Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 15.12.2003

FG Berlin-Brandenburg: wirtschaftliche tätigkeit, grad des verschuldens, herstellungskosten, vermietung, prüfer, festsetzungsverjährung, gebäude, kaufpreis, erlass, hinterlegung

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Gericht:
Finanzgericht Berlin-
Brandenburg 7.
Senat
Entscheidungsdatum:
Streitjahr:
1996
Aktenzeichen:
7 K 3062/06 B
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 174 Abs 4 S 4 AO, § 362 Abs 2
AO, § 174 Abs 3 S 1 AO, § 15a
UStG 1999 vom 15.12.2003
(Steuerbescheid oder verbösernde Einspruchsentscheidung als
"später geänderte Steuerbescheid" i. S. des § 174 Abs. 4 Satz 4
AO)
Leitsatz
Wird während eines Einspruchsverfahrens ein Steuerbescheid nach § 367 Abs. 2 AO
verbösert, kann bei der Anwendung des § 174 Abs. 4 AO nicht der Ausgangsbescheid,
sondern erst die verbösernde Einspruchsentscheidung der später geänderte Steuerbescheid
i. S. des § 174 Abs. 4 Satz 4 AO sein.
Tenor
Abweichend vom Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25.11.2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 07.03.2006 wird die Umsatzsteuer 1996 unter Minderung
des Berichtigungsbetrages nach § 15 a UStG um 113.788,- DM festgesetzt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren war notwendig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der der Klägerin zu erstattenden
außergerichtlichen Kosten abwenden, sofern diese nicht zuvor Sicherheit in gleicher
Höhe geleistet hat.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erwarb mit Vertrag vom 19.03.1993 das Grundstück
… in D zum Preis von 14.423.089,- DM.
Dabei handelt es sich um ein Geschäftshaus, das in den Jahren 1913/1914 erbaut und
zwischenzeitlich unter Denkmalschutz gestellt worden war. Im Zeitpunkt des Erwerbs
wurde das Gebäude durch die Verkäuferin und verschiedene Mieter genutzt. Die
Verkäuferin räumte das Gebäude kurz nach Kaufvertragsschluss. Die Mietverhältnisse
wurden zeitnah beendet, so dass die Klägerin in ihren Jahresabschlüssen 1993 bis 1995
keine Mieterlöse und im Jahresabschluss 1996 nur Mieterlöse in Höhe von 800,- DM
auswies. In den Jahren 1993 bis 1995 wurde das Objekt mit einem Aufwand von ca. 5,5
Mio. DM grundlegend modernisiert und die Nutzfläche erweitert. Die Klägerin behandelte
die Bauaufwendungen in ihren Jahresabschlüssen als nachträgliche Herstellungskosten.
Während der Umbauphase wurde das Objekt mit einer Anzeige in der … Zeitung vom
04.03.1994 (Blatt 104 Gerichtsakte) zur Vermietung angeboten. Die
Vermietungsbemühungen blieben jedoch zunächst ohne Erfolg, abgesehen von einer
kurzfristigen Vermietung des 3. OG für Filmaufnahmen.
Am 20.12.1996 teilte die Klägerin das Objekt in Teileigentümer auf.
Am 30.12.1996 schloss sie mit der …bank … AG - im Folgenden: H-AG - (E bank AG -
kurz: E - und später in der F AG aufging) einen Kaufvertrag über die Teileigentümer 4 und
5 (2. und 3. Obergeschoss) zum Preis von 6,2 Mio. DM, ohne dass Umsatzsteuer
gesondert ausgewiesen wurde. Nach § 5 Abs. 1 des Kaufvertrags sollten Lasten und
Nutzen des Objekts mit Wirkung vom 30.12.1996, jedoch nicht vor vollständiger
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Nutzen des Objekts mit Wirkung vom 30.12.1996, jedoch nicht vor vollständiger
Hinterlegung des Kaufpreises auf dem Notaranderkonto übergehen. Wegen der weiteren
Einzelheiten nimmt das Gericht auf den Vertragstext (Blatt 13 ff. Gerichtsakte
7 K 7335/05 des Finanzgerichts Berlin) Bezug. Noch am gleichen Tag, also am
30.12.1996, überwies die H-AG den Kaufpreis durch telegrafische Überweisung auf das
Notaranderkonto.
