Urteil des FG Münster vom 05.12.2003

FG Münster (Einkünfte, Private Vermögensverwaltung, Gesellschafter, Einspruch, Verwaltung Von Grundstücken, Käufer, Vermietung, Anfang, Verwaltungsakt, Nachhaltigkeit)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 4 K 2382/98 F
05.12.2003
Finanzgericht Münster
4. Senat
Urteil
4 K 2382/98 F
Die Klage wird abgeweisen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin (Klin.) Einkünfte aus gewerblichem
Grundstückshandel erzielt hat.
Die Klin. ist eine "Grundstücksgemeinschaft", die die in gesamthänderischer
Verbundenheit entfalteten Grundstücksaktivitäten ihrer Gesellschafter zusammenfasst.
Gesellschafter der Klin. waren in den Streitjahren die Brüder F, X und H R. Die Herren R
waren in gesamthänderischer Verbundenheit Eigentümer mehrerer Grundstücke, aus
denen sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (VuV) erzielten. Für jedes
Grundstück schlossen sie einen Gesellschaftsvertrag, wobei Gegenstand der jeweiligen
GbR der Erwerb und die Verwaltung des betreffenden Grundstücks sein sollte. Für jedes
der Streitjahre gab die Klin. eine Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen ab. Sie erklärte Einkünfte aus VuV.
Die Gesellschafter der Klin. waren zudem an der P R GmbH & Co. KG (GmbH & Co. KG),
beteiligt und zwar Herr X R mit 27,33 %, Herr H R mit 27,33 % und Herr F R mit 21,34 %.
Die restlichen Kommanditanteile entfielen auf die Kinder der drei Gesellschafter. Jeder
Familienstamm hielt im Ergebnis 1/3 der Anteile. Die GmbH & Co. KG erzielte als Hoch-
,Tief- und Straßenbauunternehmen Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Im September 1987 schlossen die Gesellschafter der Klin. einen weiteren
Gesellschaftsvertrag über eine GbR mit der Bezeichnung "Grundstücksgesellschaft G".
Gegenstand der Gesellschaft sollte der Erwerb und die Verwaltung von Grundstücken in G,
L-Straße sein. Am 22.10.1987 kam es zu einer notariellen Vereinbarungen zwischen den
Gesellschaftern der Klin., der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen und
der Stadt G. In dem Vertrag, auf den im Übrigen verwiesen wird, verkauften die
Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen und die Stadt G Grundstücke an die
Gesellschafter der Klin. (in Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Auf den betreffenden
Flächen sollte ein Kleinkaufhaus mit ergänzenden Einzelhandelsflächen sowie eine
Parkgarage u.a. mit öffentlichen Stellplätzen errichtet werden. Der Kaufpreis für die von der
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Klin. erworbenen Grundstücke belief sich (unter Anrechnung des Kaufpreises für im
Gegenzug von der Klin. an die Stadt G veräußerte Flächen) auf 248.820 DM. Zudem hatte
die Klin. weitere 532.407 DM für Abbruchkosten, Ingenieurleistungen und weitere
Leistungen an die Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen zu zahlen.
Ebenfalls im Oktober 1987 schloss die Klin. einen Mietvertrag über große Flächen des zu
errichtenden Objekts mit dem Unternehmen M. Das Mietverhältnis wurde für eine Dauer
von 15 Jahren vereinbart. Für den Mieter bestand die Option der Verlängerung um zwei Mal
5 Jahre. Der Erwerb der Flächen durch die Klin. und der Abschluss des Mietvertrags
erfolgten, nachdem die Q GmbH & Co. Bauträger KG, die die Bebauung und Vermietung
ursprünglich hatte vornehmen sollen, in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. Für
die Übernahme der bereits zu 2/3 fertiggestellten Planung zahlte die Klin. 875.000 DM an
die Q GmbH & Co. Bauträger KG.
Das Objekt wurde von der GmbH & Co. KG errichtet. Die Kosten für die Errichtung beliefen
sich auf 9.464.055 DM und wurden von der GmbH & Co. KG als Betriebsausgaben
behandelt. Während der Bauphase - im September 1988 - beauftragte die Klin. eine
Immobilienfirma, die I GmbH, damit, einen Käufer für das Objekt zu finden. Auf den
Geschäftsbesorgungsvertrag vom 17.08./12.09.1988 wird Bezug genommen. Das
Kaufhaus wurde im Juli 1989 fertig gestellt. Ebenfalls im Juli 1989 fand sich ein
Kaufinteressent für das Objekt, der es im November 1989 für 12.915.000 DM erwarb. Die
Klin. leistete während der Bauphase 12 Abschlagszahlungen i.H.v. insgesamt 1.749.500
DM an die GmbH & Co. KG. Auf den entsprechenden Überweisungsträgern ist unter
Verwendungszweck "Einlage" angegeben. Die restliche Summe wurde nach Veräußerung
des Objekts beglichen, indem die Kosten den Privatkonten der drei Kommanditisten bei der
GmbH & Co. KG erfolgswirksam belastet wurden.
Die von der Klin. für die Streitjahre abgegebenen Feststellungserklärungen umfassten auch
das Objekt "Kleinkaufhaus". Auch insoweit erklärte sie Einkünfte aus VuV. Einen
Veräußerungsgewinn ermittelte sie nicht. Der Beklagte (Bekl.) folgte den
Feststellungserklärungen im Wesentlichen und erließ unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung entsprechende Feststellungsbescheide:
Feststellungsbescheid 1988 vom 02.08.1990: Einkünfte aus VuV: 69.406 DM;
Feststellungsbescheid 1989 vom 16.08.1991: Einkünfte aus VuV: 391.543 DM;
Feststellungsbescheid 1990 vom 07.01.1992: Einkünfte aus VuV: 160.448 DM;
Feststellungsbescheid 1991 vom 25.08.1993: Einkünfte aus VuV: 55.698 DM.
