Urteil des FG Köln vom 25.05.2005

FG Köln: ablauf der frist, forstwirtschaft, örtliche zuständigkeit, fristlose kündigung, einkünfte, einspruch, eltern, pachtvertrag, steuerfestsetzung, tod

Finanzgericht Köln, 14 K 2275/01
Datum:
25.05.2005
Gericht:
Finanzgericht Köln
Spruchkörper:
14. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 2275/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
1
Zwischen den Beteiligten besteht Streit darüber, ob ein Pachtvertrag zwischen
Angehörigen steuerlich anzuerkennen ist sowie darüber, ob die Voraussetzungen für
eine Bescheidänderung zulasten der Kläger vorliegen.
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Die Kläger sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Ehegatten. Der Kläger
erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft.
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Mit Übertragungsvertrag vom 12.06.1973 (UR-Nr. ... des Notars C in L, Kopie Bl. 120 bis
127 der Betriebsprüfungsakte – Prüferhandakte) hatten die Eltern des Klägers diesem
das Eigentum an allen Grundstücken ihres landwirtschaftlichen Betriebs einschließlich
des Hofgrundstücks nebst Gebäuden sowie das gesamte zu dem landwirtschaftlichen
Betrieb in F gehörige Wirtschaftsvermögen übertragen. Die Eltern hatten sich als
Gesamtberechtigte ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht an dem gesamten
übertragenen Grundbesitz vorbehalten mit der Maßgabe, dass dem Längstlebenden von
ihnen das Recht allein in vollem Umfang zustehen sollte. Der Jahreswert des
Nießbrauchsrechts wurde mit 30.000,-- DM beziffert. Für den Fall der
Weiterveräußerung von Grundstücken sollte der Kläger seine Geschwister in
festgelegtem Umfang an den Verkaufserlösen beteiligen. Für den Fall der Veräußerung
von Grundstücken durch den Kläger ohne Einwilligung der Eltern wurde diesen ein
durch eine Auflassungsvormerkung zu sicherndes Rücktrittsrecht eingeräumt. Wegen
der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Übertragungsvertrags Bezug
genommen.
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Der Nießbrauch wurde im Grundbuch eingetragen. Daneben wurde der bedingte
Anspruch auf Rückauflassung der Grundstücke zugunsten der Eltern eingetragen.
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Weiter war am 30.06.1973 zwischen dem Kläger als Pächter und seinen Eltern als
Verpächtern ein Pachtvertrag über die nießbrauchsbelasteten Grundstücke des
landwirtschaftlichen Betriebs geschlossen worden. Der Pachtzins betrug 30.000 DM pro
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landwirtschaftlichen Betriebs geschlossen worden. Der Pachtzins betrug 30.000 DM pro
Jahr und war in drei Raten jeweils am 01.10., 01.12. und 01.05. fällig. Hierzu ist
handschriftlich vom Vater des Klägers vermerkt, dass die Pacht 1984 auf 40.000 DM
erhöht worden sei. Die Pachtdauer wurde auf zwölf Jahre festgelegt (§ 4 Satz 1 des
Vertrags) und sollte sich jeweils um ein Jahr verlängern, wenn sie nicht ein Jahr vor
Ablauf der Frist von einem Vertragspartner schriftlich gekündigt wurde (§ 4 Satz 2 des
Vertrags). Abweichend von § 4 des Vertrags sollten die Eltern als Verpächter berechtigt
sein, den Vertrag zum folgenden 30.06. vorzeitig zu kündigen, falls der Kläger mit den
Pachtzahlungen länger als ein Jahr im Rückstand bleiben sollte (§ 6 des Vertrags).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Pachtvertrags (Kopie Bl. 128,
129 der Betriebsprüfungsakte-Handakte) Bezug genommen.
