Urteil des FG Düsseldorf vom 06.05.2002

FG Düsseldorf (Abzug Von Schuldzinsen, Stadt, Einfamilienhaus, Behandlung, Einspruch, Wahlrecht, Wechsel, Auflage, Verfahrenskosten, Form)

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Finanzgericht Düsseldorf, 7 K 5841/99 E
06.05.2002
Finanzgericht Düsseldorf
7. Senat
Urteil
7 K 5841/99 E
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 04.09.2001
wird die Einkommensteuer 1997 auf 20.500,76 EUR (40.096,00 DM)
festgesetzt.
Die auf den Zeitraum bis zum 13.06.2001 entfallenden Verfahrenskosten
tragen die Kläger zu 80 % und der Beklagte zu 20 %; die auf den
Zeitraum danach entfallenden Kosten trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war
notwendig.
Der Streitwert wird für das Verfahren bis zum 13.06.2001 auf 5.361,--
EUR und für das Verfahren danach auf 1.143,-- EUR festgesetzt.
T a t b e s t a n d
Streitig ist, ob die Kläger für den Veranlagungszeitraum 1997 weitere Schuldzinsen i. H. v.
5.591 DM steuermindernd geltend machen können, die im Zusammenhang mit der
Errichtung eines Einfamilienhauses in B-Stadt angefallen sind.
Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 1997 zusammen zur
Einkommensteuer veranlagt. Seit 1989 waren sie je zur Hälfte Eigentümer eines
Einfamilienhauses in A-Stadt , welches sie für eigene Wohnzwecke nutzten. Für dieses
Objekt erhielten sie bei den Einkommensteuerveranlagungen der Jahre 1989 bis 1993
antragsgemäß die Steuerbegünstigung nach § 10 e Einkommensteuergesetzt - EStG - i. H.
v. jährlich 14.172 DM. Im Veranlagungszeitraum 1994 wurde dieses Objekt verkauft. Mit
notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 09.10.1993 (Urk. des Notars, B-Stadt) erwarben
die Kläger je zur Hälfte das noch zu errichtende Einfamilienhaus in B- Stadt, das sie ab
Fertigstellung im November 1994 zu eigenen Wohnzwecken nutzten.
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In der Einkommensteuererklärung (Anlage FW, Zeile 47) für den Veranlagungszeitraum
1994 beantragten die Kläger für das neue Einfamilienhaus in B-Stadt den Abzugsbetrag
nach § 10 e Abs. 1 EStG i. H. v. 19.800 DM (6% von 330.000 DM) und Kosten nach Bezug
in Form des sog. erweiterten Schuldzinsenabzugs nach § 10 e Abs. 6 a EStG i. H. v. 5.591
DM (Anlage FW Zeile 52 bis 57). Mit Schreiben vom 22.12.1995, welches an den
damaligen steuerlichen Berater der Kläger gerichtet war, bat der Beklagte um
Stellungnahme, ob das Einfamilienhaus in B-Stadt als Folgeobjekt oder als Zweitobjekt
berücksichtigt werden solle. Daraufhin teilte der Kläger unter dem 19.01.1996 persönlich
mit, es solle als Folgeobjekt behandelt werden. Der Beklagte erläuterte den Klägern mit
Schreiben vom 31.01.1996:
"Da es sich bei dem Objekt in B-Stadt nach Ihrer Aussage um ein Folgeobjekt i. S. d. §
10 e Abs. 4 Satz 4 EStG handelt, ist für das Jahr 1994 noch der Abzugsbetrag des ersten
Objektes zu berücksichtigen. Der Abzugszeitraum für das Folgeobjekt beginnt nach § 10 e
Abs. 4 Satz 5 EStG erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem der Steuerpflichtige
das Erstobjekt letztmals zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat. Der Schuldzinsenabzug i.
S. d. § 10 e Abs. 6 a EStG ist danach ebenfalls erst ab 1995 möglich."
Bei der Veranlagung 1994 verfuhr der Beklagte wie im o. g. Schreiben angekündigt. Anstatt
der beantragten 19.800 DM gemäß § 10 e Abs. 1 EStG für das neue Objekt in B-Stadt,
berücksichtigte er 14.172 DM für das alte Objekt in A-Stadt. Die beantragten 5.591 DM
Schuldzinsen blieben außer Ansatz. Gegen den Einkommensteuerbescheid 1994 vom
24.07.1996 legten die Kläger aus anderen Gründen Einspruch ein. Dem Einspruch half der
Beklagte ab. Der Einkommensteuerbescheid 1994 wurde zuletzt mit Bescheid vom
08.04.1997 geändert. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben.
Bei der Festsetzung der Einkommensteuer 1995 behandelte der Beklagte das
Einfamilienhaus als Folgeobjekt. Dagegen legte der damalige steuerliche Berater für die
Kläger mit der Begründung Einspruch ein, dass bei der Beantwortung der Rückfragen zum
Veranlagungszeitraum 1994 der Kläger den steuerlichen Unterschied zwischen Folge- und
Zweitobjekt nicht gekannt habe. Für den Kläger sei klar gewesen, dass das Objekt in B-
Stadt dem ersten Objekt gefolgt sei. Zur Erledigung des Einspruchsverfahrens gingen die
Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass es sich bei dem Einfamilienhaus in B-Stadt
nicht um ein Folgeobjekt, sondern um ein Zweitobjekt handle. Für die
Veranlagungszeiträume 1995 und 1996 ließ der Beklagte einen Schuldzinsenabzug nach
Bezug der eigengenutzten Wohnung i. H. v. jeweils 12.000 DM zu.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1997 beantragten die Kläger einen
Schuldzinsenabzug i. H. v. 12.000 DM (Anlage FW, Zeile 54). Der Beklagte berücksichtigte
im Einkommensteuerbescheid 1997 vom 21.12.1998 nur 6.409 DM (= 12.000 DM minus
5.591 DM) und setzte die Steuer auf 50.582 DM fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch
wies der Beklagte zurück. Dazu führte er aus, eine Nachholungsmöglichkeit i. S. d. § 10 e
Abs. 6 a EStG bestehe nicht für Beträge aus Zeiträumen, in denen die Berechtigung zum
Schuldzinsenabzug nicht vorgelegen habe.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom 10.08.1999 haben die Kläger am 13.09.1999
Klage erhoben. Dazu tragen sie vor:
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid sei rechtswidrig, denn die geltend
gemachten Schuldzinsen seien nicht vollständig berücksichtigt worden. Da es sich bei dem
Einfamilienhaus in B-Stadt um ein Zweitobjekt handle, habe ihnen im Jahr 1994 ein
Abzugsbetrag gemäß § 10 e Abs. 1 EStG zugestanden. Dieser sei aber nicht in Anspruch
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genommen worden. Ferner hätten sie einen Anspruch auf den Abzug von Schuldzinsen
gehabt, denn in der Zeit vom 07.11.1994 bis 31.12.1997 seien hinsichtlich des
Einfamilienhauses insgesamt 90.972 DM (monatlich 2.394 DM) Schuldzinsen angefallen.
Den auf das Kalenderjahr 1994 entfallenden Betrag (5.591 DM) hätten sie in der richtigen
Zeile der Einkommensteuererklärung 1994 geltend gemacht, der Beklagte habe den Abzug
aber nicht gewährt, da die Sachbearbeiterin zunächst von einem Folgeobjekt ausgegangen
sei. Dadurch stehe der Betrag weiterhin für einen Abzug im Wege der Nachholung zur
Verfügung. Insoweit müsse die Möglichkeit des Schuldzinsenabzuges der in § 10 e Abs. 1
und 3 EStG vorgesehenen Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Grundförderung folgen.
Keinesfalls sei ihrerseits auf den Schuldzinsenabzug verzichtet worden.
Die Kläger haben zunächst beantragt, den Schuldzinsenabzug i. H. v. insgesamt 12.000
DM zu berücksichtigen und die Einkommensteuer auf 48.224 DM festzusetzen (Blatt 1 der
Gerichtsakte). Mit Schriftsatz vom 02.02.2001 haben sie das Klagebegehren erweitert und
die Nachholung des Abzugsbetrages für 1994 nach § 10 e Abs. 1 EStG i. H. v. 19.800 DM
beantragt (Blatt 26 der Gerichtsakte). Diesem Begehren hat der Beklagte entsprochen und
am 13.06.2001 einen nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Abgabenordnung -AO- geänderten
Bescheid erlassen und darin die Steuer auf 42.332 DM (21.544,01 EUR) herabgesetzt. Mit
Änderungsbescheid vom 04.09.2001 hat der Beklagte die Steuerfestsetzung hinsichtlich
der beschränkten Abzugsfähigkeit von Vorsorgeaufwendungen (§10 Abs. 3 EStG) nach
§165 Abs. 1 AO für vorläufig erklärt.
Die Kläger beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1997 vom 04.09.2001 weitere
Schuldzinsen i. H. v. 5.591 DM zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Der zusätzlich beantragte Schuldzinsenabzug i. H. v. 5.591 DM könne im Streitjahr nicht
gewährt werden, da eine Nachholung aus 1994 nur möglich wäre, soweit der
Schuldzinsenabzug in 1994 nicht in vollem Umfang hätte in Anspruch genommen werden
können. Hätten die Kläger seinerzeit auf Nachfrage der Sachbearbeiterin die Behandlung
als Zweitobjekt beantragt, hätten die Schuldzinsen bereits bei der Ermittlung der Steuer für
1994 berücksichtigt werden können. Zudem sei eine Nachholung des
Schuldzinsenabzuges nicht zulässig, soweit der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme
verzichtet habe (vgl. BMF Schreiben vom 31.12.1994, Bundessteuerblatt -BStBl - I , 887 Tz.
111).
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage ist begründet.
Der Einkommensteuerbescheid 1997 vom 04.09.2001 ist rechtswidrig und verletzt die
Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Von den im Streitjahr für das Einfamilienhaus in B-Stadt aufgewendeten Schuldzinsen
mindern weitere 5.591 DM das zu versteuernde Einkommen wie Sonderausgaben. Die
Kläger können das in 1994 nicht ausgeschöpfte Abzugspotential in 1997 nachholen. Dies
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ergibt sich aus der Regelung des § 10 e Abs. 6 a S. 2 EStG.
Soweit § 10 e Abs. 6 a S. 2 EStG auf die Bestimmung über die regelmäßige
Berücksichtigung der Schuldzinsen (§ 10 e Abs. 6 a S. 1 EStG) verweist, liegen die dort
genannten Voraussetzungen vor. Der Beklagte bestreitet dies nicht und Rechtsfehler sind
insoweit nicht ersichtlich. Insbesondere scheitert der Abzug der Zinsen nicht daran, dass
bei der Veranlagung 1994 der Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG (Grundförderung) für
das Einfamilienhaus in B-Stadt zunächst nicht angesetzt worden ist. Insoweit reicht es
nämlich aus, dass die Kläger die Grundförderung für dieses Objekt nach § 10 e Abs. 3 S. 1
EStG nachgeholt haben (vgl. dazu Drenseck in Schmidt, Kommentar zum EStG, 20.
Auflage, § 10 e Rz. 21; BMF Schreiben vom 31.12.1994, BStBl I 1994, 887 Tz. 105). Die
Behandlung des Objektes im Veranlagungszeitraum 1994 als Folgeobjekt steht dem nicht
entgegen. Zwar hätten die Kläger für ein Folgeobjekt erst ab 1995 Schuldzinsen wie
Sonderausgaben abziehen können, denn die Grundförderung nach § 10 e Abs. 1 EStG
konnte im Veranlagungszeitraum 1994 nur für das in diesem Jahr noch genutzte Haus in A-
Stadt in Anspruch genommen werden. Die nachträgliche Behandlung des Objektes als
Zweitobjekt eröffnet jedoch auch für das Jahr 1994 die Möglichkeit der Inanspruchnahme
der Grundförderung (§ 10 e Abs. 1 EStG), wenn auch nicht - wegen der Bestandskraft des
Bescheides - im Veranlagungszeitraum 1994, sondern in Form der Nachholung gemäß §
10 e Abs. 3 S. 1 EStG im Streitjahr.
