Urteil des FG Hessen vom 23.06.2005

FG Frankfurt: auflösung der gesellschaft, kapitalgesellschaft, darlehen, bürgschaft, gesellschafter, geschäftsführer, entstehung, anschaffungskosten, handelsregister, einzahlung

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 13.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2001
Aktenzeichen:
13 K 1704/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 4 EStG 1997, § 60
Abs 1 Nr 5 GmbHG
(Entstehung eines Auflösungsverlusts)
Leitsatz
Auflösungsverlust
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob ein Auflösungsverlust entstanden und
nach § 17 Abs.4 EStG anzuerkennen ist.
Der Kläger war - neben vier weiteren Personen - Gesellschafter und
Geschäftsführer der am 03.06.1997 gegründeten Firma GmbH.
Am 08.02.2002 stellte der Geschäftsführer für die Gesellschaft Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 03.05.2002 wurde dieser Antrag mangels
einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgewiesen. Auf Grund dieses
rechtskräftigen Beschlusses erfolgte am 05.06.2002 eine Eintragung in das
Handelsregister, dass die Gesellschaft gem. § 26 InsO., § 60 Abs. 1 Ziffer 5
GmbHG aufgelöst sei.
Mit Einkommensteuererklärung 2001 machte der Kläger bei den gewerblichen
Einkünften einen Veräußerungsverlust in Höhe von ,- DM geltend, nämlich Verlust
der Gesellschaftseinlage in Höhe von ,- DM, Rückzahlung eines
Jungunternehmerdarlehens von ,- DM an die GmbH und Inanspruchnahme aus
einer Bürgschaft in Höhe von ,- DM.
Mit Schreiben vom 27.10. 2003 wies das Finanzamt darauf hin, dass Verluste aus
der Auflösung einer GmbH durch Originalbelege nachgewiesen werden müssen.
Hierzu gehörten insbesondere Zahlungsbelege, mit denen die Einzahlung der
Stammeinlage und anderer kapitalersetzender Einlagen und deren Zugang auf
den Konten der entsprechenden Kapitalgesellschaft nachgewiesen würden.
Darlehen und Bürgschaften, die ein wesentlich beteiligter Gesellschafter einer
GmbH dieser gewährt, müssten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sein,
wenn nachträgliche Anschaffungskosten für die GmbH-Anteile entstehen sollen.
Darlehen und Bürgschaften müssten im Zeitpunkt der Unternehmenskrise
gewährt worden sein, um kapitalersetzenden Charakter zu erhalten und damit zu
einem Verlust nach § 17 EStG zu führen.
Dies habe der Kläger nicht nachgewiesen.
Eine Reaktion seitens des Klägers erfolgte hieraufhin nicht.
Mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 13.01.2004 erkannte das Finanzamt
lediglich einen Verlust in Höhe von ,- DM für den GmbH-Anteil an, versagte
jedoch die Anerkennung der weiteren geltend gemachten Beträge.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Trotz Aufforderung wurde
dieser jedoch nicht begründet.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.04.2004 wurde der Einspruch als unbegründet
zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte,
fristgemäß Klage erhoben.
Er lässt sich wie folgt ein:
Im Verlauf der Geschäftsentwicklung der GmbH habe sich gezeigt, dass deren
Stammkapital nicht ausreichend sei. Er habe daher am 03.09.1997 eine
selbstschuldnerische Bürgschaft zu 1/5 von ,- DM, somit von ,- DM,
übernommen. Dieser Betrag sei im Dezember 2001 auf das Treuhandkonto
der GmbH, welche mit der Insolvenzabwicklung betraut gewesen sei, eingezahlt
worden. Darüber hinaus habe er der GmbH im Dezember 1997 ein Darlehen in
Höhe von ,- DM gewährt, welches er der Gesellschaft noch am gleichen Tag per
Überweisung zur Verfügung gestellt habe. Im Sommer 2001 habe sich die
finanzielle Lage der Gesellschaft so dramatisch zugespitzt, dass mit den Banken
und Lieferanten Verhandlungen über zusätzliche Kredite und Lieferantendarlehen
geführt wurden, welche allerdings ergebnislos verlaufen seien. Am 08.02.2002 sei
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden. Ausweislich eines im
Rahmen des Insolvenzverfahrens erstellten Gutachtens sei die GmbH seit 1997,
spätestens jedoch seit 1998, überschuldet gewesen. Darlehen und Bürgschaft
seien daher im Zeitpunkt der Unternehmenskrise gewährt worden, sodass eine
Berücksichtigung als Verlust gem. § 17 Abs. 2 EStG erfolgen müsse.
Der Kläger beantragt, den Steuerbescheid vom 13.01.2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 20.04.2004 dahingehend abzuändern, dass weitere
,- DM und ,- DM als nachträgliche Anschaffungskosten nach § 17 EStG bei den
gewerblichen Einkünften in Ansatz gebracht werden.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Finanzamt hält zwar nach Vorlage verschiedener Unterlagen im gerichtlichen
Verfahren einen Zufluss an die GmbH durch die fünf Gesellschafter von jeweils ,-
DM (abzüglich eines Disagios) für nachgewiesen, wobei allerdings die Berechtigung
der GmbH, die Disagio - Belastung der Gesellschafter zu übernehmen, noch nicht
nachgewiesen sei.
