Urteil des FG Hamburg vom 24.09.2012

FG Hamburg: unternehmen, echte rückwirkung, leistungsfähigkeit, gesetzesänderung, belastung, vergleichsrechnung, steuerbefreiung, sanierungsgewinn, verfügung, übergangsregelung

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(Körperschaftsteuer: Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nach § 38 KStG 2002 n. F.)
1. Die mit der Änderung des § 38 KStG 2002 durch das Jahressteuergesetz 2008 herbeigeführte
zwangsweise Besteuerung des EK 02 ist nicht verfassungswidrig. Die Neuregelung entfaltet keine
unzulässige unechte Rückwirkung, denn die Klägerin hat eine verfestigte Rechtsposition in Bezug auf die
Steuerfreiheit des EK 02 noch nicht erlangt. Die bloße allgemeine Erwartung in den Fortbestand der alten
Rechtslage genießt keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.
2. Grundsätzlich schafft der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand durch den Erlass von
Übergangsregelungen, die nur unter besonderen Anforderungen vorzeitig aufgehoben werden können. Bei
einem so komplexen Sachverhalt wie der Umstellung des Besteuerungssystems von Körperschaften und
der Geltung sehr langfristiger Übergangsregelungen kommt dem Interesse des Gesetzgeber, die
Übergangsvorschriften auf Grund von veränderten Verhältnissen oder Fehlentwicklungen anzupassen,
jedoch besonderes Gewicht zu, die das lediglich allgemeine Interesse der Steuerpflichtigen am Fortbestand
der bisherigen Rechtslage überwiegen.
3. Das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit wird durch die Herbeiführung der
zwangsweisen Besteuerung nicht verletzt, denn durch die Vergleichsrechnung gemäß § 38 Abs. 5 KStG
2002 n. F. wird die Besteuerung auf das tatsächlich verfügbare ausschüttungsfähige Eigenkapital begrenzt.
4. Das Gleichheitsgebots des Art. 3 Abs. 1GG wird nicht dadurch verletzt, dass steuerbefreiten
Körperschaften und bestimmten Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft das Recht
eingeräumt wird, zur Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren.
Rev., Az.: I R 76/12
FG Hamburg 2. Senat, Gerichtsbescheid vom 24.09.2012, 2 K 31/11
§ 38 KStG 2002
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Körperschaftsteuererhöhungsbetrags
gemäß § 38 Abs. 5 und 6 des Körperschaftsteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetz 2008 vom
20.12.2007 (KStG 2002 n. F.).
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, betreibt einen zertifizierten Entsorgungsfachbetrieb,
welcher sich mit der Aufbereitung und Verwertung von flüssigen und festen Abfällen befasst. Mitte der 90er
Jahre wurde eine wirtschaftliche Krise und drohende Insolvenz des Unternehmens durch einen erheblichen
Forderungsverzicht der Gläubiger abgewendet. Der sich daraus ergebende Sanierungsgewinn wurde nach § 3
Nr. 66 des Einkommensteuergesetzes in der bis 1997 geltenden Fassung (EStG a. F.) vom Finanzamt als
steuerfrei behandelt. Gemäß § 30 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 2 KStG 1996 wurde der steuerfreie Gewinn
in das EK 02 eingestellt. Zum 31.12.2001 stellte der Beklagte den Bestand des EK 02 mit 13.876.353 € fest;
dieser hat sich seit dem nicht verändert. Das steuerliche Einlagekonto beträgt unverändert 168.891 €.
Mit Bescheid vom 27.02.2009 setzte der Beklagte einen Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nach § 38 Abs. 5
und 6 KStG 2002 n. F. auf 416.290 € fest.
Dagegen legte die Klägerin am 17.03.2009 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom
26.01.2011 als unbegründet zurückwies.
Am 25.02.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass der festgesetzte
Körperschaftsteuererhöhungsbetrag auf dem durch einen Sanierungsgewinn zurückzuführenden Bestand des
EK 02 beruhe. Sie, die Klägerin, tilge noch heute Verbindlichkeiten aus der Sanierungsvereinbarung und erziele
nach wie vor erhebliche Verluste. Mit der Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags werde die
damals gewährte Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 66 EStG a. F. wieder rückgängig gemacht. Nach der Rechtslage
nach Umstellung des Anrechnungsverfahrens auf das Halbeinkünfteverfahren wäre eine
Körperschaftsteuererhöhung gemäß § 38 Abs. 2 KStG in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung des
Unternehmenssteuerrechts vom 20.12.2001 (KStG 2002 a. F.) mit Ablauf des 15. bzw. 18. Wirtschaftsjahres
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vollständig entfallen. Die erneute Änderung mit dem Jahressteuergesetz 2008 führe nun zu einer Besteuerung.
