Urteil des FG Köln vom 06.05.2008

FG Köln: fristlose kündigung, die post, vorsteuerabzug, bilanzstichtag, gesellschafter, rückstellung, geschäftsführer, strohmann, sanierung, subunternehmer

Finanzgericht Köln, 8 K 1385/05
Datum:
06.05.2008
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
8. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 K 1385/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten stritten im Streitjahr - 2001 - ursprünglich über die Frage, ob die Klägerin
aus einer Rechnung der G GmbH den Vorsteuerabzug geltend machen bzw.
Betriebsausgaben abziehen darf; im Laufe des Klageverfahrens ist zusätzlich die Frage
der Berechtigung zur Bildung einer Rückstellung streitig geworden.
2
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Gebäude-Sanierung. Sie schloss
am 30. Mai 2000 mit der Firma C GmbH (folgend nur: C GmbH) einen
Baurahmenvertrag über die Sanierung bzw. Renovierung des Objekts K-Str. in L.
Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieses Vertrags Bezug
genommen (Bl. 106 ff. d.A.).
3
Mit Vertrag vom 30. Juni 2000 beauftragte die Klägerin die G GmbH, seinerzeit noch
ansässig in der V-Straße in B, mit der Durchführung der Arbeiten aus dem Vertrag mit
der C GmbH. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Vertrags
verwiesen (Bl. 40 d.A.).
4
Die G GmbH rechnete die geleisteten Arbeiten mit Schlussrechnung vom 9. Januar
2001 mit insgesamt 150.000 DM netto abzüglich nicht erbrachter Sanitärleistungen
(10.000 DM) ab. Unter Berücksichtigung einer geleisteten à conto Zahlung vom 7. Juli
2000 ergab sich daraus ein zu zahlender Betrag in Höhe von 106.000 DM brutto. Als
Geschäftssitz der G GmbH ist die Adresse I-Str. in C1 und als Geschäftsführer Herr W
angegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt dieser
Rechnung Bezug genommen (Bl. 63 d.A.).
5
Die Klägerin bezahlte den angeforderten Rechnungsbetrag mit einem
Verrechnungsscheck vom 29. Januar 2001; der entsprechende Betrag wurde ihrem
Konto am 31. Januar 2001 belastet. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf Bl.
6
62 und 64 d.A. Bezug genommen.
Nach den Feststellungen ... (der Steuerfahndung( (folgend nur: Steufa ...) handelt es sich
bei der G GmbH um eine Strohmanngesellschaft als Nachfolger der U GmbH, die dazu
benutzt worden sei, Schwarzarbeiterkolonnen mit Papieren auszustatten und
Rechnungen an interessierte Bauunternehmen zu verkaufen, die damit ihre
Schwarzlohnzahlungen hätten abdecken können. Die Gesellschaft sei Ende 1999 mit
Sitz zunächst in W1 gegründet worden. Sie habe dann ihren Sitz nach B und zuletzt am
2. November 2000 nach C1 verlegt. Im März 2000 habe W von den Gesellschaftern N
und A sämtliche Geschäftsanteile an der GmbH erworben und sei zu deren alleinigem
Geschäftsführer bestellt worden. Mit Schreiben vom 1.3.2001 habe Herr W mitgeteilt, der
Betrieb sei aus gesundheitlichen Gründen mit sofortiger Wirkung eingestellt worden. Die
Ermittlungen hätten ergeben, dass die angeblichen Bauleistungen der Gesellschaft mit
einem Volumen von rund 11 Mio. DM Umsatz in 15 Monaten gar nicht hätten erbracht
werden können. Den wenigen erklärten Umsätzen hätten Vorsteuern in fast nämlicher
Höhe gegenübergestanden. Die Vorsteuern resultierten dabei aus Rechnungen
ebenfalls von Strohmanngesellschaften. Die Verantwortlichen der G GmbH hätten sich
mehrfach der Umsatzsteuersonderprüfung des Finanzamts B entzogen. Bei einer
Ortsbesichtigung durch die Sonderprüferin - Frau C2 – hätte festgestellt werden können,
dass es sich bei der Adresse in B nicht um den Firmensitz gehandelt haben könnte.
Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Bericht vom 1. Juni 2004 über die
steuerlichen Feststellungen bei der G GmbH Bezug genommen.
7
Zum Unternehmenssitz der G GmbH in B befinden sich in den Steuerakten ein Vermerk
der Umsatzsteuersonderprüferin vom 11. Dezember 2000 und eine Niederschrift zur
Zeugenaussage des S vom 21. August 2001. Auf den Inhalt dieser Unterlagen wird
Bezug genommen.
8
Zum Unternehmenssitz in C1 befindet sich in den Akten ein Büroservicevertrag
zwischen der G GmbH und der Firma C3 vom 9. November 2000. Auf dessen Inhalt wird
Bezug genommen.
9
Herr W hatte den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf der Steuerhinterziehung im
Zusammenhang mit dem Betrieb der G GmbH vollständig eingeräumt. Anlässlich seiner
Vernehmungen am 20. April und 20. Mai 2005 hatte er dazu angegeben, dass es die
Aufgabe der Gesellschaft gewesen sei, Arbeitnehmer mit Papieren zu versorgen. Am
Geschäftssitz in B habe es kein Lager gegeben; es sei dort auch nicht gearbeitet
worden. Er habe auf Veranlassung des Herrn Q den Büroraum in B angemietet. An der
Garagentür habe sich ein ca. 20 cm großes Schild mit der Aufschrift G befunden. Im
Büro habe sich ein Schreibtisch, ein Schreibtischstuhl, zwei weitere Stühle und ein
Regal mit einem dahinterstehenden Register befunden. Dort hätten sich einige Ordner
und Papiere befunden, die alle bedeutungslos gewesen seien. Alle wichtigen Papiere
seien zum Steuerberater E in L verbracht worden. Im Büro habe sich noch ein Fax
befunden. Das Büro sei nie besetzt gewesen, Publikumsverkehr habe dort nicht
stattgefunden. Das Telefon sei auf Herrn N umgeleitet gewesen. Etwa einmal pro
Woche sei er entweder mit Herrn N oder Herrn Q zum Geschäftssitz gefahren, um dort
die Post bzw. Faxe abzuholen. Das habe jeweils etwa 10 Minuten gedauert. Den
Hintergrund zur Sitzverlegung nach C1 kenne er nicht, allerdings habe er den
entsprechenden Mietvertrag unterschrieben.
