Urteil des FG Düsseldorf vom 12.02.2004

FG Düsseldorf (Treu Und Glauben, Veröffentlichung des Urteils, Grundstück, Einfamilienhaus, Umbau, Dachgeschoss, Erlass, Zugang, Verkündung, Hauptwohnung)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 11 K 2918/01 BG
12.02.2004
Finanzgericht Düsseldorf
11. Senat
Urteil
11 K 2918/01 BG
Der Artfortschreibungsbescheid und der Wertfortschreibungsbescheid auf
den 01.01.1992 vom 08.07.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 20.04.2001 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages
abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Beklagte eine Art- und Wertfortschreibung auf den 01.01.1992 wegen
baulicher Veränderungen vornehmen durfte.
Der Kläger erwarb im Jahre 1980 das unbebaute Grundstück in (Grundbuch , Blatt ,
Gemarkung Flur , Flurstück ). Auf diesem Grundstück errichtete der Kläger im Jahre 1983
ein Wohnhaus. Das Erdgeschoss des Wohnhauses wurde in vollem Umfang eigengenutzt
und das erste Obergeschoss zum Teil eigengenutzt (41 m²) und zum Teil fremdvermietet
(27 m²). Der Beklagte erließ am 15.06.1984 einen Einheitswertbescheid über die Wert- und
Artfortschreibung auf den 01.01.1984. Der Bescheid wurde nach Ablauf der Einspruchsfrist
bestandskräftig. Darin stellte der Beklagte den Einheitswert des Grundstücks auf 72.300
DM fest und führte eine Artfortschreibung zum Zweifamilienhaus durch.
Zum 01.01.1994 fiel die Grundsteuervergünstigung nach dem zweiten
Wohnungsbaugesetz weg. Der Beklagte führte daraufhin mit Bescheid vom 19.08.1993
eine Wertfortschreibung auf den 01.01.1994 durch. Der Einheitswert für das Grundstück
wurde auf 64.600 DM festgestellt. Eine Änderung der Grundstücksart erfolgte nicht.
Im Jahre 1999 informierte der Veranlagungsbezirk des Beklagten die Bewertungsstelle
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darüber, dass der Kläger im Jahre 1991 das Dachgeschoss des Grundstücks ausgebaut
und die Einliegerwohnung dorthin verlegt hatte. Die Hauptwohnung erstreckt sich seitdem
über das Erdgeschoss und das gesamte Obergeschoss. Im Rahmen einer Ortsbesichtigung
stellte die Bewertungsstelle des Beklagten fest, dass die Einliegerwohnung im
Dachgeschoss abgeschlossen ist und alle erforderlichen Einrichtungen enthält, die
Hauptwohnung jedoch nicht abgeschlossen ist, da der Wohnbereich der Hauptwohnung
(Treppenhaus) genutzt werden muss, um die Dachgeschosswohnung zu erreichen. Die
Raumaufteilung ist den Grundrissplänen des Hauses zu entnehmen, auf die Bezug
genommen wird (s. Bewertungsakte des Beklagten).
Der Beklagte führte daraufhin eine Wert- und Artfortschreibung auf den 01.01.1992 durch.
Mit Einheitswertbescheid vom 08.07.1999 stellte er den Einheitswert auf 101.700 DM fest
und führte eine Artfortschreibung zum Einfamilienhaus durch. In den Erläuterungen des
Einheitswertbescheides wies der Beklagte darauf hin, dass der Einheitswertbescheid nach
Ablauf der Feststellungsfrist ergangen sei. Die steuerliche Wirkung trete deshalb erst auf
den 01.01.1995 ein (§ 21 Abs. 3 Bewertungsgesetz - BewG -). Sei im Zeitpunkt des
Ergehens des Einheitswertbescheides die Feststellungs-/Festsetzungsfrist eines
Folgebescheides noch nicht abgelaufen, sei die Einheitswertfeststellung diesem
Folgebescheid zugrunde zulegen, auch wenn er einen Zeitpunkt vor dem 01.01.1995
betreffe (§ 181 Abs. 5 Abgabenordung - AO-). Auf den 01.01.1994 erließ der Beklagte einen
berichtigten Wertfortschreibungsbescheid, der als Einheitswert 72.300 DM auswies und als
Grundstücksart Einfamilienhaus.
Im Jahre 2000 veräußerte der Kläger das zu bewertende Grundstück an die Beigeladenen.
Gegen den Wert- und Artfortschreibungsbescheid auf den 01.01.1992 vom 08.07.1999
legte der Kläger am 13.07.1999 Einspruch ein.
Zur Begründung trägt der Kläger vor, dem Beklagten sei der Umbau des zu bewertenden
Grundstücks bereits im Jahre 1992 bekannt gewesen. Im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagung für das Kalenderjahr 1991 habe der Beklagte um Vorlage
von Bauplänen und Grundrisszeichnungen gebeten. Diese seien mit Schreiben vom
24.05.1992 zugesandt worden. Daraufhin sei weiterhin von einem Zweifamilienhaus
ausgegangen worden. Es käme somit allenfalls eine fehlerbeseitigende Fortschreibung
nach § 22 Abs. 3 BewG in Betracht. Maßgebender Feststellungszeitpunkt sei demnach der
01.01.1999 und nicht der 01.01.1992.