Die Klägerin machte die in den Anschaffungs- und Herstellungskosten enthaltene
Vorsteuer im Rahmen ihrer Umsatzsteuerveranlagungen 1993 bis 1995 erfolgreich
geltend. Am 15.05.1998 reichte sie ihre Umsatzsteuererklärungen 1996 und 1997 beim
Beklagten ein. Steuerpflichtige Umsätze aus der Veräußerung der Teileigentümer oder
Kürzungsbeträge nach § 15 a Umsatzsteuergesetz - UStG - erklärte sie nicht. Am
23.10.1998 erließ der Beklagte Umsatzsteuerbescheide 1996 und 1997, die unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung standen und mit denen der Beklagte den Erklärungen im
Wesentlichen folgte.
Im Jahre 2002 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Außenprüfung für die
Veranlagungszeiträume 1996 bis 1998 durch. Während der Außenprüfung bat der Prüfer
die Klägerin, Belege über den Zeitpunkt der Hinterlegung des Grundstückskaufpreises
durch die H-AG vorzulegen. Die Klägerin teilte in diesem Zusammenhang mit, der
Kaufpreis sei noch am 30.12.1996 hinterlegt worden, ohne jedoch Kontoauszüge oder
Abrechnungen des Notars vorzulegen. Des Weiteren teilte die Klägerin mit, es sei
ursprünglich beabsichtigt gewesen, das gesamte Gebäude zu vermieten, was sich dann
jedoch als äußerst schwierig herausgestellt habe. Daher seien das 2. und 3.
Obergeschoss an die H-AG verkauft worden. Vor der Veräußerung hätten die Räume leer
gestanden oder seien allenfalls als Ausstellungsräume oder kurzfristig für
Filmaufnahmen verwendet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht
auf Blatt 64 f. der Gerichtsakte Bezug.
In seinem Bericht vom 13.12.2002 gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass die
Veräußerung der Teileigentümer 4 und 5 einen steuerfreien Umsatz im Sinne des § 4 Nr.
9 Buchstabe a UStG darstelle. Davon ausgehend berichtigte er die auf das Teileigentum
5 entfallende Vorsteuer in Höhe von 11.505,- DM pro Jahr ab dem Veranlagungszeitraum
1997. Weitere Berichtigungen ergaben sich für das Kellergeschoss (2.223,- DM) und das
Teileigentum 2 (3.987,- DM; Summe der Berichtigungsbeträge: 17.714,- DM). Daran hielt
der Prüfer auch in seinem Änderungsbericht vom 19.07.2004 fest.
Dem folgend hob der Beklagte am 08.10.2004 den Vorbehalt der Nachprüfung
hinsichtlich der Umsatzsteuer 1996 auf. Für 1997 setzte er am gleichem Tag die
Umsatzsteuer auf ./. 8.872,45 € fest, wobei er entsprechend dem Außenprüfungsbericht
einen Berichtigungsbetrag gemäß § 15 a UStG in Höhe von 17.714,- DM berücksichtigte.
Den gleichen Berichtigungsbetrag legte er einem geänderten Umsatzsteuerbescheid
1998 zugrunde.
Gegen die Bescheide für 1997 und 1998 legte die Klägerin am 21.10.2004 Einspruch ein
und machte geltend, der Beklagte habe zu Unrecht die Umsatzsteuer nach § 15 a UStG
berichtigt, da die Veräußerung der Teileigentümer eine Geschäftsveräußerung im Sinne
des § 1 Abs. 1 a UStG darstelle.