Diese Neuregelung sei verfassungswidrig, denn sie entfalte eine unzulässige Rückwirkung. Der Gesetzgeber
greife in abgewickelte Sachverhalte ein. Zwar habe auch § 38 Abs. 2 Satz 3 KStG 2002 a. F. keine unbedingte
Steuerbefreiung gewährt, jedoch habe es im Ermessen des Steuerpflichtigen gelegen, durch entsprechende
Disposition die durch Zeitablauf eintretende Steuerbefreiung zu erlangen. Sie, die Klägerin, habe und hätte
auch weiterhin bewusst auf Ausschüttungen verzichtet und damit eine Disposition getroffen. Diese Möglichkeit
der Steuerbefreiung durch Zeitablauf werde ihr durch die Änderung des § 38 KStG 2002 a. F. entzogen. Es
mache dabei einen Unterschied, ob ein in der Vergangenheit nicht besteuerter Sachverhalt zukünftig einer
Besteuerung unterworfen werde oder ob eine gesetzliche Regelung existiere, die für einen bereits realisierten
Sachverhalt eine Steuerfreiheit vorsehe und durch eine Gesetzesänderung dieser Sachverhalt zukünftig einer
Besteuerung unterworfen werde. Ein besonderes öffentliches Interesse, welches die Aufhebung der faktischen
Steuerfreiheit rechtfertigen könne, sei der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. Mit der reklamierten
Vereinfachung des Verfahrens lasse sich die Enttäuschung des Vertrauens nicht rechtfertigen. Die niedrige
verwendungsunabhängige Besteuerung stelle nur dann einen Vorteil dar, wenn eine Ausschüttung habe
vorgenommen werden sollen.
In der nachträglichen Gesetzesänderung liege zudem eine Verletzung des Nettoprinzips. Sie sei nicht mit dem
verfassungsrechtlichen Leistungsfähigkeitsprinzip in Einklang zu bringen, denn die Besteuerung des Bestands
des EK 02 berücksichtige nicht die Leistungsfähigkeit des Einzelnen, die in ihrem Fall dadurch geprägt sei,
dass fortlaufend steuerliche Verluste generiert würden. Rechtfertigungsgründe für die Durchbrechung des
Nettoprinzips seien nicht ersichtlich.
Darüber hinaus werde der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Bestimmten Wohnungsunternehmen werde mit § 34
Abs. 16 Nr. 2 KStG 2002 n. F. die Möglichkeit eingeräumt, für die Fortgeltung des bis 2007 geltenden Rechts
zu optieren. Die Beschränkung auf bestimmte Wohnungsunternehmen sei sachlich nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die Festsetzung des Körperschaftserhöhungsbetrags nach § 38
Abs. 5 und 6 KStG 2002 n. F. vom 27.02.2009 und die Einspruchsentscheidung vom 26.01.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt zur Begründung vor, dass die Änderung des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 a. F. mit dem
Jahressteuergesetz 2008 keine unzulässige Rückwirkung entfalte. Eine unzulässige echte Rückwirkung liege
nicht vor, weil mit der Gesetzesänderung keine bereits entstandene Steuerschuld früherer
Veranlagungszeiträume geändert werde. Auch scheide eine unzulässige unechte Rückwirkung aus, denn die
Klägerin habe kein Vertrauen dahingehend entwickeln können, dass der Sanierungsgewinn nicht besteuert
werde. Unter Geltung des Anrechnungsverfahrens habe ein Vertrauen allenfalls dahin begründet werden
können, dass der Sanierungsgewinn im Fall einer Ausschüttung, spätestens im Rahmen der Liquidation
besteuert würde. Die Regelung des § 38 Abs. 2 KStG 2002 a. F. habe keinen neuen Vertrauenstatbestand
entstehen lassen, da der Sanierungssachverhalt bereits abgeschlossen und die Gesetzesänderung keine
Disposition der Klägerin beeinflusst habe. Die nur latente Möglichkeit, dass eine Besteuerung des EK 02 bei
unveränderten Verhältnissen nicht erfolgen werde, habe einen Vertrauensschutz nicht begründen können. In die
Abwägung der Interessen des Einzelnen mit dem Interesse des Gesetzgebers an einer Gesetzesänderung
müsse einbezogen werden, dass die nunmehr vorgesehene Besteuerung mit 3 % des Endbetrags des EK 02
sehr niedrig sei und durch eine 10-jährige Tilgungsregelung weiter abgemildert werde. Der Gesetzgeber habe
angesichts der unionsrechtlichen Veränderungen eine Anpassung des Systems vornehmen müssen. Es liege
kein Verstoß gegen das Nettoprinzip und damit gegen das Prinzip der steuerlichen Leistungsfähigkeit vor,
wenn der Gesetzgeber im Grundsatz davon ausgehe, dass das positive EK 02 als verwendbares Eigenkapitel
für Ausschüttungen zur Verfügung stehe. Besondere Einzelfälle könnten als Härtefälle im Rahmen eines
Erlassverfahrens korrigiert werden. Diese Frage sei aber nicht Gegenstand des Klageverfahrens. Art. 3 Abs. 1
des Grundgesetzes (GG) werde durch § 34 Abs. 16 KStG 2002 n. F. nicht verletzt, denn der Gesetzgeber habe
einen weiten Entscheidungsspielraum auch im Hinblick auf die Frage, welche Bereiche er aus sachlichen
Gesichtspunkten besonders fördern wolle. Die Klägerin habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen sie dieser
privilegierten Gruppe gleichzustellen sei.