Der Kläger leistete aufgrund des Pachtvertrags zunächst Pachtzahlungen an seine
Eltern, nach dem Tod der Mutter an seinen Vater. Die Grundbücher im April 1991
wurden dahingehend geändert, dass dem Vater des Klägers das Nießbrauchsrecht und
die Auflassungsvormerkung allein zuständen. Spätestens ab dem Wirtschaftsjahr
1991/1992 zahlte der Kläger die Pacht nicht mehr.
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Am 27.09.1991 erteilten die Geschwister des Klägers, T und I, als Bevollmächtigte des
Vaters die Löschungsbewilligung für den eingetragenen Nießbrauch und die
Auflassungsvormerkung (Kopie der notariellen Urkunde Bl. 117, 118 der
Betriebsprüfungsakte-Prüferhandakte). Zu einer Löschung des Nießbrauchsrechts kam
es jedoch zunächst nicht. Diese erfolgte vielmehr erst nach dem Tod des Vaters am
13.07.1993 aufgrund des Löschungsantrags vom 25.06.1996. Im Rahmen der
Erbauseinandersetzung zwischen dem Kläger und seinen Geschwistern wurde die
Pacht nicht (anteilig) nachgezahlt bzw. angerechnet.
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In den für die Streitjahre maßgeblichen Gewinnermittlungen ab dem Wirtschaftsjahr
1991/1992 behandelte der Kläger auch nach Einstellung der Pachtzahlungen die Pacht
weiter als Aufwand und bildete in entsprechender Höhe in der Bilanz Verbindlichkeiten.
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Aufgrund der Umstrukturierung des landwirtschaftlichen Betriebs zum
Gemüsebaubetrieb bestimmte der Kläger 1993 das Kalenderjahr zum Wirtschaftsjahr
des Betriebs.
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Die Kläger erklärten – unter Berücksichtigung der Pachtaufwendungen – folgende
Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft:
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1990/1991 1991/1992 1992/1993
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DM DM DM
13
- 77.713 857.560 163.734
14
Im Rahmen einer steuerlichen Betriebsprüfung beim Kläger durch das Finanzamt L
gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass der Pachtvertrag mangels tatsächlicher
Durchführung ab dem Wirtschaftsjahr 1991/1992 nicht mehr anzuerkennen und der
Gewinn um die Pachtaufwendungen zu erhöhen sei. Daraus ergebe sich für die
Wirtschaftsjahre 1991/1992 und 1992/1993 eine Gewinnerhöhung von jeweils 30.000,--
DM und für das angenommene Rumpfwirtschaftsjahr 1993 von 18.334,-- DM. Wegen der
weiteren Einzelheiten auch der Gewinnermittlung im Übrigen wird auf den
Prüfungsbericht vom 29.10.1997 Bezug genommen.
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In Auswertung des Betriebsprüfungsberichts ergingen am 27.03.1998 geänderte
Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, mit denen gleichzeitig die bis dahin
bestehenden Vorbehalte der Nachprüfung aufgehoben wurden. Dabei berücksichtigte
der Beklagte den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft im Zeitraum vom 01.07.1992 bis
zum 31.12.1993 in der Weise, dass er ein Wirtschaftsjahr vom 01.07.1992 bis zum
30.06.1993 annahm, dessen Gewinn jeweils zur Hälfte in die
Einkommensteuerbescheide für 1992 und 1993 einfloss, sowie ein Rumpfwirtschaftsjahr
vom 01.07.1993 bis zum 31.12.1993, dessen Verlust er in voller Höhe im Bescheid für
1993 berücksichtigte. Auf diese Weise ergaben sich für 1992 Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft von 690.531,-- DM und für 1993 von 6.313,-- DM. Für 1993 führte dies zu
einer Herabsetzung der Einkommensteuer auf 0,00 DM.
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Mit dem Einspruch gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide für 1991 und
1992 machten die Kläger geltend, dass der Pachtvertrag weiterhin anzuerkennen sei.
