Urteil des FG Hessen vom 31.05.2007

FG Frankfurt: kaufpreis, einziehung, berufliche tätigkeit, wirtschaftliche tätigkeit, verwertung, vollziehung, factoring, eugh, dienstleistung, bemessungsgrundlage

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Gericht:
Hessisches
Finanzgericht 6.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
2005
Aktenzeichen:
6 V 1258/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 13b Abs 2 UStG 2005, § 13b
Abs 1 Nr 1 UStG 2002, § 3 Abs
9 UStG 2005, Art 6 Abs 1
EWGRL 388/77
Factoring; Insolvenzforderungen; notleidende Forderungen
, Einbehaltungspflicht
Tatbestand
I. Streitig ist, ob - und ggf. in welcher Höhe - die in London ansässige A Ltd.
umsatzsteuerpflichtige Factoringleistungen gegenüber der ASt.in (ASt.in)
erbrachte.
Die ASt.in ist ein deutsches Kreditinstitut in der Rechtsform einer AG. Mit Vertrag
vom 18.02.2005 ("Kaufvertrag") verkaufte sie - durch Portfolio-Sicherheiten (v.a.
Grundpfandrechte) besicherte - Forderungen aus Darlehensverträgen mit einem
Gesamtnennwert von 295.600.000 EURO ("Kreditportfolio") für einen Kaufpreis von
42.411.000,00 EURO an die A Ltd. Diese ist eine für den Erwerb des Portfolios
gegründete Zweckgesellschaft, deren Tätigkeit sich auf das Halten des
erworbenen Kreditportfolios und die Beauftragung der Firma B GmbH als sog.
Servicer beschränkt.
Die dem Kreditportfolio zugrunde liegenden Darlehensverträge hatte die ASt.in im
Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits ausnahmslos wegen Zahlungsverzuges
der Darlehensnehmer gekündigt (sog. Non-Performing-Loans - NPL - ). Bei dem
größten Teil der Forderungen (86%) handelt es sich um Forderungen gegen
Schuldner, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In §
8.2.21 des Kaufvertrages sicherte die ASt.in der A Ltd. zu, dass alle Forderungen
rechtzeitig zur Insolvenztabelle angemeldet wurden. Soweit die Forderungen nicht
insolvenzverhaftet waren, beruhte dies im Wesentlichen auf der Abweisung von
Insolvenzanträgen mangels Masse oder weil die Durchführung eines
Insolvenzverfahrens aus anderen Gründen nicht Erfolg versprechend erschien.
Laut § 3 Tz 3.4.1. des Vertrages gingen die Parteien übereinstimmend davon aus,
dass der Verkauf der Portfolio-Forderungen kein Factoring ist und damit nicht in
den Anwendungsbereich des BMF-Schreibens vom 3. Juni 2004 (BStBl I 2004, 737)
zur Umsatzsteuer beim Forderungskauf und Forderungseinzug fällt. Weiterhin
regelten die Beteiligten unter Tz 3.4.2:
"Für den Fall, dass die Finanzverwaltung insoweit eine andere Auffassung vertreten
sollte, trägt die anfallende Umsatzsteuer die Verkäuferin. Für diesen Fall legen die
Verkäuferin und die Käuferin nachfolgend die für die Ermittlung der
umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage relevanten Daten fest:
(a) Voraussichtlich realisierbarer Teil der Portfolio-Forderungen:
EUR 50.182.000,00 (in Worten: 50 Millionen einhundertzweiundachtzig-tausend).
(b) Die Parteien vereinbaren, dass die Käuferin einen Teil des Differenzbetrages
zwischen dem voraussichtlich realisierbaren Teil der verkauften Portfolio-
Forderungen und dem Kaufpreis für eine Kreditgewährung erhält, da die
Verkäuferin den voraussichtlich realisierbaren Teil der verkauften Portfolio-
Forderungen ansonsten erst über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren realisiert
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Forderungen ansonsten erst über einen Zeitraum von ca. 5 Jahren realisiert
hätte. Bei einem von den Parteien vereinbarten kalkulatorischen Zinssatz von
4,5% pro Jahr ergibt sich damit ein auf die Kreditgewährung entfallender
Teilbetrag aus dem Differenzbetrag in Höhe von EUR 4.771.000,00 (in Worten:
vier Millionen siebenhunderteinundsiebzigtausend Euro).
(c) Der verbleibende Differenzbetrag ist um die darin enthaltene Umsatzsteuer zu
kürzen."
Nachdem das FA der USt-Jahreserklärung 2005 zunächst zugestimmt hatte,
änderte es die Steuerfestsetzung am 11.04.2007 und nahm die ASt.in für die ihr
gegenüber von der A Ltd. erbrachten Leistungen als Steuerschuldnerin nach § 13
b Abs. 1 Nr. 1 UStG in Anspruch. Dagegen legte die ASt.in Einspruch ein und
beantragte - erfolglos - Aussetzung der Vollziehung.
Mit ihrem Antrag verfolgt die ASt.in ihr Rechtsschutzbegehren weiter und bringt
unter Bezugnahme auf das Verfahren 6 V 2225/06 vor, es bestünden ernstliche
Zweifel am Vorliegen einer gegen Entgelt erbrachten Einziehungsleistung (a), an
der Leistung eines Unternehmers (b) sowie an der Ermittlung des steuerpflichtigen
Entgelts (c):
a) Zunächst sei ernstlich zweifelhaft, ob die A Ltd. gegenüber der ASt.in eine
Einziehungsleistung erbracht habe. Selbst wenn ein Forderungseinzug vorliege, sei
zumindest zweifelhaft, ob dieser im Rahmen eines steuerbaren
Leistungsaustausches erfolgte:
aa) Da die verkauften Forderungen zahlungsgestört seien und sich ganz
überwiegend gegen Insolvenzschuldner richteten, sei es der A Ltd. nicht möglich
gewesen, die Forderungseinziehung durch eigene aktive Tätigkeiten zu fördern. Die
Forderungen seien von ihr bereits zur Insolvenztabelle angemeldet worden;
weitergehende Handlungen zur Forderungseinziehung könne der
Insolvenzgläubiger - auch im Hinblick auf das Verbot der
Einzelzwangsvollstreckung - nicht vornehmen. Der Kaufpreis habe sich wegen der
Ungewissheit hinsichtlich der Realisierung der Forderungen allein nach dem Wert
der bestehenden Sicherheiten gerichtet. Diese Sicherheiten berechtigten zwar zur
abgesonderten Befriedigung, auch insoweit handele die A Ltd. aber nicht im
Bereich der Forderungseinziehung, weil das Verwerten von Sicherheiten aufgrund
eigenständiger Sicherungsrechte erfolge. Die Verwertung von Sicherheiten führe
zwar zu einem Erlöschen der gesicherten Forderung, dieses Erlöschen beruhe aber
gerade nicht auf Zahlungen des Schuldners, die ihrerseits mit
Einziehungstätigkeiten des Gläubigers zusammenhingen.
bb) Auch wenn Einziehungsleistungen vorlägen, sei zweifelhaft, ob die A Ltd. im
Rahmen eines Leistungsaustausches tätig werde. Beim Factoring ergebe sich der
wechselseitige Zusammenhang zwischen Einziehungsleistung und Vergütung aus
der Vereinbarung von Factoringgebühren. Ausweislich der Ausführungen des EuGH
im Urteil vom 26.06.2003 liege eine unternehmerische Tätigkeit des
Forderungskäufers nur vor, wenn er "Forderungen unter Übernahme des
Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden dafür Gebühren berechnet" (Leitsatz 1).
Vorliegend sei für die von A Ltd. angeblich erbrachten Leistungen kein Entgelt in
Form von Factoring-, Einziehungs- oder Delkrederegebühren vereinbart worden.
Dass die A Ltd. die Forderungen nicht zum vollen Nennwert, sondern nur unter
Vereinbarung eines Abschlags auf den Nennwert erworben habe, beruhe nicht auf
der Vereinbarung gesonderter Gebühren, sondern auf der Einschätzung der
Vertragsparteien über die Werthaltigkeit des Forderungs-Portfolios im Zeitpunkt
des Kaufes.
b) Ernstliche Zweifel an einer steuerbaren Leistung bestünden auch im Hinblick auf
die Unternehmereigenschaft der A-Ltd. Bei dieser handele es sich um eine
vermögensverwaltende Zweckgesellschaft, die ausschließlich gegründet worden
sei, um durch den Kaufvertrag vom 18.02.2005 Forderungen von der ASt.in zu
erwerben. Da diese keine weiteren Forderungen an die A Ltd. verkauft habe und
nicht bekannt sei, dass die A Ltd. weitere Forderungen von Dritten erworben habe,
liege eine unternehmerische Tätigkeit nur dann vor, wenn sie bereits aufgrund des
einmaligen Forderungserwerbs von der ASt.in unternehmerisch tätig geworden sei.
Insoweit sei jedoch zweifelhaft, ob ein nur einmaliges Handeln die für die
Unternehmerstellung erforderliche Nachhaltigkeit begründen könne. Der bloße
Erwerb und das bloße Halten von Forderungen stelle keine unternehmerische
Tätigkeit dar. Mit dem bloßen Halten von Forderungen aber sei die Übernahme des
Risikos eines Forderungsausfalls zwingend verbunden. Würde bereits die bloße
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Risikos eines Forderungsausfalls zwingend verbunden. Würde bereits die bloße
Tatsache der Risikotragung durch den Forderungsinhaber ausreichen, um eine
Steuerpflicht der Forderungsverkaufs zu begründen, gäbe es für die Steuerfreiheit
des Forderungsverkaufs nach § 4 Nr. 8c) UStG keinen Anwendungsbereich mehr.
c) Zumindest bestünden jedoch ernstliche Zweifel an der Höhe des Entgelts. Ein
Teilbetrag von 4.771.000,-- EURO stelle Entgelt für eine steuerfreie
Kreditgewährung dar, sodass die Bemessungsgrundlage 3.000.000,- EURO nicht
übersteigen könne. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise komme einer sofort
fälligen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt realisierbaren Forderung ein
geringerer Wert zu als einer sofort fälligen und sofort realisierbaren Forderung.
Beim Verkauf zahlungsgestörter Forderungen bestimme sich das Entgelt daher
nach der Differenz zwischen Kaufpreis und wirtschaftlichem Nennwert. Dabei seien
die Parteien berechtigt, auch den von ihnen vermuteten Zeitpunkt der
tatsächlichen Vereinnahmung der abgetretenen Forderungen zu berücksichtigen,
denn dieser Zeitpunkt beeinflusse den Wert der abgetretenen Forderungen
erheblich. Das Entgelt müsse daher unter Berücksichtigung der in § 3.4.2.
vereinbarten Kreditgewährung um 4.771.000,-- EURO gemindert werden. Da im
Kaufvertrag eine gesonderte Kreditvereinbarung getroffen und ein Jahreszins von
4,5% vereinbart worden sei, entspreche die Vereinbarung den Anforderungen im
Abschnitt 29a Abs. 2 UStR.
Die ASt.in beantragt, die Vollziehung des Umsatzsteuer-Jahresbescheides 2005
vom 11.04.2007 in Höhe von 1.071.862,-- EURO ohne Sicherheitsleistung,
hilfsweise gegen angemessene Sicherheitsleistung auszusetzen, äußerst
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Das FA beantragt, den Antrag abzuweisen.
a) Unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verfahren 6 V 2225/06 ist das FA der
Auffassung, es liege ein steuerbarer Leistungsaustausch im Sinne eines Factorings
vor.
aa) Die ASt.in werde sowohl von der Einziehung der Forderungen als auch vom
Risiko der Nichterfüllung entlastet. Es sei nicht relevant, ob der größere Teil des
Leistungsentgelts für die Risikoübernahme geleistet werde. Eine
Einziehungsleistung der A Ltd. könne nicht deshalb verneint werden, weil es sich
zum größten Teil um Insolvenzforderungen handele. Auch bei solchen Forderungen
sei eine Vielzahl von Aufgaben zu erledigen, um einen möglichst erfolgreichen
Forderungseinzug zu gewährleisten. Insbesondere bei bevorrechtigten
Forderungen oder Sicherungsgut sei üblicherweise ein Bündel von Maßnahmen zu
ergreifen, um die eigene rechtliche Position zu sichern und durchzusetzen bzw. um
Gegenansprüche abzuwehren: Laut Tz. 10.3. des Vertrages habe die ASt.in darauf
hinzuwirken, dass die A Ltd. in diverse Gläubigerausschüsse eigene Vertreter
entsenden könne, weitere Aufgaben seien in Tz. 6.4. des Vertrages benannt
(Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens, Beauftragung von Gutachten etc.).
Darüber hinaus habe die A Ltd. einen Servicer mit der Wahrnehmung des
Forderungseinzuges beauftragt. Wenn der Forderungseinzug durch passives
Hinzuwarten gleichermaßen erfolgreich wie durch aktives Tätigwerden bewirkt
werde, hätte sich die A Ltd. die Kosten für einen Servicer sparen können.
bb) Die Erbringung eines steuerpflichtigen Umsatzes sei nicht davon abhängig, ob
für diesen Umsatz ein gesondertes Entgelt vereinbart wurde oder wie dieses
bezeichnet werde. Anhaltspunkte dafür, dass der EuGH das Vorliegen einer
steuerpflichtigen Leistung von der Vereinbarung eines konkreten Entgelts für die
Leistung des Factors abhängig gemacht habe, seien nicht ersichtlich.
b) An der Unternehmereigenschaft der A Ltd. bestünden keine Zweifel. Sie werde
allein schon aufgrund der Intensität der erbrachten Factoringleistungen (Einzug
vieler Forderungen, Übernahme vieler Kreditrisiken) an die ASt.in zur
Unternehmerin. Die Tätigkeit der A Ltd. sei auch von gewisser Dauer, da der
Forderungseinzug nach Darlegung der ASt.in mehrere Jahre in Anspruch nehmen
werde. Von der Unternehmereigenschaft der A Ltd. sei offensichtlich auch bei
Vertragsabschluss ausgegangen worden, da es ansonsten einer Steuerklausel (Tz.
3.4.2. des Vertrages) nicht bedurft hätte.
c) Eine Minderung der Bemessungsgrundlage der Factoringleistung scheide aus,
da Vertragselemente eines Kreditvertrages nicht erkennbar seien. Die Höhe des
angeblichen Kredits sei in Tz. 3.4.2. b) des Vertrages nicht bestimmt und sei auch
nicht bestimmbar. Der Zinssatz werde "kalkulatorisch" genannt, was gerade nicht
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nicht bestimmbar. Der Zinssatz werde "kalkulatorisch" genannt, was gerade nicht
die Formulierung für eine Kreditvereinbarung sei. Der Annahme einer
Kreditgewährung widerspreche auch 3.2. des Vertrages, wonach die A Ltd. nach
dem "Cut-Off-Date" sämtliche Lasten und Risiken, also auch die Risiken der nicht
rechtzeitigen Erfüllung trage. Im Übrigen bestehe seitens der A Ltd. bei nicht
rechtzeitiger Zahlung ein Zinsanspruch gegen die Schuldner und nicht gegen die
ASt.in. Daher sei ein Abschlag wegen verzögertem Zahlungseingang schon
sachlich nicht zu rechtfertigen. Etwas anders könne nur gelten, wenn - was lt. Tz
8.3.19 des Vertrages nicht der Fall sei - die abgetretenen Forderungen noch nicht
fällig gewesen wären. Für einen Verkauf von zahlungsgestörten Forderungen sei es
auch typisch, dass nicht alle Forderungen zeitnah eingezogen werden könnten,
sonst seien sie nicht zahlungsgestört. Dies werde im Kaufpreis bereits
einkalkuliert.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das
Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides
auf Antrag aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen
oder wenn seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch
überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die
Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn die Prüfung
der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, der
gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhaltes in
entscheidungserheblicher Weise zu Unsicherheiten in der Beurteilung der
Rechtslage oder zu Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen führt (vgl. Urteil
des Bundesfinanzhofs vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978,
579; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Anm. 86 ff. m.w.N.). Eine
unbillige Härte im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO ist anzunehmen, wenn dem
Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides
wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Steuerzahlung
hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind (vgl. BFH-
Beschluss vom 24. 11.1988 IV S 1/86, BFH/NV 1990, 295).
1. Aufgrund dieses Beurteilungsmaßstabes bestehen keine ernstlichen Zweifel an
der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 2005. Das FA ist
zu Recht von steuerbaren und steuerpflichtigen Factoringleistungen der A-Ltd.
ausgegangen, für welche die ASt.in als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer
schuldet:
Nach § 13b Abs. 2 UStG schuldet der Leistungsempfänger die Steuer für
steuerpflichtige Umsätze aus sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen
Unternehmers (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 UStG).
a) Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG u.a. sonstige
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt erbringt. Sonstige
Leistungen sind nach § 3 Abs. 9 UStG alle Leistungen, die keine Lieferungen sind.
