Urteil des FG Münster vom 15.03.2001

FG Münster (Wesentliche Beteiligung, Privatvermögen, Einkünfte, Reserven, Stillen, Einlage, Erbengemeinschaft, Anteil, Behandlung, Ausnahme)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 7 K 5317/98 E
15.03.2001
Finanzgericht Münster
7.Senat
Urteil
7 K 5317/98 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
G r ü n d e:
Streitig ist der Ansatz eines Entnahmegewinns im Zusammenhang mit der
Erbauseinandersetzung über ein im Nachlaß befindliches Betriebsvermögen.
Herr (G. W.) war zu 55,55 v. H. Inhaber der Geschäftsanteile (150.000 DM von 270.000 DM)
an der (GmbH). Weitere Gesellschafter der GmbH waren die Ehefrau des Erblassers, Frau
(H. W.) mit 18,52 v. H. (50.000 DM) und der Kl., der Sohn von G. W. und H. W., mit 25,93 v.
H. (70.000 DM). Die Anteile des Klägers und von H. W. befanden sich im Privatvermögen.
Die Anteile von G. W. waren Betriebsvermögen im Einzelunternehmen des G. W., der der
GmbH im Rahmen einer Betriebsaufspaltung das Betriebsgrundstück mit aufstehenden
Gebäuden und Anlagegütern verpachtet hatte.
G. W. ist am 09.11.1993 verstorben und wurde vom Kl. und (A. W.) zu je 25 v. H. und von H.
W. zu 50 v. H. beerbt.
Mit not. Vertrag vom 02.02.1994 (UR-Nr. Notar - s. Anlage zum Protokoll) haben sich H. W.,
A. W. und der Kl. über den von G. W. hinterlassenen Geschäftsanteil von 150.000 DM an
der GmbH dahingehend auseinandergesetzt, daß der Geschäftsanteil mit einem Teilbetrag
von 58.000 DM (21,48 v.H.) auf H. W. und mit einem Teilbetrag von 92.000 DM (34,07 v. H.)
auf den Kl. übertragen wurde. Die Abtretung erfolgte mit Gewinnbezugsrecht vom
09.11.1993 ab. Die GmbH-Anteile wurden damit zu 60 v.H. vom Kl. und zu 40 v. H. von H.
W. gehalten.
Mit weiterem not. Vertrag vom 02.02.1994 (UR-Nr. Notar, FG-AKte Bl. 33 ff.) wurde der zum
Nachlaß des G. W. gehörende und an die GmbH verpachtete Grundbesitz in, Flur 7,
Flurstück 5 einschließlich der aufstehenden Gebäude und des beweglichen und
unbeweglichen Zubehörs und aller auf dem Grundstück befindlichen Gegenstände dem Kl.
zu Alleineigentum übertragen. Die Übergabe erfolgte mit dem Erbfall. Damit ist das
Besitzunternehmen ab dem Zeitpunkt des Erbfalls auf den Kl. übergegangen. Die
Betriebsaufspaltung bestand nunmehr zwischen dem Kl. als Einzelunternehmer und der
GmbH.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden entsprechend der abgegebenen
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Einkommensteuer (ESt) -Erklärung 1993 G. W. zugerechnet. Ab dem Streitjahr 1994
erklärten die Kl. die Einkünfte des Kl. aus der Verpachtung von Anlagegütern an die GmbH
als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem.
Im Rahmen einer im Jahr 1996 beim Besitzeinzelunternehmen des Kl. durchgeführten
Betriebsprüfung durch das FA für Großbetriebsprüfung (Bp) vertrat der Prüfer die
Auffassung, soweit im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft
Geschäftsanteile des G. W. i. H. v. 58.000 DM auf H. W. übertragen worden seien, seien
Geschäftsanteile aus dem Betriebsvermögen der Erbengemeinschaft in das
Privatvermögen von H. W. überführt und damit i. S. v. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG in Höhe des
Teilwerts entnommen worden. Der Wert der Anteile wurde mit 488 v. H. des Nennwerts
einvernehmlich ermittelt. Es ergab sich danach ein Entnahmegewinn i. H. v. 225.040 DM
(vgl. BP-Bericht vom 17.06.1996, Tz 18 und Schreiben des FA vom 10.12.1996).
Die bei der Auseinandersetzung vereinbarte Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erbfalls
sei steuerlich anzuerkennen. Die laufenden Einkünfte könnten daher ohne
Zwischenzurechnung ab dem Erbfall ungeschmälert dem die Einkunftsquelle
übernehmenden Kl. zugerechnet werden. Damit sei dem Kl. auch der Entnahmegewinn
rückwirkend zuzurechnen. Da die Einkünfte bis einschließlich 1993 bisher dem Erblasser
und erst ab 1994 dem Kl. zugerechnet worden seien, werde dies aus
Vereinfacherungsgründen übernommen und der Entnahmegewinn im Streitjahr 1994
erfaßt.
Das FA folgte der von der Bp vertretenen Auffassung und erließ am 17.04.1997 einen gem.
§ 164 Abs. 2 AO geänderten ESt-Bescheid und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Der dagegen (am 02.05.1997, Eingang im FA am 09.05.97) eingelegte Einspruch, mit dem
sich die Kl. gegen die Besteuerung der Entnahme des Geschäftsanteils von 58.000 DM auf
H. W. wenden, hatte keinen Erfolg.
Das FA führt in der Einspruchsentscheidung (EE) vom 14.07.1998 aus, bei der
Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft seien die Geschäftsanteile aus dem
Betriebsvermögen in das Privatvermögen von H. W. überführt worden. Die darin liegende
Entnahme sei mit dem Teilwert zu bewerten und entsprechend zu versteuern. Soweit die
Kl. darauf verweisen, daß H. W. zusammen mit den bereits zuvor gehaltenen
Stammanteilen von 18,52 v. H. sowie den im Rahmen der Erbauseinandersetzung aus dem
Betriebsvermögen übernommenen 21,48 v. H. insgesamt 40 v. H. der Stammanteile halte
und somit wesentlich beteiligt sei, könne nicht auf die Versteuerung der aus dem
Betriebsvermögen übernommenen stillen Reserven verzichtet werden. § 17 EStG setzte
weder die Regelungen in § 4 Abs. 1 Satz 1 und § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG außer Kraft noch sei
dadurch in jedem Fall die Besteuerung stiller Reserven gewährleistet. Ebensowenig könne
eine Testamentsgestaltung, die dazu führe, daß die Geschäftsanteile später wieder in das
Betriebsvermögen überführt würden, die Besteuerung im Streitjahr verhindern.
Mit der dagegen erhoben Klage tragen die Kl. vor, das FA verkenne, daß es sich bei den
übergegangenen Anteilen um eine wesentliche Beteiligung i. S. v. § 17 EStG handele und
damit eine Behandlung wie im Betriebsvermögen gesetzlich verankert sei. § 17 EStG
durchbreche den Grundsatz, daß private Vermögenszuwächse von der Steuer freizustellen
seien. Daher sei es nicht erforderlich, den Übergang von wesentlichen Beteiligungen aus
dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen zu besteuern, da die Besteuerung ohnehin
sichergestellt sei. Trotz des Übergangs von Betriebs- in das Privatvermögen bleibe der
Anteil in Höhe von 40 v. H. steuerverstrickt.
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Dies zeige sich auch anhand von § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG, der den umgekehrten Fall, nämlich
die Einlage einer wesentlichen Beteiligung in ein Betriebsvermögen betreffe. Dort sei eine
Ausnahme von der Bewertung einer Einlage mit dem Teilwert für wesentliche
Beteiligungen i. S. v. § 17 EStG geregelt, weil ohne diese Regelung zuvor im
Privatvermögen realisierte Wertsteigerungen nicht besteuert werden könnten. Daran werde
deutlich, daß in dem hier vorliegenden umgekehrten Fall die stillen Reserven nicht vorab
besteuert werden dürften.
Die Kl. beantragen,
den ESt-Bescheid 1994 in der Gestalt der EE vom 14.07.1998 zu ändern und die Einkünfte
aus Gewerbebetrieb um 225.040 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bezieht sich hinsichtlich des Entnahmegewinns auf die Ausführungen in der EE. Die mit
Änderungsbescheid vom 10.01.2000 erfolgte Minderung der abzugsfähigen
Vorsorgeaufwendungen ist durch Aufhebung dieses Bescheids in der mündlichen
Verhandlung gegenstandslos geworden.
Der Senat hat in der Sache am 15.03.2001 gemeinsam mit dem Verfahren 7 K 5316/98 E
mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Verlaufs und des Ergebnisses wird auf das Protokoll
vom selben Tage Bezug genommen.
Die Klage ist unbegründet, soweit die Besteuerung eines Entnahmegewinns i. H. v.
225.040 DM streitig ist. Der nach Aufhebung des ESt-Änderungsbescheids 1994 vom
10.01.2000 in der mündlichen Verhandlung wieder in Kraft getretene ursprünglich
angefochtene ESt-Bescheid vom 17.04.1997 ist rechtmäßig.
Der Entnahmegewinn ist gem § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG zu versteuern, denn der
Geschäftsanteil i. H.v. 58.000 DM ist aus dem Betriebsvermögen des Erblassers in das
Privatvermögen von H. W. übergegangen. Auf eine Besteuerung kann nicht deshalb
verzichtet werden, weil H. W. insgesamt 40 v. H. der Geschäftsanteile und damit eine
wesentliche Beteiligung an der GmbH im Sinne von § 17 EStG hält.
Um in einem solchen Fall eine Besteuerung stiller Reserven zu verhindern, wäre eine
abweichende gesetzliche Regelung erforderlich, da § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ausdrücklich
bestimmt, daß der Wert der Entnahmen den Unterschiedsbetrag zwischen dem
Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am
Schluß des vorangegangen Wirtschaftsjahres vermehrt. Der Wert der Entnahme ist mit dem
Teilwert anzusetzen, wie ausdrücklich in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG bestimmt ist. Nichts anderes
ist in Höhe des Übergangs von stillen Reserven auf H. W. geschehen. Wesentliche
Beteiligungen i. S. v. § 17 EStG stellen kein Betriebsvermögen, sondern Privatvermögen
dar (BFH-Urteil vom 21.10.1999 I R 43/98, BStBl II 2000, 424). Die Überführung in das
Privatvermögen und damit eine Entnahme hat daher, auch nach dem Vorbringen der Kl.,
unzweifelhaft stattgefunden.
Der Senat vermag auch der Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG keine Ausnahme von dem
Grundsatz der Versteuerung entnommener stiller Reserven zu entnehmen. Danach sind
Einlagen mit dem Teilwert für den Zeitpunkt der Zuführung anzusetzen; jedoch höchstens
mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut ein
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Anteil an einer Kapitalgesellschaft i. S. v. § 17 Abs. 1 EStG ist. Wie die Kl. zutreffend
ausführen, bedarf es dieser Regelung, um die Besteuerung eingelegter wesentlicher
Beteiligungen im Betriebsvermögen sicherzustellen (vgl. BFH-Urteil vom 11.02.1998 I R
89/97, BStBl II 1998, 691). Mangels einer anderweitigen Regelung kann man davon
ausgehen, daß der Gesetzgeber auch im umgekehrten Fall -der Entnahme einer
wesentlichen Beteiligung- die Besteuerung im Betriebsvermögen sicherstellen wollte. Ein
allgemeiner Grundsatz für die Bewertung von Einlagen und Entnahmen von wesentlichen
Beteiligungen kann auch nach der Entstehungsgeschichte von § 6 Abs. 1 Nr. 5 b EStG und
§ 17 EStG nicht angenommen werden. Nach den Ausführungen des BFH in der
Entscheidung vom 25.07.1995 VIII R 25/95, BStBl II 1996, 684 sollte die Regelung bei ihrer
Einführung durch das Steueränderungsgesetz vom 18.07.1958 (BGBl I 1958, 473)
verhindern, daß das damals gem. § 17 Abs. 5 EStG bestehende Verbot des
Verlustausgleichs durch die Einlage der Beteiligung in ein Betriebsvermögen und ihre
anschließende Veräußerung umgangen werden konnte. Eine planwidrige Gesetzeslücke,
die eine Auslegung im Sinn der Kl. rechtfertigen würde, vermag der Senat daher nicht zu
erkennen. Dagegen spricht auch,daß der Gesetzgeber selbst in § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG
geregelt hat, wie eine Entnahme zu bewerten ist, nämlich mit dem Teilwert, den das FA
einvernehmlich mit den Kl. ermittelt hat.
Die Besteuerung in 1994 ist zutreffend. Sie erfolgt in dem Jahr, in dem die
Erbauseinandersetzung tatsächlich durchgeführt wurde, auch wenn eine Rückbeziehung
auf den Zeitpunkt des Erbfalls nach dem BMF-Schreiben vom 11.01.1993 IV B 2 - S 2242 -
86/92, BStBl I 1993, 62, Tz 8, möglich wäre. Sie folgt außerdem der bisherigen Behandlung
des Sachverhalts durch die Kl. bzw. die Erben selbst.
Die Kostenentscheidung folgt wegen des geringen Unterliegens des FA aus § 136 Abs. 1
Satz 3 FGO.