Nach dem Tode der Mutter sei am 12.04.1991 die Grundbucheintragung dahingehend
geändert worden, dass der Nießbrauch dem Vater allein zustehe. Dass dieser noch im
selben Jahr auf das Nießbrauchsrecht verzichtet habe, sei äußerst unwahrscheinlich.
Ein notarieller Vertrag entsprechenden Inhalts liege nicht vor. Soweit einzelne
Grundstücke verkauft worden seien und in diesem Zuge auch auf das Nießbrauchsrecht
verzichtet worden sei, handele es sich um für den landwirtschaftlichen Betrieb
unbedeutende Flächen. Der Kläger sei weiterhin verpflichtet geblieben. Nach dem Tod
des Vaters hätten die Geschwister des Klägers auf den Anspruch auf Pachtzahlung
verzichtet.
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Weiter machten die Kläger geltend, dass die Aufteilung des Gewinns des Zeitraums
vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 unter Berücksichtigung eines
Rumpfwirtschaftsjahres vom 01.07.1993 bis zum 31.12.1993 nicht der Regelung des § 8
c Abs. 2 EStDV entspreche. Vielmehr sei der Gesamtgewinn des Zeitraums vom
01.07.1992 bis zum 31.12.1993 in Höhe von 486.823,-- DM in Höhe von 6/18 im
Kalenderjahr 1992 und in Höhe von 12/18 im Kalenderjahr für 1993 zu berücksichtigen.
Die Bescheide für 1991 und für 1992 seien dahingehend zu berichtigen, dass sich für
1991 ein zu versteuerndes Einkommen von 412.547,-- DM und für 1992 von 508.610,--
DM ergebe.
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Mit dem auf § 129 AO gestützten Bescheid vom 08.05.1998 änderte der Beklagte die
Steuerfestsetzung für 1993 zulasten der Kläger in der Weise, dass er nunmehr 12/18
des Gesamtgewinns des Zeitraums vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 (166.483,--
DM) als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft berücksichtigte. Mit dem
Einkommensteuerbescheid vom 18.11.1998 änderte der Beklagte die Steuerfestsetzung
für 1992 in der Weise, dass er den durch die Betriebsprüfung für den Zeitraum vom
01.07.1992 bis zum 31.12.1993 ermittelten Gewinn unter Einschluss des Verlustes für
den Zeitraum vom 01.07.1993 bis zum 31.12.1993 in Höhe von 6/18 im Streitjahr 1992
berücksichtigte. In beiden Änderungsbescheiden ließ er weiterhin die geltend
gemachten Aufwendungen für die Pacht unberücksichtigt.
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Mit dem Einspruch gegen den geänderten Bescheid für 1993 machten die Kläger
geltend, dass eine Änderung des Bescheids für 1993 zu ihren Lasten weder auf § 129
AO noch auf § 174 AO gestützt werden könne.
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Mit der Einspruchsentscheidung vom 08.03.2001 wies der Beklagte die Einsprüche als
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unbegründet zurück. Er hielt daran fest, dass die Pacht steuerlich nicht zu
berücksichtigen sei. Die Änderung des Bescheids für 1993 sei zwar nicht nach § 129
AO, hingegen aber nach § 174 Abs. 4 AO statthaft. Die Bezeichnung der falschen
Änderungsvorschrift sei unerheblich.
Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machen bezüglich der
Pachtaufwendungen geltend, die Vermutung des Beklagten, dass der Vater des Klägers
das Nießbrauchsrecht tatsächlich nicht mehr ausgeübt habe, sei in keiner Weise belegt.
Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Pachtvertrag vom 30.06.1973 aufgehoben
worden sei. Für die Pachtzahlungen seien jeweils betriebliche Verbindlichkeiten in den
entsprechenden Bilanzen festgehalten worden, da aufgrund finanzieller Engpässe im
landwirtschaftlichen Betrieb die Pachtzahlungen zu jener Zeit nicht geflossen seien.