Für die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sei lediglich eine Einzahlung von ,-
DM durch den Kläger auf dem Konto der nachgewiesen. Hinsichtlich der auf
demselben Kontoauszug dokumentierten Bareinzahlungen von ,- DM und ,- DM
sei der Einzahler keineswegs nachgewiesen. Im Übrigen sei es ungewöhnlich,
derartige Summen in bar einzuzahlen. Die Herkunft der eingezahlten Gelder sei
mit diesem Kontoauszug jedenfalls keineswegs geklärt.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 20.06.2005
weitere Kontobelege zum Nachweis der Zahlungen vorgelegt.
Dem Grunde nach hält das Finanzamt aber schon für nicht nachgewiesen, dass
Darlehen und Bürgschaft in einer Krise der GmbH gegeben bzw. stehen gelassen
wurden.
Wegen Einzelheiten des jeweiligen Vorbringens wird auf die gewechselten
Schriftsätze mit den jeweiligen Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Ein Auflösungsverlust kann nicht im Jahr 2001 anerkannt werden.
Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG kommen die Absätze 1 bis 3 dieser Norm, somit
auch die Anerkennung eines Auflösungsverlustes, grundsätzlich dann zur
Anwendung "wenn eine Kapitalgesellschaft aufgelöst wird". Die Entstehung des
Auflösungsgewinnes oder -verlustes beim Steuerpflichtigen setzt somit bei der
Kapitalgesellschaft zunächst deren Auflösung voraus. Nach der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofes -BFH- (Urteil vom 3. Juni 1993, VIII R 46/91, BFH/NV 1994,
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des Bundesfinanzhofes -BFH- (Urteil vom 3. Juni 1993, VIII R 46/91, BFH/NV 1994,
364) ist die Auflösung nicht nur ein formales Tatbestandsmerkmal, das sich aus §
17 Abs. 4 Satz 1 EStG ergibt. Diese Voraussetzung beruht vielmehr auf Wesen und
Zweck des § 17 Abs. 4 EStG. Erst nach Auflösung und im Rahmen der dann
normalerweise folgenden Liquidation der Kapitalgesellschaft kann das "Vermögen
der Kapitalgesellschaft" (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG) ermittelt werden, das dem
Steuerpflichtigen ggf. zurückzuzahlen ist. Vor der Auflösung der Kapitalgesellschaft
ist kein Raum für die Ermittlung eines Liquidationsgewinns. Die Auflösung ist nicht
nur deshalb Voraussetzung, weil vorher die einzelnen Grundlagen des
Auflösungsgewinnes in der Regel nicht feststehen, sondern weil ein
Auflösungsgewinn begrifflich die Auflösung der Kapitalgesellschaft voraussetzt.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH (vgl. dazu BFH-Urteile vom 3. Oktober
1989 VIII R 328/84, BFH/NV 1990, 361; vom 3. Juni 1993 VIII R 23/92, BFH/NV 1994,
459; vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162, 163; vom 3. Juni 1993 VIII R
46/91, BFH/NV 1994, 364; Beschluss vom 24. Juni 1996 VIII B 127/95, BFH/NV
1996, 842), der sich der erkennende Senat anschließt, ist unter "aufgelöst" i.S. des
§ 17 Abs. 4 EStG die zivilrechtliche Auflösung der Kapitalgesellschaft zu verstehen.
Als zivilrechtlicher Auflösungsgrund kommt vorliegend nur § 60 Abs. 1 Nr. 5
GmbHG in Betracht. Danach wird die GmbH mit der Rechtskraft des Beschlusses,
durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt
worden ist, aufgelöst. Dieser Beschluss datiert vorliegend vom 03.05.2002. Nach
Rechtskraft dieses Beschlusses erfolgte die Eintragung der Auflösung am
05.06.2002 im Handelsregister. Der Zeitpunkt der Antragstellung auf Eröffnung
des Insolvenzverfahrens ist unbeachtlich (BFH/NV 1994, 364). Im Übrigen wurde
dieser Antrag vorliegend auch erst im Jahre 2002 gestellt. Entgegen der
klägerischen Rechtsauffassung kommt es daher auch nicht darauf an, wann die
Krise der GmbH eingetreten ist.
Ein anderer Auflösungsgrund nach § 60 GmbHG ist vorliegend nicht gegeben.
Insbesondere erfolgte keine Auflösung der Gesellschaft durch
Gesellschafterbeschluss nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG. Ein solcher Beschluss
wurde nicht gefasst. Soweit der Kläger einen Gesellschafterbeschluss vom 20. Juli
2001 vorlegte, ergibt sich hieraus keine Auflösung der Gesellschaft. In diesem
Beschluss werden lediglich die Geschäftsführer , und mit sofortiger Wirkung
abberufen und die GmbH mit der Interessenwahrnehmung der Firma GmbH
zwecks Insolvenzvermeidung beauftragt. Sodann heißt es ausdrücklich: "Weitere
Beschlüsse werden nicht gefasst".
Eine Auflösung der Gesellschaft ergibt sich hieraus nicht.
Soweit das beklagte Finanzamt im Streitjahr 2001 - nach den vorstehenden
Ausführungen zu Unrecht - bereits einen Verlust von ,- DM anerkannt hat, kann
wegen des im gerichtlichen Verfahren bestehenden Verböserungsverbotes keine
Änderung mehr erfolgen.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung
(FGO) abzuweisen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.