Urteil des FG Düsseldorf vom 01.04.2009

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Finanzgericht Düsseldorf, 4 K 3963/08 VE
Datum:
01.04.2009
Gericht:
Finanzgericht Düsseldorf
Spruchkörper:
4. Senat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 3963/08 VE
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
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Die Klägerin betrieb ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes. Die von ihr
herstellten Quarzsande förderte sie mit Saugbaggern. Die Sande wurden sodann durch
Aussieben störender Bestandteile gereinigt, intensiv gewaschen und in Zyklonen
entschlämmt. Anschließend wurden sie zunächst durch Silolagerung bis auf eine
Restfeuchte entwässert, zu standardisierten Sorten zusammengestellt, mit einem mit
Erdgas betriebenen Wirbelbett-Trockner getrocknet und in Silos gelagert.
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Die Klägerin verkaufte einen Teil des getrockneten Sandes an die Gießereien und
andere metallverarbeitende Unternehmen. Daneben erhielten Unternehmen der
Bauindustrie von ihr getrockneten Sand. Feuchten Sand veräußerte sie an
Unternehmen der Glasindustrie.
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Am 10.03.2008 beantragte die Klägerin beim Beklagten auf dem amtlichen Vordruck, ihr
die Energiesteuer für das Trocknen des im Jahr 2007 an Gießereien für deren
Metallerzeugung gelieferten Sands nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des
Energiesteuergesetzes EnergieStG zu erstatten.
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Den Antrag lehnte der Beklagte mit Verfügung vom 26.06.2008 ab, da nach § 51 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. b EnergieStG nur Unternehmen des Produzierenden Gewerbes begünstigt
seien, die Energieerzeugnisse im Rahmen der eigenen Metallverarbeitung und
Erzeugung verwendeten.
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Nach fristgerecht eingelegten, aber mit Einspruchsentscheidung vom 12.09.2008 als
unbegründet zurückgewiesenem Einspruch trug die Klägerin zur Begründung ihrer
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fristgerecht erhobenen Klage vor, bei der von ihr vorgenommenen Trocknung von
Quarzsanden für den Einsatz in Gießereien handle es sich um ein von § 51 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. b EnergieStG begünstigtes Verfahren. Insoweit komme es nicht darauf an, ob
das gesamte Unternehmen in eine der begünstigten Klassen der Klassifikation
einzureihen sei. Vielmehr sei eine reine Verfahrens- bzw. Prozessbetrachtung
durchzuführen, so dass eine Entlastung auch solchen Unternehmen des
Produzierenden Gewerbes gewährt werden könne, die zwar einen begünstigten
Prozess durchführten, aber einer anderen Klasse zuzuordnen seien.
Die Herstellung von Gussformen aus getrockneten Gießereisanden und damit die
Trocknung der entsprechenden Sandmengen seien integraler Bestandteil typischer
Prozesse in der Gießereiindustrie und entsprächen dem Stand der Technik.
Feuchtsande könnten nicht verwendet werden. Die Verwendung der getrockneten
Sande sei zwingend und typisch für die Metallbearbeitung.
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Der von ihr geleistete Produktionsschritt der Sandtrocknung sei nicht der Gewinnung
von Kies und Sand, sondern der Metallgießerei zuzuordnen, zumal bei der
Sandtrocknung keine Sandgewinnung mehr stattfinde.
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Dadurch dass der Beklagte insoweit nicht hinsichtlich der Prozessabläufe differenziere,
komme es zu Wettbewerbsverzerrungen, da Gießereien Feuchtsande begünstigt
trocknen könnten.
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Die Klägerin beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung seiner ablehnenden Verfügung vom 26.06.2008 in
der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12.09.2008 zu verpflichten, ihr
45.454,70 EUR Energiesteuer zu vergüten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Dazu führt er aus: Zur Auslegung von § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG sei die
Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 09.10.1990 betreffend die statistische
Systematik der Wirtschaftszweige der Europäischen Gemeinschaft in der am 01.01.2003
geltenden Fassung heranzuziehen. Die begünstigten Verfahren und Prozesse
entsprächen bestimmten NACE-Klassen (Klassen der WZ 2003), in denen diese
Prozesse oder Verfahren zu finden seien, hier in den NACE-Klassen 27.10 bis 27.54.
Demgegenüber sei das Unternehmen der Klägerin der NACE-Klasse 14.21
"Gewinnung von Sand und Kies" zuzuordnen und zähle daher nicht zu den
begünstigten Unternehmen des § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b EnergieStG.
