Urteil des FG Düsseldorf vom 25.06.2002

FG Düsseldorf (Abnahme des Werkes, Berechnung der Steuer, Eltern, Vermietung, Wohnhaus, Anerkennung, Verpachtung, Sanierung, Gesundheit, Absicht)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 8 K 6984/00 E
25.06.2002
Finanzgericht Düsseldorf
8. Senat
Urteil
8 K 6984/00 E
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1996 vom 11.05.2000
werden zusätzliche außergewöhnliche Belastungen von 3.000 DM
(Gerichtskosten) und 1.907 DM (Umzugskosten) anerkannt.
Die Berechnung der Steuer wird auf den Beklagten übertragen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger zu 9/10 und der Beklagte zu
1/10.
G r ü n d e :
Streitig sind die Anerkennung außergewöhnlicher Belastungen wegen
Formaldehydausgasungen im teils selbst genutzten, teils fremdvermieteten Wohnhaus der
Kläger sowie die Berücksichtigung von Werbungskosten für die infolge der
Umweltbelastung leer stehende Wohnung.
Die Kläger, zusammen veranlagte Eheleute, haben eine im Jahr 1980 geborene Tochter (
M ).
Die Kläger hatten im Jahr 1982 von der Fa. 'Z' ein in Fertigbauweise erstelltes Wohnhaus
erworben. Die im Dachgeschoss gelegene Einliegerwohnung gehörte zunächst den Eltern
der Klägerin. Diese verkauften die Wohnung mit notariellem Vertrag vom 12.12.1986 an die
Kläger, die den Eltern ein lebenslängliches entgeltliches Wohnungsrecht (zugleich
beschränkte persönliche Dienstbarkeit) an der gesamten Wohnung einräumten.
Bei der Herstellung des Hauses waren im großen Umfang Holzspanplatten verarbeitet
worden. Nach häufigen Erkrankungen ihrer Tochter von 1988 an (z. B. vielfach
Atemwegsinfektionen, Allergien, Lungenentzündungen), die die Kläger auf von dem Haus
ausgehende Umweltbelastungen zurückführten, zog die Familie Anfang 1994 zunächst in
den Keller des Hauses und zum 01.09.1996 ganz aus; seitdem leben sie in einer
Mietwohnung. Die früher fremdvermietete Wohnung im eigenem Haus steht (nach
Aktenlage seit 15.04.1996) ebenfalls leer. Die Kläger strengten beim Landgericht - ein
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Beweissicherungsverfahren gegen die Fa. 'Z' an.
Auf Grund Beweisbeschlusses des LG erstellte der TÜV am 16.01.1996 ein Gutachten über
die Innenluftverunreinigung durch Formaldehyd und Holzschutzmittel; die Messungen
ergaben über den Normativwerten liegende Beträge (Gutachten s. Anlage zum Schriftsatz
der Kläger vom 20.10.1997 in der ESt-Akte 1996). Hinsichtlich der weiter im
Beweisbeschluss aufgeführten Frage, ob die bei der Tochter diagnostizierten Krankheiten -
z.B. chronische Non-HIV-Immundysfunktion, chronischer Husten und Atemstörungen - auf
den Ausgasungen beruhten, erstellte 'G'
( Universität 'U') am 11.08.1997 ein Gutachten, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird
(Anlage des Schreibens der Kläger vom 31.10.1997 in der ESt-Akte 1996).
Zu der weiteren Frage, ob die belasteten Materialien entfernt werden müssten und der
Einbau neuer Stoffe mindestens 50.000 DM kosten werde, holte das LG bei dem Institut 'I'
ein Gutachten ein (s. Anlage zum Schreiben der Kläger vom 28.08.1998 in der ESt-Akte
1997), auf dessen Inhalt ebenfalls Bezug genommen wird.
In den ESt-Erklärungen 1996 und 1997 machten die Kläger im Zusammenhang mit dem
formaldehydbelasteten Haus stehende Aufwendungen von 36.320,06 DM (1996) und
3.751,99 DM (1997) als außergewöhnliche Belastung geltend, die sie wie folgt
berechneten:
1996:
Gerichtskosten 3.000,00 DM
Seminare über Formaldehyd 373,60 DM
anteilige Kosten der ehemals eigengenutzten, 2.888,27 DM
seit 01.09.1996 leer stehenden Wohnung
Umzugskostenpauschale 1.907,00 DM
Erwerb neuer, unbelasteter Möbel 28.151,19 DM
36.320,06 DM
1997:
anteilige Kosten der ehemals eigengenutzten, 3.751,99 DM
seit 01.09.1996 leer stehenden Wohnung
Der Beklagte lehnte die Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen
Belastung ab, erklärte die ESt-Bescheide 1996 und 1997 allerdings insoweit für vorläufig
i.S.v. § 165 AO; die Vorläufigkeit werde bestehen bleiben, bis ein Urteil des LG ergangen
sei.