Nach dem Pachtvertrag sei der Vater des Klägers zur Kündigung berechtigt gewesen,
was aber nicht geschehen sei. Die Löschungsbewilligung sei vermutlich ohne das
Wissen des Vaters des Klägers erteilt worden. Dementsprechend sei die Verbindlichkeit
gegenüber dem Vater bestehen geblieben.
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Eine Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1993 nach § 174 Abs. 4 AO komme
nicht in Betracht, da keine irrige Beurteilung des Sachverhalts durch den Beklagten im
Sinne des § 174 Abs. 4 AO vorliege. Der Sachverhalt sei bereits im
Betriebsprüfungsbericht vom 29.01.1997 richtig beurteilt worden. Im übrigen sei
Voraussetzung für eine Berichtigung nach § 174 Abs. 4 AO, dass durch die
vorausgegangene Aufhebung oder Änderung eines Steuerbescheides der Sachverhalt
nunmehr ohne steuerliche Regelung sei. Bleibe er dagegen, wenn auch falsch,
geregelt, sei § 174 Abs. 4 AO nicht anwendbar. Der Sachverhalt sei aber beim Kläger
nicht ungeregelt geblieben. Zum Zeitpunkt des Ergehens des Bescheids für 1993 vom
08.05.1998 habe auch deshalb nicht nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden können,
weil ein berichtigter Einkommensteuerbescheid für 1992 noch nicht vorgelegen habe. §
174 Abs. 4 AO setze indes voraus, dass ein berichtigter Bescheid zugunsten des
Steuerpflichtigen ergangen sei. Die Kläger berufen sich insoweit auf die Urteile des FG
Düsseldorf in EFG 1999, 638 und 2004, 160.
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Die Kläger beantragen, die Einkommensteuerbescheide für 1991 bis 1993
dahingehend zu ändern, dass Pachtaufwendungen in Höhe von 15.000 DM
(1991), 31.111 DM (1992) und 15.000 DM als weitere Betriebsausgaben bei den
Einkünften aus Land und Forstwirtschaft des Klägers berücksichtigt werden und
die Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1993 nach § 174 Abs. 4 AO (§
129 AO) rückgängig gemacht wird.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält daran fest, dass die Pachtaufwendungen mangels tatsächlicher Durchführung
des Pachtvertrags in den Streitjahren nicht mehr zu berücksichtigen seien und der
Bescheid für 1993 nach § 174 Abs. 4 AO geändert werden konnte.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Der Beklagte hat zu Recht die geltend gemachten Pachtzinsen nicht als
Betriebsausgaben anerkannt. Das Pachtverhältnis zwischen dem Kläger und seinem
Vater war im Streitzeitzeitraum steuerlich nicht anzuerkennen.
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a) Nach ständiger Rechtsprechung sind Verträge unter nahen Angehörigen
einkommensteuerlich nur anzuerkennen, wenn sie dem Fremdvergleich standhalten.
Dies bedeutet, dass sie bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sein und inhaltlich
dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen müssen. Weiter müssen sie dem
Vertragsinhalt entsprechend tatsächlich durchgeführt werden. Allerdings führen nicht
jede Abweichung vom inhaltlich Üblichen und jeder Durchführungsmangel zur
Versagung der steuerlichen Anerkennung. Vielmehr müssen die Abweichungen bzw.
