Urteil des FG Düsseldorf vom 16.06.2003

FG Düsseldorf (Herstellungskosten, Auszahlung, Drucksache, Einfluss, Verzinsung, Steuerpflicht, Lebensversicherungsvertrag, Beschränkung, Begriff, Niederlassung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 5670/01 F
16.06.2003
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 5670/01 F
Der Bescheid vom 19.4.2001 über die gesonderte Feststellung der
Steuerpflicht von Zinsen aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. "001"
bei der "T - Lebensversicherungs- und Rentenanstalt", Niederlassung
Deutschland, und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus einer
Kapitallebensversicherung.
Der Kläger errichtete im Jahre 1994 ein Doppelhaus, dessen eine Hälfte er selbst nutzte
und dessen andere Hälfte er ab dem 1.4.1995 vermietete. Zur Finanzierung des
Bauvorhabens schloss er am 30.4.1994 mit der "E-Bank" AG in "X-Stadt" u. a. einen
Darlehensvertrag Nr. "002" zu einem Nennbetrag in Höhe von 208.000 DM und einen
Auszahlungsbetrag in Höhe von 187.200 DM. Zur Sicherung und Tilgung dieses Darlehens
trat er seine Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag Nr. "001" bei der "T -
Lebensversicherungs- und Rentenanstalt, Niederlassung Deutschland, an die
Darlehensgeberin ab. Das Darlehen wurden entsprechend dem Auszahlungsplan nach
Bauabschnitten auf ein gesondertes Baukonto überwiesen. Von diesem Konto zahlte der
Kläger nach und nach die fälligen Bauhandwerkerrechnungen. Wegen der einzelnen
Zahlungen wird auf die in der Rechtsbehelfsakte abgeheftete Aufstellung Bezug
genommen.
Aufgrund von Verzögerungen bei der Erstellung und Prüfung der
Bauhandwerkerrechnungen ergab sich kurzzeitig ein Guthaben auf dem Baukonto. Für
einen Zeitraum von insgesamt vier Monaten legte der Kläger auf einem verzinslichen
Unterkonto zu dem Baukonto einen Betrag in Höhe von zunächst 100.000 DM, später
50.000 DM fest an und erzielte aus dieser Anlage Zinsen in Höhe von insgesamt 1.156 DM.
Zumindest ein Teil des angelegten Geldbetrages für einen Zeitraum von zwei Monaten
stammte aus dem durch die Lebensversicherung besicherten Darlehen Nr. "002". Die
restlichen Beträge stammten aus einem anderen Darlehen.
Am 19.2.2001 zeigte die Darlehensgeberin gegenüber dem Beklagten gem. 29 Abs. 1
EStDV die Einsetzung des Lebensversicherungsvertrages zur Tilgung und Sicherung des
Darlehens an. Mit Bescheid vom 19.04.2001 stellte der Beklagte die Steuerpflicht der
Zinsen aus der Lebensversicherung fest. Nach Feststellung des Beklagten ergab sich die
Steuerschädlichkeit, da das Darlehen nicht unmittelbar begünstigt verwendet wurde. Nach
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erfolglosem Einspruchsverfahren hat der Kläger Klage erhoben. Er trägt vor:
Die Darlehensmittel seien automatisch seinem Baukonto zugeflossen, ohne dass er hierauf
hätte Einfluss nehmen können. Im übrigen habe sein Architekt diese Auszahlung nach
Baufortschritten beantragt und ihm lediglich Durchschriften zugesandt. Teilweise hätten die
Bauunternehmer die Abschlussrechnungen verspätetet erstellt, teilweise seien aufgrund
unsachgemäßer Bauausführungen Zahlungen an den Bauunternehmer wesentlich später
geleistet worden als es geplant gewesen sei. Daher hätten sich auf dem Baukonto
Geldbeträge angesammelt, die auf einem Unterkonto zum Baukonto für jeweils einen
Monat festgelegt worden seien. Aus dieser Verfahrensweise dürften ihm keine steuerlichen
Nachteile erwachsen. Der Fall könne nicht anders behandelt werden als die Überweisung
von Darlehensmitteln auf ein Anderkonto eines Notares, das als Festgeldkonto geführt
werde. Nach dem Erlass des BMF vom 15.06.2000 (Bundessteuerblatt - BStBl. - I 2000,
1118) führe eine solche Verwendung nicht zur Steuerschädlichkeit. Im übrigen sei zu
beachten, dass der Vorgang im Frühjahr 1994 stattgefunden habe. Zu diesem Zeitpunkt sei
der Begriff "unmittelbar verwendet" noch nicht ausreichend definiert gewesen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 19.4.2001 und die dazu ergangene
Einspruchsentscheidung aufzuheben
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise
Er trägt vor:
Im Fall der Zahlung des Kaufpreises auf das Anderkonto des Notars habe der Käufer auf
den Zeitpunkt der Weiterleitung des Kaufpreises keinen rechtlichen Einfluss. Im Streitfall
habe der Kläger jedoch auf den Zeitpunkt der Auszahlung des Darlehens bzw. des
jeweiligen Darlehensteilbetrages Einfluss nehmen können. Dem Unterschied zwischen
diesen Fällen trage der Erlass des BMF vom 15.06.2000 (BStBl. I 2000, 1118) Rechnung.
Im übrigen habe der BMF diese beiden Fallgestaltungen bereits in seinem Erlass vom
19.05.1993 (BStBl I 1993, 406) unterschieden, so dass der Begriff der unmittelbaren
Verwendung schon 1994 ausreichend definiert gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen
Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Kapitalerträge, die dem Kläger zukünftig aus der hier streitbefangenen
Kapitallebensversicherung zufließen, sind entgegen der gesonderten Feststellung des
Beklagten steuerfrei (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 Einkommensteuergesetz - EStG -). Dies folgt
aus § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG, auf den § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG ausdrücklich verweist.
Die dort genannten Voraussetzungen für den Abzug der Versicherungsprämien als
Sonderausgaben sind erfüllt.
Zwar können nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG Versicherungsprämien nicht als
Sonderausgaben abgezogen werden, wenn sie zur Finanzierung eines Darlehens dienen,
dessen Finanzierungskosten wie im Streitfall - zumindest teilweise - Werbungskosten sind.
Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG
jedoch für den Fall, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung
von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur
Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Die Voraussetzungen dieser
Vorschrift sind erfüllt, denn der Kläger hat die Darlehensmittel unmittelbar und
ausschließlich für die Herstellungskosten des Wohnhauses verwendet.
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Die Verzinsung eines Teils des Darlehens über einen Zeitraum von zwei Monaten auf
einem Unterkonto zu dem Baukonto, steht der unmittelbaren Verwendung im Sinne des §
10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG nicht entgegen. Zwar hat der Kläger mit der
Auszahlung des Darlehens auf das ihm zuzurechnende Baukonto zunächst - kurzfristig -
eine Kapitalforderung gegenüber der Bank erworben. Dies allein führt jedoch nicht zu einer
Steuerschädlichkeit im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a EStG. Anderenfalls wäre
in allen vergleichbaren Fällen, in denen Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht direkt
von der Bank, sondern von einem Konto des Steuerpflichtigen bezahlt werden, der
Sonderausgabenabzug und die Steuerfreiheit zu versagen. Das wäre jedoch mit dem
Gesetzeszweck nicht vereinbar. Nach der Begründung zu der Gesetzesänderung durch
das Steueränderungsgesetz 1992 (vom 25.2.1992 BGBl. I 1992, 297) sollte mit der
Neuregelung nämlich nur verhindert werden, dass mit dem durch die Lebensversicherung
abgesicherten und zu tilgenden Darlehen gleichzeitig die Zinsen des Ursprungsdarlehens
getilgt oder gesichert werden und dadurch der steuerlich abzugsfähige Zinsanteil
aufgebläht wird (Bundestags-Drucksache 12/1506, 156; Blümich/Hutter, § 10 EStG Tz.
354). Diesbezüglich sah der ursprüngliche Gesetzesentwurf sogar vor, jegliche Sicherung
oder Tilgung von Krediten durch Lebensversicherungen als steuerschädlich anzusehen
(Bundestags-Drucksache 12/1506, 156). Von dieser Regelung hat der Gesetzgeber u. a im
Hinblick auf die Verwendung von Lebensversicherungen zur Finanzierung des
Mietwohnungsbaus Abstand genommen und statt dessen die unmittelbare und
ausschließliche Verwendung der Darlehensmittel gefordert. Diese unmittelbare und
ausschließliche Verwendung der Darlehensmittel ist jedoch auch dann noch gewahrt,
wenn die Darlehensmittel zunächst auf ein Konto des Steuerpflichtigen überwiesen werden
und dann entsprechend der Vorschrift für die Anschaffung oder Herstellung der dort
genannten Wirtschaftsgüter verwendet werden. Folgerichtig sieht auch die
Finanzverwaltung die Auszahlung der Darlehensmittel auf ein Konto des Steuerpflichtigen
nicht als steuerschädlich an (Tz. 53 des BMF-Schreibens vom 15.6.2000 (BStBl. I 2000,
1118 [1124]).
Für die Frage der unmittelbaren Verwendung der Darlehensmittel ist die Verzinsung
ebenfalls unbeachtlich, denn die Verzinsung der zur Verfügung gestellten Darlehensmittel
steht der unmittelbaren und ausschließlichen Verwendung dieser Mittel für begünstigte
Zwecke nicht entgegen. Dies gilt nach Auffassung des Senates jedenfalls dann, wenn es
sich - wie im Streitfall - um eine kurzfristige Geldanlage handelt. Das in dem Wort
"unmittelbar" zum Ausdruck kommende sachliche Element ist trotz der Vorgehensweise
des Klägers ebenfalls gewahrt, weil die Darlehensmittel ohne Umweg über die
Anschaffung anderer Wirtschaftsgüter oder ohne vorherige Verwendung für
Umschuldungen unmittelbar für die Herstellungskosten verbraucht wurden.
Dass der Kläger die Darlehensmittel aus dem hier streitigen Darlehen erst nach zwei
Monaten für die Begleichung der Herstellungskosten verwendet hat, steht der unmittelbaren
Verwendung im Sinne des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe a) EStG ebenfalls nicht entgegen.
Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Verzögerung nur von kurzer Dauer
und lediglich dadurch bedingt ist, dass Handwerkerrechnungen zu spät erstellt werden
oder Werkleistungen noch nachgebessert werden müssen. Eine Beschränkung des in dem
Wort "unmittelbar" zum Ausdruck kommenden zeitlichen Elementes dahingehend, dass die
Darlehensmittel innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen verwendet werden müssen (vgl.
Tz. 53 des BMF-Schreibens vom 15.6.2000, a.a.O.), ist weder dem Gesetzeswortlaut noch
dem Gesetzeszweck zu entnehmen. Nach dem Gesetzeszweck sollte nur verhindert
werden, dass mit dem durch die Lebensversicherung abgesicherten und zu tilgenden
Darlehen gleichzeitig die Zinsen des Ursprungsdarlehens getilgt oder gesichert werden
(Bundestags-Drucksache 12/1506, 156; Blümich/Hutter, § 10 EStG Tz. 354; siehe oben).
Dafür ist eine zeitliche Beschränkung der Verwendung der Darlehensmittel nicht
erforderlich. Allenfalls könnte aus einer erheblich verzögerten Verwendung der
Darlehensmittel mittelbar geschlossen werden, dass das Darlehen nicht der Anschaffung
oder Herstellung eines der benannten Wirtschaftsgüter dient. Im Streitfall ist die
Verzögerung jedoch so gering, dass eine anderweitige Verwendung nicht nahe liegt. Im
übrigen steht die Auffassung der Finanzverwaltung, der sich der Beklagte angeschlossen
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hat, im Widerspruch zu der Vorgehensweise in Fällen sog. Vorschaltdarlehen. Werden
während einer längeren Investitionsphase, z.B. bei der Herstellung eines Gebäudes, die
Aufwendungen zunächst von einem Baukonto des Steuerpflichtigen bezahlt und erst im
Anschluss daran mit einem policengesicherten Darlehen für die Endfinanzierung abgelöst,
so ist dies nach Auffassung der Finanzverwaltung nicht steuerschädlich, wenn das
Darlehen innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nach Fertigstellung des Gebäudes
aufgenommen wird (BMF a.a.O, Tz. 39). Für die Frage der Unmittelbarkeit der Verwendung
der Darlehensmittel kann es jedoch keinen Unterschied machen, ob das Darlehen vor
Fertigstellung des Gebäude ausgezahlt wird und daraus die Herstellungskosten gezahlt
werden oder ob es nach Fertigstellung ausgezahlt wird und durch die ausgezahlten
Darlehensmittel lediglich das Baukonto im Wege einer langfristigen Finanzierung
ausgeglichen wird. Bezüglich des Zeitraums der Verwendung der Darlehensmittel in
beiden Fällen zu differenzieren erscheint nicht sachgerecht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war zuzulassen, denn sie ist zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115
Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Entscheidung hat wegen der Vielzahl ähnlicher Fälle über den
Einzelfall hinaus auch grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)