Urteil des FG Düsseldorf vom 29.10.2002

FG Düsseldorf (Eintritt des Versicherungsfalls, Deckungskapital, Versicherungsgesellschaft, Anschaffungskosten, Auflage, Form, Stadt, Umlaufvermögen, Versicherungsvertrag, Imparitätsprinzip)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 6 K 3780/99 K
29.10.2002
Finanzgericht Düsseldorf
6. Senat
Urteil
6 K 3780/99 K
Der Körperschaftsteuerbescheid 1996 vom 21.10.1998 und die
Einspruchsentscheidung vom 19.05.1999 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
Streitig ist, mit welchem Betrag die Klägerin die Ansprüche aus einer
Pensionsrückdeckungsversicherung zum 31.12.1996 zu aktivieren hat.
Die Klägerin ist eine GmbH, die im Bereich Softwareberatung tätig ist.
Im Rahmen einer im Jahre 1998 u.a. für das Jahr 1996 durchgeführten Betriebsprüfung
stellte der Prüfer fest, dass die Klägerin gegenüber diversen Arbeitnehmern
Pensionsverpflichtungen eingegangen war. Entsprechend wurden in der Bilanz zum
31.12.1996 - nicht beanstandete - Pensionsrückstellungen i.H.v. 576.242 DM angesetzt.
Zur Abdeckung der sich aus den Versorgungszusagen ergebenden Belastungen schloss
die Klägerin eine kongruente Rückdeckungsversicherung in Form einer
Gruppenversicherung mit der "
A-Lebensversicherung
entsprechend der den Arbeitnehmern erteilten Pensionszusagen im Wesentlichen in Form
einer Rentenversicherung ausgestaltet und sieht im Fall der vorzeitigen Kündigung eine
Rückkaufsmöglichkeit grundsätzlich nicht vor; durch Kündigung wandelt sich die
Versicherung lediglich in eine beitragsfreie um. Nur für den Fall, dass die sich bei der
Umwandlung ergebenden versicherten Leistungen nicht den geschäftsplanmäßig
festgesetzten Mindestbetrag ergeben, erlischt die Versicherung und die Gesellschaft
erstattet das verbleibende Deckungskapital. Wegen der Einzelheiten wird auf den
Versicherungsvertrag vom 14.11.1994 bzw. 24.08.1994 verwiesen.
In ihrer Bilanz zum 31.10.1996 aktivierte die Klägerin die Ansprüche aus der
Rückdeckungsversicherung als sonstige Vermögensgegenstände im Umlaufvermögen. Auf
Grund der kongruenten Deckung der Verpflichtungen der Klägerin aus den
Pensionszusagen durch die Ansprüche aus der Pensionsrückdeckungsversicherung wurde
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der Ansatz des Aktivwerts der Rückdeckungsversicherung auf den Betrag der
ausgewiesenen Pensionsrückstellung und damit auf 576.242 DM begrenzt. Die
Betriebsprüfung vertrat hierzu die Auffassung, dass der Ansatz für die
Rückdeckungsversicherung nicht auf die Höhe der Pensionsrückstellung zu begrenzen sei,
sondern sich nach dem geschäftsplanmäßigen Deckungskapital (zum 31.12.1996: 825.845
DM) richten müsse. Da das geschäftsplanmäßige Deckungskapital im Ergebnis nichts
anderes darstelle, als die verzinsliche Ansammlung der in der Vergangenheit gezahlten
Sparprämien, sei es identisch mit den Anschaffungskosten im Sinne von § 6 Abs. 1
Einkommensteuergesetz -EStG-. Die Höhe des zu aktivierenden Versicherungsanspruchs
könne nicht mindernd beeinflusst werden durch das Bestehen einer Pensionsverpflichtung,
da es sich um getrennte Vereinbarungen handele, die auch auf Grund wirtschaftlicher
Betrachtungsweise nicht miteinander gekoppelt werden könnten. Entsprechend müsse der
Aktivposten Rückdeckungsversicherung um 249.606 DM erhöht werden. Unter
Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen gegenüber Versicherungen i.H.v. 57.719 DM
folge hieraus eine Gewinnerhöhung von 191.887 DM (vgl. Tz. 11 des
Betriebsprüfungsberichts vom 27.05.1998 sowie die Feststellungen des Finanzamts für
Konzernbetriebsprüfung
A-Stadt
Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und änderte entsprechend die
Steuerfestsetzungen für das Jahr 1996. Da der gegen den Körperschaftsteuerbescheid
eingelegte Einspruch ohne Erfolg geblieben ist (vgl. Einspruchsentscheidung vom
19.05.1999), hat die Klägerin Klage eingereicht.
Die Klägerin trägt vor, dass der Beklagte den relevanten Sachverhalt nicht richtig gewürdigt
habe, da er davon ausgehe, dass die Klägerin eine Rückdeckungsversicherung mit
Kapitalansammlung und damit eine Kapitalversicherung abgeschlossen habe. Im Streitfall
werde jedoch eine hierfür notwendige Sparprämie nicht gezahlt. Die
Rückdeckungsversicherung erbringe ausschließlich Leistungen in Form einer Rente, die
nur dann gezahlt werde, wenn der Arbeitnehmer das Rentenalter erreicht oder bei
vorzeitigem Tod, sofern Hinterbliebene vorhanden seien. Der Vertrag ende, ohne dass von
der Versicherungsgesellschaft eine Leistung erbracht werde, wenn bei vorzeitigem Tod des
Arbeitnehmers keine Hinterbliebenen vorhanden seien. Es handele sich damit um eine
Risikoversicherung. Der Beklagte setze Kapital- und Risikoversicherung quasi gleich, was
aber nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 28.02.1996 - II R 92/93,
Bundessteuerblatt - BStBl - II 1996, 348, nicht zulässig sei. Dem Versicherungsnehmer
stehe ohne den - ungewissen - Eintritt des Versicherungsfalls kein verwertbarer
Vermögenswert aus der Versicherung zu. Das Deckungskapital repräsentiere somit keinen
Wert, der dem Versicherungsnehmer notwendigerweise - d.h. ohne Eintritt des
Versicherungsfalls - zu Gute komme.
Eine Bewertung des Anspruchs aus der Rückdeckungsversicherung über den Ansatz der
Pensionsrückstellung hinaus würde handelsbilanziell außerdem einen Verstoß gegen die
Grundsätze der Bilanzwahrheit und Bilanzklarheit darstellen. Der Wert der
Rückdeckungsversicherung liege darin, die Klägerin von der Verpflichtung aus der
Pensionsrückstellung zu entlasten. Bei einem Ansatz mit einem höheren Wert als dem der
Pensionsrückstellung würden daher die Vermögensverhältnisse der Gesellschaft
verfälscht.
Darüber hinaus sei die Auffassung des Beklagten, die Anschaffungskosten der
Rückdeckungsversicherung seien identisch mit dem Deckungskapital, falsch. Das
Deckungskapital sei in erster Linie Berechnungsmaßstab für eine mögliche Verbindlichkeit
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der Versicherungsgesellschaft und werde dementsprechend in der Bilanz der Versicherung
als Passivposten eingestellt. Als vorsichtig ermittelter Passivwert sei dieser aber eher zu
hoch bewertet und könne nicht als Grundlage für die Aktivierung eines
Versicherungsanspruchs beim Versicherungsnehmer dienen.