Im Übrigen sei die Artfortschreibung auf den 01.01.1984 zum Zweifamilienhaus unter
Zugrundelegung der BFH-Rechtsprechung vom 05.10.1984 zum neuen Wohnungsbegriff
falsch gewesen. Nach dieser Rechtsprechung liege ab dem Feststellungszeitpunkt
01.01.1974 eine Wohnung nur noch dann vor, wenn sie baulich abgeschlossen sei und
einen eigenen Zugang habe.
Mit Einspruchsentscheidung vom 20.04.2001 wies der Beklagte den Einspruch des Klägers
als unbegründet zurück. Das Grundstück sei zutreffend zum 01.01.1992 als
Einfamilienhaus bewertet worden. Denn das Wohnhaus des Klägers habe zum Stichtag
nur noch eine Wohnung enthalten. Zum Begriff der Wohnung habe der BFH in ständiger
Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass darunter die Zusammenfassung einer
Mehrheit von Räumen zu verstehen sei, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein
müssten, dass sie die Führung eines selbstständigen Haushaltes ermöglichen. Der BFH
habe dann in der Entscheidung vom 15.10.1984 (III R 192/83, BStBl. II 1985, 151) einzelne
Merkmale dieses Wohnbegriffs enger gefasst (neuer Wohnungsbegriff). Diese
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Rechtsgrundsätze seien bei Errichtung, Umbau und Erweiterung von Gebäuden
anzuwenden, sofern der Antrag auf Baugenehmigung oder die Bauanzeige nach dem
31.12.1985 erfolgte (Erlass FinMin NW vom 15.05.1985, S3198-8-VA 4, BStBl. I 1985,
201). Die Baumaßnahmen seien im Jahr 1991 durchgeführt worden, sodass der neue
Wohnungsbegriff gelte. Danach sei die Einliegerwohnung im Dachgeschoss zwar
abgeschlossen, um sie zu erreichen müsse jedoch der Wohnbereich der im Erd- und
Obergeschoss gelegenen Hauptwohnung benutzt werden. Es lägen somit keine zwei
abgeschlossenen Wohnungen vor. Die neue Rechtsprechung des BFH impliziere nicht
gleichzeitig die Feststellung, dass die bisherige Beurteilung "falsch" gewesen sei. Sie habe
lediglich zur Folge, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt tatsächliche Gegebenheiten zu
einer anderen Folge führten. Von daher sei eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung auf
den 01.01.1999 nicht zulässig, da diese einen klarliegenden, einwandfrei feststellbaren
Fehler oder Rechtsirrtum zur Voraussetzung habe. Die Tatsache, dass die neue
Raumaufteilung dem Veranlagungsbezirk zum Zeitpunkt der Wertfortschreibung auf den
01.01.1994 bekannt gewesen sei, könne nicht der für die Feststellung des Einheitswertes
und der Grundstücksart zuständigen Bewertungsstelle angerechnet werden. Eine
Anrechnung der Kenntnis erfolge nur bei den Stellen, die nach ihrem Aufgabenbereich
zusammenwirken und Kenntnisse austauschen müssten. Erst durch die Mitteilung des
zuständigen Veranlagungsbezirks in 1999 und des darin anschließenden Ortstermins habe
die Bewertungsstelle von der Umbaumaßnahme Kenntnis erlangt.
Der Kläger hat am 17.05.2001 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, der Beklagte gehe fehlerhaft davon aus, dass die in 1991
erfolgten Baumaßnahmen auslösend für die ("Nachholung" der) Art- und
Wertfortschreibung zum 01.01.1992 gewesen seien. Zum Feststellungszeitpunkt
01.01.1984 hätten keine zwei abgeschlossenen Wohnungen vorgelegen. Dies hätte der
Beklagte bei Erlass des Einheitswertbescheides auf den 01.01.1984 auf Grund der damals
eingereichten Bauunterlagen gewusst oder zumindest wissen müssen. Unmaßgeblich sei,
dass die klarstellende BFH-Rechtsprechung zum Wohnungsbegriff erst am 05.10.1984
erfolgt sei. Diese BFH-Rechtsprechung bestätige lediglich die Auffassung der
Finanzverwaltung, die auch bei Erlass des Einheitswertbescheides auf den 01.01.1984
hätte zu Grunde gelegt werden müssen. Der Umstand, dass die Finanzverwaltung sich
eine Selbstbeschränkung derart auferlegt habe, dass die Grundsätze der BFH-
Rechtsprechung vom 05.10.1984 erst bei Errichtung, Umbau und Erweiterung von
Gebäuden anzuwenden seien, wenn der Antrag auf Baugenehmigung oder die
Bauanzeige nach dem 31.12.1985 gestellt worden sei, binde allenfalls die
Finanzverwaltung bei einer Verböserung für den Steuerpflichtigen (§ 176 AO), nicht jedoch
den Steuerpflichtigen. Da der Einheitswertbescheid vom 01.01.1984 somit einen Fehler in
der rechtlichen Beurteilung über die Einordnung der Grundstücksart enthalte, könne der
Beklagte nur eine fehlerbeseitigende Fortschreibung auf den Fortschreibungszeitpunkt
01.01.1999 durchführen.
