Urteil des FG Düsseldorf vom 10.03.2003

FG Düsseldorf (Berechnung der Steuer, Kapitalvermögen, Beschränkung, Bestätigung, Steuerveranlagung, Körperschaft, Versuch, Rückwirkungsverbot, Spezialität, Unterliegen)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 13 K 5410/02 E
10.03.2003
Finanzgericht Düsseldorf
13. Senat
Urteil
13 K 5410/02 E
Der Einkommensteuerbescheid für 2001 vom 21.5.2002 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 29.8.2002 wird dahingehend geändert,
dass die Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen um
2.632 DM erhöht werden.
Die Berechnung der Steuer wird dem Beklagten übertragen (§ 100 Abs. 2
Satz 2 FGO).
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 40 % und der Beklagte zu
60 %.
Die Revision wird zugelassen.
G r ü n d e:
I.
Der Kläger wurde zuletzt durch Bescheid vom 21.5.2002 zur Einkommensteuer für das
Streitjahr 2001 veranlagt. Streitig ist, ob hinsichtlich der bei den Einkünften aus
Kapitalvermögen zu berücksichtigenden Schuldzinsen das Halbeinkünfteverfahren
Anwendung findet.
Die -der Höhe nach unstreitigen- Schuldzinsen von 9.266 DM betreffen ein im August 1999
aufgenommenes Darlehen über 105.000 DM, das der Finanzierung der Beteiligung des
Klägers an der "A-GmbH" diente. Die Zinsen betreffen laut Zinsabrechnung zum
31.12.2001 in Höhe eines Teilbetrages von 5.265 DM das Jahr 2000 und i.H.v. 4.000 DM
das Jahr 2001. Die GmbH, deren Wirtschaftsjahr mit dem Kalenderjahr übereinstimmt, hat
im Streitjahr keine offenen Gewinnausschüttungen vorgenommen.
Der Beklagte ließ unter Hinweis auf das Halbeinkünfteverfahren nach einer Teilabhilfe im
Einspruchsverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid vom 24.4.2002 nur 50 % der
Zinsen für 2001 zum Werbungskostenabzug zu. Der weitergehende Einspruch blieb ohne
Erfolg. Daraufhin hat der Kläger am 1.10.2002 Klage erhoben.
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Der Kläger ist der Auffassung,
die Zinsen seien in voller Höhe zu berücksichtigen. Die vom Beklagten seiner
Entscheidung zugrundegelegten §§ 3 Nr. 40 und 3 c Abs. 2 Einkommensteuergesetz -
EStG- seien, wie sich aus § 52 Abs. 4a Nr. 2 EStG ergebe, erstmals nach Ablauf des ersten
Wirtschaftsjahres anzuwenden, für das das Körperschaftssteuergesetz -KStG- in seiner
geänderten Fassung bezüglich der Gesellschaft, an der die Anteile bestehen, anzuwenden
ist. Das Körperschaftssteuergesetz treffe hierzu in § 34 Abs. 1 KStG n.F. die Aussage, dass
das Halbeinkünfteverfahren erstmals für den Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden sei.
Danach seien jedoch die §§ 3 Nr. 40 a, b, c, i,; 3 c Abs. 2 EStG vorliegend erstmals für 2002
relevant, da im Jahre 2001 noch das Anrechnungsverfahren gegolten habe und die geltend
gemachten Zinsaufwendungen in einem Zusammenhang mit dem Anrechnungsverfahren
unterliegenden Einkünften gestanden hätten.
Der Kläger beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2001 vom 21.5.2002 und die Einspruchsentscheidung vom
30.8.2002 wegen der nicht berücksichtigten Schuldzinsen als Werbungskosten zu den
Einkünften aus Kapitalvermögen dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer für
2001 entsprechend herabgesetzt wird,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung die Ansicht:
da im Streitjahr keine offenen Gewinnausschüttungen erfolgt seien, sei davon auszugehen,
dass die Werbungskosten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit erst im Jahre 2002
erfolgten offenen Gewinnausschüttungen stünden. Ab 2002 gelte aber zweifelsohne das
Halbeinkünfteverfahren.
II.
Die Klage ist nur zum Teil begründet. Die geltend gemachten Schuldzinsen sind soweit sie
im Jahr 2000 entstanden sind in vollem Umfang und soweit sie das Jahr 2001 betreffen nur
zur Hälfte als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen
abziehbar.
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der
Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Ihr Abzug setzt voraus, dass sie objektiv durch die
Einnahmeerzielung veranlasst sind und subjektiv der Förderung der Einkünfteerzielung
dienen. Diese Voraussetzungen sind im Hinblick auf die streitigen Schuldzinsen, wie auch
der Beklagte nicht in Abrede stellt, erfüllt.
Der vollumfänglichen steuerlichen Berücksichtigung der Schuldzinsen als Werbungskosten
steht für die im Jahre 2001 entstandenen Zinsen i.H.v. 4.000 DM jedoch das Abzugsverbot
des § 3 c Abs. 2 EStG entgegen.