Die Beteiligten stellen übereinstimmend den Antrag, das Verfahren ruhen zu lassen. Im
Übrigen stellen sie folgende Anträge:
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Einspruchsentscheidung vom 19.05.1999 und des
Körperschaftsteuerbescheides 1996 vom 21.10.1998 die Körperschaftsteuer 1996 nach
einem zu versteuernden Einkommen von DM 1.222.795,00 festzusetzen,
hilfsweise die Revision zuzulasssen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Hinsichtlich des Vortrags des Beklagten wird auf die Einspruchsentscheidung vom
19.05.1999 und auf die Stellungnahme des Finanzamts für Konzernbetriebsprüfung
A-
Stadt
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin ist zurecht davon ausgegangen, dass der Ansatz für die Ansprüche aus der
Pensionsrückdeckungsversicherung zum 31.12.1996 auf den Wert der
Pensionsrückstellungen zu begrenzen ist, denn die Pensionsverpflichtungen und die
Ansprüche der Klägerin aus der Rückdeckungsversicherung sind wirtschaftlich derart
miteinander verbunden, dass nach dem Grundsatz der Bewertungseinheit eine Bewertung
des Anspruchs aus der Rückdeckungsversicherung über diesen Wert hinaus mit dem
Deckungskapital nicht in Betracht kommt.
Für die Frage, wie die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung zu bewerten und
dabei die bestehenden Pensionsverpflichtungen zu berücksichtigen sind, ist zunächst das
in § 252 Abs. 1 Nr. 3 Handelsgesetzbuch -HGB- geregelte Prinzip der Einzelbewertung zu
beachten, wonach Vermögensgegenstände und Schulden am Bilanzstichtag einzeln zu
bewerten sind. In gliederungstechnischer Hinsicht findet das Gebot der Einzelbewertung
seine Entsprechung im Verrechnungsverbot gem. § 246 Abs. 2 HGB, das eine
Zusammenfassung von aktivischen und passivischen Bilanzposten sowie von
Aufwendungen und Erträgen verbietet. Der Grundsatz der Einzelbewertung gilt auch für die
Steuerbilanz, was sich aus § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG ergibt, wonach die
Bewertungsvorschriften auf die "einzelnen" Wirtschaftsgüter anzuwenden sind.
Darüber hinaus werden Wirtschaftsgüter, die wie der Anspruch gegenüber der
Versicherungsgesellschaft dem Umlaufvermögen zuzurechnen sind, gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2
EStG grundsätzlich mit den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten angesetzt. Auf
Grund der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nach § 5 Abs. 1 EStG ist
bei einem dem Umlaufvermögen zuzurechnenden Wirtschaftsgut zwingend eine
Teilwertabschreibung vorzunehmen, wenn der Teilwert niedriger ist als die Anschaffungs -
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oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts (§ 253 Abs. 3 HGB).
Dem Beklagten ist zunächst insoweit zuzustimmen, dass die Pensionsverpflichtungen
einerseits und die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung andererseits in ihrem
Bestand rechtlich voneinander unabhängig sind und nach dem Grundsatz der
Einzelbewertung - trotz der kongruenten Rückdeckung - getrennt in der Bilanz
auszuweisen sind. Denn die seitens der Klägerin an verschiedene Arbeitnehmer erteilten
Pensionszusagen sind nicht rechtlich mit den Versicherungsleistungen gekoppelt, die der
Rückversicherer an die Klägerin als Bezugsberechtigten zu erbringen hat. Der Anspruch
auf Auszahlung der Versicherungssumme aus der Rückdeckungsversicherung steht
zivilrechtlich alleine der Klägerin zu und nicht etwa einzelnen Arbeitnehmern. Auch im
Innenverhältnis zwischen der Klägerin und den Arbeitnehmern besteht keine Vereinbarung,
aus der sich etwas anderes ergibt. Anspruch und Verbindlichkeit bilden vor diesem
Hintergrund getrennte Vermögensgegenstände, was sowohl bei der Aufstellung der
Handels- als auch der Steuerbilanz zu berücksichtigen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Ansprüche aus