10
Die Tätigkeit der G GmbH habe sich am Beispiel eines Auftrags mit dem Auftraggeber T
11
wie folgt abgespielt: Q sei mit Unterlagen zu T gegangen, mit denen nachgewiesen
werden sollte, dass die auf der Baustelle tätigen Arbeitnehmer alle angemeldet seien.
Dann habe J - ein Kolonnenführer – mit seinen Leuten auf der Baustelle von T
gearbeitet. Die Fa. G habe hierüber eine Rechnung geschrieben, T habe den
Rechnungsbetrag auf das Bankkonto der Fa. G überwiesen. Er - W – habe das Geld mit
Q abgehoben und Q gegeben. In dessen Lokal habe Q das Geld an J (abzüglich 16%)
gegeben, der damit seine Leute bezahlt habe. Diese hätten an Q auch nochmals ca.
1.000 DM monatlich zahlen müssen (für Sozialversicherungsbeiträge). Dies laufe bei
allen Firmen so. Er glaube, dass allen Auftraggebern klar gewesen sei, wer die
Leistungen erbringt, dies sei allerdings seine persönliche Einschätzung.
Er – W – habe Deutschland kurz vor Weihnachten 2000 verlassen. Schriftstücke nach
diesem Zeitpunkt, die angeblich von ihm stammten, seien von ihm nicht unterschrieben
worden. Die Herren Q und N hätten nach seiner Ausreise aus Deutschland seinen
Namen weiter genutzt. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf die
Vernehmungsprotokolle Bezug genommen.
12
W ist mit Urteil des Landgerichts L1 vom 7. Juni 2005 im Zusammenhang mit seiner
Tätigkeit bei der G GmbH wegen Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von 2
Jahren verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil enthält eine
tabellarische Aufstellung der von der G GmbH ausgestellten Rechnungen. Neben der
streitgegenständlichen Rechnung sind zwei weitere Rechnungen an die Klägerin vom
30.6.2000 über brutto 58.000 DM und vom 31.12.2000 über brutto 10.000 DM aufgeführt.
Daneben sind zwei weitere Rechnungen an eine B1/N1 GbR enthalten, nämlich vom
8.12.2000 über brutto 69.900 und vom 15.12.2000 über brutto 81.200 DM betreffend die
Baustelle U1-Str., L. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um eine
"Schwestergesellschaft" der Klägerin, bestehend aus den Gesellschaftern B1/N1.
Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt des genannten Urteils
Bezug genommen.
13
Im Zuge der Ermittlungen der Steufa haben die Gesellschafter der Klägerin als Zeugen
einen schriftlichen Fragebogen ausgefüllt, aus dem sich folgende Angaben ergeben:
14
Die erste Kontaktaufnahme sei durch Bewerbung der G GmbH um Aufträge im Büro der
Klägerin erfolgt. Die Vertragsverhandlungen habe Herr W geführt, der den Vertrag als
Geschäftsführer im Büro der Klägerin unterschrieben habe. Die Preise seien
ausgehandelt und aufgrund des Leistungsumfangs pauschaliert worden. Herr W sei
manchmal in Begleitung mit Q1 (Vorname), seinem Bauleiter erschienen. Die
Rechnungen seien per Post gekommen, bezahlt worden seien sie per Überweisung
oder per Scheck. Die G GmbH sei über die Firmennummer oder die Funknummer des
Bauleisters zu erreichen gewesen. Tätig geworden seien 2-3 Personen italienischer
Herkunft. Zusätzlich ggf. erforderliche Absprachen habe Herr B1 mit dem
Geschäftsführer der G GmbH auf der Baustelle besprochen. Die Klägerin habe weitere
Subunternehmer eingesetzt, nämlich die Firmen ... . Wegen der weiteren Einzelheiten
wird auf den Inhalt dieses Fragebogens Bezug genommen.
15
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin Umsätze zum
Regelsteuersatz in Höhe von 529.529 DM und machte Vorsteuern in Höhe von 36.740
DM geltend. Der Beklagte folgte der Erklärung zunächst und rechnete die Umsatzsteuer
am 21. September 2004 ab.
16
In der Feststellungserklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin Einkünfte aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 5.757 DM. In der Gewinnermittlung für das Streitjahr war
ein laufender Gewinn in Höhe von 30.513,87 DM ausgewiesen, der sich
zusammensetzte aus Erlösen aus der Sanierung in der K-Str. in Höhe von 529.529,66
DM, denen Aufwendungen für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe und für bezogene Waren in
Höhe von 216.823,34 DM, verschiedene betriebliche Kosten in Höhe von 2.192,45 DM
und außerordentliche Aufwendungen in Höhe von 280.000 DM – die hier nunmehr
streitig gewordene Rückstellung - gegenüberstanden. In den Betriebsausgaben sind
Aufwendungen in Höhe von 91.379,31 DM als Nettobetrag aus der Rechnung der G
GmbH enthalten. Der deklarierte Gewinn in Höhe von 5.757 DM erklärt sich daraus,
dass die Klägerin im Jahr 2001 die Gewinnermittlungsart gewechselt hat und der
laufende Gewinn sich wegen verschiedener weiterer ertragswirksamer Posten auf 5.757
DM minderte. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der
Gewinnermittlung, insbesondere auf den Kontennachweis zur Gewinn- und
Verlustrechnung und auf die Anlage zur Feststellungserklärung 2001 Bezug
genommen.
17
Der Beklagte folgte dieser Erklärung nicht, sondern ging im Bescheid über die
gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften (folgend nur:
Gewinnfeststellungsbescheid) vom 19. Oktober 2004 von Einkünften aus
Gewerbebetrieb in Höhe von 22.936,06 DM aus. Dabei erkannte er den
Betriebsausgabenabzug aus dem Bruttorechnungsbetrag der Rechnung der G GmbH in
Höhe von 30 v.H. (= 31.800 DM) nicht an, erhöhte im Gegenzug allerdings die
Betriebsausgaben um 14.621 DM als nicht abziehbare Vorsteuer. Hierzu führte er aus,
hinsichtlich der Aufwendungen betreffend die G GmbH werde wie im Vorjahr verfahren.
Dem liegt zugrunde, dass der Betriebsausgabenabzug aus der Rechnung der G GmbH
über brutto 58.000 DM in einem Rechtsbehelfsverfahren für das Vorjahr - nach erfolgter
Außenprüfung (Bericht vom 26. April 2002) - bereits streitig war. In dem Prüfungsbericht
für das Jahr 2000 stellte der Prüfer in Tz.11 fest, der Betriebsausgabenabzug aus der
Rechnung der G GmbH über netto 50.000 DM sei gemäß § 160 AO zu versagen, weil
der Aussteller der Rechnung nicht identisch sei mit dem tatsächlichen
Zahlungsempfänger.
18
Mit Bescheid vom 28. Oktober 2004 änderte der Beklagte die Umsatzsteuer für das
Streitjahr und berücksichtigte Vorsteuern lediglich in Höhe von 22.119,31 DM (zuvor:
36.740 DM, Differenz: 14.620,69 DM). Hierzu führte er aus, die Vorsteuer aus der
Rechnung der G GmbH sei zu versagen und verwies auf die anhängigen
Rechtsbehelfsverfahren.
19
Gegen den Gewinnfeststellungsbescheid 2001 legte die Klägerin am 2. November
2004, gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 2001 am 1. Dezember 2004
Einspruch ein.
20
Mit Einspruchsentscheidung vom 1. März 2005 wies der Beklagte die Einsprüche
sowohl bei der Umsatzsteuer als auch bei der Gewinnfeststellung als unbegründet
zurück. Hierzu führte er aus, weil es sich bei der G GmbH um eine Strohmannfirma
handele, sei nicht die G GmbH die tatsächlich Leistende, sondern deren
"Hintermänner". Dadurch, dass die Klägerin die Abrechnungspapiere nicht vorgelegt
habe, könne nicht geprüft werden, ob die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug
vorlägen. Analog hierzu sei auch der Betriebsausgabenabzug in der geschätzten Höhe
zu versagen. Wegen der weiteren Einzelheiten hierzu wird auf den Inhalt der
21
Einspruchsentscheidung Bezug genommen.
Die Klägerin hat am 4. April 2005 die vorliegende Klage erhoben.
22
Sie macht geltend, der Beklagte habe den Vorsteuerabzug zu Unrecht versagt, weil
nach der Rechtsprechung des BFH Leistender derjenige sei, der die Lieferungen oder
Leistungen in eigenem Namen gegenüber einem anderen ausführen lasse. Dabei sei
auf die dem Leistungsempfänger objektiv erkennbaren Umstände abzustellen. Der
Steuerpflichtige habe seine für den Vorsteuerabzug obliegende Feststellungslast erfüllt,
wenn er darlege, dass die Vertragsgesellschaft zum Zeitpunkt der Leistungserbringung
rechtlich existent gewesen sei, Zahlungen an die Gesellschaft erbracht worden seien
und die tatsächliche Aktivität der Gesellschaft anhand von amtlichen
Unbedenklichkeitsbescheinigungen nachweisen könne. Etwas anderes gelte nur, wenn
der Leistungsempfänger wisse oder davon ausgehen müsse, dass der "Leistende"
keine eigenen oder durch Subunternehmer auszuführende Verpflichtungen übernehmen
und folglich auch keine eigenen Leistungen versteuern wolle.
23
Auf ihr Bestreben hin habe die G GmbH verschiedene
Unbedenklichkeitsbescheinigungen (Bl. 93 – 96 d.A) sowie eine Handwerkskarte und
eine Gewerbeanmeldung vorgelegt; deswegen hätten die Gesellschafter-
Geschäftsführer keine Zweifel daran gehegt, dass die G GmbH selbst Arbeitnehmer
beschäftigt habe. Ihre Gesellschafter hätten auch die Betriebsräume der Gesellschaft in
C1 besichtigt; die mit den Baumaßnahmen betrauten Arbeitnehmer seien ihr gegenüber
als solche der G GmbH aufgetreten. Weshalb Herr W etwas andere bekunde, könne
nicht beurteilt werden. Barzahlungen seien nicht erfolgt; der Scheck sei per Post
übermittelt worden. Weil keine Erkenntnisse darüber vorlägen, dass sie von der
vermeintlichen Leistungsunfähigkeit der G GmbH gewusst habe, bestehe für die
Versagung des Vorsteuerabzugs keine Grundlage.