die Mängel von einigem Gewicht sein. Für Mietverträge bedeutet dies, dass die
vertraglichen Hauptpflichten der Mietvertragsparteien nach § 539 BGB, wie das
Überlassen einer konkret bestimmten Mietsache und der Höhe der zu entrichtenden
Miete klar und eindeutig geregelt sein müssen (grundlegend BFH-Urteil vom 20.10.1997
IX R 38/97, BStBl II 1998, 106). Für Pachtverträge nach § 581 BGB in der für die
Streitjahre gültigen Fassung gilt schon im Hinblick auf die Verweisung auf die
mietrechtlichen Vorschriften in Abs. 2 der Vorschrift nichts anderes. Ein gewichtiger
Durchführungsmangel liegt insbesondere dann vor, wenn die Miete bzw. Pacht gar nicht
gezahlt oder erst in einem späteren Jahr nachgezahlt wird (BFH-Urteil vom 19.06.1991
IX R 306/87, BStBl II 1992, 75). Maßgeblich ist letztlich die Gesamtwürdigung der
Verhältnisse (BFH-Urteil vom 20.10.1997, a.a.O.). b) Im Streitfall kann im Ergebnis
dahingestellt bleiben, ob für den Streitzeitraum das Pachtverhältnis zivilrechtlich noch
bestand – wie die Kläger behaupten - oder aufgehoben ist – wie der Beklagte meint. Auf
die Richtigkeit der Ansicht des Beklagten deuten die erteilte Löschungsbewilligung und
die Einstellung der Pachtzahlungen hin. Dem kann weder entgegengehalten werden,
dass ein notarieller Aufhebungsvertrag des Pachtvertrags nicht vorliege, noch dass der
Vater des Klägers wahrscheinlich von der Löschungsbewilligung keine Kenntnis gehabt
habe. Die Aufhebung des Pachtvertrags war nicht beurkundungspflichtig. In die
notarielle Urkunde über die Löschungsbewilligung ist ausdrücklich aufgenommen, dass
der Bruder und die Schwester des Klägers für den Vater als Bevollmächtigte gehandelt
haben. Für eine vollmachtlose Vertretung bestehen insoweit, da es üblich gewesen
wäre, eine Vollmachtlosigkeit in die notarielle Urkunde aufzunehmen, keine
Anhaltspunkte. Die Löschungsbewilligung war deshalb dem Vater unabhängig von
dessen konkreter Kenntnis zuzurechnen.
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Letztlich kann aber dahingestellt bleiben, ob die Löschungsbewilligung und Einstellung
der Pachtzahlungen tatsächlich auf einer Aufhebung des Pachtvertrags beruhen. Denn
– das zivilrechtliche Fortbestehen des Pachtvertrags unterstellt – wäre dieser für den
Streitzeitraum jedenfalls steuerlich nicht mehr zu berücksichtigen. Denn bezüglich des
Pachtvertrags läge ein gewichtiger Durchführungsmangel darin, dass die Pacht
folgenlos nicht mehr gezahlt wurde. Ein sachlicher einem Fremdvergleich
standhaltender Grund für die Zahlungseinstellung ist nicht ersichtlich. Soweit die Kläger
geltend machen, die Zahlungseinstellung sei im Hinblick auf einen finanziellen Engpass
erfolgt, ist dies angesichts der hohen Einkünfte des Klägers nicht nachvollziehbar.
Überdies hätte ein fremder Dritter eine Zahlungseinstellung oder einen
Zahlungsaufschub über einen Zeitraum von bis zu etwa zwei Jahren aufgrund eines
finanziellen Engpasses nicht akzeptiert. Ein Zahlungsaufschub wäre allenfalls für einen
Zeitraum einiger Wochen oder nur für Teilbeträge akzeptiert worden. Vielmehr hätte ein
fremder Dritter seinen Zahlungsanspruch gegebenenfalls mit Nachdruck geltend
gemacht und/oder das Pachtverhältnis fristlos nach §§ 581, 554 Abs. 1 BGB oder ggf.
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auch fristgerecht (s. § 4 Satz 2 des Pachtvertrags) gekündigt. Die fristlose Kündigung bei
Nichtzahlung war nicht durch § 6 des Pachtvertrags ausgeschlossen, da diese
Regelung, wie aus der Gegenüberstellung mit § 4 Satz 2 des Pachtvertrags folgt, nur
während der bereits abgelaufenen ursprünglichen zwölfjährigen Pachtdauer (s. § 4 Satz
1 des Pachtvertrags) galt.