Ferner ist das in 1994 nicht ausgeschöpfte Abzugspotential durch tatsächliche
Zinszahlungen im Streitjahr ausgefüllt worden (vgl. dazu Drenseck in Schmidt, Kommentar
zum EStG, 20. Auflage, § 10 e Rz. 116; Koller, Deutsches Steuerrecht, 1992, 773 (779)).
Die Kläger haben in 1997 unstreitig Schuldzinsen i. H. v. mehr als 12.000 DM gezahlt, die
mit dem Einfamilienhaus in B-Stadt in wirtschaftlichem Zusammenhang gestanden haben.
Auch die weiteren Voraussetzungen der Nachholung des Schuldzinsenabzuges sind
erfüllt, denn die Kläger haben den regelmäßigen Schuldzinsenabzug nach § 10 e Abs. 1 S.
1 EStG nicht in vollem Umfang in Anspruch nehmen können. Dem Abzug der Schuldzinsen
haben rechtliche Gründe entgegen gestanden. Der Veranlagung des Kalenderjahres 1994
hat nämlich nach Mitteilung des Klägers vom 19.01.1996 die Annahme zugrunde gelegen,
dass es sich bei dem Objekt in B-Stadt um ein Folgeobjekt gehandelt habe, bei dem ein
Abzug von Schuldzinsen in 1994 nicht möglich gewesen ist.
Soweit der Beklagte demgegenüber vorträgt, dass die Schuldzinsen bereits bei der
Ermittlung der Steuer für 1994 hätten berücksichtigt werden können, wenn die Kläger
seinerzeit auf Nachfrage der Sachbearbeiterin die Behandlung als Zweitobjekt beantragt
hätten, kann seiner Argumentation im Hinblick auf den hier streitigen Schuldzinsenabzug
im Veranlagungszeitraum 1997 nicht gefolgt werden.
Richtig ist, dass die Kläger bei der Veranlagung des Kalenderjahres 1994 die Situation, in
der ein Abzug der Schuldzinsen nicht möglich gewesen ist, selbst herbeigeführt haben. Da
sie das Erstobjekt in A-Stadt vor Ablauf des Begünstigungszeitraums veräußert hatten, hat
Ihnen nämlich auch das Recht zugestanden, das Objekt in B-Stadt von Anfang an als
Zweitobjekt zu behandeln. Wer die Voraussetzungen dafür, dass die Schuldzinsen nicht
bereits 1994 berücksichtigt werden konnten, geschaffen hat, ist für eine Nachholung nach §
10 e Abs. 6 a S. 2 EStG jedoch irrelevant. Den Klägern hat es vielmehr frei gestanden, das
Objekt in B-Stadt zunächst als Folgeobjekt zu behandeln.
Das Behandlung des Objektes in B-Stadt im Veranlagungszeitraum 1994 als Folgeobjekt,
hat auch keine Auswirkungen auf das Streitjahr 1997, denn inzwischen haben die Kläger
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ihr Wahlrecht nachträglich zugunsten eines Zweitobjektes geändert.
Diesem Wechsel steht nicht die Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides 1994
entgegen. Die in 1994 zunächst getroffene Wahl zugunsten eines Folgeobjektes bindet die
Kläger hier nicht im gesamten Begünstigungszeitraum.
Zwar hat der BFH entschieden, dass eine Bindung eintritt, wenn Eheleute für einen
Veranlagungszeitraum, in dem sie ein begünstigtes Objekt veräußert und ein weiteres
begünstigtes Objekt erworben haben, ihr Wahlrecht zugunsten eines Zweitobjekts ausüben
und erhöhte Absetzungen für beide Objekte geltend machen (BFH-Urteil vom 13. Oktober
1992 IX R 152/88, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des - BFH/NV -
1993, 230; BFH-Urteil vom 17. März 1992 IX R 305/87, BFH/NV 1992, 594). Ein solcher
Sachverhalt liegt im Streitfall aber nicht vor, denn das Einfamilienhaus in B-Stadt ist
zunächst als Folgeobjekt eingestuft worden und die Kläger haben erst in den Folgejahren
die Behandlung als Zweitobjekt begehrt.
