, reisekosten

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Steuerliche Behandlung von pauschal gewährten
Fahrtkosten
Pauschal gewährter Fahrtkostenersatz ist nur insoweit steuerfrei nach § 3 Nr.
13 EStG, soweit er tatsächlich entstandene Betriebsausgaben nicht offenbar
überschreitet.
Niedersächsisches Finanzgericht 3. Senat, Urteil vom 24.08.2011, 3 K 501/08
§ 3 Nr 13 EStG
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger dem Grunde nach Betriebsausgaben durch
Fahrtkosten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Kreistagsabgeordneter
und Fraktionsvorsitzender erwachsen sind und ob gegebenenfalls der gewährte
Fahrtkostenersatz in Höhe von 4.200,00 DM den Aufwand des Klägers
ersichtlich übersteigt.
Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der Kläger bezieht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19
Einkommensteuergesetz -EStG-) und aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von
§ 18 Abs.1 Nr. 3 EStG. Er ist Geschäftsführer der S-GmbH. Diese stellte ihm
einen Dienstwagen zur Verfügung, den er auch privat nutzen durfte. Der
Arbeitgeber übernahm die auf den Dienstwagen im Rahmen der 1% Regelung
entfallende Lohnsteuer.
Die S-GmbH teilte mit Schreiben vom 8. August 2011 mit, dass die private
Nutzung des Dienstwagens im Hinblick auf die politische Tätigkeit des Klägers
von März 1980 bis Oktober 1981 monatlich mit 225,00 DM, ab 1. November
1981 und auch im Streitjahr mit monatlich 300,00 DM bemessen war. Laut
Vermerk der S-GmbH (GmbH) vom 28.11.1980 zahlte der Kläger ab Januar
1981 eine "abzüglich direkt vom Lohn einzubehaltende Pauschale seitens des
Arbeitgebers GWS" in Höhe von 225 DM monatlich. Ab 1. November 1981 und
auch im Streitjahr zahlte der Kläger eine solche Pauschale in Höhe von 300 DM
monatlich (Vermerke der GmbH vom 2.November 1981 und 15. Mai 1995 sowie
Schreiben der GmbH vom 8. August 2011).
Der Kläger ist auch Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender im
Kreistag des Landkreises X. Im Streitjahr (1997) erhielt er für Tätigkeiten in
dieser Funktion Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und eine pauschale
Reisekostenvergütung in Höhe von insgesamt 16.880,00 DM. Streitig ist die
steuerliche Behandlung der in diesem Gesamtbetrag enthaltenen Pauschale für
Reisekosten in Höhe von 350,00 DM pro Monat (insgesamt 4.200,00 DM im
Streitjahr), die dem Kläger als Fraktionsvorsitzenden nach § 4 Abs. 5 der
Entschädigungssatzung des Landkreises X für die Dienstreisen innerhalb des
Kreisgebietes und Fahrten nach H "nach Maßgabe des § 6
Bundesreisekostengesetzes i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 b der Verordnung zu § 6
Bundesreisekostengesetz" zustand.
Der Beklagte, das FA, beließ die Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit im
Kreistag in Höhe von 8.280,00 DM als Aufwandsentschädigung steuerfrei. Den
Restbetrag erfasste es als steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Einspruch und Klage (I. Rechtszug - 3 K 10761/00), mit denen sich der Kläger
gegen die Besteuerung der Reisekostenpauschale in Höhe von 4.200,00 DM
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wandte, hatten keinen Erfolg. Der Kläger hatte im Wesentlichen ausgeführt, dass
Reisekostenvergütungen, die nach den Vorschriften des
Bundesreisekostengesetzes (BRKG) oder entsprechender Landesgesetze
gewährt würden, gemäß § 3 Nr. 13 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei
seien. Der Landkreis habe die Reisekostenentschädigungen entsprechend den
Regelungen des BRKG festgesetzt. Dort sei in § 18 in der im Streitjahr geltenden
Fassung (a. F.) bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde bei regelmäßigen
oder gleichartigen Dienstreisen anstelle der Reisekostenvergütung nach § 4
BRKG a. F. auch eine Pauschvergütung gewähren könne, welche nach dem
Durchschnitt der in einem bestimmten Zeitraum sonst anfallenden
Einzelvergütungen zu bemessen sei. Von dieser Regelung habe der Landkreis
X Gebrauch gemacht, um sich damit die Abrechnungen der einzelnen Reisen
von Kreistagsmitgliedern zu ersparen, die aufgrund ihrer Funktion gewöhnlicher
Weise im besonderen Maße Dienstreisen durchzuführen hätten. Auch diese
Regelung der Reisekostenvergütung erfülle die Voraussetzungen der
Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 13 EStG.