Nach einer Mitteilung der Kläger vom 17.09.1999, dass ihnen die erforderlichen Mittel zur
Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen wie auch zur Vornahme weiterer gerichtlicher
Schritte fehlten und daher das gerichtliche Verfahren nicht fortgeführt werde, hob der
Beklagte die Vorläufigkeitsvermerke mit Bescheiden vom 10.12.1999 bzw. im Anhang zum
23
24
25
26
27
Einkommensteuerbescheid 1998 vom 08.12.1999 auf. Im Einkommensteuerbescheid 1998
hatte der Beklagte allerdings die erklärten Aufwendungen für den Rechtsstreit vor dem LG
sowie für Seminare (zusammen 13.002 DM) als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Darüber hinaus machten die Kläger in den Einkommensteuerbescheiden 1997 und 1998
die auf die ehemals fremdvermietete, seit 15.04.1996 leer stehende Wohnung im eigenen
Haus entfallenden Werbungskosten von 5.080 DM (1997) und 8.112 DM (1998) als
negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung geltend. Die Wohnung sei zwar
wegen der festgestellten Giftstoffe zur Zeit nicht nutzbar; es bestehe aber weiterhin eine
Vermietungsabsicht. Der Beklagte berücksichtigte den Verlust bei der
Einkommensteuerfestsetzung 1997 durch Änderungsbescheid vom 24.09.1998 vorläufig
und kündigte eine Änderung gemäß § 165 AO für den Fall an, dass die Wohnung nach der
Sanierung nicht wieder vermietet werde. Mit o. a. Bescheid vom 10.12.1999 wurde der
Vorläufigkeitsvermerk aufgehoben. Den für 1998 geltend gemachten Verlust aus
Vermietung und Verpachtung berücksichtigte der Beklagte nicht, da eine
Einkunftserzielungsabsicht nicht erkennbar sei.
Die Kläger legten gegen die Bescheide vom 08. und 10.12.1999 Einsprüche ein, die sie im
Wesentlichen wie folgt begründeten:
Die durch die Schadstoffbelastung des Hauses entstandenen Aufwendungen seien als
Krankheitskosten für ihre Tochter, somit als außergewöhnliche Belastung, anzuerkennen.
Auch der erklärte Verlust aus Vermietung und Verpachtung für die ehemals von den Eltern
bewohnte Wohnung müsse berücksichtigt werden. Sie hätten weiterhin die Absicht, die
Wohnung zu vermieten. Da ein Prozess gegen die Fa. 'Z' zu teuer und zu langwierig sei,
hätten sie sich entschlossen, keine Klage zu erheben. Das so ab dem Jahr 2000 ersparte
Geld würden sie "eventuell" für die weitere Sanierung des Hauses einsetzen (siehe hierzu
Anlage zum Schriftsatz vom 05.10.2000).
Der Beklagte wies die Einsprüche als unbegründet zurück. Aufwendungen zur Beseitigung
gesundheitlicher Schäden durch Formaldehydausgasung kämen zwar grundsätzlich als
außergewöhnliche Belastung in Betracht. Voraussetzung sei aber, dass ein ursächlicher
Zusammenhang zwischen Umweltbelastung und Krankheit nachgewiesen sei und für die
Krankheit darüber hinaus ein amtsärztliches Attest vorliege. Das sei hier nicht der Fall.
Ebenso könne eine Einkunftserzielungsabsicht für die ehemals vermietete Wohnung
weiterhin nicht bejaht werden. Eine Vermietung des Hauses sei nur nach umfassender
Sanierung mit einem Aufwand von mindestens 50.000 DM möglich; hierzu fehlten aber den
Klägern nach eigenem Vortrag die finanziellen Mittel. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf
die Einspruchsentscheidung vom 19.10.2000 Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger haben eine schriftliche Stellungnahme des Dr.