Während des Einspruchsverfahrens wies der Beklagte mit Schreiben vom 16.02.2005
und 04.05.2005 darauf hin, dass er beabsichtige, die Umsatzsteuer über die bisherige
Festsetzung hinaus zu erhöhen, da nach einer Gesetzesänderung auch für das
Teileigentum 4 eine Berichtigung nach § 15 a UStG vorzunehmen sei. Zudem sei die
Berichtigung für beide Teileigentümer nicht anteilig pro Jahr, sondern in einem Betrag im
Jahr 1997 in Höhe von 224.044,- vorzunehmen. Wegen der Einzelheiten der
Berechnungen nimmt das Gericht auf Blatt 34 Umsatzsteuerakte II Bezug. Dem folgend
setzte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23.08.2005 die Umsatzsteuer auf
96.622,41 € herauf. Dem Einspruch gegen den Umsatzsteuerbescheid 1998 half der
Beklagte ab.
Daraufhin erhob die Klägerin am 22.09.2005 beim Finanzgericht Berlin unter dem
Aktenzeichen 7 K 7335/05 Klage wegen Umsatzsteuer 1997, mit der sie u. a. geltend
machte, der Lastenwechsel und damit der Übergang der Verfügungsmacht an den
Teileigentümern 4 und 5 sei bereits am 30.12.1996 erfolgt, so dass allenfalls eine
Korrektur im Jahre 1996 in Betracht komme. Zum Beleg verwies die Klägerin auf eine
Aufstellung des Notars, in der ein Eingang von der H-AG in Höhe von 6,2 Mio. DM am
30.12.1996 ausgewiesen ist. Diese Aufstellung war ihr vom Notar am 08.11.2005
übermittelt worden.
Dies nahm der Beklagte zum Anlass, am 25.11.2005 die Umsatzsteuer 1997
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Dies nahm der Beklagte zum Anlass, am 25.11.2005 die Umsatzsteuer 1997
antragsgemäß auf ./. 17.929,47 € herabzusetzen, worauf beide Beteiligten den
Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärten. Die Kosten des Verfahrens legte
das Gericht dem Beklagten auf, da es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür sah, der
Klägerin die Kosten nach § 138 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung - FGO - in
Verbindung mit § 137 FGO aufzuerlegen.
Ebenfalls am 25.11.2005 erließ der Beklagte einen geänderten Umsatzsteuerbescheid
1996, mit dem er unter Zugrundelegung eines Berichtigungsbetrages nach § 15 a UStG
in Höhe von 224.044,- DM die Umsatzsteuer auf 89.587,54 € festsetzte.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 12.12.2005 Einspruch ein, den der
Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 07.03.2006 zurückwies.
Daraufhin hat die Klägerin am 20.03.2006 Klage erhoben.
Die Klägerin macht geltend, die Voraussetzungen für eine Änderung des
Umsatzsteuerbescheids 1996 nach § 174 Abs. 4 Abgabenordnung - AO - lägen nicht vor.
Die Vorschrift sei nicht anwendbar, wenn die Fehlerhaftigkeit auf einem Tatsachenfehler
beruhe, die Finanzbehörde bewusst fehlerhaft gehandelt habe oder wenn das Finanzamt
den Sachverhalt nicht zur Kenntnis genommen habe. So seien die Verhältnisse im
Streitfall. Der Beklagte habe bedingt vorsätzlich eine fehlerhafte
Umsatzsteuerfestsetzung erlassen. Aus den vorliegenden Buchführungsunterlagen
hätte dem Außenprüfer klar sein müssen, dass der Lastenwechsel bereits im Jahre 1996
stattgefunden habe. Dass der Außenprüfer im Rahmen der Prüfung nach dem
Lastenwechsel gefragt habe, bestreite sie, ebenso dass er telefonisch vom Finanzamt …
die Auskunft erhalten habe, dass der Lastenwechsel erst 1997 stattgefunden habe.
Jedenfalls habe das Finanzamt … keine Grundlagenfunktion. Auch der Zeitpunkt des
Vertragsschlusses am 30.12.1996 habe dem Prüfer keinen Anlass gegeben, am
Lastenwechsel noch im selben Jahr zu zweifeln, da es nicht unüblich sei, dass der
Kaufpreis noch am Tage des Kaufvertragsabschlusses auf dem Notaranderkonto
hinterlegt werde. Dies gelte erst recht, wenn wie hier der Anspruch auf
Sonderabschreibungen von der Zahlung noch im selben Jahr abhänge.
Jedenfalls scheide eine Berichtigung der Vorsteuer nach § 15 a UStG aus, weil die
Veräußerung der Teileigentümer keine steuerfreie Grundstücksveräußerung nach § 4 Nr.
9 Buchstabe a UStG, sondern eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung gemäß § 1
Abs. 1 a UStG darstelle. Denn die Teileigentümer stellten selbstständige Teilbetriebe
dar. Es sei nicht erforderlich, dass der ursprüngliche Betrieb fortgeführt werde, jedenfalls
sei nicht erforderlich, dass der Erwerber vor der Übertragung eine wirtschaftliche
Tätigkeit derselben Art ausgeübt habe wie der Übertragende. Schließlich seien die
Teileigentümer 4 und 5 von der Klägerin selbst genutzt worden. Diese Selbstnutzung
habe dann in der Folge die H-AG fortgesetzt.
den Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25.11.2005 in
Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.03.2006 ersatzlos aufzuheben,
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig
zu erklären.
die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet. Er sei befugt gewesen, die
Umsatzsteuerfestsetzungen 1996 gemäß § 174 Abs. 4 AO zu ändern. Es sei
unerheblich, ob der Fehler, an dem der Umsatzsteuerbescheid 1997 gelitten habe, im
Tatsächlichen oder im Rechtlichen gelegen habe. Auch eine vorsätzlich falsche
Sachverhaltswürdigung wäre nicht schädlich. Überdies habe er bis zur Vorlage der
Aufstellung über das Notaranderkonto im Rahmen des Klageverfahrens 7 K 7335/05
Anlass zu der Annahme gehabt, dass der Lastenwechsel erst in 1997 eingetreten sei.
Dafür habe die Lebenserfahrung gesprochen, dass Überweisungen auf das
Notaranderkonto in der Regel nicht am Tag des Kaufvertragsabschlusses bewirkt
würden. Ferner habe der Prüfer vom Finanzamt … die Auskunft erhalten, dass der
Lastenwechsel erst im Jahr 1997 eingetreten sei. Dementsprechend sei auch die
Zurechnungsfortschreibung auf den 01.01.1998 erfolgt. Schließlich habe die Klägerin im
Rahmen des Einspruchsverfahrens zur Umsatzsteuer 1997 nicht bestritten, dass der
Lastenwechsel erst in 1997 stattgefunden habe. Diesen Einwand habe sie erst im
Klageverfahren 7 K 7335/05 erhoben. Bereits der Außenprüfer habe um Übersendung
von Nachweisen über den Zeitpunkt der Hinterlegung des Kaufpreises auf dem
Notaranderkonto (erfolglos) gebeten.
Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten, da es ausreiche, dass der später im
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Festsetzungsverjährung sei nicht eingetreten, da es ausreiche, dass der später im
Rahmen des Klageverfahrens 7 K 7335/05 geänderte Umsatzsteuerbescheid 1997 vom
08.10.2004 vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1996 ergangen sei.
Auch in der Sache sei der angefochtene Bescheid rechtmäßig. Die Veräußerung der
Teileigentümer stelle keine Teilbetriebsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG dar.
Denn nicht jede Veräußerung eines Teileigentums stelle auch zugleich eine
Geschäftsveräußerung im Sinne dieser Vorschrift dar. Im Streitfall stehe dem entgegen,
dass die wirtschaftliche Tätigkeit der Klägerin von der H-AG nicht fortgeführt worden sei.
Denn die Klägerin habe Räumlichkeiten in dem Streitobjekt vermietet oder es jedenfalls
gewollt. Die H-AG nutze die Räumlichkeiten selbst für ihren Bankbetrieb. Im Übrigen
hätten die Objekte vor der Veräußerung leer gestanden, so dass auch bei einer
erstmaligen Vermietung durch die H-AG keine Fortführung der unternehmerischen
Tätigkeit der Klägerin erfolgt wäre.