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Wettbewerbsverzerrungen seien nicht zu erkennen, da es der Klägerin freistehe, auch
feuchten Sand zu liefern.
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Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Der Beklagte hat zu Recht in seiner Verfügung vom 26.06.2008 in der Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 12.09.2008 die beantragte Vergütung abgelehnt. Die
Klage auf eine diesbezügliche Verpflichtung des Beklagten nach § 101 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung – FGO war daher abzuweisen.
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Nach § 51 Abs. 1 Buchst. b EnergieStG wird eine Steuerentlastung auf Antrag für
nachweislich versteuertes Erdgas (§ 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 EnergieStG) gewährt, das für
die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der Herstellung von
Metallerzeugnissen für bestimmte Bearbeitungen und Behandlungen verwendet worden
ist.
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Diese Steuerbefreiung ist nach Art. 2 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie (EG) 2003/96 des
Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur
Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 27.10.2003, ABl.
EU Nr. L 283/51, RL 2003/96 möglich für Energieerzeugnisse, die für andere Zwecke
als Heiz- oder Kraftstoffe verwendet werden (1. Anstrich der genannten Vorschrift) oder
die zweierlei Verwendungszwecke haben (2. Anstrich der genannten Vorschrift).
Zweierlei Verwendungszwecke sind anzunehmen, wenn die Energieerzeugnisse
sowohl als Heizstoff als auch für Prozesse in der Metallindustrie verwendet werden.
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Nach den Vorstellungen des Richtliniengebers sollten die gemeinschaftlichen
Rahmenvorschriften der RL 2003/96 dann gelten, wenn sie die Energieerzeugnisse als
Kraft- oder Heizstoffe verwendet werden, nicht aber bei Verwendung zu anderen
Zwecken oder zu zweierlei Verwendungszwecken (22. Erwägungsgrund RL 2003/96).
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Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 51 Abs. 1 Buchst. b EnergieStG eine
Steuerentlastung für die Metallerzeugung und -bearbeitung sowie im Rahmen der
Herstellung von Metallerzeugnissen vorgesehen. Die Tätigkeit der Klägerin, Förderung
und Aufbereitung von standardisierten Spezialsanden, gehört schon nach dem Wortlaut
der Vorschrift nicht dazu. Diese Tätigkeit hat mit Metallerzeugung, -bearbeitung oder -
herstellung unmittelbar nichts zu tun, sondern stellt nur Erzeugnisse her, die – neben
anderen Verwendungen – auch als Produktionshilfsmittel für die Metallerzeugung, -
herstellung oder -bearbeitung eingesetzt werden können. Der enge Bezug der
begünstigten Tätigkeit zur Metallerzeugung, -herstellung oder -bearbeitung wird auch an
der Eingrenzung der Entlastung für die Herstellung von Metallerzeugnissen deutlich:
Dabei wird nicht jede Herstellung schlechthin, sondern nur die Herstellung von
Schmiede-, Press-, Zieh- und Stanzteilen, gewalzten Ringen und pulvermetallurgischen
Erzeugnissen sowie zur Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung entlastet.
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Selbst wenn der Argumentation der Klägerin folgend auf einen konkreten
Teilherstellungsprozess abzustellen wäre, könnte ihre Tätigkeit nicht der
Metallerzeugung, -herstellung oder -bearbeitung zugeordnet werden, weil der von ihr
hergestellte Grundstoff nicht ausschließlich für Gießereien verwendbar ist, sondern auch
von anderen Wirtschaftszweigen, etwa der Bauindustrie benötigt wird.
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Diese Auslegung entspricht auch dem aus der Gesetzesbegründung erkennbaren
Willen des Gesetzgebers (s. BT-Drucksache 16/1172 Begründung Teil B zu § 51, S. 44).
Dieser ging davon aus, dass nur bestimmte Tätigkeiten im Rahmen der Entlastung
begünstigt werden können, und zwar solche, die in der Abteilung DJ der Verordnung
(EWG) Nr. 3037/90 des Rates vom 09.10.1990 betreffend die statistische Systematik der
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Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. EG Nr. L 293/1), zuletzt
geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 29/2002 der Kommission vom 19.12.2001 (ABl.
EG Nr. L 6/3) aufgeführt sind. Dort sind aber nur Unternehmen angegeben, deren
Tätigkeit in Metallerzeugung und -bearbeitung sowie in der Herstellung von
Metallerzeugnissen besteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO sind weder vorgetragen
worden noch sonst erkennbar gewesen.
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