24
Auch die Kürzung des Betriebsausgabenabzugs komme nicht in Betracht. Unzumutbare
Empfängerbenennungen gemäß § 160 AO seien rechtswidrig. Sie habe sämtliche ihr
zur Verfügung stehenden Mittel ergriffen, um sicherzustellen, dass die ihr gegenüber als
Vertragspartnerin aufgetretene GmbH auch tatsächlich Empfängerin der geleisteten
Zahlungen gewesen sei.
25
Auch sei die Rückstellung berechtigterweise gebildet worden. Die C GmbH habe ihr
gegenüber den Bauvertrag vom 15. Oktober 2001 (geschlossen auf der Grundlage des
Baurahmenvertrags) mit Schreiben vom 23. April 2002 wegen Nichterfüllung und
Verzugs fristlos gekündigt und unter Bezugnahme auf eine Bautenstands- und
Kostenstandsermittlung eine Überzahlung zu ihren - der Klägerin - Gunsten in Höhe von
167.322,52 € ausgewiesen, deren Rückzahlung die C GmbH mit dem Schreiben
gefordert habe. Zudem habe sich die C GmbH weitergehende Regressansprüche
vorbehalten, wie sie dann in einem späteren Schreiben der Rechtsanwälte K1 vom 27.
Februar 2003 geltend gemacht worden seien. Diese fristlose Kündigung sei noch vor
der Erstellung der Bilanz zum 31.12.2001 erfolgt, so dass sie als wertaufhellender
Umstand im Streitjahr zu berücksichtigen gewesen sei. Hierzu hat die Klägerin diverse
Unterlagen zu ihren Beziehungen mit der C GmbH vorgelegt (Bl. 99 - 123, 164 – 173,
192 - 279), auf die Bezug genommen wird.
26
Die Klägerin beantragt,
27
1. den Umsatzsteuerbescheid 2001 vom 28. Oktober 2004 und die hierzu ergangene
Einspruchsentscheidung aufzuheben,
28
2. unter Änderung des Bescheids über die gesonderte und einheitlich Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen für 2001 vom 19. Oktober 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 5.757 DM
festzustellen.
29
Der Beklagte beantragt,
30
die Klage abzuweisen
31
Zur Frage des Vorsteuerabzugs macht er geltend, wenn der Geschäftsführer der G
GmbH aussage, dass die Gesellschaft nicht tätig gewesen sei, könne davon
ausgegangen werden, dass die G GmbH die in der Rechnung ausgeführte Leistung
nicht ausgeführt habe. Wenn dies aber so sei, dürfte die Klägerin während der Bauzeit
auch keinen Kontakt zum Geschäftsführer der G GmbH gehabt haben. Sie habe sich
über diesen Umstand offensichtlich keine Gedanken gemacht, es sei denn – die
Vermutung liege nahe – sie habe von diesem Umstand gewusst. Beim Vorsteuerabzug
bestehe kein Gutglaubensschutz. Sei eine Rechnung nicht ordnungsgemäß - weil hier
keine Leistung der G GmbH vorliege – sei deren Anerkennung zu versagen. Es stehe
auch nicht fest, an wen die Zahlung erfolgt sei. Weil die Zahlung per Scheck erfolgt sei,
sollte offensichtlich der tatsächliche Zahlungsempfänger im Verborgenen bleiben. Das
gelte umso mehr, als der Vertrag und die Rechnung die Zahlung per Überweisung
vorsehe.
32
Hinsichtlich der Kürzung des Betriebsausgabenabzugs liege die Vermutung nahe, dass
der Betrag in Höhe von 106.000 DM (brutto) gar nicht gezahlt worden sei, weil es sich
um eine Scheinrechnung gehandelt habe. Eine Zahlung ohne betriebliche
Veranlassung – die im Bezug auf eine hier offensichtlich vorliegende Scheinrechnung
vorliege – begründe keinen Betriebsausgabenabzug. Zudem sei die G GmbH nach den
Feststellungen der Steufa nicht die Zahlungsempfängerin. Nach § 160 AO sei der
Betriebsausgabenabzug davon abhängig, dass der Geldempfänger genau bezeichnet
werde. Da dies nicht die G GmbH gewesen sei, habe die Klägerin den korrekten
Empfänger noch genau zu bezeichnen.
33
Hinsichtlich der Rückstellung gelte, dass aus dem Schreiben der C vom 23. April 2002
zwar die Geltendmachung eines Anspruches i.H. von 167.322 € hervorgehe. Dieser
Betrag könne auch die Höhe der Rückstellung "für ungewisse Verbindlichkeiten" für das
Jahr 2001 wiedergeben. Ob dieser Betrag aber bis zum eigentlichen
Bilanzerstellungstag (30.09.2002) so konkret gewesen sei, lasse sich dem vorliegenden
Schriftverkehr nicht entnehmen. Auch die Errechnung des Betrages sei nicht bekannt.
Wenn aber schon wertaufhellende Umstände berücksichtigt werden sollten, müssten
auch "alle möglichen wertaufhellenden Umstände" geprüft werden. Hier sei auf das
Schreiben der Klägerin vom 21.Mai 2002 hinzuweisen, wonach sie der C "das
Verschulden" wegen Nichterfüllung des Bauauftrages vorhalte. Beim Ansatz der
letztendlich ermittelten Rückstellungen sei schließlich zu beachten, dass diese nach § 6
Abs. 1 Nr. 3 EStG mit einem Zinssatz von 5,5% abzuzinsen sei.
34
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf das Protokoll der
mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2008 Bezug genommen.
35
Entscheidungsgründe
36
1.
37
Die Klage ist in vollem Umfang zulässig.
38
Zwar ist die Klage für die B1 & N1 GbR erhoben worden. Soweit die Umsatzsteuer
betroffen ist, ist dies auch zutreffend, weil die GbR, nicht aber ihre Gesellschafter
Unternehmer i.S. des Umsatzsteuergesetzes sind (vergl. Klein/Rüsken, AO, 9. Auflage,
§ 33 Rz 20 m.w.N.). Soweit die Klage die einheitliche und gesonderte Feststellung von
Einkünften betrifft, ist sie indes durch ihre vertretungsberechtigte Gesellschafter für die
Gesellschaft zu erheben (Gräber/von Groll, FGO, 6. Auflage, § 48 Rz 12). Als in dieser
Form erhoben ist die Klage hier auszulegen (zur Auslegung einer Klageschrift
hinsichtlich der Klägerbezeichnung: BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 17/97, BStBl II
2000, 306). Das ergibt sich daraus, dass die Prozessvollmacht von beiden
Gesellschaftern unterzeichnet ist und das Gericht mit der Ladung zum Termin zur
mündlichen Verhandlung am 6. Mai 2008 eine entsprechende Auslegung angekündigt
hatte, der die Prozessbevollmächtigten nicht widersprochen haben. Der Senat sah
angesichts dessen auch keine Notwendigkeit, Personen zum Verfahren beizuladen.
39
2.
40
Die Klage ist unbegründet.
41
a.
42
Zu Recht hat der Beklagte im Umsatzsteuerbescheid vom 28. Oktober 2004 und der
hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung den Vorsteuerabzug aus der Rechnung der
G GmbH vom 9. Januar 2001 abgelehnt.
43
aa.
44
Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des im Streitjahr geltenden Umsatzsteuergesetzes -
UStG – kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen
Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge
abziehen. Nach der vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs – BFH – setzt der Vorsteuerabzug nach dieser Vorschrift voraus, dass
der in der Rechnung angegebene Sitz einer GmbH tatsächlich bestanden hat, weil es
der Sofortabzug der Vorsteuer gebietet, dass der Finanzverwaltung eine eindeutige und
leicht nachprüfbare Feststellung des leistenden Unternehmers ermöglicht wird. Dabei
trägt der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür,
dass der in der Rechnung einer GmbH angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat;
denn es besteht eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, sich über die Richtigkeit
der Angaben in der Rechnung zu vergewissern (vergl. BFH-Urteil vom 6. Dezember
2007 V R 61/05, BB 2008, 807 und Juris).
45
Die bisherige Rechtsprechung des BFH im Zusammenhang mit der Frage, ob ein
Strohmann als leistender Unternehmer i.S. des UStG in Betracht kommt, hat dabei auch
einen Briefkastensitz mit postalischer Erreichbarkeit der Gesellschaft ausreichen lassen.
46
Danach bedarf es besonderer und detaillierter Feststellungen, um die Annahme eines
Scheinsitzes zu rechtfertigen. Anhaltspunkte könnten sich etwa dann ergeben, wenn am
eingetragenen Firmensitz keinerlei Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion,
Behördenkontakt und Zahlungsverkehr stattfindet (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002
V B 108/01, BStBl II 2004, 622).
Der Senat entnimmt indes nachfolgenden Entscheidungen des BFH eine Tendenz,
diesen weiten Sitzbegriff einzuschränken:
47
So hat er im Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 61/05 (BB 2008, 807 und Juris)
offengelassen, ob ein "Briefkasten-Sitz" mit postalischer Erreichbarkeit des
Unternehmers nach den Umständen des Einzelfalles als hinreichende Adresse des
leistenden Unternehmers überhaupt in Betracht kommen kann. Denn er hat die
Tatsache, dass die Tätigkeit der GmbH über einen Büroservice ausgeübt wurde, der
sich darauf beschränkt habe, eingehende Telefonanrufe und Postsendungen
weiterzuleiten, ohne dass eine sonstige unternehmerische Tätigkeit in Form von
Geschäftsleitung, Behördenkontakten oder Zahlungsverkehr stattgefunden habe und
dass am angeblichen Firmensitz keinerlei Geschäftsunterlagen aufbewahrt worden
waren, als besondere und detaillierte Feststellungen zur Annahme eines Scheinsitzes
ausreichen lassen. Er hat in diesem Zusammenhang auf das EuGH-Urteil vom 28. Juni
2007 C 73/06, UR 2007, 654 verwiesen, wonach eine fiktive Ansiedlung in der Form,
wie sie für eine "Briefkastenfirma" oder für eine "Strohmannfirma" charakteristisch ist,
nicht als Sitz einer wirtschaftlichen Tätigkeit i.S. der 13. Mehrwertsteuer-Richtlinie
angesehen werden kann.
48
In einem weiteren Urteil vom 29. Januar 2008 I R 26/06, Juris, hat der BFH - allerdings
in Zusammenhang mit der Erstattung von Kapitalertragsteuer ausgeführt - eine
(ausländische ) Kapitalgesellschaft sei "substanzlos", wenn sie weder über Büroräume
oder Personal oder Kommunikationsmittel verfüge.
49
(1)
50
Der Senat ist der Auffassung, dass die getroffenen Feststellungen laut Inhalt der Akten
unter Berücksichtigung der oben dargestellten Tendenz der Rechtsprechung es
rechtfertigen, von einem Scheinsitz der G GmbH jedenfalls hinsichtlich des Firmensitzes
in B – dem Sitz bei Leistungserbringung – auszugehen. Das ergibt sich aus folgendem:
51
Bei dem Firmensitz handelte es sich – dies ergibt sich aus der Zeugenaussage
des S und den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüferin – nicht um einen
Büroraum im herkömmlichen Sinne, sondern um einen durch die Garage zu
erreichenden Raum im Kellergeschoss.
Der Raum war ausweislich der Bekundungen des W lediglich mit dem Nötigsten
ausgestattet, um den Anschein eines Büros zu erzeugen, nämlich einem
Schreibtisch, einem Schreibtischstuhl, zwei weiteren Stühlen, einem Regal und
Register sowie einem Telefaxgerät; Geschäftsunterlagen waren dort nicht
vorhanden, sondern lediglich bedeutungslose Papiere und Ordner.
Personal war am "Geschäftssitz" nicht tätig. Das Büro war nie besetzt.
Publikumsverkehr fand dort nicht statt. Das Telefon war umgeleitet auf Herrn N.
52
Die einzige feststellbare Tätigkeit am Firmensitz bestand daraus, dass W in
Begleitung einmal, möglicherweise auch zwei bis dreimal die Woche am "Sitz"
erschien, um dort die Post abzuholen und nach ca. 10 Minuten den "Sitz" wieder
zu verlassen.
53
Aus diesen Umständen ergibt sich, dass am "Sitz" eine geschäftsleitende Tätigkeit in
keiner Form stattgefunden hat. Alleine das Abholen der Post ist keine Tätigkeit, die
einem zu fordernden "Minimum an wirtschaftlichem Leben" am Sitz der Gesellschaft
entspricht.
54
(2)
55
Der Senat hat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sich auch nicht davon
überzeugen können, dass am späteren Sitz der Gesellschaft in C1 ein derartiges
"Minimum an wirtschaftlichem Leben" stattgefunden hat; dies geht zu Lasten der
insoweit die Feststellungslast tragenden Klägerin. Denn auch wenn zum Sitz in C1 nur
rudimentäre Feststellungen getroffen worden sind, scheinen sich dennoch die in B
vorgefundenen Umstände auch beim Sitz in C1 fortgesetzt zu haben. Dies schließt der
Senat aus dem Büroservicevertrag mit der Firma C3 vom 9. November 2000. Denn
wenn dort neben dem Büromietvertrag die Leistung "Repräsentanz plus" vereinbart war,
ergibt sich daraus, dass auch dort Vertreter der G GmbH offenbar nie anwesend waren.
56
bb.
57
Unabhängig von den obigen Ausführungen zu 2. a. aa. war der Vorsteuerabzug zudem
zu versagen, weil es an der Identität zwischen dem Rechnungsaussteller und dem
leistenden Unternehmer fehlt (vergl. zu diesem Erfordernis: BFH-Beschluss vom 31.
Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622).
58
Wer umsatzsteuerlich als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den
zugrunde liegenden Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die
Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen
selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem
Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon
ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder
berechtigterweise im Namen eines anderen bei Ausführung entgeltlicher Leistungen
aufgetreten ist. Maßgeblich ist hiernach, wer aus dem entsprechenden Rechtsgeschäft
zu einer Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 UStG an den Leistungsempfänger verpflichtet ist.
Ohne Bedeutung ist insoweit, ob er seine Leistungsverpflichtung höchstpersönlich
ausführt oder durch andere ausführen lässt und inwiefern ihm der wirtschaftliche Erfolg
des Geschäfts endgültig verbleibt. Tritt deshalb jemand im Rechtsverkehr im eigenen
Namen aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer
nicht selbst als berechtigter bzw. verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will
- ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt
und verpflichtet; dementsprechend sind auch dem sog. Strohmann die Leistungen
zuzurechnen, die der sog. Hintermann berechtigterweise im Namen des Strohmanns
tatsächlich ausgeführt hat. Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft
allerdings dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen worden ist, d.h. wenn die
59
Vertragsparteien - der Strohmann und der Leistungsempfänger - einverständlich oder
stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes gerade
nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem Hintermann
eintreten sollen (vergl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139
m.w.N.). Der Vorsteuerabzug ist ausgeschlossen, wenn der Leistungsempfänger weiß
oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigenen – ggf. auch durch
Subunternehmer auszuführende – Verpflichtungen aus dem Rechtsgeschäft
übernehmen und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will
(BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BStBl II 2004, 622).
Ausgehend von diesen Grundsätzen handelt es sich bei der G GmbH nach den
Feststelllungen der Steuerfahndung um eine Strohmanngesellschaft, deren Funktion
alleine darin bestand, es den tatsachlich auf den Baustellen tätigen Personen zu
ermöglichen, ihre Bauleistungen unerkannt gegenüber den Auftraggebern abrechnen zu
können. Dem ist die Klägerin auch nicht substantiiert entgegengetreten, so dass der
Senat hierzu von weiteren Ausführungen absieht.
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Angesichts dessen ist der Vorsteuerabzug zu versagen, weil der Senat anhand der
Umstände im Streitfall davon überzeugt ist, dass die Gesellschafter der Klägerin
wenigstens davon ausgehen mussten, dass es sich bei der G GmbH um eine
Strohmanngesellschaft handelte.
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Zunächst ist festzustellen, dass die Umstände der Vertragsanbahnung bereits
ungewöhnlich sind, wenn die Gesellschafter der Klägerin angeben, eine erste
Kontaktaufnahme sei durch Bewerbung der G GmbH um Aufträge im Büro der Klägerin
erfolgt. Denn im Normalfall ist zu erwarten, dass der Auftraggeber einer Bauleistung
selbst suchend aktiv tätig wird, um einen geeigneten Leistenden – etwa durch eine
Ausschreibung seitens des Architekten – zu finden, nicht aber umgekehrt der Leistende
von sich aus auf einen – lediglich potentiellen - Auftraggeber zutritt. Das gilt erst Recht
für eine Baugesellschaft aus B, wenn sie von sich aus auf potentielle Auftraggeber in L
zutritt.
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Auch die Umstände anlässlich des Vertragsschlusses erscheinen nicht plausibel, wenn
sich die Klägerin lediglich mit den diversen vorgelegten
Unbedenklichkeitsbescheinigungen zufriedengegeben hat, um sich von der
Zuverlässigkeit der G GmbH zu überzeugen. Das gilt insbesondere vor dem
Hintergrund, dass die Erlöse der Klägerin im Streitjahr und auch schon im Jahr davor
ausschließlich aus der Tätigkeit betreffend die Sanierung des Objekts K-Straße
stammten. Angesichts dessen musste für die Klägerin die Qualität der in diesem
Zusammenhang in Auftrag gegebenen Arbeiten und die Verlässlichkeit der eingesetzten
Subunternehmer im Vordergrund stehen, um die ordnungsgemäße Abwicklung ihres
einzigen Auftrags sicherzustellen. Es wäre deswegen zu erwarten gewesen, dass die
Klägerin sich entsprechende Referenzen einholt, zumal es sich bei der G GmbH nicht
um eine alteingesessene Baufirma handelte. Behördliche
Unbedenklichkeitsbescheinigungen sind hierfür indes untauglich. Es ist auch
ungewöhnlich, dass sich die Klägerin angesichts des Umfangs der zu erbringenden
Arbeiten mit einem lediglich aus einer Seite bestehenden Vertrag zufrieden gab und
hinsichtlich der Bonität der G GmbH offensichtlich keinerlei Erkundigungen eingeholt
hatte, obschon Insolvenzen in der Baubranche zahlreich sind und eine solche Insolvenz
der G GmbH möglicherweise dazu hätte führen können, dass sie – die Klägerin - die von
ihr gegenüber der C GmbH geschuldeten Leistungen nicht mehr (rechtzeitig) würde
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erbringen können.
Schließlich ist auch die Art und Weise der Zahlung der streitgegenständlichen
Rechnung ungewöhnlich, wenn im Vertrag mit der G GmbH eine Zahlung per
Überweisung vorgesehen ist, die Rechnung entsprechend auch eine Bankverbindung
ausweist und dennoch per Verrechnungsscheck gezahlt wird, der per Post versandt
worden sein soll. Nicht überzeugend ist in diesem Zusammenhang der
Erklärungsversuch der Klägerin, man habe mit der regelmäßig mit der Scheckhingabe
verbundenen längeren Kapitalverfügung einen – wenn auch geringen – Zinsgewinn
erzielen wollen.
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Angesichts dieser Umstände ist der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin die
Strohmanneigenschaft der G GmbH erkennen konnte, wenn sie sie nicht sogar positiv
gekannt hat. Denn in Baubranchenkreisen ist nach der Überzeugung des Senats ohne
weiteres bekannt, dass Strohmanngesellschaften auftreten, um illegale Arbeitnehmer
einsetzen zu können, die - und daran wird die Strohmanneigenschaft ohne weiteres zu
erkennen sein – zu anderen Preisen Leistungen anbieten, als legal tätige
Gesellschaften.
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b.
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Zu Recht hat der Beklagte in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche
Feststellung von Einkünften solche aus Gewerbebetrieb in Höhe von 22.936,06 DM
festgestellt.
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aa.
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Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Beklagte zutreffend geltend macht, die
Rückstellung in Höhe von 280.000 DM hätte jedenfalls im Streitjahr nicht gebildet
werden dürfen.
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§ 5 Abs. 1 Satz 1 des im Streitjahr geltenden Einkommensteuergesetzes - EStG - i.V.m.
§ 249 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches gebietet die Bildung von Rückstellungen
für ungewisse Verbindlichkeiten. Die Pflicht zur Bildung von Rückstellungen für
ungewisse Verbindlichkeiten setzt voraus
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das Bestehen oder die Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer
Verbindlichkeit dem Grunde und/oder der Höhe nach,
die wirtschaftliche Verursachung der Verbindlichkeit in der Zeit vor dem
Bilanzstichtag und
dass der Schuldner mit seiner Inanspruchnahme ernsthaft rechnen muss; die
bloße Möglichkeit des Bestehens oder Entstehens einer Verbindlichkeit reicht zur
Bildung einer Rückstellung nicht aus.
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Danach setzt jede (ungewisse) Verbindlichkeit einen Gläubiger voraus, der
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grundsätzlich seinen Anspruch gegen den Schuldner (Steuerpflichtigen) kennen muss.
Bei Schadensersatzansprüchen ist eine Inanspruchnahme des Schuldners erst dann
wahrscheinlich und damit passivierbar, wenn die den Anspruch begründenden
Tatsachen entdeckt und dem Geschädigten bekannt geworden sind oder dies doch
unmittelbar bevorsteht (BFH-Urteil vom 11. Dezember 2001 VIII R 34/99, BFH/NV 2002,
486).
Darüber hinaus muss die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme zum Bilanzstichtag
gegeben sein. Wertaufhellende Tatsachen können noch in einem bestimmten zeitlichen
Rahmen berücksichtigt werden, nicht aber neue Tatsachen. Als wertaufhellend sind nur
Umstände zu berücksichtigen, die zum Bilanzstichtag bereits objektiv vorlagen und
nach dem Bilanzstichtag, aber vor dem Tag der Bilanzerstellung lediglich bekannt oder
erkennbar wurden. Der zu beurteilende Kenntnisstand zum Zeitpunkt der
Bilanzerstellung ist daher auf die am Bilanzstichtag – objektiv – bestehenden
Verhältnisse zu beziehen (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2005 XI R 64/04, BStBl II 2006,
371).
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Ausgehend von diesen Grundsätzen lagen zu dem hier maßgeblichen Bilanzstichtag,
dem 31.12.2001, keine objektiven Umstände vor, die die Bildung einer Rückstellung
gerechtfertigt hätten. Dies wäre nur der Fall, wenn zum 31.12.2001 bereits objektive
Umstände vorgelegen hätten, die die fristlose Kündigung des Bauvertrags zwischen der
Klägerin und der C gerechtfertigt hätten, so dass die dann tatsächlich erfolgte
Kündigung im April 2002 (nur) noch als wertaufhellend zu beurteilen wäre. Nach
Aktenlage ist dies indes nicht der Fall:
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Aus dem Schreiben der C GmbH vom 23. April 2002 ergibt sich, dass sie den Vertrag
fristlos kündigt, weil sie aus den Gesamtumständen den Schluss gezogen hatte, es
komme der Klägerin nicht darauf an, die im Bauvertrag vereinbarten Leistungen zu
erbringen, sondern alleine darauf, Zahlungen von der C ohne die Erbringung von
Bauleistungen zu erhalten. Indes ist nicht erkennbar, dass diese Umstände (u.a.
Nichtbezahlung der Vorlieferanten der Klägerin, ständige Verzögerungen) bereits zum
Bilanzstichtag vorgelegen hätten. Aus der weiter vorgelegten Korrespondenz ist nämlich
lediglich an einer Stelle erkennbar, dass es bereits im Jahr 2001 zu Schwierigkeiten bei
der Durchführung des Bauvertrags gekommen war, nämlich im Schreiben der Klägerin
vom 23. April 2002, in dem es heißt, am 26. November 2001 und am 5. Februar 2002
seien Verzögerungen angemeldet worden (Bl. 165). Dass aber eine erstmalig
angezeigte Verzögerung im November 2001 bereits zum Bilanzstichtag am 31.12.2001
objektiv darauf hindeutet, es werde zur fristlosen Kündigung des gesamten Bauvertrags
mit der Folge von Rückzahlungsverpflichtungen der Klägerin kommen, hält der Senat für
ausgeschlossen. Tatsachen hingegen, die erst im Jahr 2002 eingetreten sind, die zur
fristlosen Kündigung im April 2002 geführt hatten, bilden keine wertaufhellenden
Tatsachen, sondern stellen neue Tatsachen nach dem Bilanzstichtag dar, die im
Streitjahr nicht mehr berücksichtigt werden können.
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Weil dem Senat die Verböserung des angefochtenen Bescheids verwehrt ist
(Gräber/von Groll, FGO, 6. Auflage, § 96 Rz 5), bleibt es bei den festgestellten
Einkünften, obschon eine weit höhere Einkünftefeststellung als vom Beklagten
vorgenommen gerechtfertigt wäre.
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bb.
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Aber auch unabhängig von den obigen Ausführungen zu 2 b. aa. ist die Höhe der vom
Beklagten festgestellten Einkünfte zutreffend, weil er den Betriebsausgabenabzug im
erfolgten Umfang zu Recht gekürzt hat. Denn die Klägerin hat trotz eines
entsprechenden Benennungsverlangens gemäß § 160 AO - das der Senat für das
Streitjahr in der Bezugnahme auf die Handhabung im Vorjahr erblickt, im Rahmen
dessen während der erfolgten Betriebsprüfung ein solches Benennungsverlangen
gestellt worden war – den Empfänger der Zahlung aus der streitgegenständlichen
Rechnung nicht genau bezeichnet.
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Dass der Empfänger der Zahlung nicht die G GmbH sondern die hinter ihr stehenden
Leistungserbringer waren, seht aufgrund der Strohmanneigenschaft der G GmbH fest.
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Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, das Benennungsverlangen ihr gegenüber sei
unzumutbar. Zwar steht ein Benennungsverlangen gemäß § 160 AO in besonderem
Maße unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Das bedeutet, dass das Verlangen
nicht unverhältnismäßig sein darf und die für den Steuerpflichtigen zu befürchtenden
Nachteile (z.B. wirtschaftliche Existenzgefährdung) nicht außer Verhältnis zum
beabsichtigten Aufklärungserfolg (z.B. geringfügige Steuernachholung bei den
Empfängern) stehen dürfen. Bei der Frage der Verhältnismäßigkeit eines
Benennungsverlangens kann dabei nur auf den Zeitpunkt der entsprechenden Zahlung
abgestellt werden. Entscheidend ist, inwieweit für den Steuerpflichtigen zu diesem
Zeitpunkt zumutbar war, sich nach den Gepflogenheiten eines ordnungsmäßigen
Geschäftsverkehrs der Identität seines jeweiligen Geschäftspartners zu vergewissern,
um so in der Lage zu sein, ihn als Empfänger von Zahlungen zutreffend zu bezeichnen
(BFH-Urteil vom 20. April 2005 X R 40/04, BFH/NV 2005, 1739). Ein
Benennungsverlangen ist ermessensfehlerhaft, wenn der Steuerpflichtige selbst Opfer
einer für ihn nicht durchschaubaren Täuschung geworden ist ( BFH-Urteil vom 4. April
1996 IV R 55/94, BFH/NV 1996, 801; vergl. auch BFH-Urteil vom 30.11.2004 XI B 48/04,
BFH/NV 2005, 1209 und BFH-Beschluss vom 31. Oktober 2002 IV B 126/01, BFH/NV
2003, 291).
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Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist der Senat nicht davon überzeugt, dass
die Gesellschafter der Klägerin selbst Opfer einer für sie nicht durchschaubaren
Täuschung geworden sind. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen zur
Umsatzsteuer verwiesen, die hier sinngemäß gelten.
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3.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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4.
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Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen der Ausführungen des Senats
zum Sitz der Rechnungsausstellerin zuzulassen.
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