'K' ( ) vom 13.01.1998 vorgelegt, nach dessen Ansicht sich ein "Ursache-Wirkung-
Verhältnis" bei M gutachterlich herleiten lasse. Zudem haben sie ein privatärztliches Attest
des Internisten Dr. 'H' vom 23.11.2000 zu den Akten gereicht, nach dem beide Kläger und
die Tochter "Gesundheitsstörungen" aufwiesen, die "im Zusammenhang mit übermäßigen
Ausgasungen" aus dem Wohnhaus ständen. Nach dem zwischenzeitlich ergangenen Urteil
des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 09.08.2001 III R 6/01 (BStBl II 2002, 240) müssten sie
nicht einmal nachweisen - erst recht nicht durch ein amtsärztliches Attest -, dass die
Krankheit ihrer Tochter durch das Formaldehyd verursacht sei. Ausreichend für die
Anerkennung der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen sei der mit dem
Gutachten des TÜV geführte Nachweis, dass die Formaldehyd-Konzentration
gesundheitsgefährdend sei.
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
Auf den gerichtlichen Hinweis, dass bei etwaiger Berücksichtigung außergewöhnlicher
Belastungen für den Möbelerwerb ein Abzug "neu für alt" vorzunehmen sei, und die
Aufforderung, Anschaffungszeitpunkt und Preis der ersetzten Möbel nachzuweisen, haben
die Kläger eine Aufstellung verschiedener Möbel vom 23.03.2000 vorgelegt; Rechnungen
hätten sie nicht aufbewahrt.
Auf die weitere Aufforderung, hinsichtlich der ehemals von den Eltern bewohnten Wohnung
die Planung der Sanierung darzulegen und die derzeitige Wohnsituation der Eltern
mitzuteilen, haben die Kläger ergänzend vorgetragen, die Absicht zu haben, das gesamte
Haus bis zur Oberkante Keller abzureißen und anschließend zu einem neuen
Zweifamilienhaus wieder aufzubauen. Die Kläger haben dazu einen Kreditvertrag mit der A
Bank über 230.081,34 DM vom 05./06.11.2001 sowie die Abbruchgenehmigung vom
27.11.2001 und die Baugenehmigung vom 03.12.2001 vorgelegt. Die Eltern bewohnten, so
die Kläger weiter, seit 15.04.1996 eine andere Mietwohnung in B.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
unter Änderung der angefochtenen Bescheide die geltend gemachten
außergewöhnlichen Belastungen 1996 (36.320,06 DM) und 1997 (3.751,99 DM) sowie die
erklärten negativen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 1998 (8.112 DM)
anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Ansicht, auch unter Berücksichtigung des o.a. BFH-Urteils vom
09.08.2001 komme eine Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen nicht in
Betracht. Die Kläger hätten nicht, erst recht nicht durch ein amtsärztliches Gutachten,
nachgewiesen, dass die Krankheit ihrer Tochter durch das Formaldehyd entstanden sei.
Ebenso sei offen, ob nicht Schadensersatzansprüche gegenüber der Baufirma beständen.
Eine Berücksichtigung der Aufwendungen für den Neuerwerb der Möbel scheitere zudem
an fehlendem Nachweis. Auch eine Vermietungsabsicht sei trotz Vorlage der Abbruch- und
Baugenehmigung sowie der Kreditverträge nicht nachgewiesen; eine beabsichtigte
Nutzung der neuen Wohnung durch die Kläger selbst sei, zumal die Eltern jetzt in
unmittelbarer Nähe wohnten, nicht auszuschließen.
Das Gericht entscheidet gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO- ohne
mündliche Verhandlung, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen
Verfahren einverstanden erklärt haben und es keiner weiteren Sachverhaltsermittlungen
bedarf.
Die Klage ist teilweise begründet.
Die geltend gemachten Aufwendungen für Gerichtskosten (3.000 DM) und für den Umzug
(1.907 DM) können im Streitjahr 1996 als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden;
im Übrigen hat die Klage jedoch keinen Erfolg.
a) Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem
Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl
der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse und gleichen
Familienstandes erwachsen (außergewöhnliche Belastung). Aufwendungen sind in diesem
39
40
41
42
43
Sinne zwangsläufig, wenn der Steuerpflichtige sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen
oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit sie den Umständen nach notwendig
sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen ( § 33 Abs. 2 S.1 EStG).
Entscheidend ist, ob das Ereignis, dessen Folge die Aufwendungen sind, für den
Steuerpflichtigen zwangsläufig war (Urteil des BFH vom 19.05.1995 III R 12/92, BStBl II
1995, 774).
Die hier streitigen Aufwendungen stellen zwar keine Krankheitskosten - eine von der
Rechtsprechung anerkannte Fallgruppe der außergewöhnlichen Belastungen - dar. Denn
die Gesamtumstände lassen nicht die Feststellung zu, dass die Erkrankung der Tochter der
Kläger auf den Ausgasungen beruht. Der Sachverständige 'G' hat einen derartigen
Zusammenhang in seinem umfangreichen Gutachten ausdrücklich verneint. Das
privatärztliche Attest des Dr. H bezeichnet zwar einen "Zusammenhang" zwischen
Gesundheitsstörungen der Kläger bzw. ihrer Tochter und den Ausgasungen, enthält aber
weder eine Konkretisierung der körperlichen Beeinträchtigung noch eine Begründung der
getroffenen Feststellung.
Jedoch können auch solche Aufwendungen nach § 33 EStG steuermindernd berücksichtigt
werden, die zwar keine Krankheitskosten i.e. Sinne sind, jedoch einem Steuerpflichtigen
erwachsen, weil er gezwungen ist, eine konkrete, von einem Gegenstand des
existenznotwendigen Bedarfs ausgehende Gesundheitsgefährdung zu beseitigen.
Derartigen Aufwendungen kann der Steuerpflichtige aus tatsächlichen Gründen nicht
ausweichen, wenn andernfalls mit einem Schaden für seine Gesundheit oder die
Gesundheit seiner Familie zu rechnen ist. Danach können die Aufwendungen zur
Beseitigung einer von dem Wohnhaus ausgehenden konkreten Gesundheitsgefährdung
grundsätzlich aus tatsächlichen Gründen als zwangsläufig angesehen werden. Erforderlich
sind konkret zu befürchtende Gesundheitsschäden, während eine abstrakte
Gesundheitsgefährdung nicht ausreicht. Eine derartige konkrete Gesundheitsgefahr muss
der Steuerpflichtige zudem grundsätzlich durch ein vor Entstehung der Aufwendungen
gefertigtes Gutachten der zuständigen amtlichen technischen Stelle nachweisen; allerdings
können in Ausnahmefällen auch nachträglich erstellte Gutachten, ggf. auch privatärztliche
Gutachten, genügen. Wird eine Gesundheitsgefährdung durch einen Gegenstand des
existentiellen Bedarfs nachgewiesen, ist regelmäßig auch die Außergewöhnlichkeit der
Aufwendungen gegeben, da es sich insoweit um eine atypische Folge der Anschaffung des
betreffenden Gegenstandes handelt (zum Vorstehenden: o.a. Urteil des BFH vom
09.08.2001, dort Aufwendungen zur Asbestsanierung der Außenfassade eines
Wohnhauses).
Nach diesen Grundsätzen stellen die geltend gemachten Aufwendungen für Gerichtskosten
(mit Beschluss des LG Düsseldorf vom 19.07.1994 in dem o.a. Beweissicherungsverfahren
angeforderter und am 20.05.1996 eingezahlter Kostenvorschuss) und für den Umzug
außergewöhnliche Belastungen dar.
Nach den Gesamtumständen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die
Ausgasungen in dem Wohnhaus der Kläger zu einer konkreten Gesundheitsgefährdung
geführt haben; der erforderliche Nachweis ist durch die o.a. drei Gutachten geführt.
Der TÜV hat, wie in seinem Gutachten vom 16.01.1996 dargelegt, in der Raumluft des
Gebäudes Formaldehydwerte von - je nach Raum - 0,18 ppm bis 0,29 ppm gemessen.