Über den Einspruch gegen die Versagung eines Billigkeitserlasses hat der Beklagte noch nicht entschieden.
Die Beteiligten haben ihren Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erklärt.
Dem Gericht haben vorgelegen Band VI der Bilanz- und Bilanzberichtsakten, die Körperschaftsteuerakte, die
Akte betreffend Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals und die Rechtsbehelfsakte zu der Steuernummer
... Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten Bezug genommen.
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14 Entscheidungsgründe
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Insbesondere ist die der Festsetzung zugrunde
liegende Regelung des § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n. F. nicht verfassungswidrig.
I.
Nach § 38 Abs. 5 KStG 2002 n. F. beträgt der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag 3/100 des nach Absatz 4
Satz 1 festgestellten Endbetrags. Er ist begrenzt auf den Betrag, der sich nach den Absätzen 1 bis 3 als
Körperschaftsteuererhöhung ergeben würde, wenn die Körperschaft ihr am 31.12.2006 bestehendes
Eigenkapital laut Steuerbilanz für eine Ausschüttung verwenden würde. Mit dieser Regelung ist § 38 Abs. 1 bis
3 KStG 2002 a. F. geändert worden. Danach führten Leistungen, für die das gemäß § 36 Abs. 7 KStG in der
Fassung des Steuersenkungsgesetzes vom 23.10.2000 festgestellte und fortgeschriebene EK 02 als
verwendet galt, innerhalb des 15-, später 18-jährigen Übergangszeitraums im Fall einer Ausschüttung zu einer
Körperschaftsteuererhöhung um 3/7 des Betrags (§ 38 Abs. 2 KStG 2002 a. F.). Dadurch sollte die für diese
Leistungen nach altem Recht geltende Ausschüttungsbelastung von 30 % erreicht werden. Erfolgten innerhalb
des Moratoriums keine Ausschüttungen, unterblieb eine Besteuerung.
Mit § 38 Abs. 5 KStG 2002 n. F. hat der Gesetzgeber eine Änderung in der Weise herbeigeführt, mit der die
sonst während des Übergangszeitraums ausschüttungsbedingt eingetretene Körperschaftsteuererhöhung in
Fällen, in denen das EK 02 als verwendet galt, in pauschalierter Form abgegolten wird. Der Gesetzgeber
besteuert damit verwendungsunabhängig ein Zehntel des am 31.12.2006 vorhandenen Endbetrags an EK 02
mit der zuletzt im Anrechnungsverfahren geltenden Ausschüttungsbelastung von 30 %. Der verbleibende
restliche Bestand an EK 02 entfällt und löst keine weitere Körperschaftsteuererhöhung aus (vgl. hierzu
Bundesfinanzhof - BFH-Urteil vom 12.10.2011, I R 107/10, BFH/NV 2012, 342; BFHE 235, 398).
Auf dieser gesetzlichen Grundlage hat der Beklagte den Körperschaftserhöhungsbetrag zutreffend auf 416.290
€ festgesetzt. Der Endbetrag nach § 36 Abs. 7 KStG 2002 n. F. aus dem Teilbetrag im Sinne des § 30 Abs. 2
Nr. 2 KStG 1999, dem damaligen EK 02, ist zum 31.12.2006 mit 13.876.353 € festgestellt worden. Durch die
nach § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n. F. durchzuführende Vergleichsrechnung wird sichergestellt, dass der
Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nicht höher festgesetzt werden kann als eine Körperschaftsteuererhöhung,
die sich bei einer vollständigen Ausschüttung des vorhandenen Eigenkapitals zum 31.12.2006 ergeben hätte.
Die Vergleichsrechnung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nach § 38 Abs. 1 bis 3 KStG 2002 n. F. für
eine Ausschüttung verwendbares Kapital in Höhe der fingierten Kapitalverwendung zur Verfügung gehabt hätte.
Dass der Beklagten bei der Vergleichsrechnung in fehlerhafter Weise das Nennkapital und wohl auch zu
Unrecht den Bestand des steuerlichen Einlagekontos (vgl. Bolik/Zöller, DStR 2012, 738) in die Berechnung des
fiktiven für eine Ausschüttung zur Verfügung stehendes Kapital mit einbezogen hat, hat dabei auf das Ergebnis
keinen Einfluss.
II.