Die Klage wurde mit Urteil vom 9. März 2005 als unbegründet abgewiesen (I.
Rechtsgang). Das FG entschied, dass über die bereits anerkannten Beträge
hinaus beim Kläger keine weiteren Betriebseinnahmen aus der Kreistagstätigkeit
steuerfrei zu belassen seien. Die pauschalierte Fahrtkostenerstattung sei
steuerpflichtig. Die Steuerfreiheit erstrecke sich nur auf
Reisekostenvergütungen, die im konkreten Einzelfall nach den Regelungen der
Reisekostengesetze gezahlt, also für tatsächlich gefahrene Kilometer
abgerechnet worden seien (unter Verweis auf das Urteil des BFH vom 27. Mai
1994 VI R 67/92, BStBl II 1995, 17; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar § 3 Rz. 512). Daran fehle es im Streitfall, da
den monatlich pauschal gewährten Fahrtkostenerstattungen keine
Einzelabrechnungen des Klägers zugrunde gelegen hätten. Auch nach § 3 Nr.
12 EStG sei für die Anerkennung weiterer Beträge als steuerfreie Entschädigung
ohne Einzelnachweis kein Raum.
Der BFH hob das FG-Urteil auf und verwies es zur erneuten Verhandlung an
das FG zurück (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2008 VIII R 58/06, BStBl II 2009,
405). Nach einer öffentlich-rechtlichen Satzung geleistete pauschale
Reisekostenvergütungen an politische Mandatsträger (hier:
Fraktionsvorsitzende im Kreistag) könnten auch ohne Einzelnachweis
gegenüber dem FA nach § 3 Nr. 13 EStG steuerbefreit seien, sofern die
Pauschale die tatsächlich entstandenen Reiseaufwendungen nicht ersichtlich
übersteige. Im Unterschied zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG sei § 3 Nr. 13 EStG
tatbestandlich nicht an andere Rechtsnormen gebunden. Insbesondere gebe es
keinen Rechtsgrundverweis auf bestimmte Reisekostengesetze.
Dem Vereinfachungszweck der Vorschrift des § 3 Nr. 13 EStG entsprechend
verlange die Vorschrift vom Steuerpflichtigen keinen Einzelnachweis der
entstandenen Kosten, vielmehr müsse der Nachweis genügen, dass der
Reisekostenersatz bzw. die Reisekostenvergütung sich am tatsächlichen
Aufwand orientierten. Eine kleinliche Betrachtung sei dabei zu vermeiden,
sodass etwa einer an den sachlichen Maßstäben des BRKG ausgerichteten
Durchschnittskostenermittlung auch ohne rechtliche Verweisung auf § 3 Nr. 13
EStG grundsätzlich zu folgen sei. Zu klären sei, wie der Landkreis bei der
Festlegung der Pauschalierung vorgegangen sei, welche Einzelkosten er dabei
einbezogen habe, welche Funktionsträger er betrachtet und ob es sich um einen
repräsentativen Ermittlungszeitraum gehandelt habe, sodass nicht ohne
Weiteres von einer Richtigkeitsgewähr ausgegangen werden könne, wie sie
erkennbar durch das Verfahren nach § 18 BRKG a. F. (jetzt § 9 Abs. 2 BRKG)
erreicht werden solle. Zu klären sei daher, ob dem Kläger dem Grunde nach
Betriebsausgaben durch Fahrtkosten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als
Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender erwachsen seien und ob
gegebenenfalls der gewährte Fahrtkostenersatz von 4.200,00 DM den Aufwand
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des Klägers ersichtlich übersteige. Auch wenn der Kläger insoweit keinen
Einzelnachweis erbringe, könne in diesem Zusammenhang von einer offenbar
zu hohen - und deshalb befreiungsschädlichen - Vergütung jedenfalls dann
nicht ausgegangen werden, wenn sich die Ermittlung der dem Fahrtkostenersatz
zugrunde liegenden Durchschnittskosten durch den Kreistag als zutreffend
erweise und keine tatsächlichen Gründe ersichtlich seien, warum die so
ermittelten Kosten gerade für den Kläger nicht zutreffend sein sollten. Für den
Fall, dass der dem pauschalen Fahrtkostenersatz zugrunde gelegte Maßstab
nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse beim Kläger übertragbar sei, wäre dann
zu prüfen, ob bei einer Ermittlung der Einkünfte aus der Reisekostenvergütung
Betriebsausgaben nach § 162 Abgabenordnung (AO) zu schätzen seien.