1993/1994 kam es zu einer Betriebsprüfung (Bp.) sowohl bei der GmbH & Co. KG als auch
bei der Klin. Der Prüfer gelangte dabei zu folgenden Ergebnissen (Tz. 16 des die GmbH &
Co. KG betreffenden Bp.-Berichts sowie Tz. 14 des die Klin. betreffenden Bp.-Berichts,
beide Berichte vom 25.08.1994):
Die "Beteiligungen" an der nicht gewerblich tätigen "Kaufhaus G GbR" gehörten zum
notwendigen Sonderbetriebsvermögen der an der GmbH & Co. KG beteiligten
Kommanditisten F, X und H R. Als Wirtschaftsgut des Sonderbetriebsvermögens komme
auch die "Beteiligung" an einer nicht gewerblich tätigen Grundstücksgesellschaft in
Betracht. Hinzu kämen folgende Besonderheiten: Die "Kaufhaus GbR" habe sich mit der
Errichtung und der Veräußerung des Kaufhauses in dem Geschäftsbereich der GmbH &
Co. KG betätigt, obwohl für die Gesellschafter ein vertraglich vereinbartes
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Wettbewerbsverbot bestanden habe. Es habe zu den üblichen Geschäften der GmbH & Co.
KG gehört, erworbene Grundstücke zu bebauen und zu veräußern. Der enge zeitliche
Zusammenhang zwischen Errichtung und Veräußerung des Objekts deute auf eine
bedingte Veräußerungsabsicht der Klin. hin. Hinzu komme der bereits während der
Bauphase abgeschlossene Vertrag mit der I GmbH. Die Verflechtung der beiden
Gesellschaften lasse den Schluss zu, dass die Gesellschafter der "Kaufhaus GbR" ihre
Marktstellung in den Dienst der GmbH & Co. KG stellen und somit zum Absatz von deren
Produkten beitragen wollten. Die Beteiligung sei dazu bestimmt gewesen, die gewerbliche
Betätigung der GmbH & Co. KG entscheidend zu fördern. Hinzu komme, dass die GmbH &
Co. KG der "Kaufhaus GbR" im Dezember 1989 ca. 9,5 Mio. DM Selbstkosten berechnet
und damit ca. 22 % des Gesamtumsatzes 1989 getätigt habe. Die Beteiligung an der
"Kaufhaus GbR" sei damit geeignet und bestimmt gewesen, die branchengleiche
Betätigung der GmbH & Co. KG entscheidend zu fördern und den Absatz ihrer Produkte zu
gewährleisten.
Nach Ansicht der GmbH & Co. KG, so der Bp.-Bericht weiter, liege kein
Sonderbetriebsvermögen vor. In diesem Fall sei jedoch jedenfalls auf der Ebene der
einzelnen Gesellschafter jeweils ein gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen. Den
Gesellschaftern seien die von der GmbH & Co. KG veräußerten Objekte sowie die
Veräußerung des Kaufhauses zuzurechnen. Die Drei-Objekt-Grenze sei überschritten.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht ergebe sich Folgendes: Zunächst würden (entsprechend
dem BMF-Schreiben vom 29.04.1994, BStBl. I 1994, 282) die Einkünfte aus VuV auf der
Ebene der "Kaufhaus G GbR" als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten
ermittelt und gesondert und einheitlich festgestellt. Es sei jedoch zu beachten, dass die
Anteile an den festgestellten Überschüssen bei den Einkommensteuerveranlagungen der
Gesellschafter nicht unmittelbar zugrunde gelegt werden dürften. Die Überschusseinkünfte
seien vielmehr im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der
gewerblichen Einkünfte der GmbH & Co. KG zu berücksichtigen (und die bisher bei den
Einkommensteuerveranlagungen der Gesellschafter zugrunde gelegten Einkünfte aus VuV
zu stornieren). Bei der Gewinnermittlung der GmbH & Co. KG habe der einzelne
Gesellschafter alle Wirtschaftsgüter der Grundstücksgesellschaft anteilig im Rahmen
seines eigenen Buchführungswerks zu erfassen und den Gewinnanteil, der sich aus den
einzelnen Geschäftsvorfällen der Grundstücksgesellschaft ergebe, nach den Grundsätzen
der Gewinnermittlung zu berechnen und anzusetzen. Hieraus ergebe sich für die drei
Kommanditisten F, X und H R für 1988 ein Verlust i.H.v. insgesamt 169.387 DM, für 1989
ein Gewinn i.H.v. insgesamt 2.814.759 DM, für 1990 ein Verlust i.H.v. insgesamt 23.645
DM und für 1991 ein Gewinn i.H.v. insgesamt 36.688 DM.
In dem die Klin. betreffenden Bp.-Bericht führte der Prüfer zudem aus, hinsichtlich der Jahre
1988, 1989 und 1990 ergäben sich keine Änderungen. Der Vorbehalt der Nachprüfung sei
jeweils gemäß § 164 Abs. 3 Abgabenordnung (AO) aufzuheben. Für 1991 ergäben sich
zwei (im Klageverfahren nicht streitige) Änderungen. Die Einkünfte aus VuV seien zu
erhöhen (auf 110.402 DM). Zudem seien Einkünfte aus Kapitalvermögen (i.H.v. 60.636 DM)
anzusetzen. Der Bescheid sei entsprechend zu ändern. Auch hier sei der Vorbehalt der
Nachprüfung aufzuheben.
Der Bekl. folgte dem. Er hob den Vorbehalt der Nachprüfung, mit dem die gegenüber der
Klin. ergangenen Feststellungsbescheide 1988 bis 1990 versehen worden waren, jeweils
auf. Zur Begründung gab er an, die Bp. habe zu keiner Änderung der
Besteuerungsgrundlagen geführt. Den Feststellungsbescheid 1991 änderte der Bekl. wie
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vom Prüfer vorgeschlagen. Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er ebenfalls auf. Alle
Bescheide datieren vom 17.11.1994.
Die im Hinblick auf die GmbH & Co. KG ergangenen Feststellungsbescheide änderte der
Bekl., indem er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend verminderte bzw. erhöhte
(Änderungsbescheid vom 01.03.1995). Den Vorbehalt der Nachprüfung hob er jeweils auf.
Für 1989 (Jahr der Veräußerung des Kaufhauses) ergab sich ein zusätzlicher Gewinn von
2.814.759 DM.
Sämtliche Bescheide wurden durch Einspruch angefochten. Die Klin. begründete den von
ihr (durch die Steuerberater N und J) eingelegten Einspruch zunächst - vorbehaltlich
weiterer Stellungnahme durch Herrn Wirtschaftsprüfer, Steuerberater O - damit, dass, wenn
der Verlust/Gewinn der "Kaufhaus G GbR" im Rahmen der einheitlichen
Gewinnfeststellung der GmbH & Co. KG zu berücksichtigen sei, dies zur Folge haben
müsse, dass die ihr, der Klin., gegenüber ergangenen Feststellungsbescheide berichtigt
werden müssten. Der Prüfungsbericht sei insofern unzutreffend. Dieser Vortrag wurde,
nachdem Herr Wirtschaftsprüfer, Steuerberater O bzw. die Sozietät O den Fall übernommen
hatten, im weiteren Verlauf des Einspruchsverfahrens nicht aufgegriffen.