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei eine fehlerbeseitigende Fortschreibung nicht
nur zulässig, wenn die ursprüngliche Feststellung einen klarliegenden, einwandfrei
feststellbaren Fehler oder Rechtsirrtum zur Voraussetzung habe, sondern nach neuerer
Rechtsprechung des BFH bei allen Fehlern, also sowohl Fehlern in der rechtlichen
Beurteilung als auch tatsächliche Unrichtigkeiten. Auf die Offenkundigkeit des Fehlers
komme es nicht an.
Der Beklagte verkenne außerdem, dass die Voraussetzungen für eine Wertfortschreibung
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und eine Artfortschreibung jeweils gesondert zu prüfen seien. Eine Artfortschreibung könne
entweder auf Grund von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse oder als sog.
fehlerbeseitigende Artfortschreibung durchgeführt werden. Ob eine Artfortschreibung auf
Grund von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse durchzuführen sei, sei im
vorliegenden Fall davon abhängig, ob die durchgeführten baulichen Änderungen
tatsächlich zu einer Artfortschreibung geführt hätten, wenn die ursprüngliche Feststellung
der Grundstücksart zum 01.01.1984 zutreffend erfolgt wäre. Im Streitfall hätte zum
01.01.1984 eine Artfeststellung als Einfamilienhaus durchgeführt werden müssen. Die in
1991 durchgeführte bauliche Veränderung hätte dann unstreitig nicht zu einer
Artfortschreibung "Einfamilienhaus" oder einer anderen Grundstücksart geführt. Die
fehlerhafte Artfeststellung "Zweifamilienhaus" könne somit nicht auf Grund der Änderung
von tatsächlichen Verhältnissen berichtigt werden. Die fehlerbeseitigende Artfortschreibung
gehe der Artfortschreibung auf Grund von Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse als
Spezialvorschrift vor, da die fehlerbeseitigende Wertfortschreibung ansonsten keinen
Anwendungsbereich neben der Artfortschreibung auf Grund von Änderungen der
tatsächlichen Verhältnisse hätte. Allein der Umbau der ehemaligen Einliegerwohnung zum
Arbeitszimmer zum 01.07.1991 hätte - entgegen der Ansicht des Beklagten - nicht zu einer
Artfortschreibung zum Einfamilienhaus geführt. Denn die Nutzung als Arbeitszimmer stelle
keine wohnfremde Nutzung dar.
Unabhängig von der Frage der Feststellung der Art des Grundstücks sei zu prüfen, ob nicht
zum 01.01.1992 eine Wertfortschreibung durchzuführen sei. Durch den Ausbau des
Dachgeschosses habe sich die Jahresrohmiete (einschließlich Zuschlag zur
Grundsteuervergünstigung) auf 8.625 DM und der Einheitswert bei einem Vervielfältiger
von 11,8 (für Einfamilienhäuser) auf 101.700 DM bzw. bei einem Vervielfältiger von 10,5
(für Zweifamilienhäuser) auf 90.500 DM erhöht. Die Wertfortschreibungsgrenzen des
§ 22 Abs. 1 BewG seien somit in beiden Fällen überschritten. Dieser Wertfortschreibung
stehe aber ebenso wie der Artfortschreibung auf den 01.01.1992 der Grundsatz von Treu
und Glauben entgegen. Dem Veranlagungsbezirk des Beklagten sei seit dem 24.05.1992
bekannt, dass und welche Umbaumaßnahmen in 1991 durchgeführt worden seien. Erst
nach sieben Jahren sei die Bewertungsstelle von den Umbaumaßnahmen unterrichtet
worden. Dies verbiete eine Rückwirkung auf den 01.01.1992.
Außerdem hätte spätestens bei Durchführung der Wertfortschreibung auf den 01.01.1994
wegen des Wegfalls der Grundsteuervergünstigung unter Zugrundelegung der BFH-
Rechtsprechung vom 05.10.1984 eine Artfortschreibung durchgeführt werden müssen, da
der Beklagte zu diesem Zeitpunkt Kenntnis von den Baumaßnahmen erlangt hätte bzw. im
Rahmen eines pflichtgemäßen durchzuführenden Ermittlungsverfahrens hätte erlangen
müssen. Die Behauptung des Beklagten, die Kenntnis des Veranlagungsbezirks können
nicht der zuständigen Bewertungsstelle zugerechnet werden, könne nicht nachvollzogen
werden. Beim Beklagten scheine ein reger Austausch von Kenntnissen zwischen
Veranlagungsstelle und Bewertungsstelle üblich zu sein. Dies sei sicherlich auf eine
innerdienstliche Anweisung zurückzuführen. Sollte diese - wie vermutet - tatsächlich
bestehen, habe ein Austausch von Kenntnissen erfolgen müssen, sodass die im Rahmen
der Einkommensteuerveranlagung 1991 erlangten Kenntnisse auch der Bewertungsstelle
zuzurechnen seien. Bedeutsam sei auch, ob der/die Sachgebietsleiter/in gleichzeitig für
Veranlagungsstelle und Bewertungsstelle zuständig gewesen sei (vgl. Tipke/Kruse, AO-
Kommentar, § 173 Rd.Nr. 38).