2. Der Beklagte hat auch zu Recht den Einkommensteuerbescheid für 1993 geändert.
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a) Der Beklagte war nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO berechtigt, den nach der
Betriebsprüfung ergangenen - nicht mehr unter Vorbehalt der Nachprüfung stehenden -
Bescheid durch den angefochtenen Änderungsbescheid vom 08.05.1998 zu ändern.
Denn der Beklagte hat mit dem Änderungsbescheid einem Antrag der Kläger der Sache
nach entsprochen. Die Kläger haben zwar keinen ausdrücklichen Antrag gestellt, die
Festsetzung für 1993 zu ändern. Einer solchen ausdrücklichen Antragstellung bedurfte
es jedoch nicht, da der Antrag i.S. des § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a AO auch
konkludent gestellt werden kann (Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl. 2003, § 172 Rdn. 34
m.w.N.). Ein solcher konkludenter Änderungsantrag der Kläger liegt in dem mit dem
Einspruch für 1991 und 1992 gestellten Antrag zur Änderung der Festsetzung für 1992
im Hinblick auf die zu ändernde Einkünftezurechnung der Einkünfte aus Land und
Forstwirtschaft für den Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993. Denn diesen
Antrag haben die Kläger mit der – zutreffenden - Darstellung der Zurechnung dieser
Einkünfte verbunden, wonach die Gesamteinkünfte dieses Zeitraums aus Land- und
Forstwirtschaft in Höhe von 83.241 DM auf das Kalenderjahr 1992 und in Höhe von
166.484 DM auf das Kalenderjahr 1993 entfielen. Diese Darstellung konnte der
Beklagte bei verständiger Würdigung unter Berücksichtigung der Umstände, dass eine
Änderung nach § 174 Abs. 4 AO jedenfalls bei umgekehrter Bescheidfolge (zunächst
Erlass des Änderungsbescheids für 1992) unzweifelhaft möglich gewesen wäre und das
Gesamtergebnis für die Kläger günstiger als dasjenige der Änderungsbescheide vom
27.03.1998 war, nur als Antrag auffassen, beide Bescheide zu ändern. Soweit ein
Änderungsantrag dem Wortlaut des Einspruchsschreibens nach ausdrücklich nur für
1991 und 1992 gestellt worden ist, lässt sich hieraus keine gegenteilige Würdigung
herleiten. Denn diese Beschränkung beruht allein darauf, dass lediglich für diese beiden
Jahre Einspruch eingelegt worden ist, während für 1993 ein Einspruch schon im
Hinblick auf die Nullfestsetzung nicht in Betracht kam. Die ausdrückliche Antragstellung
allein für 1991 und 1992 ist lediglich als Konkretisierung des Einspruchsbegehrens zu
verstehen, nicht aber dahingehend auszulegen, dass die gleichzeitige folgerichtige
Änderung für 1993 nicht beantragt werden sollte.
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b) Die Änderungsbefugnis des Beklagten folgt überdies auch aus § 174 Abs. 4 AO.
Nach dieser Bestimmung können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten
Sachverhaltes ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder
sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten
aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder
Änderung eines Steuerbescheides die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen
werden. Im Streitfall beruhte die Änderung der Steuerfestsetzung für 1992 durch den
aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen Bescheid vom 27.03.1998 auf einer irrigen
Beurteilung des Sachverhalts der Umstrukturierung des Betriebs des Klägers zum
Gemüsebaubetrieb und der damit verbundenen Umstellung des Wirtschaftsjahres auf
das Kalenderjahr. Eine irrige Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts im Sinne des
§ 174 Abs. 4 AO ist stets gegeben, wenn aus dem betreffenden Sachverhalt materiell-
steuerrechtlich unzutreffende Folgerungen gezogen werden. Dies trifft im Streitfall zu.