Rückdeckungsversicherungen regelmäßig mit dem geschäftsplanmäßigen
Deckungskapital zu aktivieren (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 28.11.1961 - I 191/59 S, BStBl III
1962, 101; Urteil vom 28.06.2001 - IV R 41/00, Der Betrieb -DB- 2001, 2426). Dies gilt nach
dem Urteil des BFH vom 01.02.1966 (I 90/63, BStBl III 1966, 251) auch bei kongruenten
Rückdeckungsversicherungen. Begründet wird dies damit, dass
Rückdeckungsversicherungsvertrag und Versorgungszusage bürgerlich-rechtlich
voneinander unabhängige Schuldverhältnisse darstellten, die auch wirtschaftlich gesehen
nicht miteinander gekoppelt werden dürften. Ein gleicher Wertansatz für Anspruch und
Verpflichtung verbiete das handelsrechtliche Saldierungsverbot. Der höhere Ansatz für die
Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung gegenüber dem Ansatz der
Pensionsrückstellung führe darüber hinaus nicht zu einem unzumutbaren Ausweis nicht
verwirklichter oder nicht zu verwirklichender Gewinne. Denn die Folgen der getrennten
Bilanzierung seien jedenfalls viel geringer als die Folgen des dem Kaufmann
eingeräumten Wahlrechts, das von einer Passivierung von Versorgungsverpflichtungen
schlechthin abzusehen erlaube, woraus sich die Versteuerung hoher nicht verwirklichter
Gewinne ergebe. Diese Folge der getrennten Bilanzierung könne auch nicht dadurch
ausgeschlossen werden, dass für die Bewertung der Ansprüche und Verpflichtungen aus
den beiden Schuldverhältnissen andere Bewertungsgrundsätze angewendet werden, als §
6 a EStG aufstellt. Denn damit würde die Selbstständigkeit der beiden Schuldverhältnisse
praktisch verneint werden. Eine tatsächliche wirtschaftliche Verflechtung der
Versorgungsverpflichtungen und der zu ihrer Deckung abgeschlossenen
Versicherungsverträge wäre nur dann gegeben, wenn die Versicherungsverträge als
Verträge zu Gunsten Dritter (Direktversicherung) abgeschlossen würden.
Nach anderer Ansicht ist im Falle einer kongruenten Rückdeckung der Aktivwert für den
Versicherungsanspruch nicht höher auszuweisen als der Passivwert für die
Pensionsverpflichtung (vgl. z. B. Wichmann, Betriebs-Berater 1989, 1228; ders., DB 1984,
837; ders. DB, 1992, 2205; Glade, DB 1963, 215 jeweils m.w.N.). Einschränkend soll dies
nach dem Grundsatz der Bewertungseinheit laut Ellrott/Rhiel (in: Beck´scher Bilanz-
Kommentar, 4. Auflage, § 249 HGB Rz. 248) zumindest dann gelten, wenn sich der
Arbeitgeber bei einer kongruenten nicht mehr rückkauffähigen Rückdeckungsversicherung
verpflichtet, dem Arbeitnehmer sämtliche Leistungen der Rückdeckungsversicherung durch
entsprechende Erhöhung der Pensionszusage zugute kommen zu lassen. Ähnlich sehen
dies auch Ahrend/Förster/Rößler (in: Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung, 4.
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Auflage, 2. Teil Tz. 374). Bei einer kongruenten, nicht rückkauffähigen
Rückdeckungsversicherung bestehe ein Wertzusammenhang mit der zugrundeliegenden
Pensionsverpflichtung. Da für die Pensionsverpflichtung ein selbstständiger
Bewertungsansatz in § 6a EStG mit dem Teilwert vorgegeben sei, sei es konsequent,
diesen Wert auch der Rückdeckungsversicherung beizumessen.
Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass bei einer kongruenten Rückdeckung, bei
der wie im Streitfall ein Rückkauf nicht mehr möglich ist, der Ansatz für den Anspruch
gegenüber der Versicherung auf den Wert der Pensionsrückstellung zu begrenzen ist.
Ausschlaggebend hierfür ist der Gedanke der Bewertungseinheit, wonach insbesondere
die Deckungsgleichheit der Leistungen, die die Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern
zu erbringen hat und der Leistungen, die sie von der Versicherungsgesellschaft erhält,
sowie die fehlende Rückkaufmöglichkeit der Rückdeckungsversicherung als wertbildende
Faktoren mit in die Bewertung der Versicherungsansprüche einfließen.
Zwar sind Pensionsverpflichtung und Versicherungsanspruch getrennte Wirtschaftsgüter,
die grundsätzlich jeweils als von einander unabhängige Bewertungseinheiten zu sehen
sind. Dies schließt aber nicht aus, dass neben den einzelnen Vermögensgegenständen
und Schulden als so genannte elementare Bewertungseinheiten bewertungsfunktionale
(komplexe) Einheiten gebildet werden, bei denen bei funktionaler Betrachtung Vorgänge
und Umstände außerhalb des Bewertungsobjektes als mit diesem verknüpfte
Verbundwirkungen mit in die Bewertung einfließen (vgl. hierzu Kupsch, Steuerberater-
Jahrbuch 1994/95, 131, 134, m. w. N.).
Eine derartige Bewertungseinheit steht nicht im Widerspruch zum Grundsatz der
Einzelbewertung (Kupsch, a. a. O., 131 ff; Glanegger in: Schmidt, Kommentar zum EStG,
21. Auflage, § 6 Rz. 38). Zu beachten ist nämlich, dass der Grundsatz der Einzelbewertung
keinen Selbstzweck darstellt. Vielmehr steht er mit dem Realisations- und dem
Imparitätsprinzip als Ausprägungen des allgemeinen Vorsichtsprinzips in engem
Zusammenhang. Nach dem so genannten Realisationsprinzip dürfen nur realisierte
Gewinne ausgewiesen werden, d. h. bloße Wertsteigerungen ruhender
Vermögensgegenstände werden nicht erfasst (§ 252 Abs. 1 Nr.4, letzter Halbsatz HGB);
nach dem Imparitätsprinzip sind vorhersehbare Risiken und Verluste auch dann zu
berücksichtigen, wenn sie noch nicht realisiert, aber vorhersehbar sind (§ 252 Abs. 1 Nr. 4
HGB). Der Grundsatz der Einzelbewertung bzw. das Saldierungsverbot zielen vor diesem
Hintergrund unter anderem darauf ab, dass sowohl die Verrechnung fiktiver
Vermögensmehrungen als auch die Nichterfassung drohender Verluste vermieden wird,
was ansonsten zu einer Aushebelung von Imparitäts- und Realisationsprinzip führen würde
(vgl. hierzu Glanegger in: Festschrift für Ludwig Schmidt, 145; Kupsch, a. a. O., 131;
Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. Auflage, § 252
HGB, Rz. 48 ff).
Prüfungsmaßstab für die Frage, ob eine zulässige Bewertungseinheit gebildet wurde oder
ein Verstoß gegen den Grundsatz der Einzelbewertung bzw. das Saldierungsverbot
vorliegt, ist danach unter anderem die Einhaltung von Imparitäts - und Realisationsprinzip.
Darüber hinaus ist Voraussetzung für die Einbeziehung von Verbundwirkungen in die
Bewertung das Bestehen einer wechselseitigen kausalen Beziehung zwischen den
externen Bewertungselementen und den objektspezifischen Bewertungsfaktoren (Kupsch,
a. a. O., 131, 134 ff).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist nach Ansicht des Senats die Annahme einer
Bewertungseinheit geboten. Im Streitfall besteht zwischen den Pensionsverpflichtungen
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und den Versicherungsansprüchen ein enger Kausalzusammenhang. Die Tatsache, dass
die Versicherungsansprüche nicht den Arbeitnehmern unmittelbar zustehen, steht dem
nicht entgegen. Ausschlaggebend ist, dass die Klägerin das Versicherungsverhältnis mit
der "
A-Lebensversicherung
eingegangen ist und die Verpflichtungen aus den Pensionszusagen und die Ansprüche
aus der entsprechend den Pensionsverpflichtungen in Form einer Rentenversicherung
abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung nicht nur nach der Auffassung der Klägerin,
sondern auch nach der des des Beklagten (vgl. Stellungnahme des Finanzamts für
Konzernbetriebsprüfung
A-Stadt
nennenswerter Vermögensvorteil aus der Rückdeckungsversicherung, dem nicht
korrespondierend eine Verpflichtung aus den Pensionszusagen gegenübersteht, existiert
nicht. Anders wäre die Situation, wenn die Klägerin als Versicherungsnehmerin z. B. bei
vorzeitiger Kündigung die Möglichkeit zum Rückkauf hätte, was hier aber nicht der Fall ist.
Dann könnte die Klägerin nämlich über einen Vermögenswert verfügen, der keine
Entsprechung in den Pensionsleistungen hätte und die Deckungsgleichheit von Anspruch
und Verpflichtung wäre aufgehoben.
Bei der im Streitfall gegebenen Konstellation stellt dagegen die Annahme einer
Bewertungseinheit und daraus folgernd die Begrenzung des Ansatzes für die Ansprüche
aus der Rückdeckungsversicherung keinen Verstoß gegen das Realisations - bzw.
Imparitätsprinzip dar; vielmehr gebieten diese beiden Prinzipien sogar die Annahme einer
Bewertungseinheit. Denn durch einen Ansatz für die Versicherungsansprüche mit dem
Deckungskapital über den Ansatz für die Pensionsrückstellungen hinaus würde letztlich ein
Gewinn ausgewiesen, der sich auf Grund der Deckungsgleichheit von Anspruch und
Verpflichtung niemals realisieren ließe. Grundsätzlich leistet die Versicherungsgesellschaft
an die Klägerin nämlich nur dann, wenn diese wegen der Pensionszusagen entsprechende
Leistungen an ihre Arbeitnehmer zu erbringen hat. Weitergehende Ansprüche stehen der
Klägerin aus dem Rückdeckungsversicherungsvertrag nicht zu. Fraglich ist darüber hinaus,
ob ein Ansatz der Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung mit dem
Deckungskapital noch den Anforderungen von § 264 Abs. 2 HGB genügt, wonach der
Jahresabschluss einer Kapitalgesellschaft ein den tatsächlichen Verhältnissen
entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu
vermitteln hat. In diesem Zusammenhang ist ein Ansatz über den Wert der
Pensionsrückstellungen hinaus auch unter Aspekt des Gläubigerschutzes bedenklich (vgl.
hierzu auch Glade, DB 1963, 215). Da die Klägerin gegenüber dem Rückversicherer nie
Ansprüche geltend machen kann, die über die Verpflichtungen aus den Pensionszusagen
hinausgehen, führte der von dem Beklagten vorgenommene Wertansatz nämlich dazu,
dass die Lage des Unternehmens günstiger dargestellt wird, als sie eigentlich ist.
Auch der Hinweis des BFH (vgl. Urteil vom 01.02.1966, a. a. O.) auf die Möglichkeit, von
einer Passivierung von Versorgungsverpflichtungen schlechthin abzusehen, woraus sich
auch die Versteuerung hoher nicht verwirklichter Gewinne ergebe, führt nicht zu einer
anderen Beurteilung. Dieses Argument ist bereits durch das Bilanzrichtliniengesetz vom
19.12.1985 (Bundesgesetzblatt I, 2355) überholt. Handelsrechtlich besteht zwar für bis
Ende 1986 begründete Pensionsverpflichtungen und ihre danach (ab 1987) eintretenden
Erhöhungen (Altzusagen) ein Passivierungswahlrecht (Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 EGHGB),
für ab 1987 begründete Pensionsverpflichtungen (Neuzusagen) besteht demgegenüber
eine Passivierungspflicht (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB, Artikel 23 Abs. 1 EGHGB). Für die
Steuerbilanz ergibt sich eine Passivierungspflicht von Neuzusagen aus dem
Maßgeblichkeitsgrundsatz.
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Auch unter Teilwertgesichtspunkten sind die Pensionsverpflichtungen und die
Rückdeckungsansprüche gleich hoch anzusetzen.
Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen
Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen
würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.
Ein Erwerber käme zu dem Schluss, dass für ihn die Pensionsverpflichtung in ihrer Last so
hoch ist, wie sein Anspruch aus der Versicherung und umgekehrt. Er würde nicht auf die
auf Grund unterschiedlicher Bewertungsmethoden von einander abweichenden Zeitwerte
von Versicherungsansprüchen und Pensionsverpflichtungen abstellen. Vielmehr wüsste er,
dass in dem Moment, in dem der Pensionsfall eintritt, eine volle Rückdeckung besteht, bis
dahin aber weder ein Gewinn oder Verlust entsteht. Auch vor diesem Hintergrund lässt sich
ein höherer Wertansatz der Rückdeckungsansprüche nicht rechtfertigen.
Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten folgt und das Deckungskapital als die
Anschaffungskosten für die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag ansieht, müssten bei
der Teilwertbestimmung die Deckungsgleichheit von Ansprüchen und Verpflichtungen als
wertbildende Faktoren mit einfließen und der Teilwert der Versicherungsansprüche dürfte
nicht über den Ansatz für die Pensionsrückstellungen hinausgehen.
Da nach den bisherigen Ausführungen ein Wertansatz der Ansprüche aus der
Rückdeckungsversicherung über den Wert der Pensionsrückstellungen hinaus nicht in
Betracht kommt und für die Pensionsverpflichtungen ein selbstständiger
Bewertungsgrundsatz in § 6a EStG mit dem Teilwert vorgegeben ist, ist es entsprechend
der von Ahrend/Förster/Rößler (a. a. O.) geäußerten Ansicht konsequent, den Wertansatz
für die Ansprüche aus der Rückdeckungsversicherung auch auf diesen Wert zu begrenzen.
Hiergegen kann auch nicht vorgebracht werden, dass gerade die Wertbegrenzung in § 6a
EStG und der Umstand, dass der Gesetzgeber eine Ausnahme für rückgedeckte
Pensionsverpflichtungen nicht zugelassen habe, die Annahme rechtfertige, dass der
Gesetzgeber an dem Gebot der getrennten Bilanzierung mit der Folge unterschiedlicher
Bilanzansätze festhalten wollte (so aber FG München vom 10.07.2001 - 7 K 5498/99). Der
Umstand, dass sich der Gesetzgeber in § 6a EStG für eine vorsichtige Bewertung der
Rückstellung entschieden hat, lässt nach Ansicht des Senats keine Rückschlüsse auf eine
Absicht des Gesetzgebers hinsichtlich der Bewertung des Aktiv-werts
"Versicherungsanspruch" erkennen.
Schließlich wird durch eine Bewertung des Versicherungsanspruchs auf Grundlage des §
6a EStG auch nicht die Selbstständigkeit der beiden Schuldverhältnisse verneint. Eine
einheitliche Bewertung von Pensionsverpflichtung und Versicherungsanspruch nach den
Grundsätzen der Bewertungseinheit und daraus folgend die Anwendung einheitlicher
Bewertungsstandards steht nach den obigen Ausführungen dem Grundsatz der
Einzelbewertung nicht entgegen.
Ein Ruhen des Verfahrens gem. § 251 Zivilprozessordnung ist nach Ansicht des Senats
nicht zweckmäßig und wird daher nicht angeordnet.
Die Revision wird zugelassen; die Rechtssache hat in der Frage, ob bei einer kongruenten
und nicht rückkauffähigen Rückdeckungsversicherung der Ansatz für den
Versicherungsanspruch auf den Wert der Pensionsrückstellung zu begrenzen ist,
grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -.
Darüber hinaus ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung
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des Bundesfinanzhofs erforderlich, vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.
Die Kosten des Verfahrens trägt gem. § 135 Abs. 1 FGO der Beklagte.