Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13.03.2017

FG Berlin-Brandenburg: treu und glauben, zusage, geschäftsführer, einspruch, auskunft, bindungswirkung, liquidator, verrechnung, auflage, vorsteher

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 12.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 K 8345/06 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 47 AO, § 232 AO, § 228 AO, §
229 Abs 1 AO, § 231 Abs 1 AO
Keine Unterbrechung der Zahlungsverjährung durch Einlegung
eines Einspruchs oder Geltendmachung des
Erstattungsanspruchs durch ehemaligen Geschäftsführer einer
gelöschten GmbH
Tatbestand
Die Klägerin gab für das Jahr 1993 weder Steuererklärungen ab noch legte sie dem
Beklagten einen Jahresabschluss vor. Der Beklagte schätzte daraufhin gemäß § 162 der
Abgabenordnung (AO) die Besteuerungsgrundlagen. Aus dem danach erlassenen
Körperschaftsteuerbescheid vom 05. März 1997 resultierte ein Guthaben in Höhe von
DM 21 800, welches der Beklagte auf das ihm bekannte Geschäftskonto der Klägerin
überwies. Dieses Konto war jedoch zwischenzeitlich erloschen, so dass der Betrag
zurücküberwiesen wurde. Am 21. Mai 1997 wurde die Klägerin wegen Annahme der
Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht.
Am 21. November 2001 stellte der frühere Geschäftsführer der Klägerin einen Antrag auf
Verrechnung des Guthabens. Der Beklagte teilte ihm daraufhin mit, dass die Klägerin im
Handelsregister gelöscht worden sei und eine Verrechnung nur noch im Rahmen einer
Nachtragsliquidation möglich sei. Mit Schreiben vom 23. Februar 2005 fragte der
Bevollmächtigte der Klägerin bei dem Beklagten an, ob das Guthaben noch bestehe. Mit
Schreiben vom 08. März 2005 teilte der Beklagte dazu mit, dass grundsätzlich die
Möglichkeit bestehe, das Guthaben im Rahmen einer Nachtragsliquidation zu erstatten.
Er gab jedoch gleichzeitig zu bedenken, dass es sich bei dem
Körperschaftsteuerbescheid 1993 um einen Schätzungsbescheid handele, der mit dem
Einspruch angefochten worden sei, so dass im Rahmen der Nachtragsliquidation das
Rechtsbehelfsverfahren wieder aufgenommen sowie eine Körperschaftsteuererklärung
und ein Jahresabschluss für 1993 eingereicht werden müssten, was zu einer
Kostenbelastung der Klägerin führen würde. Mit Beschluss des Amtsgerichts K... vom 26.
Mai 2005 wurde der frühere Geschäftsführer der Klägerin zu ihrem Liquidator bestellt.
Sodann nahm die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten den Einspruch gegen den
Körperschaftsteuerbescheid 1993 zurück.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2005 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass eine
Erstattung des Guthabens aus dem Körperschaftsteuerbescheid 1993 wegen zum 31.
Dezember 2002 eingetretener Zahlungsverjährung nicht in Betracht komme.
Dementsprechend lehnte der Beklagte die Erfüllung einer Abtretungsanzeige ab, mit der
die Forderung aus der Körperschaftsteuererstattung zwecks Erfüllung von
Honoraransprüchen an ihren Bevollmächtigten abgetreten werden sollte.
Mit Schreiben vom 26. September 2005 beantragte die Klägerin die Erteilung eines
Abrechnungsbescheides. Dieser erging am 21. Oktober 2005 und wies einen
ursprünglichen Erstattungsbetrag in Höhe von insgesamt DM 21 800 (entspricht
€ 11 145,84) aus, der jedoch wegen Zahlungsverjährung erloschen sei. Den Einspruch
gegen den Abrechnungsbescheid wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom
17. Oktober 2006 als unbegründet zurück.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Lauf der Zahlungsverjährung durch den gegen
den Körperschaftsteuerbescheid 1993 eingelegten Einspruch gehemmt gewesen sei.
