Urteil des FG Düsseldorf vom 12.07.2002

FG Düsseldorf (Nato, Wirtschaftliches Interesse, Öffentliches Recht, Unternehmer, Steuerbefreiung, Ausstellung, Beteiligter, Subjektiv, Nummer, Erwerb)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
1
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 1 K 6618/99 U
12.07.2002
Finanzgericht Düsseldorf
1. Senat
Urteil
1 K 6618/99 U
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und gehört seit als Berufsoffizier dem NATO-
Hauptquartier
HQ
unter welchen Voraussetzungen der Kläger berechtigt ist, für sich und seine Angehörigen
Waren ohne umsatzsteuerliche Belastung von seinem NATO-Hauptquartier nach Maßgabe
der Vorschriften des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Obersten Hauptquartier der Alliierten Mächte, Europa, über die besonderen Bedingungen
für die Einrichtung und den Betrieb internationaler militärischer Hauptquartiere in der
Bundesrepublik Deutschland (Ergänzungsabkommen) vom 13.03.1967 - im Folgenden:
NATOHQErg-Abk - zu erwerben. Bis Mai 1996 hatte der Kläger die Möglichkeit, nach
Maßgabe der Regelungen in der Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung der zoll- und
steuerrechtlichen Vorschriften des Ergänzungsabkommens zum Protokoll zu Gunsten der
Hauptquartiere und des berechtigten Personals (Art. 12 Abs. 4, Art. 14 Abs. 2 Buchst. f und
Art. 15 bis 17 des Ergänzungsabkommens) vom 04.03.1970 - im Folgenden:
Verwaltungsvereinbarung - unter Verwendung eines sog. Abwicklungsscheins - Art. 3 Nr. 2
der Verwaltungsvereinbarung - steuerbegünstigte Waren zu erwerben.
In Abweichung von dieser Praxis wies SHAPE die NATO-Hauptquartiere mit Schreiben
vom 23.05.1996 an, dem deutschen Militärpersonal bei NATO-Hauptquartieren in
Deutschland keine Abwicklungsscheine auszustellen, die diesem Personenkreis den
uneingeschränkten Erwerb steuerfreier Waren und sonstiger Leistungen ermöglichen.
Dieser Anweisung waren Gespräche zwischen dem Beklagten und SHAPE
vorausgegangen, in denen der Beklagte die Auffassung vertreten hatte, die bisherige
Praxis entspreche nicht der Verwaltungsvereinbarung. Bereits mit Schreiben vom
03.07.1995 hatte der Beklagte dem Dienstältesten Deutschen Offizier beim
HQ
dass deutschem Militärpersonal - anders als ausländischem Militärpersonal -
Abgabenvergünstigungen nur nach Maßgabe des Art. 16 NATOHQErgAbk i. V. m. der dazu
ergangenen Verwaltungsvereinbarung zuständen. Deutsches Militärpersonal könne somit
nur die in Art. 5 Nr. 2 und 3 sowie Art. 7 Nummer 3 der Verwaltungsvereinbarung
aufgeführten hochsteuerbaren Waren in den dort genannten Mengen sowie Waren des
täglichen Bedarfs gemäß Art. 5 Nr. 4 der Verwaltungsvereinbarung steuerbegünstigt
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erwerben und zwar ausschließlich in den in Art. 16 Abs. 1 NATOHQErgAbk genannten
Verkaufseinrichtungen.
Dementsprechend verweigerte das
HQ
Abwicklungsscheines. Auf entsprechende Eingaben des Klägers an den Beklagten, das
Finanzministerium des Landes und die OFD hielt die Finanzverwaltung an ihrer Ansicht
fest, dass deu tschem Militärpersonal Abgabenvergünstigen nur nach Maßgabe des Art. 16
NATOHQErgAbk i. V. m. der dazu ergangenen Verwaltungsvereinbarung zuständen.
Deutschem Militärpersonal bei NATO-Hauptquartieren in Deutschland könnten somit keine
Abwicklungsscheine zum uneingeschränkten Erwerb steuerfreier Waren und sonstiger
Leistungen ausgestellt werden.
Mit dem Hauptantrag der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er
berechtigt sei, im Sinne von Art. 14 Abs. 1 und 2 NATOHQErgAbk für sich und seine
Angehörigen Waren vom
HQ
ohne dass er dabei den Beschränkungen des Art. 16 NATOHQErgAbk unterliege.
Hilfsweise begehrt er, den Beklagten zu verpflichten, in einer förmlichen Mitteilung
gegenüber SHAPE die klägerische Rechtsauffassung zu vertreten.
Der Kläger macht geltend, die Klage sei zulässig, weil an dem Steuerrechtsverhältnis nach
Art. 14 NATOHQErgAbk nicht nur der Unternehmer und das zuständige Finanzamt beteiligt
seien. Der Unternehmer benötige für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung einen
Abwicklungsschein, der von dem Militärangehörigen beim Hauptquartier zu beantragen sei.