Zwar mögen diese Konzentrationen, wie vom Sachverständigen 'G' ausgeführt, zum
Zeitpunkt der Begutachtung noch keine bleibenden Gesundheitsstörungen bei der Tochter
der Kläger verursacht haben. Eine derartige Folge ist indessen auch nicht erforderlich, um
44
45
46
47
den Anforderungen des § 33 EStG zu genügen. Denn ausreichend ist nach dem o.a. BFH-
Urteil eine konkrete Gefahr für die Gesundheit. Eine derartige konkrete Gefährdung ergibt
sich hier bereits daraus, dass der vom Bundesgesundheitsamt festgelegte - und von den
hier hinzugezogenen Gutachtern auch befürwortete - Grenzwert von 0,1 ppm deutlich
überschritten ist, in einigen Räumen sogar nahezu den dreifachen Wert erreicht. Oberhalb
des Grenzwertes drohen nach Untersuchungen des Gesundheitsamtes Belästigungen,
insbesondere Geruchsbelästigungen, Reizungen der Schleimhäute und auch
Gesundheitsschäden, die je nach Empfindlichkeit der Kontaktperson individuell
verschieden ausgeprägt sind. Entsprechend dürfen, wie sich aus dem Gutachten des TÜV
ergibt, nach der Gefahrenverordnung aus dem Jahr 1986 Holzwerkstoffe nicht mehr in den
Verkehr gebracht werden, die zu einer Formaldehydkonzentration in der Raumluft von mehr
als 0,1 ppm führen. Gewisse "biologische Effekte" und Geruchsbelästigungen hat im
Übrigen auch 'G' festgestellt. Diese Beeinträchtigungen ordnet der Senat als konkrete
Gesundheitsgefährdung i.S. der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein. Auf die
Entschließung der Kläger wird unausweichlich eingewirkt, weil ihr Wohnhaus, ein
Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs, oberhalb der anerkannten Grenzwerte
liegende Schadstoffemissionen aufweist, denen sie voraussichtlich über Jahrzehnte täglich
ausgesetzt wären. In dieser Situation einer stetigen und unabwendbaren Belastung mit
schädlichen Stoffen sind die Kläger psychisch beeinträchtigt und schon insoweit in ihrer
Gesundheit nicht nur konkret gefährdet, sondern bereits geschädigt. Auch die in den
Gutachten festgestellten Geruchsbelästigungen und Schleimhautreizungen stellen zur
Überzeugung des Senats keine rechtlich unbeachtlichen, bloßen subjektiven
Missempfindungen der Kläger und ihrer Tochter dar. Vielmehr handelt es sich um
Beeinträchtigungen, die das körperliche Wohlempfinden bereits aktuell stören und, bei
jahrelanger Dauer, weitere psychische Gesundheitsschäden konkret befürchten lassen.
Der Vorlage eines amtsärztlichen Attestes zum Nachweis der konkreten
Gesundheitsgefährdung bedarf es entgegen der Ansicht des Beklagten nicht. Bereits mit
dem technischen Gutachten des TÜV ist ausreichend nachgewiesen, dass eine Sanierung
des Hauses zur Beseitigung einer konkreten Gesundheitsgefährdung infolge überhöhter
Formaldehyd-Konzentration in der Rauminnenluft erforderlich ist; schon damit ist - ebenso
wie bei festgestellter Freisetzung von Asbestfasern (vgl. o.a. BFH-Urteil vom 09.08.2001) -
die Gesundheitsgefährdung hinreichend konkretisiert.
Die Aufwendungen für das Beweissicherungsverfahren und den Umzug dienten auch
dazu, diese konkrete Gesundheitsgefährdung der Kläger und ihrer Tochter zu beseitigen.
Da der Werkunternehmer, die Fa. 'Z' , eine Beseitigung der Schadensquelle abgelehnt
hatte, mussten die Kläger gerichtlich die Beweise sichern und das Haus verlassen.
Auf realisierbare zivilrechtliche Ersatzansprüche gegenüber der Fa. 'Z' , die einer
Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegen ständen,
können die Kläger hier nicht verwiesen werden. Dabei kann dahinstehen, ob die
Verwendung der Holzspanplatten für das Fertighaus überhaupt einen Mangel darstellt oder
im Baujahr 1982 noch zulässig war. Jedenfalls wäre ein Ersatzanspruch nicht mehr
durchzusetzen, weil insoweit bereits Verjährung eingetreten ist; die für Mängel an
Bauwerken maßgebliche Verjährungsfrist beträgt gemäß § 638 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs 5 Jahre ab Abnahme des Werkes und nach der ggf. anzuwendenden
Verdingungsordnung für Bauleistungen ( § 13 Nr. 4 VOB/B) sogar nur 2 Jahre (vgl. ebenso
o.a. BFH-Urteil vom 09.08.2001).