Der Kläger beantragt,
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die Einspruchsentscheidung vom 20.04.2001 und den Einheitswertbescheid auf den
01.01.1992 vom 08.07.1999 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Zur Begründung führt der Beklagte aus, es sei im vorliegenden Fall unerheblich, ob die
zum 01.01.1984 getroffene Feststellung zutreffend oder unzutreffend sei. Denn nach
Durchführung von erheblichen Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse etwa durch
Abriss, Neubau, Umbau, Aufstockung, Ausbau oder ggf. auch nach Nutzungsänderungen,
sei eine Artfortschreibung wegen der Änderung von tatsächlichen Verhältnissen
durchzuführen. Im Jahre 1991 seien erhebliche Veränderungen an dem Gebäude
vorgenommen worden. So habe sich nach dem Umbau eine komplett eigengenutzte
Raumeinheit im Erd- und Obergeschoss sowie eine neu vermietete Raumeinheit im
Dachgeschoss befunden. Bei dieser Artfortschreibung, die u. a. auf Grund des
Wohnflächenzugangs auch mit einer Wertfortschreibung verbunden worden sei, müsse
selbstverständlich die Rechtsprechung des BFH zum neuen Wohnungsbegriff angewendet
werden. Der Kläger solle sich die Frage stellen, was bewertungsrechtlich zu veranlassen
sei, wenn das bisherige zum 01.01.1984 als Zweifamilienhaus bewertete Gebäude Anfang
1991 abgerissen und noch im gleichen Jahr durch den Neubau des nunmehr vorhandenen
Gebäudes ersetzt worden sei. Nach seiner Argumentation hätte dieser Neubau trotz des
Fehlens von zwei abgeschlossenen Wohnungen als Zweifamilienhaus bewertet werden
müssen, weil die Voraussetzungen für eine Artfortschreibung wegen Änderung der
tatsächlichen Verhältnisse auf Grund der nach seiner Ansicht fehlerhaften Bewertung zum
01.01.1984 nicht erfüllt gewesen seien. Der erstmalige Ausbau des Dachgeschosses zu
Wohnzwecken und die Umgestaltung der früheren Raumeinheiten stehe einem Neubau
gleich. Eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung wäre im vorliegenden Fall nur dann
möglich gewesen, wenn keine baulichen Veränderungen und Nutzungsänderungen im
Jahre 1991 durchgeführt worden wären.
Zusätzlich sei darauf hinzuweisen, dass die dem Dachgeschossausbau vorausgegangene
Umgestaltung der ehemaligen Einliegerwohnung zum Arbeitszimmer allein schon zur
Artfortschreibung zum Einfamilienhaus auf den 01.01.1992 geführt hätte und zwar
unabhängig von der Frage der geänderten Rechtsprechung des BFH zum
Wohnungsbegriff. Es könne nicht ernsthaft behauptet werden, dass bei einem Anteil des
Arbeitszimmers in Höhe von mehr als 90 % an der Gesamtfläche der ehemaligen zweiten
Wohnung keine wohnfremde Nutzung vorliegen würde.
Der Kläger könne sich auch nicht auf ein Fortschreibungsverbot wegen Treu und Glauben
berufen. Maßgeblich für die Durchführung einer Art- oder Wertfortschreibung sei allein der
Kenntnisstand der zur Bearbeitung der Einheitsbewertung berufenen Person, hier also der
Sachbearbeiterin, der für den Bereich zuständigen Bewertungsstelle sowie ggf. der
Mitarbeiter/in. Ein Vertrauensbruch durch die Bewertungsstelle und damit ein Verstoß
gegen den Grundsatz von Treu und Glauben könne dieser deshalb nicht vorgeworfen
werden, weil die für die Feststellung der Grundstücksart allein zuständige Stelle vor 1999
keine Kenntnis von den erheblichen Umgestaltungen des Gebäudes gehabt habe. Die
verspätete Benachrichtigung der zuständigen Bewertungsstelle durch die
Veranlagungsstelle habe lediglich zur Folge, dass wegen Eintritts der Verjährung die
notwendigen und für den Kläger negativen Folgewirkungen im Bereich der
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Einkommensteuerveranlagungen erst ab einem späteren Zeitpunkt berücksichtigt werden
könnten. Die verspätete Kontaktaufnahme zwischen der Veranlagungsstelle und der
Bewertungsstelle sei für den Kläger vorteilhaft und könne keinen Verstoß gegen Treu und
Glauben bedeuten. Ein Änderungsverbot nach § 173 AO scheide aus, da der
Einheitswertbescheid auf den 01.01.1994 nicht Gegenstand des Klageverfahrens sei.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Artfortschreibungsbescheid auf den 01.01.1992 vom 08.07.1999 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2001 ist rechtswidrig und verletzt den
Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung - FGO). Denn der
Beklagte durfte keine Artfortschreibung auf den 01.01.1992 durchführen. Die Artfeststellung
"Zweifamilienhaus" auf den 01.01.1984 war fehlerhaft. Dieser Fehler kann nur durch eine
fehlerbeseitigende Artfortschreibung im Sinne des § 22 Abs. 3 BewG berichtigt werden.