Der Kläger hat im zweiten Rechtsgang Auszüge aus dem Dienstkalender seines
ehemaligen Arbeitgebers, der GmbH, für das Jahr 1997 für die Monate Januar,
Februar, März vorgelegt (Blatt 111 ff. Gerichtsakte). Danach sind
Gesamtkilometer für das Ehrenamt für den Monat Januar in Höhe von 794, für
Februar in Höhe von 858 und im März in Höhe von 756 zurückgelegt.
Der Landkreis X hat mit Datum vom 18.08.2009 einen Vermerk zur
Fahrtkostenpauschale für Fraktionsvorsitzende im Kreistag angefertigt (Blatt 139
ff.). Dort heißt u. a.:
"Grundlage für die im Streitjahr 1997 an die Fraktionsvorsitzenden gezahlte
monatliche Fahrtkostenpauschale von 350,00 DM war die
Entschädigungssatzung des Landkreises X vom 31.10.1974 i. d. F. der 9.
Änderungssatzung vom 15.06.1993. In der Vorlage für die Beschlussfassung im
Kreistag zur 9. Änderungssatzung (Sitzung am 15.06.1993 - TOP 17 -) ist hierzu
folgende Begründung enthalten:
'Bei einer Erhöhung der Fahrtkostenentschädigung auf 0,52 DM/km sollte
auch die Fahrtkostenpauschale nach § 4 Abs. 5 der
Entschädigungssatzung angepasst werden. Die Pauschale wurde zuletzt
mit der 5. Änderungssatzung 1986 erhöht. Mit der Pauschale wurden in
etwa immer Fahrtkosten für (monatlich) ca. 1.000 km für den Landrat bzw.
ca. 500 km für seine Stellvertreter und die Fraktionsvorsitzenden erstattet.
Der Umfang des kommunalpolitischen Engagements der durch besondere
Funktionen herausgehobenen Mandatsträger ist in den letzten Jahren
gewachsen, was sich bei einem Flächenlandkreis auch in dem Umfang
der Inanspruchnahme des eigenen Pkws niederschlägt.'
Die Pauschale wurde damals und wird auch heute noch "für Dienstreisen
innerhalb des Kreisgebiets und Fahrten nach H" gezahlt. Die Pauschalierung
des Fahrtkostenersatzes für die Fraktionsvorsitzenden im Kreistag des
Landkreis X erfolgt mindestens seit 1974.
Anpassungen in den Folgejahren sind entsprechend der Entwicklung der jeweils
nach Reisekostenrecht geltenden km-Sätze vorgenommen worden. Die Höhe
der Pauschale ist von der Kommunalaufsicht bei allen Anpassungen akzeptiert
worden. Auch daher haben gegen die Angemessenheit des Pauschalbetrags zu
keinem Zeitpunkt Bedenken bestanden.
In den hiesigen Akten sind keine Unterlagen über konkrete Aufzeichnungen der
tatsächlichen getätigten Fahrten der Mandatsinhaber auffindbar. Zur
Überprüfung der Angemessenheit der Fahrtkostenpauschale sind daher von
den derzeitigen Fraktionsvorsitzenden Angaben zu den tatsächlichen
durchschnittlichen monatlichen Fahrten nach folgender Aufgliederung erbeten
worden.
1. Mandatsbedingte Fahrten nach H
2. Fahrten zu Sitzungen des Kreistags, des Kreisausschusses, der
Kreistagsausschüsse und der sonstigen Gremien (Beiräte usw.)
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3. Fahrten zu Fraktions- und Gruppensitzungen
4. Mandatsbedingte Fahrten in die kreisangehörigen Städte und
Gemeinden
5. Sonstige mandatsbedingte Fahrten (z. B. interfraktionelle Gespräche,
Gespräche mit einzelnen Fraktionsmitgliedern, Ehrungen, Geburtstag
usw.)
Maßgeblich sind nach der Entschädigungssatzung Fahren, die zur
Wahrnehmung des Mandats als Kreistagsabgeordneter und der Funktion als
Fraktionsvorsitzende/r notwendig sind. "
Durch Befragung der derzeitigen Mandatsinhaber ist der Landkreis zu folgenden
monatlichen Durchschnittssätzen gelangt: Mandatsbedingte Fahrten 1,6 Fahrten
á 100 km nach H = 160 km, Fahrten zu Sitzungen des Kreistages, des
Kreisausschusses und Kreistagsausschüsse und sonstiger Gremien insgesamt
101 km, Fahrten zu Fraktions- und Gruppensitzungen insgesamt 84 km,
mandatsbedingte Fahrten in die kreisangehörigen Städte und Gemeinden 140
km, sonstige mandatsbedingte Fahrten 168 km. Ergibt insgesamt eine
durchschnittliche Kilometerleistung von 653 km. Es sei auch für das Streitjahr
1997 von monatlich mandatsbedingten Fahrten des Fraktionsvorsitzenden und
Kreistagsabgeordneten in Höhe von durchschnittlich rund 650 km auszugehen.
Unter Berücksichtigung des damaligen Kilometersatzes von 0,52 DM/km käme
eine Fahrtkostenpauschale von 350,00 DM zustande. Hinzuzurechnen seien zu
den durchschnittlichen Fahrten auch noch die Einzelabrechnungen und Entgelte
für die Inanspruchnahme von Taxen bei besonderen Umständen (§ 5 Abs. 3 der
Entschädigungsatzung), Mitnahmeentschädigung (§ 5 Abs. 4 der
Entschädigungsatzung) sowie Parkentgelte.
Der Kläger weist darauf hin, dass er die Fahrten für seine ehrenamtliche
Tätigkeit in erster Linie mit dem ihm von seinem Arbeitgeber, der GmbH, zur
Verfügung gestellten Dienstwagen durchgeführt habe. Für die private Nutzung
dieses Dienstwagens sei nach der 1 %-Regelung verfahren worden. Wegen der
ehrenamtlich verursachten Dienstfahrten für den Landkreis X habe er seinem
Arbeitgeber freiwillig zusätzlich monatlich 300,00 DM gezahlt.
Zu abendlichen Veranstaltungen habe ihn häufig seine Ehefrau mit ihrem Pkw
gefahren. Zurück habe er dann oft ein Taxi genommen.
Die durch seine ehrenamtliche Tätigkeit verursachten Dienstfahrten nach H
(Landtag, Bezirksregierung, Ministerien etc.) habe er mit der Bundesbahn
durchgeführt. Eine Bahn-Card oder eine Netzkarte besitze er nicht.
Auch bedeute die Berücksichtigung der pauschalen Zuzahlungen beim
geldwerten Vorteil der Privatnutzung, der 300 DM an den Arbeitgeber, nicht dass
ihr Abzug als Betriebsausgaben von vornherein ausgeschlossen sei. Vielmehr
sei die Verknüpfung von Fahrzeug- Gestellung und deren Verwendung für die
politische Tätigkeit der Grund für die doppelte steuerrechtliche Relevanz der
Zuzahlung.
Der Kläger weist daraufhin, dass die Zahlung des monatlichen Nutzungsentgelts
in Höhe von 300 DM an den Arbeitgeber nur im Hinblick auf die verstärkte
private Nutzung im Rahmen seiner politischen Tätigkeit erfolgt sei. So leisteten
z.B. die jetzige Geschäftsführerin Y und der Prokurist Z keine Zahlungen für die
private Nutzung ihres Dienstwagens.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Einspruchsbescheids vom 23.11.2000 den
Einkommensteuerbescheid 1997 vom 10.05.1999 zuletzt in der
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Fassung vom 19.02.2009 dahingehend zu ändern, dass die
Fahrtkostenpauschale in Höhe von 4.200,00 DM nicht der Besteuerung
unterworfen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass die dem Kläger gewährte
Pauschale von 4.200 DM Fahrtkostenersatz nicht steuerfrei sei. Dem Kläger sei
kein entsprechender Aufwand entstanden. Denn er habe für die Fahrten, die
durch seine ehrenamtliche Tätigkeit verursacht worden seien, den ihm von
seinem Arbeitgeber auch für private Zwecke zur Verfügung gestellten
Dienstwagen benutzt. Für dessen nichtberufliche Nutzung habe er an den
Arbeitgeber im Streitjahr monatlich 300 DM abgeführt habe, während der
Arbeitgeber den sich bei Anwendung der „1%-Regelung“ ergebenden
Mehrbetrag in Höhe von (12.114,22 DM ./. 300 DM) 914,22 DM monatlich als
geldwerten Vorteil versteuerte. Es sei festzuhalten, dass sich die vom Kläger in
seiner Eigenschaft als Fraktionsvorsitzender ausgeführten Dienstreisen weder
auf die Höhe des von ihm zu leistenden Geldbetrages noch auf die Höhe des
von ihm zu versteuernden geldwerten Vorteils ausgewirkt hätten.
Die aktuelle Kilometerpauschale von 0,30 €/km oder eine andere
Kilometerpauschale sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil der Kläger
durch die erweiterte Nutzung für außerberufliche Zwecke im Rahmen der „1%-
Regelung“ nicht belastet worden sei.
Der BFH habe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Anwendung des § 3
Nr. 13 EStG eine Steuerbefreiung nur insoweit gewährt werden könne, als die
gezahlte Aufwandsentschädigung tatsächliche Betriebsausgaben nicht offenbar
überschreite. Da es an solchen tatsächlichen Aufwendungen fehle, komme eine
Steuerbefreiung der pauschal gewährten Fahrtkostenentschädigung im Streitfall
wegen der tatsächlichen Verhältnisse beim Kläger nicht in Betracht. Auch für
eine Schätzung von Betriebsausgaben fehle es an einem entsprechenden
Aufwand.
Der Einwand des Klägers, dass er für Termine in H in der Regel die Deutsche
Bahn benutzt habe, überzeuge nicht. Aus dem handschriftlichen Auszug aus
seinem Dienstkalender für die Monate Januar bis März 1997 ergäben sich 8
solcher Fahrten nach H mit zusammen 800 km als mit dem Pkw zurückgelegt.
Außerdem sei anzumerken, dass die Zuzahlung des Klägers für die
Überlassung des Firmenwagens bereits die Höhe seiner steuerpflichtigen
Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit gemindert habe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der dem Kläger vom Landkreis gewährte pauschale Fahrtkostenersatz i. H. v.
monatlich 350 DM (4.200 DM/Jahr) ist gem. § 3 Nr. 13 EStG steuerfrei, da der
Fahrtkostenersatz die dem Kläger insoweit tatsächlich entstandenen
Betriebsausgaben nicht offenbar überschreitet.
Aus seiner Tätigkeit als Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender
erzielte der Kläger im Streitjahr Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit
i.S.v. § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85,
BStBl. II 1988, 266).
Die durch diese Tätigkeit veranlassten Reisekosten sind Betriebsausgaben, die
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aus dienstlichem Grund gewährten Erstattungen oder Vergütungen solcher
Betriebsausgaben sind - gleich unter welcher Bezeichnung -
Betriebseinnahmen. Der Erfassung des Vergütungsbetrages als
Betriebseinnahme kann eine Steuerbefreiung nach Maßgabe der Regelung in §
3 Nr. 13 EStG entgegenstehen.
Nach § 3 Nr. 13 EStG sind steuerfrei die aus öffentlichen Kassen gezahlten
Reisekostenvergütungen, Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder.
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind im Streitfall insoweit
erfüllt, als der Kostenersatz aus einer öffentlichen Kasse gezahlt wurde und der
Abgeltung von Reiseaufwand diente. Reisekostenvergütungen in diesem
Zusammenhang umfassen insbesondere auch Fahrtkostenerstattungen (z. B.
Schmidt/Heinecke, EStG, 30. Aufl., § 3 ABC "Reisekostenvergütungen").
Der mit der Vorschrift auch verfolgte Vereinfachungszweck (BFH-Urteil vom 27.
Mai 1994 V R 67/92, BStBl. II 1995, 17) rechtfertigt es allerdings nicht, auch
solche Kostenvergütungen und ähnlich bezeichnete Einkommensteile von der
Steuer zu befreien, denen tatsächlich kein entsprechender Aufwand gegenüber
steht z. B. BFH-Urteil vom 21. Oktober 1996 VI R 71/93, BFH/NV 1997, 286)
oder aber nur ein Aufwand, der den Kosten der privaten Lebensführung
zuzurechnen oder von ihnen nicht klar abzugrenzen ist (§ 12 Nr. 1 EStG; BFH-
Urteil vom 29. November 2006 VI R 3/04, BStBl. II 2007, 308). Vielmehr gilt der
Grundsatz, dass Erstattungen oder Vergütungen nur dann steuerfrei sein
können, wenn sie der Abgeltung eines Aufwands dienen, der als
Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar wäre, müsste ihn der
Steuerpflichtige selbst tragen (z. B. BFH-Urteile vom 27. Mai 1994 V R 67/92,
BStBl. II 1995, 17; vom 21.Oktober 1996 VI R 71/93, BFH/NV 1997, 286 zu § 3
Nr. 13 und 16 EStG; vom 15. November 2007 VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767 zu
§ 3 Nr. 12 S. 2 EStG).
Bleibt die Erstattung steuerfrei hat dies gem. § 3c Abs. 1 EStG den Ausschluss
des Abzugs der damit in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang
stehenden Kosten als Betriebsausgabe zur Folge (BFH-Urteil vom 15.
November 2007 VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767).
In dem dem II. Rechtsgang zugrunde liegenden Urteil vom 08.10.2008 hat der
BFH herausgestellt (VIII R 58/06, BStBl. II 2009, 405), dass im Unterschied zu §
3 Nr. 12 Satz 1 EStG § 3 Nr. 13 EStG tatbestandlich nicht an andere
Rechtsnormen gebunden ist, insbesondere keinen Rechtsgrundverweis auf
bestimmte Reisekostengesetze enthält. Es könne daher nicht
entscheidungserheblich auf das Reisekostenrecht abgestellt werden.
Rechtsgrundlage für die Reisekosten-Vergütungspauschale ist im Streitfall die
auf der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) beruhende
Entschädigungssatzung des Landkreises X in der für das Streitjahr geltenden
Fassung, wonach neben einer angemessenen Aufwandsentschädigung
Durchschnittssätze für die Fahrtkosten durch Satzung festgesetzt werden
können.
Ihrem Vereinfachungszweck entsprechend verlangt die Vorschrift des § 3 Nr. 13
EStG vom Steuerpflichtigen keinen Einzelnachweis der entstandenen Kosten,
vielmehr muss der Nachweis genügen, dass der Reisekostenersatz bzw. die
Reisekostenvergütung sich am tatsächlichen Aufwand orientiert (BFH-Urteil vom
27. Mai 1994 V R 67/92, BStBl. II 1995, 17). Eine kleinliche Betrachtung ist dabei
zu vermeiden, sodass etwa einer an den sachlichen Maßstäben des BRKG
ausgerichteten Durchschnittskostenermittlung - auch ohne rechtliche
Verweisung hierauf in § 3 Nr. 13 EStG - grundsätzlich zu folgen wäre (BFH-Urteil
vom 08.10.2008 VIII R 58/06, BStBl. II 2009, 405).