Das Gericht ist nicht gehalten, das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 100 Abs. 1 GG eine Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen. Die der Berechnung des
Körperschaftsteuererhöhungsbetrags zugrunde liegende Norm verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Es liegt
darin weder ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (1.) noch gegen den Gleichheitsgrundsatz und dem
darin enthaltenen Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit (2.).
1. § 38 Abs. 5 und 6 KStG 2002 n. F. entfaltet keine verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung.
a) Das BVerfG hat auch in seiner neueren Rechtsprechung trotz der geäußerten Kritik an der Unterscheidung
zwischen der verfassungsrechtlich regelmäßig unzulässigen echten Rückwirkung und der unechten
Rückwirkung festgehalten (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05,
BStBl II 2011, 77; 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, BStBl. II 2011, 87; 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06,
BFH/NV 2010, 1968). Danach entfaltet eine Rechtsnorm echte Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit
belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung bereits für abgeschlossene Tatbestände gelten
soll (Rückbewirkung von Rechtsfolgen). Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer
Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden
(tatbestandliche Rückanknüpfung), liegt eine unechte Rückwirkung vor. Eine solche unechte Rückwirkung ist
nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zu Gunsten des Fortbestehens
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der bisherigen Lage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen.
Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu
bewahren. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine
Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen
verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG, Beschluss vom 07.07.2010 - BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, a.
a. O.). Der Gesetzgeber muss aber, soweit er für künftige Rechtsfolgen an zurückliegende Sachverhalte
anknüpft, dem verfassungsrechtlich gebotenen Vertrauensschutz in hinreichendem Maß Rechnung tragen. Die
Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und das Vertrauen des Einzelnen auf die
Fortgeltung der Rechtslage sind abzuwägen. Eine unechte Rückwirkung ist mit den Grundsätzen
grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes daher nur vereinbar, wenn sie zur Förderung des
Gesetzeszwecks geeignet und erforderlich ist und wenn bei der Gesamtwürdigung zwischen dem Gewicht des
enttäuschten Vertrauens und dem Gewicht und der Dringlichkeit der die Rechtsänderung rechtfertigenden
Gründe die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt bleibt (BVerfG, Beschlüsse vom 07.07.2010 - 2 BvL 14/02, 2 BvL
2/04, 2 BvL 13/05; BvR 753/05, 2 BvR 1738/05; 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, a. a. O, m. w. N.).
Mit der Änderung des § 38 KStG 2002 a. F. durch das Jahressteuergesetz 2008 hat der Gesetzgeber das
System der Körperschaftsteuererhöhung grundlegend geändert. Abgekoppelt von einer Gewinnausschüttung
und dem normalen Veranlagungsverfahren ist der Körperschaftsteuererhöhungsbetrag pauschal auf das zuletzt
zum 31.12.2006 festgestellte EK 02 zu ermitteln und in zehn gleichen Jahresraten zu entrichten. Die
Neuregelung führt damit für alle Körperschaften und Personenvereinigungen, soweit sie nicht zu den
begünstigten Unternehmen im Sinne des § 34 Abs. 16 KStG 2002 n. F. gehören, zu einer Zwangsbesteuerung
des noch vorhandenen EK 02. Die bisher bestehende Möglichkeit, dass bei einem Absehen von einer
Ausschüttung das EK 02 nach Ablauf des 18-jährigen Übergangszeitraums keiner Besteuerung zugeführt wird,
ist damit entfallen.
b) Die Gesetzesänderung führt nicht zu einer echten Rückwirkung, denn sie ändert nicht die Rechtsfolgen für
einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt. Die bisher geltende Rechtslage eröffnete nur die Möglichkeit einer
Steuerbefreiung des EK 02 mit Ablauf des Moratoriums, wenn keine Ausschüttung vorgenommen wurde; dies
stellte aber nicht einen abgeschlossen, nicht mehr änderbaren Tatbestand dar.
c) Die Änderung des § 38 Abs. 4 bis 10 KStG 2002 n. F. entfaltet jedoch eine unechte Rückwirkung. Sie führt
den nach dem Systemwechsel vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren nach § 36 Abs. 7 KStG
festzustellenden positiven Endbetrag des EK 02 einer Besteuerung zu und knüpft damit tatbestandlich an
einen bereits ins Werk gesetzten, aber noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt an, auch wenn die
belastenden Rechtsfolgen der Besteuerung erst nach der Verkündung des Gesetzes eintreten.
Der Gesetzgeber hat durch die Neuregelung das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen des Einzelnen in
den Fortbestand der bisherigen Rechtslage nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt. Die Erwartung der Klägerin,
dass das EK 02 nach Ablauf der Übergangszeit steuerfrei sein würde, genießt als bloße allgemeine Erwartung
in den Fortbestand der alten Rechtslage keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Die Klägerin hatte
keine verfestigte Rechtsposition in Bezug auf eine Steuerfreiheit des EK 02 erlangt. Sie hatte nach ihrem
Vortrag bisher zwar bewusst auf eine Ausschüttung verzichtet und wollte auch zukünftig im Hinblick auf die
wirtschaftliche Lage des Unternehmens keine Gewinnausschüttung vornehmen. Die bloße Möglichkeit einer
Steuerfreiheit des EK 02 begründet jedoch noch keine (vertrauens-) rechtlich geschützte Position. Insoweit ist
der Sachverhalt mit dem vom BVerfG entschiedenen Sachverhalt der Verlängerung der zweijährigen
Spekulationsfrist für Grundstücksgeschäfte vergleichbar (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010 - 2 BvL
14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05; a. a. O.). Denn auch im vorliegenden Fall geht die Position der Klägerin nicht
über die allgemeine Erwartung hinaus, das geltende Recht werde unverändert bleiben und das EK 02 werde
nach Ablauf der Übergangsfrist steuerfrei dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Die konkrete Motivations-
und Entscheidungslage im Einzelfall ist aus der für die Verfassungsmäßigkeit maßgeblichen generalisierenden
Sicht des Gesetzgebers nicht entscheidend (BVerfG-Beschluss vom 07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2
BvL 13/05, a. a. O.). Die Absichten der Klägerin konnten somit nicht zu einer verfestigten Rechtsposition
führen.
Die Rechtsposition der Klägerin ist auch nicht deshalb anders zu beurteilen, weil der Bestand des EK 02 nach
ihrem unbestrittenen Vortrag auf steuerfreien Sanierungsgewinnen gemäß § 3 Nr. 66 EStG a. F. beruht. Nach §
30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1996 wurden in das EK 02 sonstige Vermögensmehrungen eingestellt, die der
Körperschaftsteuer nicht unterlagen und nicht unter Nummer 3 oder 4 des § 30 Abs. 2 KStG 1996 einzuordnen
waren. Im Fall einer Ausschüttung unterlag aber auch dieses Kapital einer Körperschaftsteuerbelastung von 30
% und blieb damit unter Geltung des Anrechnungsverfahrens nicht steuerfrei. Allein der Umstand, dass der
Bestand des EK 02 auf Sanierungsgewinnen beruht, gewährt der Klägerin somit nicht eine verfestigte
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Rechtsposition dahingehend, dass der Endbetrags des EK 02 in jedem Fall steuerfrei bleibt.
Durch die Gesetzesänderung wird nunmehr eine Ausschüttungsfiktion und damit eine zwangsweise
Besteuerung hergestellt. Der Klägerin bleibt deshalb die Möglichkeit verschlossen, die Besteuerung des EK 02
und damit der Sanierungsgewinne dadurch zu vermeiden, dass sie auf eine Ausschüttung verzichtet. Diese
Belastung im Einzelfall und das dadurch verletzte Vertrauen in den Fortbestand der Rechtslage hat jedoch
grundsätzlich hinter den Zielen des Gesetzgebers zurückzutreten, mit der Neuregelung eine vereinfachte und
abschließende Besteuerung des letztmalig festgestellten, nicht körperschaftsteuerbelasteten Eigenkapitals
herbeizuführen. Nach der Gesetzesbegründung sollte mit der Neuregelung der Körperschaftsteuererhöhung das
bisherige sehr aufwändige ausschüttungsabhängige System vereinfacht werden. Damit wurde das System der
Körperschaftsteuererhöhung an das geänderte System der Körperschaftsteuerminderung angepasst, das mit
dem Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur
Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006 (BGBl. I 2006, 2782, BStBl I 2007, 4 -
SEStEG) zu einer Änderung des § 37 Abs. 4 bis 7 KStG 2002 geführt hatte. Begründet wurde dieser
Systemwechsel bei der Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens damit, dass die bisherigen Regelungen
sowohl für die betroffenen Steuerpflichtigen als auch für die Finanzverwaltung zu aufwändig,
grenzüberschreitend nicht administrierbar und für die öffentlichen Haushalte nach mehrfachen Änderungen
schwer kalkulierbar und gestaltungsanfällig seien (vgl. BT-Drucksache 16/2710 S. 33).
Das Interesse des Gesetzgebers, eine systematisch gleichlaufende Regelung hinsichtlich der Behandlung von
Körperschaftsteuerguthaben und Körperschaftsteuererhöhungsbeträgen herzustellen, ist nachvollziehbar und
dient der Vereinfachung und Übersichtlichkeit des Körperschaftsteuerrechts. Nachdem das frühere System der
ausschüttungsabhängigen Körperschaftsteuerminderung bereits durch das SEStEG zugunsten einer
ratierlichen Auszahlung des restlichen zum 31.12.2006 noch vorhandenen Körperschaftsteuerguthabens
aufgegeben worden war, war die Neuregelung der Besteuerung des Körperschaftsteuererhöhungsbeträge nur
konsequent (vgl. Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, KStG § 38 Rn. 60; Dötsch/Pung, DB 2007, 2669).