Dem Gericht haben die Streitakten des Finanzgerichts Berlin zu den Aktenzeichen
7 K 7335/05 und 7 B 3063/06 sowie 2 Umsatzsteuerakten, 1 Betriebsprüfungsakte, 1
Bilanzakte und der Arbeitsbogen des Außenprüfers vorgelegen, die unter der
Steuernummer … geführt werden.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Die Klägerin wird durch den angefochtenen Bescheid im Sinne des § 100 Abs. 1 und 2
FGO in ihren Rechten verletzt. Der Beklagte war nach § 174 Abs. 4 AO nur befugt, den
Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 08.10.2004 in der Weise zu ändern, dass er einen
Berichtigungsbetrag wegen der Veräußerung des Teileigentums 5 in Höhe von 110.256,-
DM berücksichtigte. Hinsichtlich des auf das Teileigentum 4 entfallenden Betrags von
113.788,- DM war demgegenüber Festsetzungsverjährung eingetreten. Im Übrigen ist
der angefochtene Bescheid formell und materiell rechtmäßig.
I. 1. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 15 a UStG liegen vor. Maßgeblich
ist die ab dem 01.01.2002 anzuwendende Fassung (§ 27 Abs. 8 UStG i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes 2003 vom 15.12.2003, Bundesgesetzblatt – BGBl. – I 2003,
2645; Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 07.07.2005 V R 32/04, Sammlung der
Entscheidungen des BFH - BFHE - 211, 74, Bundessteuerblatt - BStBl. - II 2005, 907;
Beschluss vom 30.05.2007 V B 104/05, BFH/NV 2007, 1724).
2. Danach ist eine Berichtigung der Vorsteuerbeträge vorzunehmen, wenn sich bei
einem Wirtschaftsgut innerhalb von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt der erstmaligen
Verwendung die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse
ändern (§ 15 a Abs. 1 Satz 1 UStG 2002). Die Berichtigung bezieht sich auf alle
Vorsteuerbeträge, die auf Anschaffungs- oder Herstellungskosten, einschließlich der
nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten entfallen (§ 15 a Abs. 1 Satz 1
und Abs. 3 Nr. 1 UStG 2002). Dass die streitbefangenen Berichtigungsbeträge von
Anschaffungs- oder Herstellungskosten herrühren, ist zwischen den Beteiligten niemals
streitig gewesen. Die Klägerin hat die Bauaufwendungen in ihren Jahresabschlüssen als
nachträgliche Herstellungskosten behandelt. Nach Aktenlage sieht auch das Gericht
keinen Anlass, daran zu zweifeln. Ausweislich des im Arbeitsbogen abgelegten Prospekts
der Klägerin wurde im Rahmen der Modernisierung eine Galerie eingebaut, also das
Gebäude i. S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 Handelsgesetzbuch - HGB - erweitert. Im
Übrigen spricht angesichts des Alters des Gebäudes und der Höhe der
Herstellungskosten alles dafür, dass die Baumaßnahmen i. S. des § 255 Abs. 2 Satz 1
HGB eine wesentliche Verbesserung hervorgerufen haben. Dies gilt unabhängig davon,
ob es im Streitfall auf einen so genannten Standardsprung (vgl. z. B. BFH, Urteil vom
20.08.2002 IX R 98/00, BFHE 200, 231, BStBl. II 2003, 604) oder darauf ankommt, ob
bauliche Veränderungen vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung zu einer
höherwertigeren (verbesserten) Nutzbarkeit des Vermögensgegenstandes führen (BFH,
Urteil vom 25.09.2007 IX R 28/07, BFHE 219, 96, BStBl. II 2008, 218).
3. Eine Änderung der Verhältnisse liegt auch vor, wenn das noch verwendungsfähige
Wirtschaftsgut vor Ablauf des nach § 15 a Abs. 1 bis 3 UStG 2002 maßgeblichen
Berichtigungszeitraums veräußert wird und dieser Umsatz anders zu beurteilen ist, als
die für den ursprünglichen Vorsteuerabzug maßgebliche Verwendung (§ 15 a Abs. 4 Satz
1 UStG 2002). Nach § 44 Abs. 4 Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV -, der
auf der Ermächtigung des § 15 a Abs. 7 Nr. 1 UStG 1996/2002 beruht, ist die Vorsteuer
allein im Veranlagungszeitraum der Veräußerung zu berichtigen. Es haben sich die für
die Gewährung der ursprünglichen Vorsteuer maßgebenden Verhältnisse geändert, da
die Klägerin hinsichtlich der Teileigentümer 4 und 5 ihre ursprüngliche Absicht der
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die Klägerin hinsichtlich der Teileigentümer 4 und 5 ihre ursprüngliche Absicht der
steuerpflichtigen Vermietung aufgegeben und stattdessen steuerfreie Umsätze aus der
Lieferung der Teileigentümer (§ 4 Nr. 9 Buchstabe a UStG) bewirkt hat. Entgegen der
Auffassung der Klägerin stellt die Veräußerung der Teileigentümer keine
Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG dar, die nach § 15 a Abs. 6 a
UStG 2002 im Rahmen der Vorsteuerberichtigung für die Klägerin unbeachtlich wäre.
4. a) Gemäß § 1 Abs. 1 a Satz 2 UStG liegt eine Geschäftsveräußerung vor, wenn ein
Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter
Betrieb im Ganzen entgeltlich übereignet wird. § 1 Abs. 1 a UStG dient der Umsetzung
von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur
Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern
(77/388/EWG - 6. EG-Richtlinie). Nationales Recht ist entsprechend dieser Bestimmung
richtlinienkonform auszulegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom
18.01.2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BStBl. II 2007, 730; vom 30.04.2009 V R 4/07,
Deutsches Steuerrecht - DStR - 2009, 1804). Art. 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie bezweckt
nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -
die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern oder zu
vereinfachen und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben
und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und
immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit
dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber
muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil
zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen
Geschäftstätigkeit (EuGH, Urteil vom 27.11.2003 C-497/01 - Zita Modes, Umsatzsteuer-
Rundschau - UR - 2004, 19, Rz. 39 ff.; BFH, Urteil vom 30.04.2009 V R 4/07, DStR 2009,
1804).
Es ist daher eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, ob das übertragene
Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen
Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten
übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Dabei steht es der Fortsetzung der bisher
durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit nicht entgegen, wenn der Erwerber den von
ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (BFH,
Urteile vom 23.08.2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl. II 2008, 165; vom 30.04.2009 V
R 4/07, DStR 2009, 1804).
b) Eine Geschäftsveräußerung im Sinne des § 1 Abs. 1 a UStG kann auch durch die
Übertragung eines einzelnen Grundstückes verwirklicht werden. Dies gilt jedoch nicht
uneingeschränkt. Vielmehr liegt eine Geschäftsveräußerung durch Übertragung eines
einzelnen Grundstücks insbesondere dann vor, wenn die vom Veräußerer ausgeübte
Vermietungstätigkeit vom Erwerber fortgesetzt wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B.
BFH, Urteile vom 22.11.2007 V R 5/06, BFHE 219, 442, BStBl. II 2008, 448; vom
04.09.2008 V R 23/06, BFH/NV 2009, 426; vom 18.09.2008 V R 21/07, BFHE 222, 170,
BStBl. II 2009, 254; vom 30.04.2009 V R 4/07, DStR 2009, 1804). Dabei reicht es aus,
wenn die Flächen zu einem wesentlichen Teil vermietet sind (BFH, Urteil vom 30.04.2009
V R 4/07, DStR 2009, 1804). Andererseits fehlt es an der für das Vorliegen einer
Geschäftsveräußerung erforderlichen Fortführung des Unternehmens, wenn bei der
Veräußerung des Gebäudes der Mietvertrag nicht übergeht und die Erwerberin eine
Vermietungstätigkeit des Veräußerers nicht fortsetzt (BFH, Urteile vom 11.10.2007 V R
57/06, BFHE 219, 284, BStBl. II 2008, 447; vom 04.09.2008 V R 23/06, BFH/NV 2009,
426; vom 18.09.2008 V R 21/07, BFHE 222, 170, BStBl. II 2009, 254).
Im Streitfall hat die H-AG die unternehmerische Tätigkeit der Klägerin mit dem Erwerb
der Teileigentümer nicht fortgeführt. Gegenstand der Klägerin ist die Vermietung von
Gewerbeflächen, da ihr Geschäftsmodell nicht darauf zielte, nach Fertigstellung der
Baumaßnahmen das Gebäude im Ganzen oder aufgeteilt in Teileigentümer zu
veräußern. Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, dass die H-AG die von ihr, der
Klägerin, ausgeübte Selbstnutzung fortgesetzt habe, da der Gegenstand der
unternehmerischen Tätigkeit der H-AG das Realkreditgeschäft und nicht die Vermietung
von Geschäftsräumen war. Selbst wenn die H-AG die Flächen anschließend an Dritte
vermietet haben sollte, würde es an der Fortführung der unternehmerischen Tätigkeit
fehlen, weil es insoweit kein Mietverhältnis gab, das fortgesetzt werden könnte.
II. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 Satz 1 AO für eine Änderung des Bescheids
über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung zur Umsatzsteuer 1996 vom
08.10.2004 waren gegeben.
1. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können durch Änderung eines Steuerbescheids die
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1. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können durch Änderung eines Steuerbescheids die
richtigen steuerrechtlichen Folgerungen gezogen werden, wenn zuvor aufgrund irriger
Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der
aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen
Gunsten geändert wird. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
Der Beklagte hat bestimmte Sachverhalte irrig beurteilt, also steuerrechtlich
bedeutsame einheitliche Lebensvorgänge (BFH, Urteil vom 02.05.2001 VIII R 44/00,
BFHE 195, 14, BStBl. II 2001, 562). Denn er ist bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids
1997 vom 08.10.2004 und der verbösernden Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer
1997 vom 23.08.2005 davon ausgegangen, dass Nutzen und Lasten für die
Teileigentümer 4 und 5 erst im Jahre 1997 auf die H-AG übergegangen sind. Wie
zwischen den Beteiligten unstreitig ist, sind der Lastenwechsel und damit auch die
umsatzsteuerlich relevante Lieferung der Teileigentümer bereits am 30.12.1996 erfolgt.
Dieser Zeitpunkt ist nach § 44 Abs. 4 UStDV maßgeblich dafür, in welchem
Veranlagungszeitraum die Berichtigung nach § 15 a UStG vorzunehmen ist. Die
Fehlbeurteilung des Beklagten hat sich auf die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer in
der Weise ausgewirkt, dass der Beklagte zunächst mit den Umsatzsteuerbescheiden
1997 und 1998 vom 08.10.2004 die auf das Teileigentum 5 entfallende Vorsteuer
zeitanteilig berichtigt und in der Folge mit der Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer
1997 vom 23.08.2005 die gesamte auf die Teileigentümer 4 und 5 entfallende Vorsteuer
nach § 15 a UStG 2002 i. V. mit § 44 Abs. 4 UStDV berichtigt hat. An dieser Stelle kann
dahingestellt bleiben, ob im Streitfall zwei „bestimmte Sachverhalte“ i. S. des § 174 Abs.
4 Satz 1 AO (nämlich die Veräußerung von zwei Teileigentümern) oder ein „bestimmter
Sachverhalt“ (nämlich die in einer Urkunde erfolgte Veräußerung von zwei in räumlichem
Zusammenhang stehenden Teileigentümern) vorlagen (s. aber unten III. 2. b) aa)).
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin gilt § 174 Abs. 4 AO auch bei Fehlern der
tatsächlichen Würdigung (BFH, Urteile vom 02.05.2001 VIII R 44/00, BFHE 195, 14, BStBl.
II 2001, 562; vom 18.03.2004 V R 23/02, BFHE 205, 402, BStBl. II 2004, 763; vom
15.01.2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073).