Fortschreibungszeitpunkt ist gem. § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2, 1. Halbsatz BewG der Beginn
des Kalenderjahres, in dem der Fehler dem Beklagten bekannt wurde, dies ist nicht der
01.01.1992. Eine Artfortschreibung wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse konnte
nicht auf den 01.01.1992 durchgeführt werden (§ 22 Abs. 2 und Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG).
Denn die Änderung der tatsächlichen Verhältnisse durch den Dachausbau und die
Verlegung der Einliegerwohnung vom 1. Obergeschoss in das Dachgeschoss hat objektiv
nicht zu einer Änderung der Grundstücksart geführt. Das zu bewertende Grundstück war
vor der Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ein Einfamilienhaus im Sinne des § 75
Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 5 BewG und ist auch noch nach der Änderung als Einfamilienhaus zu
bewerten. Somit war nicht der Umbau kausal für die Artfortschreibung auf den 01.01.1992,
sondern die fehlerhafte Artfeststellung auf den 01.01.1984.
Die Artfeststellung "Zweifamilienhaus" auf den 01.01.1984 war fehlerhaft. Das Grundstück
des Klägers wäre zum 01.01.1984 als Einfamilienhaus zu bewerten gewesen, denn es
enthielt an diesem Stichtag nur eine Wohnung (§ 75 Abs. 5 Satz 1 BewG). Nach dem
Wortlaut des § 75 Abs. 5 und 6 BewG ist für die Artfeststellung Einfamilienhaus oder
Zweifamilienhaus entscheidend, wie viele Wohnungen das Grundstück enthält.
Einfamilienhäuser sind Wohngrundstücke, die nur eine Wohnung (§ 75 Abs. 5 Satz 1
BewG), Zweifamilienhäuser solche, die zwei Wohnungen (§ 75 Abs. 6 Satz 1 BewG)
enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist eine Wohnung
eine Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen
sein müssen, dass die Führung eines selbstständigen Haushalts möglich ist. Ferner gehört
zum Begriff der Wohnung, dass sie gegen andere Wohnungen und Wohnräume
abgeschlossen ist und einen selbstständigen Zugang aufweist. Grundsätzlich erfordert die
Annahme einer Wohnung das Vorhandensein der notwendigen Nebenräume, wie Küche,
Toilette und eine besondere Waschgelegenheit (vgl. BFH-Urteil vom 05.10.1984 III R
192/83, BStBl II 1985, 151 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Ausgehend von diesen Grundsätzen reichte es nach der früheren Rechtsprechung des
BFH aus, dass sich die Zusammenfassung mehrerer Räume zueinander, aus ihrer
Zweckbestimmung und der dieser Zweckbestimmung entsprechenden tatsächlichen
Nutzung ergab. Erforderlich war jedoch, dass die Küche entsprechend eingerichtet war und
tatsächlich als solche genutzt wurde. Ein baulicher Abschluss und ein eigener Zugang
wurden bisher nicht als unabdingbares Merkmal angesehen, wenn tatsächlich ein
selbstständiger Haushalt in den Räumen geführt wurde und die bauliche Gestaltung eine
ungestörte Haushaltsführung zu ließ (alter Wohnungsbegriff) (vgl. BFH-Urteil vom
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25.10.1985 III R 31/81, BStBl II 1986, 278 und vom 05.10.1984 III R 192/83, a.a.O.).
Diese Rechtsprechung hat der BFH in seinem Urteil vom 05.10.1984 (III R 192/83)
aufgegeben. Für Feststellungszeitpunkte ab dem 01.01.1974 hält der BFH es nunmehr für
erforderlich, dass die Räume einer Wohnung von anderen Wohnungen oder Räumen,
insbesondere Wohnräumen, baulich getrennt sind und eine in sich abgeschlossene
Wohneinheit bilden. Es muss ein eigener Zugang bestehen (neuer Wohnungsbegriff) (vgl.
BFH-Urteil vom 05.10.1984 III R 192/83, a.a.O.).
Nach allgemeinen Grundsätzen war die in 1984 verschärfte Rechtsprechung bei allen im
Zeitpunkt der Urteilsverkündung offenen bewertungsrechtlichen Feststellungen sowie bei
Fortschreibungen in den Grenzen des § 22 Abs. 3 Satz 2 und 3 BewG zu berücksichtigen.
