Urteil des FG Düsseldorf vom 11.08.2004

FG Düsseldorf (antragsteller, höhe, vollziehung, schätzung, zweifel, mittelwert, umsatzsteuer, reingewinn, gewinn, prüfung)

Finanzgericht Düsseldorf, 15 V 2626/04 A(G,U,F)
Datum:
11.08.2004
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
15. Senat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 V 2626/04 A(G,U,F)
Tenor:
Die Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide 1998 bis 2001 vom
25.03.2004 wird in Höhe eines Betrages von EUR 287.032,61 (= DM
561.387) für 1998, EUR 302.480,27 (= DM 591.600) für 1999,
EUR183.860,56 (= DM 359.600) für 2000 und EUR 139.378,16 (= DM
272.600) für 2001, die Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide 1998 bis
2001 vom 05.04.2004 wird in Höhe eines Betrages von EUR 39.056,25
für 1998, EUR 41.721,32 für 1999, EUR 25.359,92 für 2000 und EUR
19.224,11 für 2001 und die Vollziehung der
Gewerbesteuermessbetragesbescheide 1998 bis 2001 vom 19.04.2004
wird in Höhe eines Betrages von EUR 13.083,96 für 1998, EUR
14.166,88 für 1999, EUR 7.982,29 für 2000 und EUR 5.855,32 für 2001
ausgesetzt. Die Aussetzung der Vollziehung erfolgt jeweils einen Monat
bis nach Bekanntgabe einer Entscheidung über die eingelegten
Rechtsbehelfe. Gleiches gilt bei anderweitiger Erledigung der
Rechtsbehelfsverfahren.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
G r ü n d e:
1
I.
2
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Antragsgegner berechtigt war, zu den
bereits erklärten Einkünften aus Gewerbebetrieb weitere Einkünfte hinzuzuschätzen.
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Der Antragsteller betrieb in den Streitjahren 1998 bis 2001 das italienische Restaurant
"J" in "F-Stadt". Er bot nicht nur Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle, sondern auch
zur Mitnahme an. In den Streitjahren erzielte der Antragsteller gemäß seinen Einnahme-
Überschuss-Rechnungen folgende Umsätze und Gewinne (Beträge in DM).
4
Jahr
1998
1999
2000
2001
5
Umsatz
447.946
441.538
381.446
394.729
Gewinn
46.505
60.165
47.506
53.082
Im Rahmen einer beim Antragsteller durchgeführten Außenprüfung für die Jahre 1998
bis 2001 beanstandete die Prüferin, dass der Antragsteller, der im Prüfungszeitraum
eine elektronische Kellnerkasse der Firma Anker benutzt hatte, weder die
Tagesendsummenbons (sog. Z-Bons) und weitere für den Tagesabschluss abgerufene
Ausdrucke noch die zur Kasse gehörigen Organisationsunterlagen aufbewahrt hat. Er
konnte lediglich sog. Spartenberichte vorlegen. Die Kasse selbst war nicht mehr
vorhanden. Ferner fehlten nach Auffassung der Prüferin im Wareneinkauf des 1.
Halbjahres 2000 einzelne notwendige Warenarten (Butter bzw. Margarine zur
Herstellung von Kräuterbutter) oder sie waren nur in einer für Gaststätten unüblichen
Menge (Schinken, Kaffee) erfasst worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die
Textziffern 2.2 und 2.3 des in den beigezogenen Steuerakten des Antragsgegners
befindlichen Betriebsprüfungsberichts vom 09.02.2004 Bezug genommen.
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Aufgrund dieser Feststellungen versagte die Betriebsprüferin die Ordnungsmäßigkeit
der Aufzeichnungen und führte eine Anteilskalkulation auf der Grundlage des gebuchten
Wareneinkaufs des 1. Halbjahrs 2000 sowie des Getränkeanteils im Verhältnis zum
erklärten Gesamtumsatz für 3 Monate durch. Den hierbei ermittelten durchschnittlichen
Nettoaufschlag für Getränke von 400 % wendete die Prüferin auf den
Getränkewareneinsatz sämtlicher Streitjahre an, setzte sodann den Bruttoumsatz für
Getränke an, der nach ihrer Auffassung - erkennbar aus den Spartenberichten - 25 %
des Gesamtumsatzes ausmachte, und rechnete entsprechend die übrigen Umsätze auf
75 % hoch. Außerdem nahm sie zur Abdeckung von Unwägbarkeiten einen Abschlag
von 10 % vor. Im Einzelnen ergaben sich folgende Hinzuschätzungen (Beträge in DM):
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Jahr
1998
1999
2000
2001
Hinzuschätzung
485.000
510.000
310.000
235.000
Umsatzsteuer
76.387
81.600
49.600
37.600
Gewinnerhöhung
561.387
591.600
359.600
272.600
8
Der Antragsgegner schloss sich den Prüfungsfeststellungen vollumfänglich an und
erließ entsprechend geänderte Feststellungs-, Umsatzsteuer- und
Gewerbesteuermessbetragsbescheide für die Streitjahre. Über die dagegen eingelegten
Einsprüche hat der Antragsgegner bislang nicht entschieden.
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Nachdem der Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der
angefochtenen Bescheide abgelehnt hat, begehrt der Antragsteller nunmehr vorläufigen
Rechtsschutz durch das Gericht. Er ist der Auffassung , dass der Antragsgegner zu einer
Schätzung nicht berechtigt gewesen sei. Die Tageseinnahmen seien durch eine
elektronische Kasse älteren Typs erfasst worden. Dabei sei täglich ein Tagesabschluss
durch einen Z-Bericht – hier in Form eines Spartenberichts - durchgeführt worden. Die
Z-Berichte seien von der Kasse automatisch und unmanipulierbar durchnummeriert
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worden. Die Berichte seien nachträglich nicht veränderbar. Die Einnahmen des täglich
mit Tagesdatum und fortlaufender, lückenloser Z-Nummer abgerufenen Z-Berichte seien
in den Gewinnermittlungen erfasst worden. Abweichende Feststellungen habe der
Antragsgegner nicht treffen können. Vielmehr sei er allein auf der Grundlage der von
ihm durchgeführten Kalkulation der Auffassung, dass die Aufzeichnungen
schwerwiegende Mängel aufweisen müssten und daher weder formell noch materiell
ordnungsmäßig seien. Bis heute habe jedoch nicht geklärt werden können, welche
Auswirkungen etwaige Sonderfunktionen der Kasse sowie unterstellte fehlende
Wareneinkäufe auf die Höhe der Einnahmen und Umsätze haben sollten. Zu allen
während der Prüfung aufgetretenen Fragen seien Auskünfte erteilt worden. Auch habe
er, der Antragsteller, eine eigene Getränkekalkulation für das gesamte Jahr 2000
vorgelegt, die die erfassten Einnahmen bestätigt hätten. Der Antragsgegner habe diese
Kalkulation indes unberücksichtigt gelassen.
Im Übrigen sei die angewandte Methode aber auch als unzulässig zu bezeichnen, weil
sie zu unsinnigen und wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Ergebnissen führe. Das
Finanzamt habe bei seiner Schätzung in wesentlichen Punkten auf die
Spartenauswertung der Kasse Bezug genommen, obgleich es doch gerade diese
Kassenaufzeichnungen als schwerwiegend mangelhaft beurteilt habe. Auch liege der
angewandte Rohgewinnaufschlagsatz nicht nur deutlich, sondern exorbitant über den in
den amtlichen Richtsatzsammlungen ausgewiesenen Obergrenzen. Der
Bundesminister der Finanzen vertrete hierzu die Auffassung, dass die Anwendung der
Mittelsätze im Allgemeinen zu einem Ergebnis führe, das mit der größten
Wahrscheinlichkeit den tatsächlichen Verhältnissen am nächsten komme. Eine
Schätzung könne sich ferner nur dann an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens
orientieren, wenn der Steuerpflichtige seinen Erklärungspflichten nicht genügt habe.
Dies sei bei ihm aber nie der Fall gewesen.
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Es sei schließlich höchst zweifelhaft, ob auf der Basis der Verprobung des
Getränkeeinkaufs für 6 Monate des Jahres 2000 die Einnahmen für 4 Jahre geschätzt
werden könnten. In diesem Zusammenhang sei zu erwähnen, dass beispielsweise die
für das Jahr 1998 bereitgestellten Unterlagen gar nicht eingesehen worden seien.
12
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
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die Vollziehung der Gewinnfeststellungsbescheide 1998 bis 2001 vom 25.03.2004,
der Umsatzsteuerbescheide 1998 bis 2001 vom 05.04.2004 und der
Gewerbesteuermessbescheide 1998 bis 2001 vom 19.04.2004 in Höhe der
Hinzuschätzungen bis einen Monat nach Bekanntgabe der
Einspruchsentscheidungen auszusetzen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er ist weiterhin der Ansicht, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht
ordnungsmäßig gewesen seien. Zu Beginn der Betriebsprüfung sei der Betrieb zwar
eingestellt, das Ladenlokal geräumt und die Kasse nicht mehr vorhanden gewesen. Der
Antragsteller habe aber die gleichwohl aufzubewahrenden Organisationsunterlagen für
die Kasse ebenso wenig vorlegen können wie die Tagesendsummenbons mit Ausdruck
des Nullstellenzählers. Die als Tageseinnahmen vorgelegten Spartenberichte addierten
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nur die eingerichteten Sparten auf. Ein Eintippen anderer Umsätze ohne
Spartenbezeichnung sei möglich; diese erschienen dann auch nicht in den
Spartenberichten, sondern nur im Tagesendsummenbon, so dass auch nur letzterer
Aufschluss über die tatsächlichen Endsummen der Kasseneinnahmen gebe. Des
Weiteren enthielten die Kassenberichte die Einnahmen aus unbaren Geschäftsvorfällen,
die jedoch gesondert zu erfassen seien.
Bei der Ermittlung und Zusammenstellung der Warengruppen des 1. Halbjahres 2000
hätten sich auch Zweifel ergeben, ob alle Warengruppen, die zur Zubereitung der auf
der Speisekarte aufgelisteten Gerichte erforderlich gewesen seien, vorhanden gewesen
seien. Insbesondere habe ein Ankauf von Schinkensorten nicht festgestellt werden
können, was der Antragsteller damit erklärt habe, dass ein im September 1999
eingekaufter Schinken (100 kg) in 2000 verwendet worden sei. Ferner sei der
Kaffeeeinkauf in den ersten Jahreshälften der Jahre 1999 und 2000 mit jeweils 12 kg
deutlich hinter dem Einkauf für das 2 Halbjahr 1999 mit insgesamt 54 kg
zurückgeblieben. Obst- Gemüse und Kartoffellieferungen seien monatlich lediglich unter
der Bezeichnung "Gemüselieferung" abgerechnet worden. Lieferscheine hätten nicht
vorgelegt werden können.
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Letztlich sei aber auch die Kalkulation selbst nicht zu beanstanden. Den Einwendungen
des Antragstellers, es seien höhere Abschläge z.B. wegen Freigetränken zu
berücksichtigen, sei Rechnung getragen worden. Der Anteil der Getränke am
Gesamtumsatz sei den Spartenberichten entnommen worden, weil andere Erkenntnisse
nicht zu Verfügung gestanden hätten. Der errechnete Getränkeumsatz sei in einen
Gesamtumsatz hochgerechnet worden. Die so ermittelten Werte deckten sich mit den
Prüfererfahrungen. Die Verprobungsmethode diene zur Begründung des
Schätzungsumfangs. Ein Vergleich mit den Richtsätzen sei lediglich ein Hilfsmittel. Sie
stellten jedoch keine verbindliche Rechtsgrundlage dar und würden im Streitfall auch zu
einer unzutreffenden Besteuerung führen.
19
Gründe, die gegen eine Übertragung des für 2000 ermittelten Nettoaufschlagssatzes für
Getränke von 400% sowie des prozentualen Getränkeanteils am Gesamtumsatz auf die
anderen Prüfungsjahre sprächen, seien nicht erkennbar.
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II.
21
Der Antrag ist begründet.
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Es bestehen ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der
Finanzgerichtsordnung –FGO - an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewinnfest-
stellungs-, Umsatzsteuer- und Gewerbesteuermessbetragesbescheide.