Es ist auch nicht geboten, die vorgenannte Rechtsprechung des BFH auf den Streitfall
entsprechend anzuwenden. Während sich beim Wechsel von einem Zweitobjekt zu einem
Folgeobjekt die steuerlichen Folgen bezüglich der Behandlung als Zweitobjekt schon im
ersten Veranlagungszeitraum zeigen, tritt diese Folge im umgekehrten Fall nicht ein.
Insbesondere ergibt sich durch die Ausübung der Wahl zugunsten des Folgeobjekts
hinsichtlich des beim Zweitobjekt möglichen Schuldzinsenabzuges kein "Verbrauch".
Dass grundsätzlich ein Wechsel der Wahlmöglichkeit vom Folgeobjekt zum Zweitobjekt
möglich ist, entspricht wohl auch der Ansicht der Finanzverwaltung. Laut Erlass des FinMin
Nordrhein-Westfalen zur Eigenheimzulage vom 19.08.1996 (S 0350 - 22 - V C 2) können
nach Bestandskraft des Eigenheimzulagebescheides Ehegatten zwar von der
Folgeobjektförderung zur Zweitobjektförderung wechseln, nicht dagegen von der
Zweitobjektförderung zur Folgeobjektförderung.
Das Gericht verkennt nicht, dass § 10 e Abs. 6 a S. 2 EStG keine unbeschränkte
Nachholmöglichkeit eröffnet, die etwa mit der des § 10 e Abs. 3 S. 1 EStG vergleichbar
wäre. Während die Regelung des § 10 e Abs. 3 S. 1 EStG dem Steuerpflichtigen die
Möglichkeit einräumt, bewusst den Abzugsbetrag nach § 10 e Abs. 1 EStG zeitlich zu
verschieben, um so z. B. Progressionswirkungen auszunutzen, soll § 10 e Abs. 6 a S. 2
EStG nur sicherstellen, dass die Entlastung von 3 x 12.000 DM in Anspruch genommen
werden kann. Das bedeutet, dass ein Steuerpflichtiger, der im Erstjahr einen Abzug der
Schuldzinsen geltend macht, keine Nachholungsmöglichkeit hat, wenn er den
Steuerbescheid, in dem der Abzug rechtswidrig unberücksichtigt geblieben ist, nicht mit
Rechtsmitteln angreift. Im Streitfall haben die Kläger diese Möglichkeit aber nicht gehabt,
denn der Steuerbescheid des Beklagten betreffend den Veranlagungszeitraum 1994 ist
rechtmäßig gewesen.
Auch von einer bewussten Verschiebung des Schuldzinsenabzuges kann im Streitfall nicht
die Rede sein, denn die Kläger haben bei der Veranlagung des Kalenderjahres 1994 nicht
auf die Inanspruchnahme des Abzugsbetrages zugunsten eines späteren
Veranlagungszeitraumes verzichtet. Zwar haben sie auf das Schreiben des Beklagten vom
31.01.1996 nicht reagiert, darin ist aber keine Willenserklärung zu sehen. Der Beklagte hat
die Kläger nämlich nicht zu einer Reaktion aufgefordert, sondern in diesem Schreiben nur
darauf hingewiesen, dass bei einer Behandlung des neuen Objektes als Folgeobjekt, der
Schuldzinsenabzug erst ab 1995 möglich sei. Ähnliches gilt insoweit, als die Kläger den
Einkommensteuerbescheid 1994 nicht angefochten und im Rahmen des Rechtsmittels das
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ihnen zustehende Wahlrecht neu ausgeübt haben. Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz
des Inhalts, daß derjenige, der auf ein Rechtsmittel verzichtet, für die Zukunft auch auf
Rechte verzichten will.