Dem Empfänger soll ein ins Einzelne gehender Nachweis seiner
Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht zugemutet werden (BFH-Urteil
vom 12. April 2007 VI R 53/04, BStBl II 2007,536).
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Auf den Streitfall bezogen bedeutet dies, dass die dem Kläger gemäß § 4 Abs. 5
der Entschädigungssatzung des Landkreises X gezahlte monatliche
Fahrtkostenpauschale in Höhe von 350 DM steuerfrei gemäß § 3 Nr. 13 EStG
ist.
Der Landkreis X hat in seinem ausführlichen Vermerk vom 18.08.2009, in dem
er die Voraussetzungen der Fahrtkostenpauschale nach § 4 Abs. 5 der
Entschädigungssatzung des Landkreises erläutert hat, für das Gericht
nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass die durchschnittliche
Fahrtleistung eines Funktionsträgers wie des Klägers als Fraktionsvorsitzender
pro Monat ca. 650 Kilometer betragen hat. Bei dem damaligen
Kilometerpauschsatz nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 a EStG in Höhe von 0,70 DM, der
nach Dienstreisegrundsätzen pro Entfernungskilometer zu gewähren ist,
betragen die monatlichen Fahrtkosten danach allein schon 455 DM. Von der
Pauschale in Höhe von 350 DM sind ebenfalls abgegolten gemäß der Regelung
des Landkreises die Taxikosten, Bahnfahrkarten und Parkentgelte.
Der Kläger selbst hat seine ehrenamtlich bedingten Fahrten anhand seines
Dienstkalenders bei der GmbH für die Monate Januar bis März 1997
exemplarisch mit 794, 858 und 756 km ermittelt. Er hat in der mündlichen
Verhandlung seinen Dienstkalender 1997 vorgelegt. Das Gericht konnte sich
davon überzeugen, dass auch in den Folgemonaten Fahrten für das Ehrenamt
in entsprechenden Umfang dokumentiert waren.
Außerdem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft ausgeführt,
dass in seinem Dienstkalender in erster Linie die ehrenamtlichen Fahrten
dokumentiert sind, die während der normalen Dienstzeit durchgeführt worden
sind. So konnten bei der Terminplanung von vornherein eventuelle
Überschneidungen möglichst vermieden werden.
In seinem zusätzlich geführten privaten Kalender hat er nach seiner Aussage
die Abend- und Wochenendtermine, die sein Ehrenamt mit sich gebracht hat,
notiert. Es sind also noch weitere Fahrten, als die aus dem Dienstkalender
ersichtlichen für das Ehrenamt angefallen.
Das Gericht konnte sich durch Vorlage der privaten Kalender für die Jahre 2008
und 2010 von der Vorgehensweise des Klägers überzeugen.
Der Kläger hat die ehrenamtlich bedingten Fahrten größtenteils mit dem ihm von
seinem Arbeitgeber, der GmbH, zur Verfügung gestellten Dienstwagen
absolviert. Für die Nutzung dieses Dienstwagens im Rahmen seines Ehrenamts
hat der Kläger seinem Arbeitgeber im Streitjahr sowie in den Vorjahren und den
Jahren danach monatlich zunächst 225 DM, später und im Streitjahr monatlich
300 DM Nutzungsentgelt gezahlt.
Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dieses Nutzungsentgelt
ausschließlich für die ehrenamtliche Nutzung des Dienstwagens, nicht für die
normale private Nutzung gezahlt worden ist.