Dem entspricht die gemeinschaftsrechtliche Regelung in Art. 6 Abs. 1 der 6. EG-
Richtlinie (nunmehr Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL), wonach als "Dienstleistung" jeder
Umsatz gilt, der keine Lieferung von Gegenständen ist.
aa) Im Falle des "echten" Factoring erbringt ein Factor, der Forderungen seines
Kunden ankauft, ohne gegen diesen bei Ausfall der Schuldnerin ein Rückgriffsrecht
zu haben, dem Anschlusskunden gegenüber eine Dienstleistung, die im
Wesentlichen darin besteht, dass er ihn von der Einziehung der Forderungen und
dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet (EuGH-Urteil vom 26.06.2003 C-305/01,
BStBl II 2004, 688, 692; BFH-Urteil vom 04.09.2003 V R 34/99, BStBl II 2004, 667).
bb) Der Anwendbarkeit dieser Grundsätze im Streitfall steht nach Ansicht des
Senates nicht entgegen, dass die von der A-Ltd. erworbenen Forderungen
zahlungsgestört sind (sog. non-performing-loans).
(1) Die A-Ltd. entlastete die ASt.in vom Risiko der Nichterfüllung ihrer
Darlehensforderungen. Das Risiko des Totalverlustes ist im Streitfall zwar dadurch
gemindert, dass die Darlehensforderungen durch Portfolio-Sicherheiten (v.a.
Grundpfandrechte) besichert waren. Dadurch wird jedoch - beispielsweise in Fällen
nachrangiger Sicherheiten und eines Preisverfalls bei Grundstücken - zumindest in
Einzelfällen die Nichterfüllung der Darlehensforderung nicht ausgeschlossen.
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(2) Darüber hinaus wurde die ASt.in von der Einziehung ihrer
Darlehensforderungen entlastet. Die ASt.in weist zwar zu Recht darauf hin, dass es
- nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens - im Hinblick auf das Verbot der
Einzelzwangsvollstreckung weder ihr noch der A Ltd. möglich war, die
Forderungseinziehung durch eigene aktive Tätigkeiten zu fördern. Sie verkennt
jedoch, dass die verkauften und abgetretenen Forderungen v.a. durch
Grundpfandrechte besichert waren und die A-Ltd. als nach § 49 InsO
absonderungsberechtigte Grundpfandgläubigerin die Sicherheiten außerhalb der
Insolvenz verwerten kann, ohne auf die Kooperation des Insolvenzverwalters
angewiesen zu sein. Die Verwertung erfolgt vielmehr nach den allgemeinen
Vorschriften des Zwangsversteigerungsgesetzes durch Zwangsversteigerung und
Zwangsverwaltung. Die Verwertung von Sicherheiten beruht zwar auf
eigenständigen Sicherungsrechten, aus der Akzessorietät von Sicherheitsrechten
zur Hauptforderung (vgl. § 401 BGB im Allgemeinen, §§ 1113, 1153 Abs. 2 BGB
bei Hypotheken, Sicherungsabrede bei Sicherungsgrundschulden) ergibt sich
jedoch, dass deren Zweck allein in der Erfüllung der zugrunde liegenden
Darlehensforderung liegt. Da die ASt.in bei der Verwertung notleidender Kredite
ebenso von vielfältigem Verwaltungsaufwand entlastet wird wie ein "gewöhnlicher"
Anschlusskunde bei der Einziehung von nicht notleidenden Forderungen, ist es
gerechtfertigt, die Verwertungsleistungen als Einziehungsleistungen im weiteren
Sinne anzusehen und diesen bei wirtschaftlicher Betrachtung gleichzustellen.
b) Entgegen der Ansicht der ASt.in erfolgte die Dienstleistung auch gegen
Entgelt. Eine Dienstleistung wird dann im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der 6. Richtlinie
"gegen Entgelt" erbracht, wenn zwischen dem Leistenden und dem
Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige
Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene
Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger
erbrachte Dienstleistung bildet (EuGH-Urteil vom 26.06.2003 C-305/01, a.a.O.
Seite 692).
aa) Der zwischen den Beteiligten geschlossene Kaufvertrag vom 18.02.2005 ist ein
derartiges Rechtsverhältnis, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen
ausgetauscht wurden. Dem steht nicht entgegen, dass dieser den Verkauf von
Forderungen nebst Sicherheiten gegen einen Kaufpreis von 42.411.000,00 EURO
regelt und nicht die Einziehung der Forderungen sowie die Übernahme des Risikos
des Forderungsausfalles. Beim echten Factoring handelt es sich zivilrechtlich stets
um einen Forderungsverkauf mit Abtretung. Abgesehen davon, dass für die die
Bestimmung der Leistung im Sinne des Umsatzsteuergesetzes die wirtschaftliche
Betrachtungsweise maßgebend ist (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist,
Kommentar zum UStG, § 2 Rz 220), hat sich der Europäische Gerichtshof mit
seinem Urteil vom 26.06.2003 C-305/01 von der zivilrechtlichen Betrachtungsweise
gelöst und Dienstleistungen des Factors gegenüber dem sog. Anschlusskunden
bejaht.
bb) Als Entgelt für diese Dienstleistung hat der Anschlusskunde dem Factor eine
Vergütung zu zahlen, die der Differenz zwischen dem Nennbetrag der dem Factor
abgetretenen Forderungen und dem Betrag entspricht, den der Factor ihm als
Preis für die Forderungen zahlt (EuGH-Urteil vom 26.06.2003 C-305/01, a.a.O.) Im
Streitfall ist zu berücksichtigen, dass es um den Verkauf von zahlungsgestörten
Forderungen und die Verwertung der damit verbundenen Sicherheiten geht,
sodass bei der gebotenen wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Gegenleistung
der Differenz zwischen dem von den Beteiligten geschätzten Wert der Forderungen
und dem Kaufpreis entspricht. Dabei spielt es jedoch entgegen der Ansicht der
ASt.in keine Rolle, ob als Gegenleistung für die Einziehung und die Übernahme des
Ausfallrisikos bestimmte prozentuale "Gebühren" vereinbart werden. Maßgeblich
für die Beurteilung einer Zahlung als Entgelt ist vielmehr, ob ein hinreichend
konkreter Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Tätigkeit des
Steuerpflichtigen besteht. Das ist im Streitfall offensichtlich, denn die ASt.in
akzeptierte den Abschlag vom erwarteten Erlös aus der Verwertung der
Sicherheiten nur im Hinblick auf die Dienstleistungen der A-Ltd. bzw. des von
dieser beauftragten Servicers.
c) Die Dienstleistungen der A-Ltd. wurden auch im Inland erbracht. Denn gemäß §
3a Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 6a) UStG werden sonstigen Leistungen der im § 4 Nr.
8a - g UStG bezeichneten Art - und damit die streitgegenständlichen
Factoringleistungen - dort ausgeführt, wo der Leistungsempfänger sein
Unternehmen betreibt.
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d) Bei der im London und damit im Ausland ansässigen A-Ltd. handelt es sich
nach summarischer Prüfung auch um einen Unternehmer.
aa) Unternehmer ist nach § 2 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit
selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur
Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder
eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird (§ 2 Abs.1
Satz 3 UStG). Erforderlich ist demnach eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur
Erzielung von Entgelten. Für die Frage, ob jemand "nachhaltig" tätig geworden ist,
kommt es auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Dabei müssen die für oder
gegen die Nachhaltigkeit sprechenden Merkmale gegeneinander abgewogen
werden (BFH-Urteil vom 16.03.1995 V R 72/93, BFH/NV 196, 187; BFH-Urteil vom
18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776).
bb) Diese Abwägung ergibt im Streitfall eine nachhaltige und damit
unternehmerische Tätigkeit der A-Ltd. Auch wenn es sich bei ihr um eine
vermögensverwaltende Zweckgesellschaft handelt, die ausschließlich die im
Kaufvertrag vom 18.02.2005 bezeichneten Forderungen erworben hat, sprechen
sowohl der immense Umfang der angekauften Kredite (ca. 300 Mio. EURO) als
auch die Art und die auf mehrere Jahre angelegte Verwertungstätigkeit eindeutig
für die Nachhaltigkeit der gewerblichen Betätigung. Dem steht nicht entgegen,
dass sie A-Ltd. selbst keine Arbeitnehmer beschäftigt und B GmbH mit der
Verwertung der Sicherheiten beauftragt wurde. Da sich die ASt.in dieser
Gesellschaft zur Ausführung ihrer Verwertungstätigkeiten bedient, ist deren
Tätigkeit dieser Gesellschaft zuzurechnen.
e) Die Leistungen der A-Ltd. sind auch nicht nach § 4 Nr. 8c) UStG steuerfrei. Nach
dieser Vorschrift sind Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen und die
Vermittlung dieser Umsätze steuerfrei, ausgenommen jedoch die Einziehung von
Forderungen. Dem entsprechend sieht auch Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6.
EG-Richtlinie eine Steuerbefreiung vor, mit Ausnahme der "Einziehung von
Forderungen". Da eine wirtschaftliche Tätigkeit, die darin besteht, dass ein
Wirtschaftsteilnehmer Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft
und seinem Kunden dafür Gebühren berechnet, eine "Einziehung von
Forderungen" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 a.E. der Richtlinie 77/388/EWG
darstellt und damit von der mit dieser Bestimmung eingeführten Steuerbefreiung
ausgeschlossen ist (vgl. EuGH-Urteil vom 26.06.2003 a.a.O.), ist eine "Einziehung
von Forderungen" i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerpflichtig.
f) Als Bemessungsgrundlage für die Leistungen der A-Ltd. ist das FA zu Recht von
6.699.138,-- EURO ausgegangen.
aa) Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bestimmt sich
das Entgelt der Factoringdienstleistung als Differenz zwischen dem wirtschaftlichen
Wert der Forderung und dem vereinbarten Kaufpreis abzüglich der in diesem
Betrag enthaltenen Umsatzsteuer. Dabei ist als wirtschaftlicher Wert der
voraussichtlich realisierbare Teil der Portfolio-Forderungen in Höhe von
50.182.000,00 EURO zugrund zu legen. Bei einem Kaufpreis von 42.411.000,00
EURO ergibt sich somit eine Differenz in Höhe von 7.771.000,-- EURO und
abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer von 1.071.862,-- EURO eine
Bemessungsgrundlage von 6.699.138,-- EURO.
bb) Entgegen der Ansicht der ASt.in ist diese Bemessungsgrundlage nicht um eine
steuerfreie Kreditgewährung in Höhe von 4.771.000,-- EURO zu mindern. Ein
Kredit- bzw. Gelddarlehensvertrag wird dadurch charakterisiert, dass der
Darlehensgeber verpflichtet ist, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der
vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen und der Darlehensnehmer verpflichtet
ist, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung
gestellte Darlehen zurückzuerstatten (§ 488 BGB n.F.) Im Streitfall sind diese
Voraussetzungen in mehrfacher Hinsicht nicht erfüllt: Abgesehen davon, dass es
bereits an der Vereinbarung eines bestimmten oder zumindest bestimmbaren
Darlehensbetrages und eines Rückzahlungszeitpunktes fehlt, ergibt sich aus der
Vereinbarung eines lediglich "kalkulatorischen" Zinssatzes, dass es den Beteiligten
tatsächlich nicht um die Zurverfügungstellung eines Geldbetrages für eine
absehbare Zeit ging. Darüber hinaus ist für das Gericht in keiner Weise
nachvollziehbar, wie die Beteiligten die Höhe der vereinbarten Zinsen von
4.771.000,-- EURO ermittelt haben. Schließlich geht der Senat davon aus, dass die
Beteiligten das Risiko der erst in geraumer Zeit erfolgten Befriedigung bzw.
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Beteiligten das Risiko der erst in geraumer Zeit erfolgten Befriedigung bzw.
Nichtbefriedigung bereits in dem Kaufpreis für die abgetretenen Forderungen
berücksichtigt haben.
2. Eine Aussetzung der Vollziehung kommt auch nicht im Hinblick auf eine
"unbillige Härte" in Betracht. Die ASt.in hat weder substantiiert vorgetragen noch
glaubhaft gemacht, dass ihr durch die Vollziehung des angefochtenen
Verwaltungsaktes eine Existenzgefährdung drohe. Eine Existenzgefährdung ist
auch nicht aus den vorliegenden Akten ersichtlich.
Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gründe für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2
FGO sind weder vorgetragen worden noch für das Gericht ersichtlich.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.