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Der Beklagte hat in dem Änderungsbescheid für 1992 entsprechend dem
Betriebsprüfungsbericht steuerliche Folgerungen gezogen, wie sie aufgrund des § 8c
EStDV a. F. (für die Wirtschaftsjahre, die vor dem 30.06.1990 begannen) zutreffend
gewesen wären. Für den Streitfall galt aber insoweit § 8c Abs. 2 Satz 2 EStDV in der
Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des
Steuerrechts (Mißbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz – StMBG) vom
21.12.1993 (BGBl. I S 2310, BStBl I 1994, 50). Diese Vorschrift war nach § 84 Abs. 2
Satz 2 EStDV in dieser Fassung rückwirkend erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden,
die nach dem 30.06.1990 beginnen. Abweichend von der vorangegangenen Regelung
sieht diese Neuregelung vor, dass bei der Umstellung eines abweichenden
Wirtschaftsjahres auf ein mit dem Kalenderjahr übereinstimmendes Wirtschaftsjahr sich
das letzte vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr um den Zeitraum bis zum
Beginn des ersten mit dem Kalenderjahr übereinstimmenden Wirtschaftsjahr verlängert;
eine Rumpfwirtschaftsjahr ist nicht zu bilden. Die unzutreffende Anwendung der
Vorgängerregelung hat zu einer unzutreffenden Verteilung der Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft des Klägers den Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 geführt,
wie die Kläger mit ihrem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1992 zu
Recht gerügt haben.
Dieser Bescheid ist aufgrund des Rechtsbehelfs des Einspruchs der Kläger zu deren
Gunsten geändert worden.
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Aufgrund dieser Änderung war der Beklagte entsprechend der in § 174 Abs. 4 Satz 1
AO vorgesehenen Rechtsfolge zur Änderung des Steuerbescheids für 1993 befugt, um
aus der Änderung des Bescheids für 1992 die richtigen steuerlichen Folgerungen zu
ziehen. Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Gesetzeswortlaut diese Folgerungen
nur "nachträglich" durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides gezogen
werden können. Allerdings setzt der Regelungsmechanismus des § 174 Abs. 4 Satz 1
AO hinsichtlich der verfahrensmäßigen Abfolge voraus, dass ein angefochtener
Bescheid wegen der zeitlich unzutreffenden Erfassung eines Besteuerungsmerkmals
als irrig erkannt und deswegen auf Antrag des Steuerpflichtigen aufgehoben oder
geändert wird. Dies löst sodann – "nachträglich" – die Rechtsfolge der Vorschrift aus,
dass ein anderer Bescheid erlassen oder geändert werden kann (Beschluss des
Großen Senats vom 10.11.1997 GrS 1/96, BStBl II 1998, 83, 85). Für den Streitfall folgt
daraus zunächst, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids für das
Streitjahr 1993 am 08.05.1998 dem Beklagten keine Änderungsbefugnis nach § 174
Abs. 4 Satz 1 AO zustand, weil mangels vorangegangener Aufhebung oder Änderung
des Bescheids für 1992 noch keine widerstreitende Steuerfestsetzung vorlag.
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Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass der ursprünglich rechtswidrige
Bescheid nicht nachträglich rechtmäßig geworden ist bzw. der Mangel geheilt worden
ist in dem Zeitpunkt, ab dem die Änderungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1
AO an sich erfüllt waren, nämlich ab der Änderung des Bescheids für 1992 durch den
Bescheid vom 18.11.1998. Denn nach § 127 AO in der für das Streitjahr gültigen
Fassung konnte die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 125 AO
nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von
Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande
gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden
können. Der vereinzelt in der Rechtsprechung (FG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.1999 7
K 7/95E, EFG 1999, 638) und von einem Teil des Schrifttums (Tipke/Kruse, AO/FGO, §