Werde der Abwicklungsschein verweigert, müsse der Unternehmer Umsatzsteuer abführen,
die von dem Militärangehörigen zu entrichten sei. Insofern handele es sich vorliegend um
eine Abgabenangelegenheit im Sinne von § 33 Abs. 2 FGO. Der Kläger sei auch
klagebefugt. Das Verhalten des Beklagten verletze ihn in seinem subjektiv-öffentlichen
Recht auf Umsatzsteuerbefreiung. Der Beklagte habe gegenüber SHAPE eine
unzutreffende Rechtsauffassung geäußert und SHAPE unter politischen Druck gesetzt.
Dadurch habe er SHAPE bzw. das
HQ
mehr auszustellen.
Die Rechtsauffassung des Beklagten, wonach deutschem Militärpersonal
Abgabenvergünstigungen nur nach Maßgabe des Art. 16 NATOHQErgAbk i. V. m. der dazu
ergangenen Verwaltungsvereinbarung zuständen, finde im NATOHQErgAbk keine Stütze.
Aus Art 14 Abs. 1 und 2 NATOHQErgAbk ergebe sich ein eigenständiger Anspruch auf
Umsatzsteuerbefreiung nach Maßgabe des sog. Abwicklungsscheinsverfahrens gemäß
Art. 3 der Verwaltungsvereinbarung. Die insoweit einschlägigen Vorschriften enthielten
keinerlei Einschränkungen für deutsches Personal. Der Beklagte vermische die
Tatbestände der Art. 14 und Art. 16 NATOHQErgAbk in unzulässiger Weise. Wäre die
Auffassung des Beklagten richtig, dass von den Hauptquartieren umsatzsteuerfrei
bezogene Waren nur in den in Art. 16 NATOHQErgAbk genannten Verkaufseinrichtungen
abgegeben werden dürften, könnten auch ausländischen NATO-Angehörigen keine
Abwicklungsscheine ausgestellt werden. Im Übrigen verweist der Kläger auf den BFH-
Beschluss vom 17.08.2000 VII B 45/00 (BFH/NV 2000, 1438).
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass er für die Dauer seiner Zugehörigkeit zu dem
HQ
sei, im Sinne von Art. 14 Abs. 1 und 2 NATOHQErgAbk für sich und seine Angehörigen
Waren vom Hauptquartier zu erwerben, die dieses umsatzsteuerfrei beschaffen durfte bzw.
beschafft habe, ohne dabei allein auf eine Verkaufseinrichtung beschränkt zu sein und
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ohne die Einschränkung, dass diese Waren ausschließlich über Verkaufseinrichtungen des
Hauptquartiers zu beziehen seien,
hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, SHAPE Folgendes förmlich wörtlich oder
sinngemäß mitzuteilen:
a) Die Umsatzsteuerbefreiung des Art. 14 NATOHQErgAbk gilt auch für deut- sches
militärisches und ziviles Personal bei den Hauptquartieren;
b) die Umsatzsteuerbefreiung des Art. 14 NATOHQErgAbk unterliegt nicht den
Einschränkungen des Art. 16 NATOHQErgAbk und des Art. 5 der Verwaltungs-
vereinbarung;
c) es bestehen keine Bedenken gegen die Ausstellung von Abwicklungsschei- nen
zugunsten deutschen zivilen und militärischen Personals bei den Haupt- quartieren gemäß
Art. 3 der Verwaltungsvereinbarung.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unzulässig, weil der Kläger nicht Beteiligter eines
Steuerrechtsverhältnisses nach Art. 14 NATOHQErgAbk sei. Im Übrigen hält er daran fest,
dass die Abgabe und der Verkauf von Waren, die von NATO-Hauptquartieren
abgabenbegünstigt eingeführt oder beschafft worden seien, durch Art. 16 Abs. 1
NATOHQErgAbk geregelt werde, so dass deutsches Militärpersonal nur die in Art. 5 Nr. 2
und 3 sowie Art. 7 Nummer 3 der Verwaltungsvereinbarung aufgeführten hochsteuerbaren
Waren in den dort genannten Mengen sowie Waren des täglichen Bedarfs gemäß Art. 5 Nr.
4 der Verwaltungsvereinbarung steuerbegünstigt erwerben könne. Eine weitergehende
Steuerbefreiung sei im Verhältnis zu anderen deutschen Staatsbürgern nicht zu
rechtfertigen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag Erfolg.
Die vom Kläger mit seinem Hauptantrag begehrte Feststellung ist mangels
Feststellungsinteresses unzulässig. Nach § 41 Abs. 1 FGO kann durch Klage die
Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt
werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat
(Feststellungs-klage). Unter Rechtsverhältnis im Sinne dieser Vorschrift ist die sich aus
einem konkreten Sachverhalt ergebende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche
Beziehung zwischen Personen zu verstehen, wobei die begehrte Feststellung sich nicht
auf das Rechtsverhältnis als Ganzes beziehen muss, sondern sich auch auf einzelne
Berechtigungen oder Verpflichtungen beschränken kann, die aus einem umfassenden
Rechtsverhältnis erwachsen (BFH, Urteil vom 18.05.1988 X R 42/81, BFH/NV 1989, 54).
Es muss sich allerdings um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers
handeln, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll. Ein
Feststellungsbegehren, welches ausschließlich abgabenrechtliche Verhältnisse Dritter
betrifft, ist unzulässig (BFH, Urteile vom 10.07.1997 V R 94/96, BStBl II 1997, 707; vom
11.04.1991 V R 86/85, BStBl II 1991, 729 und in BFH/NV 1989, 54).
Im Streitfall betrifft das Feststellungsbegehren des Klägers ausschließlich
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abgabenrechtliche Verhältnisse Dritter, nämlich solcher Unternehmer, die Lieferungen an
NATO-Hauptquartiere erbringen. Art. 14 Abs. 2 Buchst. b NATOHQErgAbk befreit unter den
dort genannten Voraussetzungen Lieferungen und sonstige Leistungen, die von
Unternehmern an ein NATO-Hauptquartier erbracht werden, von der Umsatzsteuer.
Abgabenrechtlich betrifft diese Vorschrift allein das Steuerschuldverhältnis des jeweiligen
Unternehmers zu dem für seine Besteuerung zuständigen Finanzamt. Somit kann der
Kläger daraus kein ihm zustehendes subjektiv-öffentliches Recht herleiten. Der Kläger ist
nicht einmal potentieller Abnehmer der Lieferungen, deren Steuerfreiheit er im Streitfall
klären lassen will. Denn die Steuerbefreiung des Art. 14 Abs. 2 Buchst. b NATOHQErgAbk
betrifft ausschließlich Lieferungen und sonstige Leistungen an NATO-Hauptquartiere, nicht
jedoch Lieferungen und sonstige Leistungen, die Unternehmer unmittelbar an das Personal
der NATO-Hauptquartiere bewirken (Westenberger in Offerhaus/Söhn/Lange, UStG,
Anhang 5 - NATO-Hauptquartiere - Rn. 7). Die Frage der Reichweite der Steuerbefreiung
nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. b NATOHQErgAbk betrifft das eigene Steuerschuldverhältnis
des Klägers somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt. Der Streitfall unterscheidet sich
dadurch maßgeblich von dem dem BFH-Urteil vom 10.07.1997 V R 94/96 (BStBl II 1997,
707) zugrunde liegenden Sachverhalt, bei dem sich die umsatzsteuerliche Behandlung des
leistenden Unternehmers auf das Steuerschuldverhältnis des klagenden
Leistungsempfängers auswirkte. Der Senat verkennt nicht, dass der Kläger als Folge der
vom Beklagten gegenüber SHAPE und dem
HQ
wirtschaftlich betroffen wird, als ihm dadurch die Möglichkeit genommen worden ist, auch
außerhalb des sog. "Kantinen-verkaufs" gemäß Art. 16 NATOHQErgAbk Waren vom
HQ
erwerben, die auf der Vorstufe - der Lieferung an das
HQ
worden sind. Diese wirtschaftliche Betroffenheit rührt aus der Systematik der Umsatzsteuer,
wonach der wirtschaftlich mit ihr belastete Endverbraucher nicht Beteiligter des zugrunde
liegenden Steuerschuldverhältnisses ist. Eine derartige lediglich wirtschaftliche
Betroffenheit und ein daraus resultierendes wirtschaftliches Interesse an der Klärung einer
bestimmten Rechtsfrage führt jedoch in Ermangelung eines feststellungsfähigen
abgabenrechtlichen Rechtsverhältnisses im Sinne von § 41 Abs. 1 FGO nicht zur
Zulässigkeit der Feststellungsklage.
Auch dem hilfsweise gestellten Antrag vermag der Senat nicht zu entsprechen.
Verfahrensrechtlich handelt es sich insoweit um eine allgemeine Leistungsklage. Denn der
Kläger begehrt die Verurteilung des Beklagten zu einem bestimmten Verhalten - einer
Mitteilung an SHAPE unter Zugrundelegung der klägerischen Rechtsauffassung -, welches
keinen Verwaltungsakt (§ 118 AO) darstellt. Ungeachtet der Frage, ob überhaupt ein
Rechtsanspruch darauf bestehen kann, dass eine Behörde gegenüber einem Dritten eine
bestimmte Rechtsansicht zu vertreten hat, ist jedenfalls im Streitfall kein solcher Anspruch
des Klägers gegen den Beklagten ersichtlich. Wie bereits ausgeführt besteht zwischen dem
Kläger und dem Beklagten kein abgabenrechtliches Rechtsverhältnis, aus dem sich ein
solcher Anspruch herleiten ließe. Der Umstand, dass sowohl SHAPE als auch das
HQ
- für sie rechtlich nicht verbindlichen - Rechtsauffassung des Beklagten zu Art. 14
NATOHQErgAbk folgen und das
HQ
ausstellt, vermag Rechtsansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten nicht zu
begründen. Ein Anspruch des Klägers auf Ausstellung von Abwicklungsscheinen mag
allenfalls gegenüber
HQ
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.