Für die Entscheidung, dass die Nachholung des Schuldzinsenabzugs in 1997 möglich ist,
spricht auch der Zweck des § 10 e Abs. 6 a S. 2 EStG. Nach dem Willen des Gesetzgebers
soll durch den Schuldzinsenabzug eine gezielte Entlastung bei Neubauten und damit eine
entscheidende Stärkung der Bautätigkeit in diesem Bereich erzielt werden (vgl. BT
Drucksachen 12/1506 S. 171). Der Steuerpflichtige soll also durch diese Regelung in die
Lage versetzt werden, den Schuldzinsenabzug von insgesamt 36.000 DM in vollem
Umfang ausschöpfen zu können, wenn er jährlich mit mindestens 12.000 DM Schuldzinsen
belastet ist. Die Regelung steht allen Steuerpflichtigen offen, die die Voraussetzungen des
§ 10 e Abs. 1 bis 5 EStG erfüllen (vgl. BT Drucksachen 12/1506 S.171). Unter diese
Zielgruppe fallen auch die Kläger. Durch die Nachholung der in 1994 nicht in Anspruch
genommenen Schuldzinsen im Veranlagungszeitraum 1997 können sie das gesamte
Abzugspotential von 36.000 DM ausnutzen. Zwar sollten durch den § 10 e Abs. 6 a S. 2
EStG insbesondere die Fälle geregelt werden, in denen durch Einzug in das Objekt kurz
vor Jahresende tatsächlich keine Zinsen in der höchstzulässigen Höhe von 12.000 DM
anfallen konnten und das nicht ausgenutzte Abzugsvolumen des Erstjahres - ohne diese
Regelung - somit nicht in Anspruch genommen werden könnte (FG Baden-Württemberg
Urteil vom 24. Mai 2000 2 K 300/98, Entscheidung der Finanzgerichte - EFG - 2001, 357;
bestätigt durch BFH Urteil vom 12. Dezember 2001 X R 35/00; BFH/NV 2002, 637). Der
Gesetzeswortlaut schränkt die Anwendung der Vorschrift aber nicht auf die Fälle des
späten Bezugstermins ein.
Die Revision war zuzulassen, denn die Auslegung des § 10 e Abs. 6 a S. 2 EStG hat
grundsätzliche Bedeutung (§115 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 FGO). Die Frage, ob die
Nachholung des Schuldzinsenabzugs gemäß § 10 e Abs. 6 a S. 2 EStG möglich ist, wenn
ein Zweitobjekt im Erstjahr zunächst als Folgeobjekt behandelt worden ist, wurde vom BFH
bislang noch nicht entschieden. Dass die Regelung über den Schuldzinsenabzug
auslaufendes Recht darstellt, steht der Zulassung der Revision nicht entgegen.
Nachholung des Schuldzinsenabzuges wird in einer Vielzahl von Fällen begehrt, sodass
eine Entscheidung des BFH im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen
Rechtsanwendung durch Verwaltung und Gerichte geboten erscheint (BFH-Beschluss vom
4. Oktober 1996 VIII B 12/96, BFH/NV 1997, 347).
Die Kostenentscheidung folgt dem Grunde nach aus § 135 Abs. 1 FGO, denn dem
Klagebegehren ist in vollem Umfang Rechnung getragen worden.
Soweit dies allerdings durch den Änderungsbescheid vom 04.09.2001 geschehen ist,
hält es das Gericht für sachgerecht, die Verfahrenskosten den Klägern aufzuerlegen (§ 137
S. 1 FGO), denn insoweit beruht die Entscheidung des Beklagten auf Umständen, welche
die Kläger früher hätten geltend machen können. Den Antrag auf Nachholung des
Abzugsbetrages nach § 10 e Abs. 1 EStG haben sie nämlich nicht im
Veranlagungsverfahren, sondern erstmals im Klageverfahren gestellt.
Der Streitwert für das Verfahren beträgt bis zum 13.06.2001 5.361 EUR (10.486 DM).
Für die Berechnung ist von der Differenz der festgesetzten Einkommensteuer mit Bescheid
vom 21.12.1998 i. d. F. der Einspruchsentscheidung vom 10.08.1999 i. H. v. 25.862,17
EUR (50.582 DM) und der nunmehr festgesetzten Steuer i. H. v. 20.500,76 EUR (40.096
41
DM) auszugehen.
Ab dem 14.06.2001 wird der Streitwert auf 1.143 EUR (2.236 DM) festgesetzt. Der
Streitwert errechnet sich aus der Differenz der festgesetzten Einkommensteuer mit
Bescheid vom 13.06.2001 i. H. v. 21.644,01 EUR (42.332 DM) und der nunmehr
festgesetzten Steuer i. H. v. 20.500,76 EUR (40.096 DM).