Die geltend gemachten Aufwendungen für die Ersatzbeschaffung der Möbel können
48
49
50
51
dagegen nicht anerkannt werden. Denn hier fehlt es an einem Nachweis, dass die Kläger
überhaupt einen Schaden erlitten haben. Soweit notwendige
Wiederherstellungsmaßnahmen bzw. Ersatzbeschaffungen zu Werterhöhungen führen,
muss der Steuerpflichtige sich die Werterhöhung im Wege des Vorteilsausgleichs
anrechnen lassen; hierzu zählt auch die Werterhöhung "neu für alt" (Urteil des BFH vom
06.05.1994 III R 27/92, BStBl II 1995, 104). Daher setzt der Eintritt eines Schadens voraus,
dass die ersetzten Möbel überhaupt noch einen wirtschaftlichen Wert hatten, mithin
angesichts einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von Wohn- und Schlafzimmermöbeln
von 10 Jahren (vgl. Schmidt, EStG, 20.A., § 7 Rdn. 87) erst nach 1986 (hier Streitjahr 1996)
angeschafft worden waren. Diese für den Steuerabzug erforderliche Feststellung lässt sich
hier nicht treffen, da die Kläger Anschaffungszeitpunkt und -preis der ersetzten Möbel nicht
nachweisen konnten.
Die darüber hinaus von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen für den Besuch
der Seminare über Formaldehyd und die Kosten der eigengenutzten, seit 01.09.1996 leer
stehenden Wohnung können ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt
werden. Der Besuch der Seminare steht zwar mit der Formaldehyd-Belastung des Hauses
der Kläger im Zusammenhang, stellt jedoch keine Folge i.S.v. § 33 Abs. 2 EStG dar,
sondern beruht auf einem freiwilligen Entschluss der Kläger und diente zugleich ihrer
allgemeinen, über ihren konkreten Einzelfall hinausgehenden Information. Auch die
laufenden Kosten der Wohnung sind nicht erst und gerade als Folge der
Schadstoffausgasung angefallen, sondern wären den Klägern ohnehin entstanden.
b) Soweit die Kläger die Anerkennung des Verlustes aus Vermietung und Verpachtung
i.S.v. § 21 EStG für die ehemals von den Eltern genutzte Wohnung begehren (1998 ./.
8.112 DM), hat die Klage keinen Erfolg.
Aufwendungen für eine leer stehende Wohnung können nur dann als Werbungskosten
i.S.v. § 9 EStG bei Einkünften aus Vermietung gemäß § 21 EStG abziehbar sein, wenn der
Entschluss zur Einkünfteerzielung endgültig gefasst ist. Die Absicht zur Vermietung, die
anhand objektiver Umstände feststellbar sein muss, ist notwendig. An dem erforderlichen
Zusammenhang der Aufwendungen mit der Einkunftsart fehlt es daher, wenn sich nicht
absehen lässt, ob und gegebenenfalls wann Einnahmen erzielt werden (Urteil des BFH
vom 19.09.1990 IX R 5/86, BStBl II 1990, 1030). Für den Fall vorab entstandener
Werbungskosten hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen des Eigentümers für ein
Wohnhaus nur dann als Werbungskosten abgezogen werden könnten, wenn ein
Zusammenhang zwischen ihnen und zukünftigen Einnahmen gegeben ist; dieser
Zusammenhang kann nur bejaht werden, wenn mit Einnahmen in absehbarer Zeit zu
rechnen sei (Urteil des BFH vom 17.12.1982 VIII R 166/80, BStBl II 1983, 660). Steht der
wirtschaftliche Zusammenhang fest, kann ein langer Zeitraum zwischen Aufwendungen
und Einnahmen liegen; andererseits sind Werbungskosten zu verneinen, wenn die
Erzielung von Einnahmen nicht absehbar ist (Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 9 Rdn. 96).
Nach diesen Grundsätzen mag seit Bestehen der Abbruch- und Baugenehmigung und
Nachweis der Finanzierungsmöglichkeit eine Anerkennung etwaiger aktueller Verluste in
Betracht kommen. Das gilt jedoch noch nicht für das Streitjahr 1998. Damals war noch nicht
absehbar, dass und wann die Kläger die Wohnung wieder in einen bewohnbaren Zustand
versetzen und vermieten würden. Nach eigenen Angaben fehlten ihnen damals die
erforderlichen finanziellen Mittel und bestanden auch keine Vorstellungen, wie und wann
sie welche Sanierungsmaßnahmen durchführen würden. Die bloße Absicht, die Wohnung
ihren Eltern irgendwann wieder überlassen zu können und wollen, reicht nach den o.a.
52
53
Anforderungen zur Begründung des wirtschaftlichen Zusammenhangs mit künftigen
Einnahmen nicht aus.
Die Übertragung der Berechnung der Einkommensteuer 1996 auf den Beklagten stützt sich
auf § 100 Abs. 2 S.2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO.