Urteil des FG Münster vom 12.06.2002

FG Münster (Berufliche Tätigkeit, Reisekosten, Verfügung, Angestellter, Verwaltungsverfahren, Einfamilienhaus, Behandlung, Anteil, Veranlagungsverfahren, Höchstbetrag)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 7 K 4990/00 E
12.06.2002
Finanzgericht Münster
7. Senat
Urteil
7 K 4990/00 E
Die Klage wird auf Kosten der Kläger abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist im Rahmen der Einkommensteuer (ESt) -Veranlagungen 1997 und 1998, ob die
Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer uneingeschränkt als Werbungskosten abgezogen
werden können.
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die zusammen zur ESt veranlagt werden. Der Kl. ist
beruflich als Leitender Angestellter (Verkaufsleiter) der Firma B Modehandels GmbH + Co.
in H tätig, die Klin. ist Hausfrau. Die Kl. wohnten bis zum 18.12.1997 im (offenbar
angemieteten) Haus 17 in D, danach zogen sie in ihr neu errichtetes Einfamilienhaus W 58
in D-L um. Sowohl im Hause S 17 als auch im Hause W 58 hatte sich der Kl. ein
Arbeitszimmer eingerichtet. Die laufenden Kosten für diese Arbeitszimmer (1997 2.704,00
DM und 1998 12.284,00 DM) machte der Kl. im Rahmen der ESt-Veranlagungen 1997 und
1998 als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend.
Zusätzlich beantragte er für 1997 den Abzug weiterer -nicht näher aufgeschlüsselter-
Kosten für den Ausbau des Arbeitszimmers in Höhe von 5.434 DM.
Zur Begründung für den von ihnen beantragten vollen Werbungskostenabzug betreffend
die Kosten der Arbeitszimmer verwiesen die Kl. darauf, dass das Arbeitszimmer die
Hauptarbeitsstätte des Kl. sei. Es handele sich dabei um den Dreh- und Angelpunkt seiner
gesamten beruflichen Tätigkeit. Nur dort könne er dauerhaft beruflich tätig sein. Schon vom
rein zeitlichen Umfang her leiste er den weit überwiegenden Teil seiner beruflichen
Tätigkeiten im häuslichen Arbeitszimmer. Ferner habe seine Arbeitgeberin ihm auf ihre
Kosten einen Telefonanschluss in seinem häuslichen Arbeitszimmer installiert und sie
stelle ihm ein jährliches Telefonbudget von immerhin 6.000 DM zur Verfügung. Seine
Reisetätigkeit als Verkaufsleiter spiele demgegenüber - so die Ansicht der Kl. - nur eine
untergeordnete Rolle.
Der Beklagte (Bekl.) folgte dem nicht und berücksichtigte die Kosten für die beiden
Arbeitszimmer jeweils nur mit 2.400 DM. Das Arbeitszimmer des Kl. stelle - so die Ansicht
des Bekl. - nicht den Mittelpunkt seiner gesamten beruflichen Betätigung dar. Bei dem Kl.
handele es sich um einen angestellten Verkaufsleiter im Außendienst. Hier liege der
Tätigkeitsschwerpunkt außerhalb des Arbeitszimmers, nämlich in dem Geschäftsbezirk,
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
den er zu betreuen habe. Der Abzug der Kosten der Arbeitszimmer sei danach gemäß § 9
Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b EStG auf jährlich 2.400 DM zu begrenzen.
Hiergegen richtet sich die von den Kl. nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage, mit
der sie ihr Begehren nach Berücksichtigung der gesamten Kosten für die häuslichen
Arbeitszimmer unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens aus dem
Verwaltungsverfahren weiter verfolgen. Die Kl. verweisen ergänzend darauf, dass das
Finanzamt in 1996 die vollen Kosten des damaligen Arbeitszimmers anerkannt habe. Für
sie (Kl.) sei dadurch ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden. Dieser
Vertrauenstatbestand habe auch maßgeblich zu der Entscheidung beigetragen, auch in
dem neu errichteten selbstgenutzten Einfamilienhaus W 58 in D-L ein Arbeitszimmer (das
wesentlich größer und besser geeignet sei als das in der vormaligen Wohnung S 17)
einzurichten. Ferner - so die Kl. - seien auch bei Kollegen des Kl. in Oldenburg und
Olsberg, die sich in einer vergleichbaren beruflichen Situation befänden, von den dort
zuständigen Finanzämtern jeweils die vollen Kosten der von den Kollegen unterhaltenen
Arbeitszimmer anerkannt worden. Schließlich verweisen die Kl. darauf, dass der Bekl. die
Bescheinigungen seiner Arbeitgeberin, wonach das Arbeitszimmer auch aus ihrer Sicht
den Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit darstelle bzw. für seine beruflichen Tätigkeiten
notwendig sei, nicht bzw. nur unzureichend gewürdigt habe.
Die Kl. beantragen,
für 1997 weitere Werbungskosten des Kl. bei seinen Einkünften gemäß § 19 EStG in
Höhe von 5.738 DM und für 1998 in Höhe von 9.884 DM anzuerkennen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest,
wonach die vom Kl. unterhaltenen Arbeitszimmer nicht als Mittelpunkt seiner beruflichen
Tätigkeit anerkannt werden könnten. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Kl. als angestellter
Verkaufsleiter im Außendienst liege außerhalb des Arbeitszimmers, nämlich in dem
Geschäftsbezirk, den er zu betreuen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und insbesondere im
Hinblick auf die von dem Kl. in den Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 geltend
gemachten Reisekosten wird auf die ESt-Vorgänge 1997 und 1998 und hier speziell auf
die Aufstellungen des Kl. über die angefallenen Reisekosten Bezug genommen.
Hinsichtlich der Kosten der Arbeitszimmer wird auf das Telefax der Kl. vom 22.08.1999
(Einspruchsvorgang) verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
Die Klage ist nicht begründet.
Der Bekl. hat es zu Recht abgelehnt, die von den Kl. geltend gemachten Kosten für die
häuslichen Arbeitszimmer, soweit sie die anerkannten Beträge von jeweils 2.400 DM
übersteigen, als Werbungskosten anzusetzen.
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können nach § 9 Abs. 5 i. V. m. § 4 Abs. 5
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Sätze 2 und 3 EStG nur dann uneingeschränkt als Werbungskosten
abgezogen werden, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen
und beruflichen Betätigung bildet.
Der erkennende Senat teilt die Auffassung des Bekl., dass bei einem
Außendienstmitarbeiter, wie einem Bezirks- bzw. Verkaufsleiter oder Handelsvertreter der
Tätigkeitsschwerpunkt regelmäßig außerhalb des Arbeitszimmers, nämlich im zu
betreuenden Geschäftsbereich liegt, Urteil des Senats vom 10.05.2001 -7 K 3440/98 E-,
EFG 2001, 1183 -Revision anhängig unter dem Az. VI R 79/01- (vgl. auch Finanzgericht
Köln, Urteil vom 11. November 1998 - 10 K 3377/98 -, EFG 1999, 223 und Finanzgericht
Baden-Württemberg, Urteil vom 26. Januar 1999 - 1 K 169/97 -, EFG 1999, 329). Für die
Frage, ob das häusliche Arbeitszimmer bei einem Arbeitnehmer den Mittelpunkt seiner
gesamten beruflichen Betätigung bildet, ist sowohl auf qualitative als auch auf quantitative
Kriterien abzustellen. Danach kommt es darauf an, ob der Kernbereich oder Schwerpunkt
der gesamten beruflichen Tätigkeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse - und
Tätigkeitsmerkmale - wenn auch nicht ausschließlich, so doch wesentlich in dem
häuslichen Arbeitszimmer ausgeübt wird. Allein die Notwendigkeit eines Arbeitszimmers,
die vom Gesetzgeber typisierend nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 Buchst. b Satz 2 EStG dann
angenommen wird, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers 50
v.H. der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit übersteigt, oder wenn kein
anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht, kann nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut
nicht mit dem Mittelpunkt der gesamten betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit
gleichgesetzt werden. Der zeitliche Umfang der beruflichen Kerntätigkeit muss, weil die 50
v.H.-Marke schon zur Abgrenzung der Privat- von der Berufsphäre verwendet wird, weit
über diesem Anteil liegen. Hiervon ausgehend kann aber die umfangreiche Reisetätigkeit
des Kl. in den Streitjahren, die durch seine Werbungskostenaufstellungen zu den
Reisekosten für die Jahre 1997 und 1998 dokumentiert wird, nicht außer Betracht bleiben.
Der Kl. hat nämlich in den Veranlagungsverfahren im Zusammenhang mit dem von ihm
begehrten Abzug der Kosten für eine "Rückenschule" zur Stärkung der Rückenmuskulatur
vorgetragen, dass er sowohl 1997 als auch 1998 rund 55.000 km pro Jahr beruflich
gefahren sei. Seine Reisekosten hat der Kl. wie folgt ermittelt:
1997:
115 Tage mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als 8 Stunden
26 Tage mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als 14 Stunden
29 Tage mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als 24 Stunden.
Reisekosten 1998:
117 Tage mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als 8 Stunden
24 Tage mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als 14 Stunden
18 Tage mit einer Abwesenheitsdauer von mehr als 24 Stunden.
Hiernach ergibt sich, dass der Kl. in 1997 insgesamt 170 Reisetage und im
Veranlagungszeitraum 1998 insgesamt 159 Reisetage hatte. Angesichts dieser
umfangreichen Reisetätigkeit vermag der Senat der Einschätzung der Kl., wonach das
Arbeitszimmer des Kl. der Mittelpunkt seiner beruflichen Tätigkeit sei, bereits in
quantitativer Hinsicht nicht zu folgen. Aber auch aus dem Beruf des Kl. als Verkaufsleiter
28
29
30
31
selbst ergibt sich, dass ein nicht unwesentlicher Teil seiner Arbeiten auch auf
Außentermine, z.B. Filialbesuche und auf Besprechungen mit den Mitarbeitern vor Ort
entfällt. So sind z.B. in der Anlage zu der vom Kl. vorgelegten Bescheinigung seiner
Arbeitgeberin vom 05.04.2000 (Bl. 7 der Gerichtsakte) die Filialbesuche / Außentermine
auch ausdrücklich aufgeführt.
Ob demgegenüber die Arbeitgeberin des Kl. dessen Arbeitszimmer als Mittelpunkt seiner
beruflichen Tätigkeit ansieht, ist für die steuerrechtliche Wertung ebenso wenig
entscheidend, wie der Umstand, dass die Arbeitgeberin dem Kl. einen Telefonanschluss in
seinem Arbeitszimmer installiert hat und ihm ein jährliches Telefonbudget von 6.000 DM
zur Verfügung stellt. Der Senat bezweifelt nicht, dass das Arbeitszimmer förderlich für die
berufliche Tätigkeit des Kl. ist. Dies ändert jedoch nichts an der bewussten
gesetzgeberischen Entscheidung, die Kosten für ein Arbeitszimmer grundsätzlich nur noch
unter bestimmten Voraussetzungen und dann grds. auch nur betragsmäßig mit einem
Höchstbetrag von jährlich 2.400 DM steuermindernd zu berücksichtigen. Eine Ausnahme
hat der Gesetzgeber nur für den Fall gemacht, dass das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der
gesamten beruflichen Betätigung des Steuerpflichtigen bildet. Dies ist jedoch beim Kl.
entsprechend den o.g. Gründen nicht der Fall.
Ob der Bekl. die Kosten eines Arbeitszimmers in 1996 in vollem Umfang anerkannt hat,
kann dahinstehen. Die ESt wird in jedem Veranlagungszeitraum neu geprüft und
festgesetzt. Aus einer ggf. unzutreffenden Beurteilung in einem Vorjahr ergibt sich für den
Steuerpflichtigen kein Vertrauenstatbestand mit der Folge, dass die unrichtige Behandlung
auch in einem Folgejahr fortzuführen wäre. Gleiches gilt für den Vortrag der Kl., wonach bei
Kollegen des Kl. in Oldenburg und Olsberg, die sich in vergleichbarer beruflicher Situation
befänden, von den dort zuständigen Finanzämtern die vollen Kosten der Arbeitszimmer
steuermindernd berücksichtigt worden sein sollen. Auch aus einer solchen ggf. fehlerhaften
Behandlung der Steuerangelegenheiten seiner Arbeitskollegen ergibt sich für den Kl. kein
Anspruch gegen den Bekl.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§
115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)