Jedenfalls aber habe der von ihrem früheren Geschäftsführer und jetzigem Liquidator
gestellte Verrechnungsantrag vom 21. November 2001 die Zahlungsverjährung
unterbrochen. Darüber hinaus habe der Beklagte durch sein Schreiben vom 08. März
2005 einen Vertrauenstatbestand dahingehend, dass die Zahlungsverjährung nicht
eingetreten sei, geschaffen. Das Schreiben stellt nach Ansicht der Klägerin eine
verbindliche Zusage dar. Sie, die Klägerin, habe auf diese Zusage vertraut, wie sich
daran zeige, dass sie nach Erhalt des Schreibens die Bestellung ihres früheren
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daran zeige, dass sie nach Erhalt des Schreibens die Bestellung ihres früheren
Geschäftsführers als Nachtragsliquidator betrieben und damit nicht unerhebliche
Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Justizkasse und ihrem Bevollmächtigten
eingegangen sei.
unter Aufhebung des Abrechnungsbescheides vom 21.
Oktober 2005 und der Einspruchsentscheidung vom 17. Oktober 2006 den
Beklagten zu verpflichten, ihr ein Guthaben in Höhe von € 10 225,84
zuzüglich 6 % Zinsen p.a. seit dem 23. August 1995 zu erstatten.
Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu
erklären.
die Klage abzuweisen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 FGO).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Erstattung eines Guthabens in Höhe von € 11 145,84.
1. Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung des Guthabens war zum Zeitpunkt des
Antrags aufgrund Zahlungsverjährung bereits erloschen (vgl. §§ 47, 232 AO).
a) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis unterliegen gemäß § 228 AO einer
besonderen Zahlungsverjährungsfrist von fünf Jahren. Sie beginnt nach § 229 Abs. 1 AO
mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch erstmals fällig geworden ist.
Der Anspruch der Klägerin auf das Körperschaftsteuerguthaben wurde erstmals im Jahre
1997 fällig. Die Frist des § 228 AO begann somit mit Ablauf des Jahres 1997 und endete
mit Ablauf des Jahres 2002. Zum Zeitpunkt des Antrags der Klägerin auf Erstattung des
Guthabens war somit bereits Zahlungsverjährung eingetreten.
b) Die Verjährung war auch nicht gehemmt oder unterbrochen.
aa) Die Verjährung wird gemäß § 230 AO nur gehemmt, solange der Anspruch wegen
höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt
werden kann. Für das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Klägerin nichts
vorgetragen; dafür liegen nach der Aktenlage auch keine Anhaltspunkte vor.
bb) Die Verjährung war auch nicht durch die Einlegung des Einspruchs gegen den
Körperschaftsteuerbescheid 1993 unterbrochen. Ein gegen eine Steuerfestsetzung
eingelegter Einspruch ist nämlich nach der zutreffenden Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofes (BFH) allein nicht als schriftliche Geltendmachung eines
Erstattungsanspruches i.S. des § 231 Abs.1 AO anzusehen (BFH-Urteil vom 09. Juli 1997
– VII R 136/95, BFH/NV 1997, 10). Das folgt schon daraus, dass das Rechtsinstitut der
Zahlungsverjährung sich nur auf das Erhebungsverfahren auswirkt, der Einspruch aber
gegen die Steuerfestsetzung selbst gerichtet ist.
cc) Auch das Schreiben, mit dem der frühere Geschäftsführer und jetzige Liquidator der
Klägerin die Verrechnung des Erstattungsanspruchs begehrte, unterbrach die
Verjährung des Anspruchs nicht.
Dieses Schreiben datiert vom 21. November 2001. Zu dieser Zeit war die Organstellung
des Liquidators der Klägerin als Geschäftsführer aufgrund der Löschung der Klägerin
wegen Vermögenslosigkeit beendet (vgl. Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG,
Kommentar, 18. Auflage 2006, § 38 Rn. 91). Zum Nachtragsliquidator war er noch nicht
bestellt worden. Damit war der Nachtragsliquidator der Klägerin am 21. November 2001
für diese weder geschäftsführungs- noch vertretungsbefugt (vgl. Zöllner/Noack aaO., Rn.
98) und konnte daher keine rechtswirksamen Erklärungen für sie abgeben. Das
Schreiben von diesem Tage entfaltete somit keine Rechtswirkungen für die Klägerin.
Ohne Erfolg wendet die Klägerin dagegen ein, dass Willenserklärungen oder Realakte, die
für eine in Auflösung befindliche GmbH vorgenommen werden sollten, welche wegen
fehlender Liquidatoren vorübergehend über kein Organ verfüge, und die ohne
tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten problemlos vorgenommen werden könnten,
„ohne weiteres“ durch den früheren Geschäftsführer der Gesellschaft für die
Liquidationsgesellschaft vorgenommen werden könnten. Es ist vielmehr anerkannt, dass
eine gelöschte (aber nur aufgelöste) Gesellschaft im Zeitpunkt der erforderlich
gewordenen Liquidation über keine aktuellen vertretungsberechtigten Organe mehr
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gewordenen Liquidation über keine aktuellen vertretungsberechtigten Organe mehr
verfügt (LG Aachen, Urteil vom 17. April 2002 – 12 O 59/02, GmbH-Rundschau – GmbHR
– 2002, 696), weshalb gerade die Bestellung von Nachtragsliquidatoren notwendig ist
(vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 07. Januar 1998 – 3Z BR
491/97, Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungsreport – 1998, 1333 = GmbHR
1998, 384).
2. Die Klägerin hat auch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten keinen Anspruch auf
Erstattung des Guthabens. Die Auskunft des Beklagten in dem Schreiben vom 08. März
2005 entfaltete keine Bindungswirkung.
Allgemeine Auskünfte einer Finanzbehörde sind regelmäßig nicht bindend (Rüsken in
Klein, AO, Kommentar, 9. Auflage 2006, § 204 Rn. 21). Etwas anderes galt in dem hier
streitigen Zeitraum nur dann, wenn die Bindungswirkung gesetzlich festgeschrieben war
oder wenn die Voraussetzungen einer verbindlichen Zusage außerhalb einer
Außenprüfung vorliegen. Beides ist hier nicht der Fall.
a) Eine gesetzliche Bestimmung, nach der die Äußerung des Beklagten vom 08. März
2005 Bindungswirkung entfalten könnte, ist nicht ersichtlich.
b) Das Schreiben des Beklagten vom 08. März 2005 stellte auch keine verbindliche
Auskunft dar. Die Rechtsprechung hat eine Reihe von Voraussetzungen aufgestellt, die
vorliegen müssen, damit nach den Grundsätzen von Treu und Glauben das Vertrauen
des Steuerpflichtigen auf eine Zusage des Finanzamtes geschützt wird. Dazu gehört
u.a., dass der Steuerpflichtige in eindeutiger Weise eine verbindliche Zusage beantragt
hat und die Zusage vom Vorsteher oder dem zuständigen Sachgebietsleiter erteilt wird
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 19. März 2002 – VIII R 57/99,
Bundessteuerblatt – BStBl. – II 2002, 662, unter II.B.5.b) der Gründe m.w.N.). An beidem
fehlt es hier. Insbesondere genügt das eher allgemein gehaltene Schreiben des
Bevollmächtigten der Klägerin vom 23. Februar 2005 nicht den Anforderungen, die an
einen Antrag auf Erteilung einer bindenden Zusage gestellt werden. Dieser muss
nämlich u.a. folgende Angaben enthalten: eine umfassende und in sich abgeschlossene
Darstellung eines ernsthaft geplanten, im Wesentlichen noch nicht verwirklichten
Sachverhalts, die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses, eine ausführliche
Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen
Rechtsstandpunktes, die Formulierung konkreter Rechtsfragen (wobei globale Fragen
nach den eintretenden Rechtsfolgen nicht ausreichen), die Erklärung, dass über den zur
Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche
Auskunft beantragt wurde sowie die Versicherung, dass alle für die Erteilung der
Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der
Wahrheit entsprechen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 29.
Dezember 2003, BStBl. I 2003, 742). Zudem ist das Schreiben des Beklagten nicht vom
Vorsteher oder Sachgebietsleiter unterzeichnet worden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
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