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Ernstliche Zweifel sind nach dieser Vorschrift bereits zu bejahen, wenn bei
summarischer Prüfung der angefochtenen Verwaltungsakte neben für ihre
Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die
Unentschiedenheit in der Beurteilung von entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder
Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Es ist nicht erforderlich, dass
die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. Bundesfinanzhof –
BFH -, Beschluss vom 20.05.1007 – VIII B 108/96 – Sammlung amtlich nicht
veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofes – BFH/NV – 1997, 462 mit
weiteren Nachweisen). Ist die Sach- und Rechtslage nicht eindeutig, so ist zudem über
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die zu klärenden Fragen im summarischen Beschlussverfahren grundsätzlich nicht
abschließend zu befinden. Dies gilt insbesondere, wenn das außergerichtliche
Vorverfahren noch nicht abgeschlossen ist und die Finanzbehörde die ihr gemäß § 367
Abs. 2 der Abgabenordnung –AO – obliegende, erneute vollumfängliche Überprüfung
der Sache noch nicht abgeschlossen hat.
Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes erweist sich im Streitfall sowohl die
Schätzungsbefugnis des Antragsgegners dem Grunde nach als auch die Höhe der
Hinzuschätzungen als ernstlich zweifelhaft.
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Es kann bei summarischer Prüfung bereits nicht mit der hierfür erforderlichen Sicherheit
geklärt werden, ob der Antragsgegner dem Grunde nach zur (Zu-)Schätzung der
Besteuerungsgrundlagen befugt war.
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Besteuerungsgrundlagen dürfen grundsätzlich nur geschätzt werden, wenn und soweit
die Finanzbehörde sie nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 AO). Zu
schätzen ist nach Abs. 2 Satz 2 dieser Vorschrift insbesondere dann, wenn der
Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu
führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder Aufzeichnungen der
Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können. Die Buchführung eines
Steuerpflichtigen ist nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn sie
formell ordnungsmäßig ist und nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlass
besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
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Im Streitfall hat die Betriebsprüferin zwar behauptet, dass die Kassenaufzeichnungen
des Antragstellers mangels Vorlage der Tagesendsummenbons etc. nicht
ordnungsmäßig gewesen seien, jedoch wird diese Behauptung von dem Antragsteller
bestritten. Er trägt vielmehr vor, dass die von ihm vorgelegten Spartenberichte wie
Tagesendsummenbons zu behandeln seien, weil er seine Tagesabschlüsse durch
einen Z-Bericht in Form dieser unmanipulierbaren, mit fortlaufender, lückenloser
Durchnummerierung versehenen Spartenberichte durchgeführt und seine Umsätze
entsprechend lückenlos in seiner Gewinnermittlung erfasst habe. Über die damit
aufgeworfene und zu klärende Frage der tatsächlichen Mangelhaftigkeit der
Kassenaufzeichnungen braucht der Senat – wie eingangs erwähnt - im summarischen
Verfahren nicht zu befinden, zumal die vorgelegten Unterlagen der Firma Anker kein
abschließendes Urteil über die Qualität der Spartenberichte erlauben.
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Ferner wird auch erst in einem möglichen Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob und
inwieweit sich aus den festgestellten fehlenden oder geringen Beständen einiger
Warenarten (Margarine, Schinken, Kaffee) hinreichende Indizien für nicht gebuchte
Wareneinkäufe ergeben, die ebenfalls eine Schätzungsbefugnis des Antragsgegners in
der hier vorgenommenen Größenordnung auslösen könnten. Dies gilt um so mehr, als
die Betriebsprüferin lediglich die Wareneinkäufe des 1. Halbjahrs 2000 ermittelt, aber
keinerlei Feststellungen zu dem restlichen Prüfungszeitraum getroffen hat. Ihre
Annahme, dass sich ähnliche Fehlbestände im gesamten Prüfungszeitraum ergeben
haben und damit für diesen insgesamt den Ermittlungen der Prüferin entsprechende
Wertverhältnisse zugrunde zu legen sind, ist jedenfalls nicht ohne weiteres zwingend.
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Ernstliche Zweifel bestehen bei summarischer Prüfung im Übringen auch an der
Richtigkeit der durchgeführten Kalkulation an sich.
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Der Senat ist der Ansicht, dass die Anteilskalkulation eine konkrete Nachkalkulation
anhand der einzelnen Warengruppen, insbesondere anhand der bisher unberücksichtigt
gelassenen Hauptwarengruppen des Antragstellers (z.B. Pizza und Nudeln) und eine
etwaige Geldverkehrsrechnung zur Bestätigung dieser Zuschätzungen nicht ersetzen
kann. Dies wird durch die hier angesetzten Werte besonders deutlich.
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Schätzungen müssen insgesamt in sich schlüssig sein; ihre Ergebnisse müssen
überdies wirtschaftlich vernünftig und möglich sein. Diese Voraussetzungen sind im
Streitfall offensichtlich nicht erfüllt.
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Werden die Gewinn laut Schätzung des Finanzamtes in Höhe von 607.892,77 DM
(1998), 651.765,34 DM (1999), 407.106,71 DM (2000) und 325.682,22 DM (2001) zu
den geschätzten wirtschaftlichen Umsätzen von 936.599 DM (1998), 952.001 DM
(1999), 692.303 DM (2000) und 630.945 DM (2001) ins Verhältnis gesetzt, ergeben sich
für 1998 rd. 64,9%, für 1999 rd. 68,5 %, für 2000 rd. 58,8 % und für 2001 rd. 51,6 %
Reingewinn. Die Richtsätze für Gast- und Speisewirtschaften mit einem wirtschaftlichen
Umsatz von mehr als 400.000 DM wiesen ab 1995 jedoch nur einen Reingewinn von 5
bis 23 % mit einem Mittelwert von 14 % und ab 2000 einen Reingewinn von 6 bis 23 %
mit einem Mittelwert von 13 % aus. Für Pizzerien mit einen wirtschaftlichen Umsatz von
mehr als 400.000 DM betrug der Reingewinn ab 1995 zwischen 10 und 28 % mit einem
Mittelwert von 18% und ab 2000 zwischen 8 und 26 % mit einem Mittelwert von 15 %.
Die streitbefangenen Zuschätzungen überschreiten die höchsten Reingewinnsätze bei
weitem. Die Umsätze des Antragstellers sind praktisch verdoppelt, seine Gewinne zum
Teil mehr als verzehnfacht worden.
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Warum es im Streitfall möglich war, so herausragend höhere Reingewinne zu erzielen,
als es in anderen Gaststätten und Pizzerien der Fall ist, hat der Antragsgegner bislang
nicht erläutert. Die Zweifel an einer zutreffenden Reingewinnschätzung bewirken auch
Zweifel, ob die Höhe der Umsätze überhaupt richtig geschätzt worden ist.
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Trotz eigener Schätzungsbefugnis gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO ist es im Verfahren des
vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, die
Nachkalkulation des Finanzamts durch eine eigene Schätzung zu ersetzen. Die
Vollziehung der angefochtenen Verwaltungsakte war deshalb jeweils in dem den
Hinzuschätzungen entsprechenden Umfang auszusetzen. Im Einzelnen ergeben sich
folgende Beträge:
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1. Gewinnfeststellungen 1998 bis 2001
36
Jahr
1998
1999
2000
2001
Gewinn lt. BP 607.892,77 DM 651.765,34 DM 407.106,71 DM 325.682,22 DM
Gewinn lt.
Erkl.
46.505,77 DM
60.165,34 DM
47.506,71 DM
53.082,22 DM
auszusetzen 561.387,00 DM 591.600,00 DM 359.600,00 DM 272.600,00 DM
entspricht
287.032,61 EUR 302.480,27 EUR 183.860,56 EUR 139.378,16 EUR
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2. Umsatzsteuer 1998 bis 2001
38
Jahr
1998
1999
2000
2001
USt lt. BP
55.431,71 EUR 59.439,22 EUR 40.748,43 EUR 37.566,66 EUR
USt bisher
16.375,66 EUR 17.717,90 EUR 15.388,51 EUR 18.342,55 EUR
auszusetzen 39.056,05 EUR 41.721,32 EUR 25.359,92 EUR 19.224,11 EUR
39
3. Gewerbesteuermessbeträge 1998 bis 2001
40
Jahr
1998
1999
2000
2001
lt. BP
13.083,96 EUR
14.234,37 EUR
7.986,38 EUR
5.884,97 EUR
bisher
0,00 EUR
67,49 EUR
4,09 EUR
29,65 EUR
auszusetzen 13.083,96 EUR
14.166,88 EUR
7.982,29 EUR
5.855,32
41
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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