Nach dieser Vorschrift dürfen Werbungskosten, die mit den dem § 3 Nr. 40 EStG zugrunde
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liegenden Einnahmen des Gesellschafters in wirtschaftlichen Zusammenhang stehen,
unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die Einnahmen anfallen, bei der
Ermittlung der Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden. Zu den Einnahmen i.S.v. § 3 Nr.
40 EStG zählen auch die im Falle des Klägers von der GmbH zu erwartenden
Dividendenausschüttungen.
Der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang ist zu bejahen. Im Gegensatz zu § 3 c
Abs. 1 EStG, der allgemein Werbungskosten und Betriebsausgaben bei einem
Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen einem Abzugsverbot unterstellt, fordert § 3 c
Abs. 2 EStG keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang, sondern lässt schlicht
einen wirtschaftlichen Zusammenhang, also auch einen mittelbaren Zusammenhang,
genügen (vgl. Altehoefer in Lademann, Kommentar zum EStG zu § 3 c Rz. 23). Dieser
Formulierungsunterschied, verbunden mit der ausdrücklichen Regelung, wonach der
Zusammenhang zwischen den nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Einnahmen und den
Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben unabhängig davon sei, in welchem
Veranlagungszeitraum die Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen,
begründet die Eigenständigkeit und Spezialität des § 3 c Abs. 2 EStG gegenüber dem
ersten Absatz dieser Vorschrift.
Daran gemessen stehen die Zinsaufwendungen des Klägers in einem wirtschaftlichen
Zusammenhang mit (zukünftigen) gem. § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte steuerfreien Einnahmen.
Daran vermag nichts zu ändern, dass bislang mangels Gewinnausschüttungen der GmbH
tatsächlich keine Einnahmen erzielt wurden. Da § 3 Abs. 2 EStG gerade keinen zeitlichen
Zusammenhang fordert, besteht auch zu erst viel später erzielten Einnahmen der
erforderliche Bezug. Das Gesetz fordert jedoch nicht, die Steuerveranlagung insoweit
zurückzustellen, bis es ggf. in einem späteren Veranlagungszeitraum zu einer
Einnahmeerzielung kommt. Ob letztlich während der Beteiligungsdauer des
Gesellschafters zur Bestätigung des wirtschaftlichen Zusammenhangs eine tatsächliche
Einnahmeerzielung zu verlangen ist oder ob schon die virtuelle Möglichkeit einer
teilweisen Steuerfreiheit der Einnahmen zur Beschränkung des Abzuges genügen kann,
kann hier dahingestellt bleiben, da der Kläger noch an der GmbH beteiligt ist, mithin eine
abschließende Beurteilung noch nicht möglich ist (vgl. Strunk in Korn, Kommentar zum
EStG zu .§ 3 c Rz. 25 ff.; Erhard in Blümich, Kommentar zum EStG zu § 3 c Rz. 42 a.E.;
Lademann aaO. zu § 3 c Rz. 23).
Die Reichweite des wirtschaftlichen Zusammenhanges in die Vergangenheit ist jedoch
durch die maßgeblichen Übergangsvorschriften beschränkt.
Denn gem. § 52 Abs. 8a EStG ist § 3 c Abs. 2 EStG erstmals auf die Aufwendungen
anzuwenden, die mit Erträgen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr.
40 EStG erstmals anzuwenden ist. § 3 Nr. 40 EStG ist nach § 52 Abs. 4a EStG erstmals
anzuwenden für Gewinnausschüttungen, auf die bei der ausschüttenden Körperschaft der
aufgehobene Vierte Teil des Körperschaftssteuergesetzes nicht mehr anzuwenden ist. Die
Vorschriften des Vierten Teils des Körperschaftssteuergesetzes sind gem. § 34 Abs. 10 a
Nr. 1 KStG i.d.F. vom 19.12.2000 letztmals anzuwenden für Gewinnausschüttungen, die auf
einem Gewinnverteilungsbeschluß für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr beruhen und die in
dem ersten Wirtschaftsjahr erfolgen, das in dem Veranlagungszeitraum endet, für den das
Körperschaftssteuergesetz in der Fassung des Artikels 3 des Gesetzes vom 23.10.2000
erstmals anzuwenden ist (§ 34 Abs. 1 KStG: 2001), also bei nicht vom Kalenderjahr
abweichendem Wirtschaftsjahr im Jahre 2001. Bei verfassungskonformer Auslegung dieser
Vorschrift, kann sich damit der wirtschaftliche Zusammenhang nur auf Aufwendungen in
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dem danach vorgegebenen zeitlichen Rahmen erstrecken. Aufwendungen, die vor dem
Jahr 2001 entstanden sind, unterliegen auch dann, wenn sie erst später abfließen, der
steuerrechtlichen Beurteilung nach den für den Entstehungszeitraum geltenden Normen.
Der Versuch einen wirtschaftlichen Zusammenhang auch mit weiter zurückliegenden
Aufwendungen und den zukünftig zu erwartenden Einnahmezuflüssen herzustellen würde
gegen das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot verstoßen.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1
Finanzgerichtsordnung -FGO-) zuzulassen. Die zu entscheidende Rechtsfrage war, soweit
ersichtlich, noch nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Sie dürfte
zudem für eine Vielzahl von Fällen über den zu entscheidenden Fall hinaus von
Bedeutung sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO.