Urteil des FG Düsseldorf vom 30.06.2004

FG Düsseldorf (Berechnung der Steuer, Berufliche Tätigkeit, Miteigentumsanteil, Grundstück, Lagerraum, Beendigung, Anschaffungskosten, Unentgeltlich, Gebäude, Unternehmer)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
2
3
4
5
Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 1882/02 E
30.06.2004
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 1882/02 E
Der Einkommensteuerbescheid1998 vom 14.08.2000 in der Fassung der
Einspruchsentscheidung wird dahingehend geändert, dass der
Veräußerungsgewinn um 11.500 DM herabgesetzt wird. Die Berechnung
der Steuer wird dem Beklagten übertragen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d:
Die Kläger sind Miteigentümer zu je 50 % des selbstgenutzten Einfamilienhauses in . Das
Gebäude hatten die Kläger 1983 erworben; der Kaufpreis von 320.000 DM wurde durch
Darlehensmittel finanziert. Darlehensnehmer waren beide Kläger. Die Klägerin ist
Hausfrau; der Kläger war im Streitjahr als Facharzt für Urologie in gemieteten Räumen
selbstständig tätig. Er ermittelte seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Keller des im
Übrigen zu eigenen Wohnzwecken genutzten Einfamilienhauses hatte der Kläger ein
Arbeitszimmer, einen Behandlungsraum (je 7,1 % der gesamten Nutzfläche des Hauses)
und ab 1987 einen Lagerraum (14,16 % der gesamten Nutzfläche) unterhalten. Hierfür hatte
er in den Vorjahren die anteiligen Hauskosten und die AfA als Betriebsausgaben
abgezogen, und zwar für den Behandlungsraum bis 30. 11. 1993, für das Arbeitszimmer bis
31. 12. 1995 und für den Lagerraum von 1987 bis 1998.
Zum 28. 12. 1998 veräußerte er die Praxis für 360.000 DM, wovon 60.000 DM auf die
Einrichtung und 300.000 DM auf den Praxiswert entfielen. Der Kläger erklärte für 1998
einen Veräußerungsgewinn von 375.572 DM.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Aufgabegewinn 1998 sei um den Entnahmewert
des Lagerraums (23.000 DM) zu erhöhen, da sowohl der hälftige Miteigentumsanteil des
Klägers als auch der der Ehefrau notwendiges Betriebsvermögen darstelle. Die dem Kläger
zustehende unentgeltliche Nutzungsbefugnis am Gebäudeanteil der Klägerin sei wie ein
materielles Wirtschaftsgut zu behandeln. Ein Grundstücksteil von untergeordneter
Bedeutung liege nicht vor. Insoweit sei auf die erstmalige eigenbetriebliche Nutzung
abzustellen; zu dem Zeitpunkt habe die Nutzung sich auf alle Kellerräume (28,36 % der
Gesamtnutzfläche) erstreckt. Zum Entnahmezeitpunkt seien 14,14 % betrieblich genutzt
worden; damit ergebe sich eine Gewinnerhöhung um 23.000 DM.
Gegen den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14. 8. 2000 legten die Kläger Einspruch
ein und trugen zur Begründung vor, die Nutzungsbefugnis des Ehemanns sei unentgeltlich
erworben. Die Kosten des Einfamilienhauses seien von beiden Ehegatten zu gleichen
Teilen getragen worden. Bezüglich des Grundstücksanteils des Ehemanns liege ein Fall
von untergeordneter Bedeutung vor.
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
Der Beklagte wies den Einspruch am 4. 3. 2002 zurück. Er führte aus, der Kläger habe
zulässigerweise die AfA auf den betrieblich genutzten Anteil der Ehefrau an den
Kellerräumen in Anspruch genommen. Seine unentgeltliche Nutzungsbefugnis sei wie ein
entgeltlich erworbenes Wirtschaftsgut zu behandeln. Bei Ende der Nutzungsbefugnis
ergebe sich eine Gewinnrealisierung.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger tragen vor,
der Anteil des Kellerraums an der gesamten Nutzfläche betrage 28,36 %; auf den Kläger
entfalle ein Anteil von 14,18 %. Der Gewinn bezüglich des Grundstücksanteils der Ehefrau
sei nicht anzusetzen. Die unentgeltliche Nutzungsbefugnis sei nicht wie ein materielles
Wirtschaftsgut zu behandeln, da der Kläger insoweit keine Kosten getragen habe. Die
Kläger hätten das bebaute Grundstück zu je 1/2 erworben. Die Anschaffungskosten seien
durch Darlehen finanziert worden.
Die Kläger beantragen,
den Einkommensteuerbescheid 1998 vom 14. 8. 2000 und die dazu
ergangene Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass der
Aufgabegewinn um 11.500 DM herabgesetzt wird,
hilfsweise Revisionszulassung.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung,
hilfsweise Revisionszulassung.
Er trägt vor:
Die gesamte Nutzfläche des Gebäudes betrage 175,26 qm. Die beruflich genutzten
Kellerräume, für die der Kläger die AfA in Anspruch genommen habe, hätten ausweislich
der Gewinnermittlung für 1987 24,85 qm betragen. Vor der Einführung des § 8 EStDV durch
das Jahressteuergesetz 1996 seien betrieblich genutzte Grundstücksteile dann nicht zu
aktivieren gewesen, wenn ihr Wert weder mehr als ein Fünftel des Werts des gesamten
Grundstücks noch mehr als 20.000 DM betragen habe. Bei der Prüfung der Fünftelgrenze
sei das Verhältnis der Nutzflächen zu Grunde zu legen. Unter Berücksichtigung eines
ursprünglichen Kaufpreises von 160.000 DM pro Miteigentumsanteil sei der auf den
Ehemann entfallende Anteil nicht von untergeordneter Bedeutung.
So weit der Grundstücksanteil dem Kläger nicht gehöre, habe er ihn von der Klägerin
unentgeltlich zur Nutzung überlassen bekommen. Nach dem BMF-Schreiben vom 5.
November 1996 sei zu differenzieren, ob es sich um Eigenaufwand des Steuerpflichtigen
oder sog. Drittaufwand handle. Dies hänge von der Kostentragung und den getroffenen
Vereinbarungen ab. Übe der Ehegatte keine berufliche Tätigkeit aus und habe keine
eigenen Einkünfte, liege Eigenaufwand des Unternehmer-Ehegatten vor. Dies sei auch hier
der Fall. Die danach ergangene BFH-Rechtsprechung führe zu keinem anderen Ergebnis.
Insoweit sei auf das BFH-Urteil vom 14. Mai 2002 Az. VIII R 30/98 hinzuweisen. Danach
sei derjenige, der die Kosten für ein von ihm betrieblich genutztes und in gemeinsamem
Eigentum der Ehegatten stehendes Gebäude getragen habe, als wirtschaftlicher
Eigentümer anzusehen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und
verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
Zu Unrecht hat der Beklagte für den beruflich genutzten Lagerraum, soweit dieser im
23
24
25
26
Miteigentum der Klägerin steht, einen Entnahmegewinn angesetzt.
Bei der Aufgabe einer freiberuflichen Tätigkeit berechnet sich der Aufgabegewinn nach §
16 Abs. 2 und 3 i.V.m. § 18 Abs. 3 EStG. Als Veräußerungsgewinn ist der Betrag
anzusetzen, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den
Wert des Betriebsvermögens übersteigt. Werden Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens
nicht veräußert, ist der gemeine Wert im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe anzusetzen (§ 16
Abs. 3 Satz 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung).
So weit der beruflich genutzte Lagerraum nicht im Eigentum des Klägers, sondern der
Klägerin als Nichtunternehmerin stand, ist er nicht zum Betriebsvermögen des Klägers zu
rechnen. Dabei ist es unerheblich, ob - entsprechend der Verpflichtung aus dem
Darlehensvertrag - beide Miteigentümer die Kreditverbindlichkeiten zur Anschaffung des
Objekts getragen haben oder ob, wie der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung
dargelegt hat, der Kläger allein die Aufwendungen für den Erwerb des Grundstücks
übernommen hat. Erwerben Eheleute gemeinsam ein Grundstück, ist grundsätzlich davon
auszugehen, dass jeder von ihnen entsprechend seinem Miteigentumsanteil die
Anschaffungs- oder Herstellungskosten getragen hat; diese Zuordnungsvermutung gilt
unabhängig davon, wie viel der einzelne tatsächlich an eigenen Beiträgen geleistet hat
(Meurer in Lademann Komm. zum EStG § 4 Tz. 572). Jeder der Ehegatten ist so
anzusehen, als habe er die auf seinen Anteil entfallenden Kosten selbst getragen (BFH
GrS vom 23. August 1999 GrS 2/97 BFHE 189,160 BStBl II 1999,782). Diese
Zuordnungsvermutung gilt dann allerdings nicht, wenn sich der Steuerpflichtige über
seinen eigenen Miteigentumsanteil hinaus an den Anschaffungskosten beteiligt, weil er
einen Teil des Wirtschaftsgutes unentgeltlich zu betrieblichen oder beruflichen Zwecken
nutzen will. In dem Fall dienen die von ihm aufgewandten Kosten vorrangig der
Finanzierung eines Wirtschaftsgutes, das ausschließlich seinen eigenen beruflichen
Zwecken dient; die auf den beruflich genutzten Anteil entfallenden Aufwendungen werden
im eigenen beruflichen Interesse getragen (BFH GrS vom 23. August 1999 GrS 1/97 BFHE
189,151 BStBl II 1999,778). Dies führt dazu, dass dem Nichteigentümer-Ehegatten zwar die
geleisteten Aufwendungen vorrangig zuzuweisen sind mit der Folge, dass ihm ein Abzug
der Anschaffungskosten im Wege der AfA als Betriebsausgaben zusteht; die
Aufwendungen sind jedoch keinem aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut zuzuordnen (Meurer
aaO. § 4 EStG Tz. 577). Der dem anderen Ehegatten zivilrechtlich zuzurechnende
Miteigentumsanteil ist kein selbstständiges Wirtschaftsgut des nutzenden Nichteigentümer-
Ehegatten, sondern ist als Wirtschaftsgut des anderen Ehegatten anzusehen. Bei
Beendigung der betrieblichen oder beruflichen Nutzung ergeben sich demnach für den
Nichtunternehmer-Ehegatten mangels Einkunftserzielung keine Gewinnauswirkungen, für
den nutzenden Unternehmer-Ehegatten kommt eine Auflösung stiller Reserven mangels
eines eigenen Wirtschaftsgutes des Betriebsvermögens nicht in Betracht.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Entscheidung des BFH vom 14. Mai 2002 (VIII R
30/98 BFHE 199,181 BStBl II 2002,741), auf die der Beklagte sich beruft. Der Kläger ist
nicht als wirtschaftlicher Eigentümer i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO hinsichtlich des ideellen
Miteigentumsanteils der Klägerin anzusehen.
Wirtschaftliches Eigentum des Herstellers kann bei Errichtung eines Gebäudes auf
fremdem Grund und Boden dann gegeben sein, wenn der Hersteller für den Fall der
Nutzungsbeendigung einen zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch gegen den zivilrechtlichen
Eigentümer geltend machen kann (BFH vom 18. Juli 2001 X R 23/99 BFHE 196,145 BStBl
II 2002,281; X R 15/01 BFHE 196,151 BStBl II 2002,278; vom 14. Mai 2002 aaO.). Ein
solcher Ausgleichanspruch ergibt sich aus §§ 951, 812 BGB, wenn der Hersteller das
Gebäude auf Grund eines Nutzungsrechts im eigenen Interesse und ohne
Zuwendungsabsicht errichtet hat (BFH vom 14. Mai 2002 aaO. m.w.N.). Der
Ausgleichsanspruch ist auch zwischen Ehegatten nicht grundsätzlich ausgeschlossen,
denn bei Bauten, die im eigenen Interesse für eigene berufliche Zwecke auf dem im
Miteigentum des Ehegatten stehenden Grundstück errichtet werden, spricht keine
tatsächliche Vermutung für eine Zuwendungsabsicht an den anderen Ehegatten oder für
eine stillschweigende Abbedingung des gesetzlichen Ausgleichsanspruchs (BFH vom 14.
27
28
29
30
31
Mai 2002 aaO.). Im Streitfall kann jedoch nicht von einem Ausgleichsanspruch zwischen
den Ehegatten ausgegangen werden. Dabei kann dahinstehen, ob während einer
bestehenden Zugewinngemeinschaft ein Ehegatte überhaupt einen
Bereicherungsanspruch gegen den anderen geltend machen könnte (vgl. insoweit FG
Düsseldorf Beschluss vom 28. November 2000 10 V 6594/00 A(E) n.v.; BGH vom 3.
Dezember 1975 IV ZR 110/74 BGHZ 65,320 m.w.N.; Lieb in Münchner Kommentar § 812
BGB Tz. 192 f., 216 m.w.N.). Jedenfalls liegen im Streitfall die Voraussetzungen eines
solchen Anspruchs nicht vor.
§ 951 BGB greift vorliegend bereits mangels eines Herstellungsvorgangs auf dem
Grundstück nicht ein. Die Ehegatten haben vielmehr ein bebautes Grundstück angeschafft.
Dass in dem für Praxiszwecke genutzten Raum besondere Einbauten oder Umbauten für
die berufliche Nutzung vorgenommen wurden, ist weder vorgetragen noch nach Aktenlage
ersichtlich; der Raum wurde lediglich als Lagerraum verwendet.
Aber auch aus § 812 BGB lässt sich ein Ausgleichsanspruch zwischen den Ehegatten
nach Beendigung der betrieblichen Nutzung nicht herleiten. Denn mit der Aufgabe der
Nutzung des Raumes für berufliche Zwecke des Klägers ist kein Wegfall des rechtlichen
Grundes für die Nutzungsüberlassung verbunden (§ 812 Abs. 1 S. 2 1. Halbsatz BGB);
zudem ist auch der mit der Nutzungsüberlassung bezweckte Erfolg eingetreten (§ 812 Abs.
1 S. 2 2. Halbsatz BGB). Dadurch, dass der Kläger den Raum für seine Berufstätigkeit
nutzte, hat er zur wirtschaftlichen Existenzgrundlage der ehelichen Lebensgemeinschaft
beigetragen. Mit der Beendigung der Nutzungsüberlassung, die ggf. als konkludent
abgeschlossener Leihvertrag gemäß § 598 BGB angesehen werden könnte, ist der
Rechtsgrund nicht weggefallen. Denn die berufliche Betätigung des Klägers, die er
altersbedingt aufgegeben hat, wirkt sich weiterhin zur gemeinsamen Existenzsicherung der
Kläger aus. Damit ist auch der mit seiner Leistung bezweckte Erfolg eingetreten. Dieser
Zweck ist über viele Jahre bis zur altersbedingten Praxisaufgabe durch den Kläger
verwirklicht worden. Angesichts dessen wäre es lebensfremd, ohne Vorliegen einer
gesonderten Vereinbarung - die im Streitfall gerade nicht abgeschlossen wurde - einen
bereicherungsrechtlichen Ausgleichsanspruch unter den Ehegatten zu bejahen. Ebenso ist
ein Anspruch aus dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage zumindest
während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft ausgeschlossen (so auch für
den Fall der Beendigung der Ehe BGH vom 4. April 1990 IV ZR 42/89 WM 1990,1585; vgl.
auch BGH vom 13. Juli 1994 XII ZR 1/93 BGHZ 127,48 ff.).
Auf die Frage, ob es sich um einen Gebäudeteil von untergeordneter Bedeutung handelt,
kommt es angesichts dessen nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung
zuzulassen.