Außerdem sollte die als Ausschüttungssperre empfundene bisherige Regelung, die durch die
Körperschaftsteuererhöhungen bei Auskehrung aus dem EK 02 gebildet werde, beseitigt werden (vgl.
Bundestags-Drucksache 16/6290 S. 75). Denn für Körperschaften mit sehr hohen EK 02-Beständen stellte die
drohende Körperschaftsteuererhöhung in Fällen der Ausschüttung oder auch der Umwandlung eine Belastung
dar, die geeignet war, den Entscheidungs- und Handlungsspielraum der Unternehmen einzuengen. Die
pauschale Besteuerung führt hingegen zu einer deutlichen Vereinfachung der Besteuerung und einer
Kalkulierbarkeit der Belastung. Durch den verhältnismäßig geringen Umfang der Nachbelastung von nur einem
Zehntel des ausschüttungsabhängigen Körperschaftsteuererhöhungsbetrags wird die Belastung der
Unternehmen stark gemindert. Zudem kann die Entrichtung der Steuer (zinsfrei) auf 10 Jahre verteilt werden.
Der Gesetzgeber hat damit ein für viele Unternehmen vorhandenes Ausschüttungshindernis beseitigt bzw. auf
ein erträgliches Maß reduziert (Ott, DStZ 2008, 274).
d) Eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung des verfassungsrechtlich geschützten Vertrauens des Einzelnen
folgt letztlich auch nicht daraus, dass mit der Gesetzesänderung eine Übergangsregelung geändert wurde. Der
Gesetzgeber schafft grundsätzlich einen besonderen Vertrauenstatbestand, wenn er aus
Vertrauensschutzgründen eine befristete Übergangsregelung erlässt. Enttäuscht er das Vertrauen in den
Fortbestand dieser Vorschrift, indem er sie vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Frist zulasten der
Berechtigten beseitigt, so kann er unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes eine
solche Übergangsregelung nur unter besonderen Anforderungen vorzeitig aufheben, nämlich dann, wenn
schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sind - vorausgesetzt, das Interesse des
Betroffenen in den Fortbestand der Regelung ist schutzwürdig und hat hinreichendes Gewicht (BFH-Beschluss
vom 10.08.2011, I R 39/10, GmbHR 2012, 47, m. w. N.; BVerfG - Beschluss vom 15.03.2000, 1 BvL 16, 17,
18, 19, 20/96 und 18/97, BVerfGE 102, 68, 97 f.). Anders als bei der Beurteilung des Solidaritätszuschlags bei
Festsetzung des Körperschaftsteuerguthabens gemäß § 37 Abs. 5 KStG 2002 n. F. (vgl. BFH-Beschluss vom
10.08.2011, I R 39/10, BFHE 234, 396; BFH/NV 2012, 135) sieht der Senat hinreichend gewichtige Interessen
am Fortbestand des bisherigen Übergangsrechts nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die Klägerin verliert durch
die Neuregelung nicht eine verfestigte Rechtsposition. Auf die Absichten der Klägerin hinsichtlich ihres
zukünftigen Ausschüttungsverhaltens kommt es nicht an. Insoweit verbleibt letztlich als Rechtsposition nur
das Vertrauen in die Fortgeltung einer günstigen Rechtslage, das aber nicht schutzwürdig ist (s. o. unter II.1 c).
Vor diesem Hintergrund überzeugen die in der Literatur geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken in Bezug
auf eine Verletzung des Vertrauensschutzes nicht (vgl. Binneweis in Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70;
Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 38 Rn. 116). Die zwangsweise Herbeiführung der
Ausschüttungsbelastung kann sich zwar nachteilig auswirken, wenn - wie im Fall der Klägerin - eine
Ausschüttung bis zum Ablauf des Moratoriums nicht vorgenommen werden sollte. Aber die bisherige
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Rechtslage vermittelte dem Steuerpflichtigen keine verfestigte Rechtsposition, so dass seine schutzwürdigen
Interessen im Rahmen der Interessenabwägung nur begrenztes Gewicht erlangen können. Demgegenüber
kommt dem Interesse des Gesetzgebers besonderes Gewicht zu, bei einem komplexen Sachverhalt wie der
Umstellung des Besteuerungssystems von Körperschaften die Übergangsvorschriften auf Grund von
veränderten Verhältnissen oder Fehlentwicklungen anzupassen. Dies gilt insbesondere, wenn wie im
vorliegenden Fall eine so langfristige Übergangsregelung vorgesehen war. Die Entscheidung des
Gesetzgebers, nicht allen Körperschaften ein Wahlrecht zur weiteren Anwendung des bisherigen
ausschüttungsabhängigen System einzuräumen (vgl. hierzu auch Binneweis in Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, §
38 Rn. 70; Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 38 Rn. 116; Ott, DStZ 2008, 274), fällt dabei in seinen
weiten Gestaltungsspielraum, der nur an den verfassungsrechtlichen Grenzen zu messen ist und hinsichtlich
der Gewährleistung des Vertrauensschutzes nicht überschritten ist. Der Gesetzgeber hat bei der
Rechtsänderung die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt und die Belastung der Unternehmen durch eine von
einem Zehntel des möglichen Körperschaftsteuererhöhungspotentials stark abgemildert (vgl. Dötsch/Pung, DB
2007, 2669), um auch gerade die Folgen für Unternehmen wie das der Klägerin, die nach ihrem Vortrag eine
Gewinnausschüttung voraussichtlich nicht vorgenommen hätte, wirtschaftlich tragbar zu gestalten. Härten des
Einzelfalles, in denen beispielsweise der Sanierungserfolg durch die nun durchgeführte Besteuerung zunichte
gemacht würde, können ggf. im Einzelfall durch Billigkeitsmaßnahmen aufgefangen werden.
2. Es ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, dass durch § 38 Abs. 5
KStG 2002 n. F. eine endgültige Abgeltung des letztmalig festgestellten positiven Endbetrags des EK 02
herbeigeführt wird.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu
behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Der Gesetzgeber hat im
Bereich des Steuerrechts bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes
einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen
Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz die Rechtsfolge knüpft und die er so als rechtlich gleich
qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der
Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der
Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit
darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern
(horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im
Vergleich mit der Belastung niedriger Einkommen angemessen sein muss (BVerfG-Beschluss vom
07.07.2010, 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, a. a. O.; Urteil vom 09.12.2008, 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08.
BVerfGE 122, 210, 230 ff. m. w. N.). Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten verlangt eine
gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf
eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Ausnahmen von dem jedenfalls für die
Ertragsteuern und damit auch für die Körperschaftsteuer geltenden Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher
Ertragskraft bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (BFH-Beschluss vom 10.08.2011, I R 39/10,
BFH/NV 2012, 135, m. w. N.).
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen wird durch die Regelung des § 38 Abs. 5 KStG 2002 n. F. nicht das
Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verletzt. Zwar wird durch die
Ausschüttungsfiktion der Besteuerungstatbestand gesetzlich herbeigeführt und der Entscheidungsfreiheit des
Steuerpflichtigen entzogen. Jedoch wird durch die nach § 38 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002 n. F. durchzuführende
Vergleichsrechnung eine Besteuerung auf das tatsächlich verfügbare ausschüttungsfähige Eigenkapitel
begrenzt und damit der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen Rechnung
getragen. Eine Abmilderung der Folgen der zwangsweisen Auslösung des Besteuerungstatbestandes erfolgt
durch den sehr niedrigen Steuersatz und der zinsfreien ratierlichen Abgeltung der Steuerschuld. Anhaltspunkte
dafür, dass die steuerliche Belastung unter diesen Umständen nicht getragen werden kann, hat die Klägerin
nicht substantiiert dargelegt.
Eine Durchbrechung des Prinzips der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit liegt auch nicht
darin, dass der festgesetzte Körperschaftsteuererhöhungsbetrag nicht mit den erwirtschafteten laufenden
Verlusten der Klägerin verrechnet oder ausgeglichen werden kann. Die Trennung der Nachbelastung des
Endbestands des EK 02 von der Besteuerung der unter Geltung des Halb- bzw. Teileinkünfteverfahrens
erwirtschafteten Einkünfte ist systemgerecht und stellt keine Verletzung des objektiven Nettoprinzips dar.
Denn die Festsetzung des Körperschaftsteuererhöhungsbetrags dient der Abwicklung der steuerlichen Folgen
von noch vorhandenem EK 02. Die Ausschüttung von Kapitalguthaben führte im Anrechnungsverfahren
unabhängig von den laufenden Einkünften zu einer Besteuerung. Dieses System ist auch nicht bei Herstellung
der gesetzlichen Ausschüttungsfiktion zu durchbrechen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit ist vorhanden, denn
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dies wird durch die Begrenzung auf das tatsächlich verfügbare ausschüttungsfähige Eigenkapitel sichergestellt.
Eine beeinträchtigte finanzielle Leistungsfähigkeit durch laufende Verluste wird durch die Möglichkeiten der
Verlustabzugs im neuen System der Körperschaftsbesteuerung Rechnung getragen.
c) Eine Verletzung des Gleichheitsgebots liegt auch nicht darin, dass steuerbefreiten Körperschaften und
bestimmten Unternehmen aus dem Bereich der Wohnungswirtschaft das Recht eingeräumt wird, für die
Anwendung des bisherigen Rechts zu optieren.
Art. 3 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst
wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierungen oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (st.
Rspr., vgl. u. a. BFH-Beschluss vom 10.08.2011, I R 39/10, BFH/NV 2012, 135, m. w. N.). Nach § 34 Abs. 16
KStG 2002 n. F. ist auf unwiderruflichem Antrag das bisher geltende Recht weiter anzuwenden (1) für
Körperschaften oder deren Rechtsnachfolger, an denen unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 50 %
juristische Personen des öffentlichen Rechts aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder aus Staaten,
auf die das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet oder Körperschaften,
Personenvereinigungen oder Vermögensmassen im Sinne von § 5 abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 n. F. alleine oder
gemeinsam beteiligt sind und (2) für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die ihre Umsatzerlöse
überwiegend durch Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden Grundbesitzes, durch
Betreuung von Wohnungsbauten oder durch Errichtung und Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen
oder Eigentumswohnungen erzielen, sowie (3) für steuerbefreite Körperschaften. Die Körperschaften oder
Rechtsnachfolger müssen die Voraussetzungen bis zum Ende des Moratoriums erfüllen.
Die Privilegierung dieser Rechtsträger beinhaltet keine sachwidrige Ungleichbehandlung, denn der Gesetzgeber
knüpft hier an Besonderheiten bestimmter Unternehmen an. Der Gesetzgeber hat drei Gruppen von
Unternehmen privilegiert, die entweder einem öffentlichen oder gesetzlich festgelegten besonderem Zweck
dienen (vgl. auch Gesetzesbegründung in BT-Drs 16/6290 S. 74). Bei der ersten Gruppe wird auf die
Beteiligung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder gemeinnützigen Einrichtungen im Sinne
von § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 2002 n. F. abgestellt. Diese Gruppe von Unternehmen kann jedoch nur dann
wirksam zur weiteren Anwendung des alten Rechts optieren, wenn überwiegend Umsatzerlöse aus der
begünstigten Tätigkeit, nämlich der Verwaltung und Nutzung eigenen zu Wohnzwecken dienenden
Grundbesitzes, erzielt werden. Die zweite Gruppe erfasst unabhängig von den Beteiligungsverhältnissen
Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften (u. a. gemäß § 5 Nr. 10 KStG 2002 n. F.), die Umsatzerlöse aus
der begünstigten Tätigkeit erzielen. Zur dritten Gruppe zählen die von der Steuer befreiten Unternehmen, auch
dann, wenn sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten (vgl. BT-Drs. 16/7036 S. 21). Diese
Gruppen von Unternehmen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie als steuerbefreite (wie z. B. gemeinnützige)
Körperschaften an einer Ausschüttung gehindert sind (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 der Abgabenordnung - AO) oder
eine Besteuerung einer Ausschüttung systemfremd wäre, weil das EK 02 bei Wohnungsbauunternehmen, die
die Voraussetzungen erfüllen, in der Regel auf eine ehemals gemeinnützige Tätigkeit zurückgeht
(Fuhrmann/Strahl, DStR 2008, 127; Ott, DStZ 2008, 274). Die Entscheidung des Gesetzgebers, diesen
Gruppen, bei denen der besondere Zweck auch Auswirkungen auf die Möglichkeit zur Ausschüttung und das
Ausschüttungsverhalten hat, grundsätzlich durch Eröffnung eines Wahlrecht die Möglichkeit zu geben, sich der
gesetzlichen Herbeiführung der Ausschüttungsbelastung zu entziehen, knüpft an besondere Strukturelemente
dieser Unternehmen an. Eine sachwidrige Ungleichbehandlung der Klägerin, die keine der Voraussetzungen
des § 34 Abs. 16 KStG 2002 n. F. erfüllt, liegt darin nicht. Es obliegt der gesetzgeberischen
Gestaltungsfreiheit, ob und aus welchen sachlichen Gründen er bestimmte Unternehmen fördern will. Grenzen
sind ihm nur im Hinblick auf eine sachwidrige Ungleichbehandlung gesetzt. Soweit einzelne Stimmen in der
Literatur eine Ungleichbehandlung darin sehen, dass nicht allen betroffenen Unternehmen ein Wahlrecht in
Bezug auf eine weitere Anwendung der bisherigen ausschüttungsabhängigen Besteuerung eingeräumt wird
(Binneweis in Streck, KStG, 7. Aufl. 2008, § 38 Rn. 70; Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl. 2009, § 38 Rn.
116), überzeugt dies nicht. Denn es wird dabei außer Betracht gelassen, dass nur steuerbefreite
Körperschaften oder - unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen - Wohnungsunternehmen ein
Wahlrecht eingeräumt und der Gesetzgeber damit aus sachlichen Erwägungen eine bestimmte Gruppe von der
zwangsweisen Körperschaftsteuererhöhung ausnimmt. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit kommt
es nicht darauf an, ob es wünschenswert gewesen wäre, allen Körperschaften die Optionsmöglichkeit
einzuräumen. Diese Entscheidung obliegt dem Gesetzgeber, der durch die Regelung des § 34 Abs. 16 KStG
2002 n. F. seine weiten Gestaltungspielraum nicht überschritten hat.
III.
Die Klägerin hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision ist nach § 115
Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.