Nachdem die GmbH & Co. KG und die Klin. vorgetragen hatten, ihres Erachtens liege
weder Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG vor noch seien die
Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels bei den Gesellschaftern der
Klin. erfüllt, nahm der Bekl. mit Schreiben vom 20.08.1996 folgenden Standpunkt ein: Die
"Grundstücksanteile Kaufhaus G" der Gesellschafter der Klin. gehörten nicht zum
notwendigen Sonderbetriebsvermögen der GmbH & Co. KG. Die Klin. habe jedoch aus
dem Objekt "Kaufhaus G" gewerbliche Einkünfte erzielt. Diese Frage sei im
Feststellungsverfahren der Klin. zu entscheiden. Werde ein Objekt in engem zeitlichen
Zusammenhang mit seiner Errichtung veräußert, zwinge dies nach der Lebenserfahrung zu
der Schlussfolgerung, dass bei der Errichtung des Objekts zumindest eine bedingte
Veräußerungsabsicht bestanden habe. Es reiche aus, wenn von vornherein zumindest
auch die Ausnutzung des Vermögenswertes selbst in Erwägung gezogen worden sei, auch
wenn eigentlich eine Nutzung durch Fruchtziehung geplant gewesen sei. Dem stehe nicht
entgegen, dass die Veräußerung nicht "planmäßig", sondern auf Grund von
Finanzierungsschwierigkeiten oder Krankheit erfolgt sei. Der Zeitraum zwischen Erwerb
und Veräußerung habe hier rd. zwei Jahre betragen, wobei die Veräußerung bereits drei
Monate nach Fertigstellung des Objekts erfolgt sei. Allein wegen dieses engen zeitlichen
Zusammenhangs sei eine bedingte Veräußerungsabsicht anzunehmen. Hinzu komme,
dass bereits im August 1988 ein Vermittlungsauftrag an die I GmbH erteilt worden sei.
Darüber hinaus spreche auch die Beteiligung der Gesellschafter der Klin. an der GmbH &
Co. KG für eine gewerbliche Betätigung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) seien Grundstücksveräußerungen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts einem
Gesellschafter, der auch eigene Grundstücke veräußere, in der Weise zuzurechnen, dass
unter Einbeziehung der Veräußerungen der Gesellschaft ein gewerblicher
Grundstückshandel des Gesellschafters anzunehmen sei. Im Interesse einer sachlich
zutreffenden Besteuerung seien alle wirtschaftlichen Aktivitäten in eine Gesamtwürdigung
einzubeziehen.
Die Klin. trat der Ansicht des Bekl., sie habe in bedingter Veräußerungsabsicht gehandelt,
entgegen. Sie habe vielmehr die Absicht gehabt, das Objekt langfristig zu halten und zu
vermieten. Dies entspreche ihrer langjährigen Handhabung. Keines der anderen
Vermietungsobjekte sei bisher veräußert worden. Das Objekt "Kaufhaus G" sei allein
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deshalb verkauft worden, weil es zu unvorhergesehenen Schwierigkeiten gekommen sei.
So sei das Mieterunternehmen (M) in eine wirtschaftliche Krise geraten. Das
Vorhandensein eines Mieters sei jedoch Voraussetzung für ein Gelingen des Projekts
gewesen. Das Unternehmen M habe sich erst erholt, nachdem es in den S-Konzern
eingegliedert worden sei. Um sich über die finanzielle Lage des Unternehmens M zu
informieren, aber auch weil wegen verschiedener Großaufträge für die GmbH & Co. KG ein
erhöhter Finanzierungsbedarf bestanden habe, hätten sich ihre, der Klin., Gesellschafter
mit der Bank 1 in Verbindung gesetzt. Diese habe die Veräußerung des Objekts
Kleinkaufhaus empfohlen. Für die Vermittlung eines Kaufinteressenten habe die Bank 1
eines ihrer Tochterunternehmen, die I GmbH, vorgeschlagen. Zwar habe sie, die Klin., -
entsprechend ihrer langjährigen Übung - nicht verkaufen wollen. Gleichwohl hätten ihre
Gesellschafter die Bank 1 auch nicht "verprellen" wollen, da sie an günstigen Konditionen
für die erforderlichen Kredite interessiert gewesen seien. Deshalb habe sie, die Klin., die I
GmbH beauftragt in der Erwartung, dass ohnehin kein Käufer vermittelt werden würde. Eine
Verpflichtung sei sie mit dem Vertrag nicht eingegangen. Erst über ein Jahr nach Abschluss
des Geschäftsbesorgungsvertrages habe die I GmbH einen Kaufinteressenten gefunden.
Ihre, der Klin., Gesellschafter hätten das Kaufangebot u.a. deshalb angenommen, weil eine
Schwestergesellschaft der GmbH & Co. KG, die P R GmbH & Co. KG, wegen eines
Garantieschadens über 2,8 Mio. DM dringend finanzielle Mittel benötigt habe. Hinzu
gekommen sei, dass der Käufer ein ausgesprochen günstiges Angebot abgegeben habe,
weil er aus steuerlichen Gründen dringend ein Investitionsobjekt gesucht habe. Der
entstandene Gewinn sei ein "Zufalls- und Glückstreffer" gewesen.
Abgesehen hiervon liege ein gewerblicher Grundstückshandel bereits deshalb nicht vor,
weil nur ein einziges Grundstück veräußert worden sei. Es fehle an der erforderlichen
Nachhaltigkeit. Zudem habe sie, die Klin., sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen
Verkehr beteiligt. Die I GmbH habe sie eingeschaltet, weil ihr das von der Bank 1 nahe
gelegt worden sei. Sie, die Klin., habe sich zu keinem Zeitpunkt um die Veräußerung des
Objekts bemüht.
Im Verlauf der Einspruchsverfahren zog der Bekl. zum einen die Gesellschafter der Klin.
zum Einspruchsverfahren der GmbH & Co. KG hinzu. Zum anderen zog er die Klin. zum
Einspruchsverfahren der GmbH & Co. KG und die GmbH & Co. KG zum
Einspruchsverfahren der Klin. hinzu. Die Hinzuziehungen stützt er auf § 360 i.V.m. § 174
Abs. 3, 4, 5 AO. Zur Begründung führte er aus, er sei der Ansicht, die "Grundstücksanteile
Kaufhaus G" gehörten nicht zum Sonderbetriebsvermögen der GmbH & Co. KG. Die
Einkünfte im Zusammenhang mit dem Objekt "Kaufhaus G" seien als gewerbliche
Einkünfte bei der Klin. zu erfassen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 06.03.1998 entschied der Bekl. wie folgt über den
Einspruch der GmbH & Co. KG: Der Einspruch sei begründet. Die Einkünfte aus dem
Objekt "Kleinkaufhaus G" stellten keine Sonderbetriebseinnahmen bei der GmbH & Co. KG
dar. Die Einkünfte seien als gewerbliche Einkünfte bei der Klin. zu erfassen. Die Einkünfte
aus dem "Kleinkaufhaus G" seien bei der Klin. in folgender Höhe als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb anzusetzen: 1988: ./. 169.387 DM; 1989: 2.814.759 DM; 1990: ./. 23.645
DM; 1991: 36.688 DM.
Unter Änderung der Feststellungsbescheide 1988 bis 1991 vom 01.03.1995 wurden die
Einkünfte der GmbH & Co. KG wie folgt festgestellt:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1988: 1.549.156 DM
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Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1989: 2.073.704 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1990: 2.849.576 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1991: 3.536.518 DM
Am selben Tag entschied der Bekl. über den Einspruch der Klin. und wies ihn als
unbegründet zurück. Im Tenor der Einspruchsentscheidung vom 06.03.1998 heißt es
weiter, unter Änderung der Feststellungsbescheide 1988 bis 1991 vom 17.11.1994 würden
die Einkünfte wie folgt festgestellt:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1988: ./. 169.387 DM
Einkünfte aus VuV 1988: 238.793 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1989: 2.814.759 DM
Einkünfte aus VuV 1989: 182.405 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1990: ./. 23.645 DM
Einkünfte aus VuV 1990: 184.081 DM
Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1991: 36.688 DM
Einkünfte aus VuV 1991: 67.162 DM
Einkünfte aus Kapitalvermögen 1991: 60.636 DM
Mit ihrer Klage hält die Klin. an der Auffassung fest, ein gewerblicher Grundstückshandel
liege bereits deshalb nicht vor, weil sie nur ein Objekt veräußert habe. Sie habe keine
weiteren Objekte veräußert und dies zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt. Es fehle deshalb an
der erforderlichen Nachhaltigkeit. Darüber hinaus sei die Drei-Objekt-Grenze, die auch
nach der neueren Rechtsprechung des BFH von Bedeutung sei, nicht überschritten
worden, so dass die Veräußerung des Objekts als private Vermögensverwaltung zu
qualifizieren sei. Ein Ausnahmefall, bei dem nach der neueren Rechtsprechung des BFH
gewerblicher Grundstückshandel anzunehmen sei, obwohl weniger als vier Objekte
veräußert worden seien, liege nicht vor. Insbesondere habe sie, die Klin., nicht die Absicht
gehabt, dass Objekt zu veräußern. Wie es zu dem Abschluss des
Geschäftsbesorgungsvertrags mit der I GmbH und schließlich zu der Veräußerung
gekommen sei, sei im Einspruchsverfahren dargelegt worden. Gegen eine
Veräußerungsabsicht spreche, dass mit dem Unternehmen M ein langfristiger Mietvertrag
abgeschlossen worden sei. Zudem habe sie, die Klin., sich Anfang 1988 wegen einer
langfristigen Finanzierung sowohl an die Bank 1 als auch an die Bank 2 gewandt. Zum
Abschluss eines Darlehensvertrags sei es jedoch nicht gekommen. Im März 1989 sei sie
wegen einer langfristigen Finanzierung erneut an verschiedene Banken herangetreten. Ein
Vertrag sei nicht abgeschlossen worden. Darüber hinaus habe die GmbH & Co. KG das
Objekt entgegen der Annahme des Bekl. nicht zum Selbstkostenpreis errichtet. Es sei
vielmehr eine Abrechnung wie unter fremden Dritten erfolgt, wobei sich zu ihren, der Klin.,
Gunsten ausgewirkt habe, dass die GmbH & Co. KG ihre Ressourcen wegen der langen
Bauzeit sinnvoll habe einsetzen können (sog. Stoppelbaustelle; insbesondere
gleichmäßige Auslastung durch Einbeziehung der Wintermonate) und dass sich ihre, der
Klin., Gesellschafter bei der Bauaufsicht und Baubetreuung engagiert hätten. Der Bekl.
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habe jedenfalls nicht dargetan, dass die Rechnungslegung einem Fremdvergleich nicht
standhalte. In diesem Zusammenhang sei zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der
GmbH & Co. KG nicht um das Bauunternehmen des das Objekt errichtenden
Steuerpflichtigen (Einzelunternehmen), sondern um eine eigenständige Gesellschaft mit
Beteiligungsverhältnissen handele, die von denen der Klin. abwichen.
Selbst wenn man unterstelle, dass nach der - neueren - Rechtsprechung des BFH die
Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels erfüllt seien, habe der Bekl. die
Feststellungsbescheide - soweit es um die Frage des gewerblichen Grundstückshandels
gehe - gem. § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht ändern
dürfen. Im Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids 1989 am 16.08.1991 habe
der BFH in ständiger Rechtsprechung das Vorliegen eines gewerblichen
Grundstückshandels verneint, wenn weniger als vier Objekte veräußert worden seien. Die
Finanzverwaltung sei dem im Grundsatz gefolgt (BMF-Schreiben vom 20.12.1990, BStBl. I
1990, 884). Soweit die Finanzverwaltung andere Objekte als Eigentumswohnungen, Ein-
und Zweifamilienhäuser von der Drei-Objekt-Grenze ausgenommen habe, habe sie auch
hier eine Mehrzahl von Veräußerungen für erforderlich gehalten. Im Verlauf der 90er Jahre
habe sich die Rechtsprechung, insbesondere die des X. Senats des BFH, verschärft
(Urteile vom 24.01.1996 X R 255/93, BStBl. II 1996, 303 und vom 14.01.1998 X R 1/96,
BStBl. II 1998, 346). Auch die Entscheidung des Großen Senats vom 10.12.2001 (GrS1/98,
BStBl. II 2002, 291) und die auf dieser Entscheidung aufbauende weitere Rechtsprechung,
die in größerem Umfang Ausnahmen von der Drei-Objekt-Grenze zuließen, seien im Jahr
1991 nicht vorhersehbar gewesen.
Die gegenüber ihr, der Klin., ergangene Einspruchsentscheidung sei im Übrigen auch
deshalb rechtswidrig, weil eine verbösernde Einspruchsentscheidung nicht habe ergehen
dürfen. Der Einspruch sei unzulässig gewesen. Die Voraussetzungen einer Änderung der
ursprünglichen Feststellungsbescheide nach § 174 AO hätten nicht vorgelegen. Auf den
Hinweis der Berichterstatterin vom 25.11.2002 werde Bezug genommen. Ergänzend werde
geltend gemacht, dass im Zeitpunkt der Begründung des Einspruchs im November 1994
keine doppelte Erfassung von Einkünften vorgelegen habe, weil der später (am
01.03.1995) gegenüber der GmbH & Co. KG erlassene Änderungsbescheid noch nicht
existiert habe.
Die Klin. hat im Verlauf des Klageverfahrens verschiedene Unterlagen, insbesondere über
Finanzierungsverhandlungen mit Kreditinstituten eingereicht. Auf diese Unterlagen wird
Bezug genommen.
Die Klin. beantragt,
die ihr gegenüber ergangene Einspruchsentscheidung vom 06.03.1994
(Geschäftszeichen des Beklagten: 37-40/95-97 - VIII/3) aufzuheben,
hilfsweise die Revision zuzulassen
sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Er vertritt die Auffassung, die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels
seien erfüllt. Die Klin. sei nachhaltig tätig geworden, indem sie zahlreiche Einzelaktivitäten
entfaltet und das gewerbliche Objekt "Kleinkaufhaus" errichtet habe. Auch unter
Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BFH liege keine private
Vermögensverwaltung vor. Bei dem errichteten und veräußerten Objekt handele es sich um
ein gewerbliches Großobjekt, nicht um ein Wohnobjekt. Zudem sei das Grundstück, auf
dem das Objekt errichtet worden sei, in zumindest bedingter Veräußerungsabsicht gezielt
zum Zwecke der Bebauung erworben worden. Die langfristige Vermietung des Objekts
stehe der Annahme einer Veräußerungsabsicht nicht entgegen. Bei einem Objekt wie dem
vorliegenden stelle eine langfristige Vermietung an einen solventen Mieter vielmehr einen
zusätzlichen Anreiz für potentielle Investoren dar. Darüber hinaus habe die GmbH & Co.
KG der Klin. nur die Selbstkosten berechnet. Die auf die Bauphase (September 1987 bis
Juli 1989) entfallenden kalkulatorischen Vorfinanzierungskosten von 818.331 DM
(Zinssatz: 7,5 %) seien der Klin. nicht in Rechnung gestellt worden. Auch wenn man
unterstelle, dass die Klin. während der Bauphase Abschlagszahlungen i.H.v. 1.749.500 DM
geleistet habe, halte die Handhabung einem Fremdvergleich nicht stand. Diese Summe
mache weniger als 15 % der Gesamtsumme aus. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die
Gesellschafter der Klin. hauptberuflich in der Baubranche tätig seien (Bauunternehmer).
§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO stehe einer Änderung der gegenüber der Klin. ergangenen
Feststellungsbescheide nicht entgegen. Es lägen keine abweichenden höchstrichterlichen
Aussagen zu der in Streit stehenden Rechtsfrage vor. Etwas anderes folge auch nicht aus
dem BMF-Schreiben vom 20.12.1990. Hieraus ergebe sich gerade, dass die
Finanzverwaltung die Drei-Objekt-Grenze nur auf Eigentumswohnungen und Ein- sowie
Zweifamilienhäuser, nicht jedoch auf sog. Großobjekte angewandt habe. Dass auch bei
Großobjekten eine Mehrzahl von Veräußerungen erforderlich sein solle, um gewerblichen
Grundstückshandel annehmen zu können, lasse sich diesem Schreiben nicht entnehmen.
Die Einspruchsentscheidung sei auch nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil eine
verbösernde Entscheidung nicht habe ergehen dürfen. Der Einspruch der Klin. sei zulässig
gewesen. Bei den angefochtenen Änderungsbescheiden habe es sich um belastende
Verwaltungsakte gehandelt. Eine Beschwer habe schon aus diesem Grunde vorgelegen.
Die Finanzbehörde habe den durch Einspruch angefochtenen Verwaltungsakt umfassend
zu überprüfen. Zudem habe die Klin. konkrete Einwendungen gegen die Bescheide
erhoben (Berichtigung der gegenüber der Klin. erlassenen Bescheide bei der Annahme
von Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG). Unabhängig hiervon sei eine
Änderung der gegenüber der Klin. ergangenen Bescheide jedenfalls nach § 174 Abs. 4,
Abs. 5 AO möglich gewesen. Ein "bestimmter Sachverhalt" im Sinne dieser Vorschrift sei
ein Lebensvorgang, an den das Gesetz (u.U. mehrere verschiedene ) steuerliche Folgen
knüpfe. Der Lebensvorgang könne aus mehreren zeitlich auseinander liegenden einzelnen
Ereignissen bestehen. "Sachverhalt" sei vorliegend die Errichtung, Vermietung und
Veräußerung des Objekts "Kleinkaufhaus". Dieser Sachverhalt seien zunächst
unzutreffend beurteilt worden (Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG). Auf
Grund der Berichtigung des gegenüber der GmbH & Co. KG ergangenen Bescheids hätten
die richtigen steuerlichen Folgerungen gegenüber der Klin. (gewerblicher
Grundstückshandel) gezogen werden können.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist zulässig. Bei der Klage der Klin. handelt es sich um eine isolierte
Anfechtungsklage gegen die Einspruchsentscheidung. Gem. § 44 Abs. 2
Finanzgerichtsordnung (FGO) ist Gegenstand einer Anfechtungsklage zwar grundsätzlich
der ursprüngliche Verwaltungsakt, den er durch die Entscheidung über den
außergerichtlichen Rechtsbehelf gefunden hat. Ausnahmsweise kann aber auch nur die
Rechtsbehelfsentscheidung Gegenstand der Anfechtungsklage sein, nämlich dann, wenn
die Einspruchsentscheidung den Kläger erstmals beschwert. Dies ist hier der Fall. Der
Bekl. hat im Hinblick auf die Klin. eine verbösernde Einspruchsentscheidung erlassen,
indem er Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt und - für das Streitjahr 1989 - einen
Veräußerungsgewinn erfasst hat. Die Klin. will mit ihrer Klage erreichen, dass der Zustand
wieder hergestellt wird, der vor Ergehen der Einspruchsentscheidung bestand
(vorbehaltlose Feststellung von Einkünften aus VuV und aus Kapitalvermögen in der durch
die Bp. ermittelten Höhe).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt
die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Der Bekl. ist zu Recht davon
ausgegangen, dass die Klin. Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat. An dem Erlass einer
verbösernden Einspruchsentscheidung war er nicht gehindert.
Gem. § 15 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) ist Gewerbebetrieb eine selbständige
nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als
Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Zudem darf es sich nicht um
private Vermögensverwaltung handeln. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der
Senat anschließt, wird die Grenze von der privaten Vermögensverwaltung zum
Gewerbebetrieb überschritten, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter
Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Ausnutzung substantieller Vermögenswerte
durch Umschichtung gegenüber der Nutzung von Grundbesitz im Sinne einer
Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten entscheidend in den Vordergrund tritt.
Die zur Konkretisierung dieser Unterscheidung eingeführte sog. Drei-Objekt-Grenze ist als
gewichtiges Indiz grundsätzlich unabhängig davon zu beachten, ob der Steuerpflichtige die
veräußerten Objekte lediglich angeschafft oder ob er sie errichtet hat (Indiz für
gewerblichen Grundstückshandel: Veräußerung von mindestens vier Objekten innerhalb
eines Zeitraums von 5 Jahren). Unerheblich sind Größe, Wert und Nutzungsart des
Objekts. Allerdings kommt der Drei-Objekt-Grenze nur eine indizielle Bedeutung zu. Die
Zahl der veräußerten Objekte und der zeitliche Abstand sind als Beweisanzeichen
gerechtfertigt, weil die innere Tatsache der von Anfang an bestehenden
Veräußerungsabsicht oft nicht zweifelsfrei feststellbar ist.
Auf diese Indizienmerkmale kommt es nicht an, wenn sich bereits aus anderen besonderen
Umständen zweifelsfrei eine von Anfang an bestehende oder aber fehlende
Veräußerungsabsicht ergibt. Dementsprechend ist trotz Überschreitens der Drei-Objekt-
Grenze ein gewerblicher Grundstückshandel nicht anzunehmen, wenn eindeutige
Anhaltspunkte gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht sprechen.
Andererseits können auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten besondere
Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen. Beispielsweise kann auf
eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden, wenn das im zeitlichen Zusammenhang
mit der Bebauung und Veräußerung erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung
verkauft worden ist oder wenn ein solches Grundstück von vornherein auf Rechnung oder
nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird. Für eine gewerbliche Betätigung kann auch
der Umstand sprechen, dass das Bauunternehmen des das Grundstück bebauenden
Steuerpflichtigen erhebliche Leistungen für den Bau erbringt, die nicht wie unter fremden
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Dritten abgerechnet werden (Beschluss vom 10.12.2001 GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291).
Eine unbedingte Veräußerungsabsicht des Steuerpflichtigen kann sich auch aus seinem
Verhalten vor, während oder nach der Bauphase ergeben. So kann eine unbedingte
Veräußerungsabsicht beispielsweise auch dann vorliegen, wenn der Steuerpflichtige das
Bauvorhaben nur kurzfristig finanziert, wenn er bereits während der Bauphase eine
Maklerfirma mit dem Verkauf des Objekts beauftragt oder selbst Veräußerungsannoncen
schaltet, wenn er vor Fertigstellung des Objekts einen Vorvertrag mit dem künftigen
Erwerber schließt oder wenn er Gewährleistungspflichten über den bei Privatverkäufen
üblichen Bereich hinaus übernimmt. In diesen Fällen scheidet die Möglichkeit, dass das
Gebäude für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung hergestellt wird, aus (BFH Urteil
vom 18.09.2002 X R 108/96, BFH/NV 2003, 455; BFH Urteil vom 18.09.2002 X R 183/96,
BStBl. II 2003, 238; BFH Urteil vom 18.09.2002 X R 5/00, BStBl. II 2003, 286; BFH Urteil
vom 27.11.2002 X R 53/01, BFH/NV 2003, 1291).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die Klin. hinsichtlich des
Objekts "Kleinkaufhaus" keine private Vermögensverwaltung betrieben, sondern die
Grenze zum gewerblichen Grundstückshandel überschritten hat. Zwar hat sie lediglich ein
Objekt veräußert, so dass die Drei-Objekt-Grenze nicht überschritten wurde. Besondere
Umstände lassen jedoch den Schluss zu, dass die Klin. von vornherein beabsichtigte, das
Objekt zu veräußern und nicht für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung einzusetzen.
Entscheidende Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass die Klin. während der Bauphase
die I GmbH damit beauftragt hat, einen Käufer für das Objekt zu finden. Die Klin. trägt in
diesem Zusammenhang vor, sie habe den Vertrag mit der I GmbH nur abgeschlossen, weil
sie die Bank 1 nicht habe "verprellen" wollen. Die Bank 1 hat zudem mit Schreiben vom
09.10.1996 bestätigt, dass die Gesellschafter der Klin. einem Kontakt mit den Vertretern der
I GmbH nur "zögernd bzw. widerstrebend" zugestimmt hätten (es aber im Übrigen zu einer
Ausweitung der Geschäftsbeziehungen gekommen sei, wofür sie, die Bank 1, dankbar sei).
Zudem trägt die Klin. vor, dass sie mit dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertrags
keine Verpflichtung eingegangen und dass ohnehin nicht mit der Vermittlung eines Käufers
zu rechnen gewesen sei. Dieses Vorbringen spricht nicht gegen eine unbedingte
Veräußerungsabsicht der Klin. Das Argument der Klin., sie sei keine Verpflichtung
eingegangen, ist bereits deshalb nicht stichhaltig, weil es dem Leitbild des Maklervertrags
entspricht, dass derjenige, der die Dienste eines Maklers in Anspruch nimmt, den
Maklerlohn nur zu zahlen hat, wenn der angestrebte Vertrag durch die Leistung des
Maklers zustande kommt. Zudem ist nicht ersichtlich, weshalb mit der Auffindung eines
Kaufinteressenten nicht zu rechnen war. Angesichts der vereinbarten Provision musste die
Klin. davon ausgehen, dass die I GmbH nachdrücklich tätig werden würde, um einen
Kaufinteressenten vorzuweisen. Auch die Bestätigung der Bank 1 vom 09.10.1996 steht
dem gedanklichen Schluss von dem Abschluss des Maklervertrags auf eine unbedingte
Veräußerungsabsicht der Klin. nicht entgegen. Denn die Bank 1 unterhält - wie sich aus
dem Bestätigungsschreiben selbst ergibt - gute geschäftliche Beziehungen zur
Firmengruppe R.
Demgegenüber bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klin. beabsichtigte, das
Objekt nach seiner Fertigstellung für Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung zu nutzen.
Der Bekl. weist zu Recht darauf hin, dass der Abschluss eines langfristigen Mietvertrags mit
dem Unternehmen M nicht dafür spricht, dass die Klin. das Objekt selbst zur Erzielung von
Einkünften aus VuV nutzen wollte. Denn bei Objekten wie dem vorliegenden ist das
Vorhandensein eines Mieters i.d.R. Voraussetzung für eine Veräußerung. Auf die zu
Wohnobjekten ergangene Rechtsprechung des BFH kann sich die Klin. nicht mit Erfolg
berufen. Bei Wohnobjekten schränken langfristige Mietverträge die Verwertung durch
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Veräußerung typischerweise ein (vgl. BFH Urteil vom 07.12.1995 III R 24/92, BFH/NV
1996, 606). Auch eine langfristige Finanzierung hat die Klin. nicht vorgenommen. Zwar
ergibt sich aus den eingereichten Unterlagen, dass wegen der Aufnahme eines Kredits zur
Finanzierung des Objekts Anfang 1988 Kontakt mit der Bank 1 und der Bank 2 bestanden
hat und die Klin. im März 1989 zudem an verschiedene andere Kreditinstitute
herangetreten ist. Zum Abschluss eines Darlehensvertrags ist es jedoch nicht gekommen.
Die Klin. hat das Objekt nicht nur nicht langfristig, sondern überhaupt nicht finanziert. Dass
die Klin. sich über eine mögliche Finanzierung informiert hat, zwingt nicht zu der Annahme,
sie habe das Objekt nicht veräußern wollen. Denn auch bei Vorliegen einer unbedingten
Veräußerungsabsicht kann die Veräußerung daran scheitern, dass kein Käufer gefunden
wird.
Da sich bereits aus dem Abschluss des Vertrags mit der I GmbH ergibt, dass die Klin. das
Objekt veräußern wollte, muss der Senat nicht entscheiden, ob eine gewerbliche Tätigkeit
der Klin. deshalb vorliegt, weil das Objekt durch die GmbH & Co. KG errichtet wurde und
die Leistungen - möglicherweise - nicht wie unter Fremden abgerechnet wurden.
Die Klin. hat auch nachhaltig gehandelt. Zwar beabsichtigte sie nicht, weitere Objekte zu
veräußern. Die Nachhaltigkeit ergibt sich jedoch daraus, dass ihr nach dem mit der
Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein-Westfalen und der Stadt G am 22.10.1987
geschlossenen Vertrag die Bauleitung vor Ort oblag. Die Klin. hat in Übereinstimmung
hiermit selbst vorgetragen, dass die GmbH & Co. KG zwar "quasi als Generalunternehmer"
fungiert habe, die Gesellschafter der Klin. sich jedoch an der Planung und Durchführung
des Neubaus, an den organisatorischen Abläufen sowie an der Baubetreuung und
Bauaufsicht beteiligt und entsprechend engagiert hätten (zur Nachhaltigkeit in einem
solchen Fall, vgl. BFH Urteil vom 14.10.2002 VIII R 70/98, BFH/NV 2003, 742).
Darüber hinaus hat sich die Klin. am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt. Eine
Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfordert, dass der Steuerpflichtige
sich mit seiner Verkaufsabsicht an den allgemeinen Markt, d.h. an einen nicht
abgeschlossenen Kreis von Personen, wendet. Dabei kann der Steuerpflichtige sich auch
die Werbung anderer zu Nutze machen. Es genügt sogar, wenn die Verkaufsabsicht nur
einem kleinen Kreis von Personen - u.U. auch nur einer einzigen Person - bekannt wird
und der Steuerpflichtige damit rechnet, die Verkaufsabsicht werde sich herumsprechen.
Entscheidend ist, dass der Steuerpflichtige sich insofern an den allgemeinen Markt wendet,
als er an jeden, der die Verkaufsbedingungen erfüllt, verkaufen will (vgl. z.B. BFH Urteil
vom 16.05.2002 III R 9/98, BFH/NV 2002, 1233). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die
Klin. hat ein Maklerunternehmen damit beauftragt, einen Käufer für das Objekt zu finden
und sich so an den allgemeinen Markt gewandt.
Der Bekl. durfte die nach der Bp. ergangenen Feststellungsbescheide mit Erlass der
Einspruchsentscheidung zuungunsten der Klin. ändern. Der Einspruch war zulässig, so
dass eine Verböserung - nach entsprechendem Hinweis - möglich war. Teilbestandskraft
war nicht eingetreten. Darüber hinaus stand § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO einer Änderung nicht
entgegen.
Gem. § 367 Abs. 2 AO hat die Finanzbehörde, die über einen Einspruch entscheidet, die
Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen. Der Verwaltungsakt kann dabei auch zum
Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer
verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit
gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Eine verbösernde Einspruchsentscheidung ist
jedoch nur dann rechtmäßig, wenn der Einspruch zulässig ist. Denn nur wenn der
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Einspruch zulässig ist, darf eine Sachprüfung nach § 367 Abs. 2 AO erfolgen (BFH Urteil
vom 28.11.1989 VIII R 40/84, BStBl. II 1990, 561; FG Baden-Württemberg Urteil vom
09.07.2001 14 K 260/96, Juris; Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 367
AO Rn. 190; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 367 AO Rn. 25 u. § 358 Rn. 24). Diese
Voraussetzungen sind erfüllt.
Insbesondere fehlte es nicht an einer Beschwer der Klin. Nach § 350 AO ist nur befugt
Einspruch einzulegen, wer geltend macht, durch den Verwaltungsakt beschwert zu sein.
Der Senat muss nicht entscheiden, ob die Auffassung des Bekl., eine Beschwer ergebe
sich bereits daraus, dass es sich bei den nach Bp. ergangenen Bescheiden um belastende
Verwaltungsakte handele, zutrifft (a.A. für den Fall einer "steuerneutralen" Begründung des
Einspruchs z.B. BFH Urteil vom 04.04.1974 IV R 7/71, BStBl. II 1974, 522; BFH Urteil vom
26.11.1974 VIII R 258/72, BStBl. II 1975, 206; BFH Urteil vom 27.01.1981 VIII R 20/79, n.v.,
Juris). Denn die Klin. hat, indem sie vorgetragen hat, die ihr gegenüber ergangenen
Feststellungsbescheide müssten berichtigt werden, wenn der Verlust/Gewinn der
"Kaufhaus G GbR" im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung GmbH & Co. KG zu
berücksichtigen sei, geltend gemacht, durch die angefochtenen Bescheide beschwert zu
sein. Die Frage, ob diese Rechtsauffassung zutrifft, ob die Einkünfte aus der "Kaufhaus G
GbR" in diesem Fall also tatsächlich nicht einheitlich und gesondert hätten festgestellt
werden dürfen, ist nicht von Bedeutung. Aus diesem Vorbringen ergibt sich ein
Rechtsschutzbedürfnis der Klin. für die Durchführung des Einspruchsverfahrens. Ob ihre
Rechtsauffassung richtig ist, wäre eine Frage der Begründetheit des Einspruchs gewesen.
Das Rechtsschutzbedürfnis ist im Verlauf des Einspruchsverfahrens auch nicht entfallen.
Zwar hat die Klin. ihr Vorbringen, die Feststellungsbescheide seien zu berichtigen, nicht
wiederholt (weil sie im folgenden, vertreten durch ihre neuen Bevollmächtigten,
argumentiert hat, erstens liege kein Sonderbetriebsvermögen bei der GmbH & Co. KG und
zweitens kein gewerblicher Grundstückshandel bei ihr, der Klin., vor). Sie hat dieses
Vorbringen jedoch auch nicht ausdrücklich fallen lassen. Bei dieser Sachlage ist nach
Auffassung des Senats davon auszugehen, dass die Klin. das Argument, die Einkünfte
seien im Rahmen der bei ihr vorzunehmenden Feststellung nicht zu berücksichtigen,
weiterhin, wenn unter Umständen auch nur hilfsweise, aufrecht erhalten hat. Es wäre an
der sachkundig vertretenen Klin. gewesen mitzuteilen, dass das neue Vorbringen
abschließend sein soll, die ursprüngliche Argumentation also nicht mehr aufrecht erhalten
wird.
Der nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO erforderliche Verböserungshinweis ist erfolgt. Der Bekl.
hat die Klin. im Verlauf des Einspruchsverfahrens mehrmals darauf hingewiesen, dass er
beabsichtige, die Feststellungsbescheide dahingehend zu ändern, dass im Hinblick auf die
Tätigkeit der "Kaufhaus G GbR" Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt werden. Der
Bekl. hat der Klin. auch die Möglichkeit eingeräumt, sich hierzu zu äußern. Ein
ausdrücklicher Hinweis des Inhalts, dass der Einspruchsführer die beabsichtigte Änderung
zu seinen Ungunsten verhindern kann, indem er den Einspruch zurücknimmt, ist für einen
Verböserungshinweis i.S.d. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nicht erforderlich (Tipke/Kruse,
AO/FGO, § 367 AO Rn. 30).
Eine Verböserung war auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die
Feststellungsbescheide teilweise - soweit es nicht um die Zuordnung der Einkünfte aus
VuV aus der "Kaufhaus GbR" ging - bestandskräftig geworden waren. Zwar enthält ein
Feststellungsbescheid mehrere selbständige Feststellungen über
Besteuerungsgrundlagen, die eines selbständigen Schicksals fähig sind und eigenständig
in Bestandskraft erwachsen können (vgl. BFH Urteil vom 06.12.2000 VIII R 21/00, BStBl. II
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2003, 194). Die Frage der Teilbestandskraft stellt sich jedoch nur im Rahmen des
Klageverfahrens. Im Einspruchsverfahren besteht - anders als im Klageverfahren - keine
Bindung an die vom Rechtsbehelfsführer gestellten Anträge. Die Finanzbehörde hat den
angefochtenen Bescheid vielmehr in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in vollem
Umfang zu überprüfen (vgl. BFH Urteil vom 10.09.1997 VIII B 55/96, BFH/NV 1998, 282).
§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO stand einer Änderung der gegenüber der Klin. (im Anschluss an die
Bp.) ergangenen Feststellungsbescheide ebenfalls nicht entgegen. Gem. § 176 Abs. 1 Satz
1 Nr. 3 AO darf bei der Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheids zuungunsten des
Steuerpflichtigen nicht berücksichtigt werden, dass sich die Rechtsprechung eines
obersten Gerichtshofes des Bundes geändert hat, die bei der bisherigen Steuerfestsetzung
von der Finanzbehörde angewandt worden ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen,
bedarf keiner Entscheidung. Im Hinblick auf die nach Bp. ergangenen Bescheide
(Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung und Änderung in anderen, unstreitigen
Fragen) greift § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO bereits deshalb nicht, weil in der betreffenden Frage
(Einkünfte aus Gewerbebetrieb wegen gewerblichen Grundstückshandels) keine Änderung
vorgenommen wurde. Auf die bei Erlass der Einspruchsentscheidung vorgenommenen
Änderungen findet § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO keine Anwendung. Denn der
Anwendungsbereich des § 176 AO erstreckt sich nicht auf Änderungen, die im
Einspruchsverfahren vorgenommen werden (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 176 Rn. 3 m.w.N.).
Rechtsgrundlage für eine Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen im
Einspruchsverfahren ist keine Änderungsnorm (§§ 164, 165, 172 ff. AO), sondern § 367
Abs. 2 AO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.