127 AO Tz. 6; von Wedelstädt, Beermann, steuerliches Verfahrensrecht, § 127 AO, Rdn.
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10) vertretenen Ansicht, dass die §§ 172 ff. AO nicht als Vorschriften über das Verfahren
im Sinne des § 127 AO anzusehen seien, mag sich der Senat in dieser Allgemeinheit
nicht anzuschließen. Die hierfür gegebene Begründung, bei diesen Vorschriften
handele es sich nicht nur um formelle Regelungen, sondern um solche, die unter
bestimmten Voraussetzungen den Weg frei machten für weitere
Sachverhaltsaufklärungen und/oder die richtige sachliche Entscheidung, vermag schon
deshalb nicht zu überzeugen, weil sie im Rahmen der Voraussetzungen des § 127 AO
nicht die Frage nach dem Charakter der Vorschriften betrifft, sondern diejenige, ob eine
andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Überdies steht diese
Ansicht jedenfalls bezüglich des Merkmals "nachträglich" in § 174 Abs. 4 Satz 1 AO im
Widerspruch zur zitierten Entscheidung des Großen Senats des BFH, wo insoweit
ausdrücklich von einer "verfahrensmäßigen Abfolge" die Rede ist und damit verdeutlicht
wird, dass es sich um eine Regelung des Verfahrensrechts handelt. Der Entscheidung
des Großen Senats ist auch nicht zu entnehmen, dass eine Heilung bei
verfahrensmäßiger falscher Reihenfolge des Erlasses der Bescheide im Sinne des §
174 Abs. 4 Satz 1 AO eine Heilung ausgeschlossen wäre. Vielmehr hat der Große
Senat lediglich ausgesprochen, dass es unzulässig sei, durch die Änderung eines
Bescheides einen Widerstreit zu erzeugen, um so die Möglichkeit für die Änderung
eines bestandskräftigen Bescheids für ein anderes Jahr zu eröffnen. So liegen die
Verhältnisse im Streitfall indes nicht. Der Beklagte hat nicht den Bescheid für 1993
erlassen, um die Änderung für 1992 zu ermöglichen. Vielmehr war die Änderung für
1992 schon deshalb möglich, weil der Bescheid mit dem Einspruch angefochten war.
Soweit die Kläger in Übereinstimmung in der zitierten Kommentierung von Tipke/Kruse
sich weiter auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 30.10.2003 (15 K 789/00F, EFG 2004,
160) berufen, gibt diese Entscheidung für die Streitfrage nichts her, da sie ausdrücklich
offengelassen wurde (Seite 161 letzter Absatz).
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Der Anwendung des § 127 AO steht auch nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des
§ 174 Abs. 4 Satz 1 die richtigen Folgerungen gezogen werden "können". Denn trotz
des Gebrauch des Wortes "können" handelt es sich bei der Bestimmung nicht um eine
Ermessensvorschrift. Vielmehr kann insoweit nichts anderes gelten als für § 174 Abs. 3
AO, der nach ständiger Rechtsprechung, obgleich ebenfalls als Kann-Vorschrift
formuliert , zwingendes Recht darstellt (BFH-Urteil vom 21.02.1989 IX R 67/84, BFH/NV
1989, 687 m. w. N.).
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Im Streitfall konnte ab dem Zeitpunkt der beantragten Steuerfestsetzung für 1992 durch
den Änderungsbescheid vom 18.11.1998 keine andere Entscheidung in der Sache für
das Jahr 1993 mehr getroffen werden. Etwas anderes hätte sich lediglich ergeben
können, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die Festsetzungsfrist für 1993 abgelaufen
gewesen wäre (siehe § 174 Abs. 4 Satz 4 AO) was aber zu diesem Zeitpunkt nicht der
Fall war. Vielmehr war der frühestmögliche Zeitpunkt des Ablaufs der vierjährigen
Festsetzungsfrist des § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für die Einkommensteuer 1993 der
Ablauf des Jahres 1998. Im Übrigen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit, dass
die erfolgte Aufteilung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft des Klägers für den
Zeitraum vom 01.07.1992 bis zum 31.12.1993 durch die angefochtene Bescheide
materiell zwingend war.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
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