Dies ergibt sich aus mehreren Schreiben der GmbH. Der Kläger hat für die
private Nutzung seines Dienstwagens im Hinblick auf seine politische Tätigkeit
von März 1980 bis Oktober 1980 monatlich 225 DM, ab 01.11.1981 und auch im
Streitjahr 1997 monatlich 300 DM bezahlt. Andere Nutzer von Dienstwagen der
GmbH, die kein politisches Mandat hatten, wie z. B. auch die jetzige
Geschäftsführerin Y und der Prokurist Z, haben kein Nutzungsentgelt gezahlt,
ausweislich der vorgelegten Berechnungen der GmbH.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass er seinerzeit 1980
an den Vorstand herangetreten sei und gebeten habe, für die ehrenamtliche
Nutzung des Dienstwagens ein Nutzungsentgelt zu zahlen, um nicht angreifbar
zu sein. Schließlich habe er sowohl als GmbH-Geschäftsführer als auch als
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Fraktionsvorsitzender im Kreisrat sowie die über 10 Jahre als stellvertretender
Landrat in der Öffentlichkeit unter ständiger Beobachtung gestanden. Die 225
bzw. 300 DM habe er auf freiwilliger Basis ausschließlich für die durch das
Ehrenamt veranlassten Fahrten gezahlt.
Die Zahlung dieses Entgelts erfolgte als pauschale Geldleistung an die GmbH
gemäß Gehaltsabrechnung (vgl. Vermerk der GmbH vom 15. Mai 1995). Die
300 DM wurden ab November 1981 (vorher 225 DM) als "abzüglich direkt vom
Lohn einzubehaltende Pauschale" gezahlt (vgl. Vermerk GmbH vom 2.
November 1981).
Der Kläger hat also tatsächlichen Aufwand in Höhe von 300 DM monatlich
gehabt, die er aus versteuerten Einkommen gezahlt hat. Bei der Zahlung der
300 DM handelt es sich um Einkommensverwendung.
Da außerdem nach dem glaubhaften Ausführungen des Klägers und seiner
Ehefrau in der mündlichen Verhandlung die Ehefrau den Kläger regelmäßig zu
Abendterminen und Veranstaltungen gefahren hat, bei denen Alkoholkonsum zu
erwarten gewesen sei, hatte der Kläger über diese 300 DM hinausgehenden
weiteren tatsächlichen Aufwand. Ebenso für gelegentliche Taxi(rück-)fahrten von
Abendveranstaltungen.
Auch hat der Kläger nach seiner und der Aussage seiner Frau häufiger den
Dienstwagen stehen gelassen und ist mit dem Taxi nach Hause gefahren und
hat den Wagen dann am nächsten Tag abgeholt. Es ist dem Kläger also
tatsächlicher weiterer Aufwand für Taxikosten entstanden. Ebenso hat der
Kläger glaubhaft erklärt, für Fahrten für Termine in Hannover bei der
Bezirksregierung, Ministerien und dergleichen mit der Bundesbahn gefahren zu
sein.
Die Fahrtkosten mit der Bundesbahn sowie Taxifahrten und Parkentgelte sind
ausweislich des Vermerks des X zur Zusammensetzung und Berechnung der
Fahrtkostenpauschale mit dieser abgegolten.
Die vom Landkreis gewährte Fahrtkostenpauschale in Höhe von 350 DM ist
nach alledem keineswegs überhöht gewesen, gemessen am tatsächlichen
Aufwand des Klägers.
Selbst wenn man der Ansicht des Beklagten folgen würde, die Zahlung der 300
DM monatlich habe sich für den Kläger steuerlich ausgewirkt und habe sich
insofern nicht als Aufwand dargestellt, wäre die vom Landkreis gewährte
Fahrtkostenpauschale in Höhe von 350 DM nicht überhöht. Im Wege der
Schätzung wäre dann davon auszugehen, dass angesichts des
Spitzensteuersatzes des Klägers ca. 150 DM monatlich (50 % von 300 DM) als
tatsächlicher Aufwand beim Kläger anfallen. Weitere mindestens 50 DM wären
als Fahrtkostenersatz für die Ehefrau anzusetzen sowie 50 DM für Fahrten mit
der Bundesbahn und 20 DM für Parkentgelte. Das macht einen geschätzten
Betrag von 320 DM aus. Eine Fahrtkostenpauschale in Höhe von 350 DM wäre
dann nicht überhöht und unangemessen.
Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2
Finanzgerichtsordnung (FGO) auf den Beklagten übertragen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 FGO
i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).