Dies hatte zur Folge, dass Wohngrundstücke, die im Laufe des Jahres 1973 oder später
bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut wurden und nach dem alten Wohnungsbegriff
als Zweifamilienhaus bewertet worden sind, bei gleicher Baugestaltung nunmehr als
Einfamilienhäuser zu bewerten waren. Da die Ein- und Zweifamilienhäuser wegen der
ertragsteuerlichen Konsequenzen bis 1984 baulich so gestaltet worden waren, dass sie
nach dem alten Wohnungsbegriff die Voraussetzungen für ein Ein- oder Zweifamilienhaus
noch erfüllten, beeinflusste die Rechtsprechung zum neuen Wohnungsbegriff in einer
großen Anzahl von Fällen nachteilig die im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH zum
alten Wohnungsbegriff getroffenen Dispositionen. Die Finanzminister (-senatoren) der
Länder haben daher durch gleichlautenden Ländererlass vom 15.05.1985 (BStBl I 1985,
201) festgelegt, dass die Rechtsprechung zum neuen Wohnungsbegriff erst auf Gebäude
anzuwenden ist, für deren Errichtung oder Umbau der Bauantrag oder die Bauanzeige
nach dem 31.12.1985 erfolgte oder falls für deren Umbau ein Bauantrag oder eine
Bauanzeige nicht erforderlich war, wenn die Baumaßnahme erst nach dem 31.12.1985
beendet war. Diese Übergangsregel kann im gerichtlichen Verfahren nicht berücksichtigt
werden. Der BFH hat in seinem Beschluss vom 06.08.1986 (II B 35/86) entschieden, dass
der Ländererlass vom 15.05.1985 eine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des § 163 AO
darstellt. Da § 20 Satz 2 BewG in der damals gültigen Fassung die Anwendung des § 163
AO bei der Ermittlung des Einheitswertes ausschloss, konnten Billigkeitsmaßnahmen nur
bei den Folgesteuern, für die die Artfeststellung maßgebend ist, berücksichtigt werden.
Dieser Beschluss wurde nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Außerdem wurde der
Ländererlass vom 15.05.1985 nicht zurückgenommen, mit der Folge, dass die
Finanzverwaltung den Ländererlass materiellrechtlich weiter anwenden musste. Erst im
Jahre 1992 ergänzte der Gesetzgeber § 20 Satz 2 BewG dahingehend, dass im
Bewertungsrecht Übergangsregeln, die die obersten Finanzbehörde eines Landes im
Einvernehmen mit den Obersten Finanzbehörden der übrigen Länder trifft, erlassen werden
dürfen (§ 20 Satz 2, 2. Halbsatz BewG). Ab dem 01.01.1993 war somit der Ländererlass
vom 15.05.1985 bei allen - auch bereits anhängigen - gerichtlichen Entscheidungen zu
berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall richtet sich die Frage, ob das Grundstück eine oder zwei Wohnungen
enthielt, nach dem neuen Wohnungsbegriff. Denn das Grundstück wurde im Jahre 1983
und damit nach dem 01.01.1974 bebaut. Die Übergangsregel im Ländererlass vom
15.05.1985 ist nicht anwendbar, da der Ländererlass erst nach Bestandskraft des
Artfortschreibungsbescheides auf den 01.01.1984 ergangen ist und § 20 Satz 2 BewG zum
Zeitpunkt des Erlasses und des Eintritts der Bestandskraft des
Artfortschreibungsbescheides auf den 01.01.1984 keine Billigkeitsmaßnahme im Sinne des
§ 163 AO bei der Einheitsbewertung zuließ. Der spätere Erlass des 2. Halbsatzes des § 20
Satz 2 BewG hat keine Auswirkung auf den bereits bestandskräftigen, rechtswidrigen
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Artfeststellungsbescheid.
Nach dem neuen Wohnungsbegriff ist das Grundstück des Klägers ein Einfamilienhaus.
Die beiden Wohneinheiten auf dem Grundstück des Klägers sind nicht eindeutig baulich
voneinander getrennt und verfügen nicht über einen eigenen Zugang. Die beiden
Wohneinheiten können nur durch die gemeinsame Haustüre im Erdgeschoss betreten
werden. Von der anschließenden Diele (Windfang) konnte sowohl der Wohnbereich des
Klägers durch zwei Türen als auch die Wendeltreppe zum 1. Obergeschoss betreten
werden. Die Treppe führte im 1. Obergeschoss in einen Flur, von dem zwei Türen zum
Wohnbereich des Klägers und eine Türe zur Einliegerwohnung abgingen. Die Diele im
Erdgeschoss, die Treppe und der Flur im 1. Obergeschoss dienten somit der Wohnung des
Klägers als Verkehrsfläche und der Einliegerwohnung als Zugangsfläche. Damit war die
Wohnung des Klägers gegenüber der Einliegerwohnung baulich nicht abgeschlossen, so
dass das Grundstück nur eine Wohnung enthielt (vgl. BFH-Urteil vom 20.09.2000 II R 7/99,
BFH/NV 2001 428 und vom 24.04.1991 II R 106/89, BFH/NV 1992, 370).
Die Artfeststellung "Zweifamilienhaus" auf den 01.01.1984 war somit rechtswidrig.
Unerheblich ist, dass das Urteil des Bundesfinanzhof vom 05.10.1984 (III R 192/83) erst
nach Bestandskraft des Artfortschreibungsbescheides auf den 01.01.1984 vom 15.06.1984
verkündet wurde. Das Urteil offenbarte die rechtswidrige Bewertungspraxis der
Finanzverwaltung.
Die Grundstücksart "Einfamilienhaus" blieb durch den Ausbau des Dachgeschosses und
die Verlegung der Einliegerwohnung in das Dachgeschoss unverändert. Die
Einliegerwohnung im Dachgeschoss und die Wohneinheit des Klägers waren nicht
eindeutig baulich voneinander getrennt und verfügen nicht über einen eigenen Zugang.
Der Zugang zu beiden Wohnungen erfolgte nach wie vor durch die gemeinsame Haustüre.
Von der anschließenden Diele konnte sowohl der Wohnbereich des Klägers durch zwei
Türen als auch die Wendeltreppe zum 1. Obergeschoss und zum Dachgeschoss betreten
werden. Die Diele im Erdgeschoss und die Treppe dienten somit als Verkehrsfläche der
Wohnung des Klägers und als Zugangsfläche zur Einliegerwohnung. Das Grundstück
enthielt somit unabhängig davon, ob die Dachgeschosswohnung als eigene Wohnung
anzusehen ist, nur eine Wohnung.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann im vorliegenden Fall keine Artfortschreibung
wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse gem. § 22 Abs. 2 in Verbindung mit § 22
Abs. 4 Nr. 1 BewG durchgeführt werden. Zwar stellen der Ausbau des Dachgeschosses
und die Verlegung der Einliegerwohnung eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse
dar. Diese Veränderungen haben die Artfortschreibung auf den 01.01.1992 aber nicht
kausal verursacht. Denn - wie bereits oben dargestellt - führten sie nicht zu einer Änderung
der Grundstücksart. Das Grundstück des Klägers war vor und nach dem
Dachgeschossausbau und der Verlegung der Einliegerwohnung ein Einfamilienhaus. Die
Artfortschreibung war somit alleine die Folge der fehlerhaften Feststellung
"Zweifamillienhaus" auf den 01.01.1984. Da die Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung und
die Fortschreibung wegen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse nach ständiger
Rechtsprechung selbstständig nebeneinander stehen (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.1998 II R
5/96, BFH/NV 1998, 1070; Rössler/Troll, BewG Kommentar, § 22 Rd.Nr. 82 mit weiteren
Nachweisen aus der Rechtsprechung), kann eine Fortschreibung die alleine auf einem
Fehler beruht, nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 3 und 4 Nr. 2 BewG erfolgen.
Die Artfortschreibung musste somit zu Beginn des Kalenderjahres erfolgen, in dem der
Fehler dem Finanzamt bekannt wurde (§ 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2, 1. Halbsatz BewG). Der
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Fehler wurde dem Beklagten nicht im Jahre 1992 bekannt, sondern frühestens bei der
erneuten Bearbeitung des Steuerfalles im Jahre 1993 (bei Erlass des
Wertfortschreibungsbescheides auf den 01.01.1994).
Die Verkündung oder Veröffentlichung des BFH-Urteils vom 05.10.1984 (III R 192/83) führt
nicht zum Bekanntwerden des Fehlers (a.A. wohl Rössler/Troll, a.a.O., § 22 Rd.Nr. 78), so
dass es dahingestellt bleiben kann, ob das Finanzamt eine auf den 01.01.1985 (nach
Verkündung des Urteils) oder auf den 01.01.1986 (nach Veröffentlichung des Urteils)
durchzuführende Artfortschreibung mit Wirkung ab dem 01.01.1992 (§ 181 Abs. 5 AO)
unmittelbar auf den Stichtag 01.01.1992 durchgeführt hat. Denn durch die Verkündung oder
Veröffentlichung des Urteils vom 05.10.1984 hat das Finanzamt lediglich die Möglichkeit
abstrakt Kenntnis zu nehmen, dass die durchgeführte Bewertungspraxis unzutreffend war.
Diese Möglichkeit einer abstrakten Kenntnisnahme einer Fehlerquelle führt nicht zur
konkreten Kenntnis eines Fehlers im Sinne des § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2, 1. Halbsatz BewG.
Denn § 22 Abs. 3 und 4 BewG stellen - wie alle Berichtigungsvorschriften -
Voraussetzungen für die Berichtigung von konkreten Steuerbescheiden auf. Das
Bekanntwerden erfordert deshalb und nach dem Wortsinn eine positive Kenntnis des
Fehlers im Einzelfall bzw. das positive Erkennen, dass im Einzelfall möglicherweise ein
Fehler vorliegt. Anhaltspunkte dafür, dass die Bewertungsstelle des Beklagten zum
Zeitpunkt der Verkündung oder Veröffentlichung des Urteils gewusst hat, dass im
vorliegenden Fall fälschlicherweise der alte Wohnungsbegriff angewendet worden war und
dies darüber hinaus auch zu einem Fehler geführt hat, sind aus der Akte nicht erkennbar
und wurden auch nicht vorgetragen.
Die Klage ist auch bezüglich des Wertfortschreibungsbescheides auf den 01.01.1992 vom
08.07.1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.04.2001 begründet.
Die Wertfortschreibung auf den 01.01.1992 konnte nicht mehr durchgeführt werden, da der
Beklagte zeitlich früher, nämlich am 19.03.1993, bereits eine Wertfortschreibung auf den
01.01.1994 durchgeführt hat. Nach ständiger Rechtsprechung und nach der herrschenden
Meinung in der Literatur hat der Beklagte durch die Wertfortschreibung auf den 01.01.1994
zum einen den Einheitswert auf den 01.01.1994 festgestellt und zum anderen negativ
festgestellt, dass eine Wertfortschreibung auf einen vorangegangenen Stichtag nicht
durchgeführt wird (vgl. BFH-Urteil vom 16.01.1959 III R 96/58 U, BFHE 68, 386, BStBl III
1959, 150; BFH-Urteil vom 24.04.1985 II S 4/85, BFH/NV 1986, 46 zur
Zurechnungsfortschreibung; FG Baden-Württemberg - Urteil vom 28.06.1994 8 K 27/94,
EFG 1995, 301 zur Artfortschreibung; Gürsching/Stenger, BewG/VStG Kommentar, § 22
Rd.Nr. 105; Kreutzinger/Lindberg/Schaffener, BewG Kommentar, 1. Auflage, § 22 Rd.Nr. 6).
Eine Wertfortschreibung auf einen früheren Zeitpunkt kann nur dann noch durchgeführt
werden, wenn das Finanzamt sich dies ausdrücklich vorbehalten hat (vgl.
Gürsching/Stenger, BewG/VStG Kommentar, § 22 Rd.Nr. 105). Dies hat der Beklagte bei
Erlass des Bescheides auf den 01.01.1994 nicht getan.
Entgegen der Ansicht des Beklagten kann der Erlass des Wertfortschreibungsbescheides
auf den 01.01.1992 nicht auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützt
werden, der nach den §§ 180 Abs. 1 Nr. 1 und 181 Abs. 1 Satz 1 AO sinngemäß für die
gesonderte Feststellung von Einheitswerten gilt. Nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ist ein
Steuerbescheid zu erlassen, wenn ein Ereignis, das steuerliche Rückwirkung für die
Vergangenheit hat, eintritt. Unter Ereignis ist jeder rechtlich relevante Vorgang zu
verstehen; dazu gehören Tatsachen und rechtliche Vorgänge (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO
Kommentar, § 175 Rd.Nr. 25). Das Ereignis wirkt steuerlich in die Vergangenheit, wenn der
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veränderte an Stelle des zuvor verwirklichten Sachverhaltes der Besteuerung zu
unterwerfen ist (vgl. Tipke/Kruse, a.a.O. § 175 Rd.Nr. 26 mit Nachweisen aus der
Rechtsprechung). Ein rückwirkendes Ereignis liegt im vorliegenden Fall nicht vor. Der zu
beurteilende Sachverhalt - der Ausbau des Dachgeschosses und die Verlegung der
Einliegerwohnung - ist im Jahre 1991 verwirklicht worden. Eine Änderung, die ein
rückwirkendes Ereignis darstellen könnte, ist in der darauf folgenden Zeit nicht eingetreten.
Die spätere Kenntnis des Beklagten von dem unverändert gebliebenen Sachverhalt stellt
kein rückwirkendes Ereignis dar.
Der Erlass des Wertfortschreibungsbescheides kann auch nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 i. V.
m. §§ 180 Abs. 1 Nr. 1 und 181 Abs. 1 Satz 1 AO gestützt werden. § 173 AO ist eine
Berichtigungsvorschrift, deren Anwendbarkeit nach ihrem Wortlaut ("Steuerbescheide sind
aufzuheben und zu ändern") voraussetzt, dass - bezogen auf den streitigen Stichtag
(01.01.1992) - schon ein früherer Einheitswertbescheid ergangen ist, der auf den gleichen
Stichtag wegen nachträglich bekanntgewordener Tatsachen zu ändern ist (vgl. FG-
Düsseldorf Urteil vom 16.06.1997 11 K 3286/93 BG, EFG 1997, 1295). An einem
derartigen, zu ändernden Wertfeststellungsbescheid auf den 01.01.1992 fehlt es jedoch. Es
reicht für die Anwendbarkeit des § 173 AO auf bewertungsrechtliche
Feststellungsbescheide auch nicht aus, dass wegen der Dauerwirkung einer
Einheitswertfeststellung die auf einen früheren Stichtag vorgenommene Wertfeststellung
auf einen späteren Stichtag fortwirkt. Das Bewertungsrecht hat nämlich unter
Berücksichtigung dieser Dauerwirkung besondere Berichtigungsregeln in den oben
erwähnten Alternativen von § 22 BewG aufgestellt und für diese Berichtigungen besondere
Fortschreibungszeitpunkte festgelegt. Eine Anwendung des § 173 AO auf Stichtage, in
denen lediglich eine Feststellung auf einen früheren Stichtag fortwirkt, würde dazu führen,
dass die in § 22 Abs. 4 BewG gesetzlich normierten Fortschreibungszeitpunkte weitgehend
umgangen werden könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2
Nr. 1 FGO zugelassen.