Urteil des FG Münster vom 16.06.2004

FG Münster (Unternehmen, Firma, Bergbau, Einspruch, Steuerbefreiung, Verfügung, Nummer, Unterstand, Kreis, Anknüpfung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Münster, 1 K 5893/02 E
16.06.2004
Finanzgericht Münster
1. Senat
Urteil
1 K 5893/02 E
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt
T a t b e s t a n d
Die Beteiligten streiten darüber, ob Bergmannsprämien zu Recht zurückgefordert
worden sind.
Der Kläger (Kl.) war seit dem 01.12.1997 als Monteur bei der Firma C in F (C)
angestellt. Die Arbeitgeberin zahlte ihm in den Streitjahren pro Untertageschicht eine
Bergmannsprämie in Höhe von 10,00 DM aus. Insgesamt erhielt er im Bergmannsprämien
in Höhe von
a. 1997 1998 1999
150,00 DM 590,00 DM 890,00 DM
(76,69 Euro) (301,66 Euro) (455,05 Euro)
Mit Bescheid vom 25.02.2002 forderte der Bekl. die Bergmannsprämien vom Kl.
zurück. Der Rückforderung lag eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes zugrunde, das bei
der Arbeitgeberin des Kl. eine Lohnsteuer-Außenprüfung durchgeführt hatte. Die
Lohnsteueraußenprüfer vertraten die Auffassung, die Prämien seien zu Unrecht gezahlt
worden. Zwar seien Arbeitnehmer der Firma C zur Erledigung von Aufgaben aus dem
Bereich des Bergbaus unter Tage eingesetzt worden. Der Einsatz sei auch in Betrieben
erfolgt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstellt seien. Die Arbeitnehmer hätten jedoch
nicht, wie es das Gesetz über Bergmannsprämien (BergPG) und die Verordnung zur
Durchführung des Gesetzes über Bergmannsprämien (BergPDV) verlangen würden, in
einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus gestanden. Die Firma C als
Arbeitgeberin habe nicht der bergbehördlichen Aufsicht unterlegen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1
BergPDV). Sie sei auch keine Bergbauspezialgesellschaft i.S. des § 1 Abs. 2 Nr. 2
BergPDV. Der Unternehmenszweck der Firma C beschränke sich auf die Überlassung von
Arbeitnehmern. Sie selbst habe sich gegenüber dem Auftraggeber (Deutsche Steinkohle
AG) nicht verpflichtet, begünstigte Arbeiten im Rahmen eines Werk- oder
Werklieferungsvertrages zu erbringen, sondern lediglich
Arbeitnehmerüberlassungsverträge geschlossen.
Mit Schreiben vom 18.03.2002 erhob der Kl. gegen den Rückforderungsbescheid
Einspruch. Zur Begründung verwies er auf die Ziffer 5 seines Arbeitsvertrages mit der Firma
C. Dort sei ausdrücklich vereinbart, dass die ihm pro Schicht gezahlte Bergmannsprämie
steuer- und sozialversicherungsfrei bleibe.
Der Bekl. wies den Einspruch durch Einspruchsentscheidung (EE) vom
15.10.2002 zurück. In der Begründung hielt er an der von der Lohnsteuer-Außenprüfung
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vertretenen Rechtsauffassung fest. Ergänzend wies er darauf hin, die arbeitsvertragliche
Zusicherung der Steuerfreiheit sei in diesem Zusammenhang unerheblich.
Zur Begründung der mit Schreiben vom 04.11.2002 gegen die EE erhobenen
Klage trägt der Kl. vor, die Firma C sei ein Spezialbetrieb, der ausschließlich und allein
Tätigkeiten für den Bergbau ausführe. Der Kl. sei im Rahmen seiner Beschäftigung stets
unter Tage eingesetzt worden. Die Bergmannsprämie sei im Zusammenhang mit den
besonderen Erschwernissen zu sehen, die sich aus der Untertagearbeit ergäben. Entgegen
der Auffassung des Bekl. sei nach dem Zweck des Gesetzes über die Bergmannsprämie
die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit maßgebend. Unerheblich sei die Einordnung
des jeweiligen Unternehmens. Andernfalls würden Arbeitnehmer, die gleichen
Belastungen aus der Untertagearbeit ausgesetzt seien, unterschiedlich behandelt.
Der Kl. beantragt,
die EE vom 15.10.2002 und den Rückforderungsbescheid vom
25.02.2002 aufzuheben.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung fest.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten
gewechselten Schriftsätze und die vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Am 25.03.2003 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf das Protokoll wird
verwiesen.
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung, § 90 Abs. 2 FGO.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist unbegründet.
Der Bekl. ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kl. keine
Bergmannsprämie zusteht. Er hat die gezahlte Bergmannsprämie daher zu Recht
zurückgefordert (§ 37 Abs. 2 AO).
Nach § 1 Abs. 1 BergPG erhalten Arbeitnehmer des Bergbaus, die unter Tage
beschäftigt werden, Bergmannsprämien. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 BergPG i.V.m. § 1 Abs. 1
BergPDV sind Arbeitnehmer des Bergbaus die Personen, die in einem Arbeitsverhältnis zu
einem Unternehmen des Bergbaus stehen und in den der bergbehördlichen Aufsicht
unterstellten Betrieben beschäftigt werden. Unternehmen des Bergbaus sind nach § 1 Abs.
2 BergPDV
1) Unternehmen, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstellte Betriebe
unterhalten
2) Unternehmen, soweit sie ständig Schachtbau oder andere bergbauliche
Aufschließungs- und Vorrichtungsarbeiten als spezifisch bergmännische Arbeiten in den
unter Nummer 1 bezeichneten Betrieben verrichten (Bergbauspezialbetriebe).
Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Soweit dem Kl. die
Bergmannsprämie ausgezahlt worden war, hatte er zwar als Arbeitnehmer unter Tage im
Bereich des Bergbaus in Betrieben gearbeitet, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstellt
waren. Der Kl. war jedoch kein Arbeitnehmer des Bergbaus i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1
BergPDV.
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Er stand nicht in einem Arbeitsverhältnis zu einem Unternehmen des Bergbaus.
Arbeitgeber des Kl. war die C, die mit Bergbauunternehmen
Arbeitnehmerüberlassungsverträge geschlossen hatte, selbst aber nicht der
bergbehördlichen Aufsicht unterstand (§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 1 BergPDV).
Es handelte sich bei der C auch nicht um einen Bergbauspezialbetrieb, weil die
Firma selbst nicht ständig Schachtbau oder andere bergbauliche Aufschließungs- und
Vorrichtungsarbeiten als spezifisch bergmännische Arbeiten in bergbehördlicher Aufsicht
unterstellten Betrieben verrichtete (§ 1 Abs. 1, 2 Nr. 2 BergPDV). Die C stellte den
betreffenden Unternehmen im Rahmen von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen lediglich
die zur Durchführung dieser Maßnahmen erforderlichen Arbeitnehmer zur Verfügung. Nach
dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BergPDV muss das arbeitgebende
Unternehmen selbst die genannten Tätigkeiten verrichten.
Zu Unrecht rügt der Kl. die Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann
dahinstehen, ob die Steuerbefreiung unter dem Gesichtspunkt des
Leistungsfähigkeitsprinzips insgesamt überhaupt verfassungsgemäß ist (Bedenken bei
Bergkemper in HHR § 3 Nr. 46 EStG Rz. 2). Selbst wenn die Steuerbefreiung
verfassungsgemäß ist, wird sie dem Kl. nicht unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG
verwehrt.
Die Bergmannsprämie hat den Charakter einer Steuervergünstigung. Bei der
Schaffung von Steuervergünstigungen ist dem Gesetzgeber eine weitgehende
Gestaltungsfreiheit eingeräumt. Bei der Schaffung von Steuervergünstigungen ist es
grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, innerhalb einer ihm zustehenden weitgehenden
Gestaltungsfreiheit zu entscheiden, welche Elemente der zu vergleichenden
Lebensverhältnisse er als maßgebend für eine Ungleichbehandlung ansieht (BFH-
Beschluss vom 16.1.1996 X B 138/95, BFH/NV 1996, 402). Es ist nicht zu untersuchen, ob
er die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die
verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat, insbesondere
nicht willkürlich verfahren ist. Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz
bedeutet in diesem Zusammenhang, dass er die Leistungen nicht nach unsachlichen
Gesichtspunkten verteilen darf, sondern den Kreis der Begünstigten sachgerecht
abgrenzen muss (BFH, Urteil vom 15.05.1981 VI R 23/77, BFHE 133, 483, BStBl II 1981,
636).
Ob die Abgrenzung des Personenkreises im BergPG sachgerecht ist, bestimmt
sich nach Anlass und Ziel der Prämiengewährung. Ziel der gesetzlichen Maßnahme ist
nicht die Gewährung einer allgemeinen Erschwerniszulage als Ausgleich für die
psychische und physische Belastung der Untertagearbeit. Eine solche sozial- und
gesundheitspolitische Zielrichtung verfolgt das Gesetz über Bergmannsprämien nicht. Sinn
und Zweck des Gesetzes über die Bergmannsprämien ist es, durch die Zahlung der
Bergmannprämie einen besonderen Anreiz für die Arbeit unter Tage zu schaffen und auf
diese Weise einer Abwanderung der Arbeitskräfte aus dem Bergbau entgegenzuwirken.
Die Anknüpfung an die Erschwernisse der Untertagearbeit war erforderlich, weil sie als
ursächlich für die unerwünschte Abwanderung aus dem Bergbau angesehen wurde (BFH,
Beschluss vom 15.11.1961 VII 190/58 U, BFHE 74, 4, BStBl III 1962, 3; Urteil vom
15.05.1981 VI R 23/77, BFHE 133, 483, BStBl II 1981, 636).
Es ist bei dieser Zielsetzung nicht sachfremd, die begünstigte Personengruppe
nicht allein tätigkeitsbezogen zu bestimmen, sondern sie darüber hinaus
unternehmensbezogen zu definieren und an die Unternehmen des Bergbaus zu binden.
Der Arbeitnehmer einer Firma, die ihre Mitarbeiter an andere Firmen verleiht, kann
prinzipiell auch in anderen Bereichen als dem Bergbau eingesetzt werden. Die Verbindung
zum Bergbau ist gegenüber einem Arbeitnehmer gelockert, dessen Arbeitgeber ein
Unternehmen des Bergbaus ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.