3. Es kann dahinstehen, ob und ggf. mit welchem Grad des Verschuldens der Beklagte
die Fehlerhaftigkeit des Umsatzsteuerbescheids 1997 herbeigeführt hat (BFH, Beschluss
vom 21.05.2004 V B 30/03, BFH/NV 2004, 1497; Urteil vom 28.01.2009 X R 27/07, BFHE
224, 15, BStBl. II 2009, 620). Es steht jedenfalls fest, dass der Beklagte nicht vorsätzlich
(im Sinne sicheren Wissens) einen falschen Umsatzsteuerbescheid 1997 erlassen hat.
Denn aus dem vom Beklagten vorgelegten Schriftverkehr geht hervor, dass der Prüfer
sich um die Aufklärung des genauen Zeitpunkts des Lastenwechsels bemüht hat. Es war
auch nicht ohne weiteres glaubhaft, dass die H-AG am Tag des Vertragsschlusses, der
zugleich der letzte Bankarbeitstag im Jahre 1996 war, den Kaufpreis überwiesen hatte.
Denn die Klägerin hat ihre dahin gehende Behauptung erst während des Klageverfahrens
7 K 7335/05 durch eindeutige Unterlagen belegt. Dass die Klägerin diese Belege, also die
Aufstellung des Notars über die Eingänge auf dem Notaranderkonto, erst während des
Klageverfahrens übermittelt hatte, ergibt sich aus dem Inhalt der vorliegenden
Verwaltungsvorgänge, die auch den Arbeitsbogen umfassen, sowie daraus, dass die
Aufstellung des Notars erst am 09.11.2005 vom Notar an den Bevollmächtigten der
Klägerin übersandt worden waren. Schließlich war auch die Zurechnungsfortschreibung
der Teileigentümer 4 und 5 auf die H-AG erst zum 01.01.1998 vorgenommen worden.
Vor diesem Hintergrund war es jedenfalls vertretbar, dass der Beklagte zu der
Auffassung gelangte, der Lastenwechsel sei erst in 1997 erfolgt.
Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Finanzgerichts Berlin vom
04.01.2006 7 K 7335/05, der die Kosten des Verfahrens dem Beklagten auferlegte. Das
Gericht hat im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung lediglich keine
eindeutigen Anhaltspunkte dafür gesehen, die Kosten des Verfahrens abweichend von
der gesetzlichen Regel des § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO der Klägerin aufzuerlegen.
4. Die aufgrund der irrigen Beurteilung durch den Beklagten ergangenen
Steuerbescheide (Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 08.10.2004 sowie die
Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom 23.08.2005) sind durch die den
Anträgen der Klägerin entsprechenden Abhilfebescheide vom August 2005 zur
Umsatzsteuer 1998 und vom 25.11.2005 zur Umsatzsteuer 1997 geändert worden.
Daher durfte der Beklagte gemäß § 174 Abs. 1 Satz 1 AO dem Grunde nach durch
Änderung des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 08.10.2004 die richtigen steuerlichen
Folgerungen ziehen. Diese steuerlichen Folgerungen bestanden darin, den mit der
Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 betragsmäßig zutreffend ermittelten
Berichtigungsbetrag gemäß § 15 a UStG 2002 im zutreffenden Veranlagungszeitraum
1996 zu verorten.
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III. Der Beklagte war aber durch den Ablauf der Festsetzungsverjährung gehindert, den
Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 08.10.2004 zu ändern, soweit es den auf das
Teileigentum 4 entfallenden Berichtigungsbetrag von 113.788,- DM betrifft.
1. Der Lauf der Festsetzungsfrist zur Umsatzsteuer 1996 begann nach Eingang der
Umsatzsteuererklärung am 15.05.1998 mit Ablauf des 31.12.1998 und endete daher
regulär am 31.12.2002. Dieser reguläre Ablauf ist im Streitfall nicht maßgeblich, weil
aufgrund der Außenprüfung der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 AO
gehemmt war. Diese Hemmung dauerte nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO bis zum Eintritt
der Unanfechtbarkeit des aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheids,
also des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 08.10.2004. Dieser gilt als am 11.10.2004
bekanntgegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO), so dass gemäß § 355 Abs. 1 Satz 1 AO am
11.11.2004 Bestandskraft und Festsetzungsverjährung eintraten.
2. a) Grundsätzlich ist zwar nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO der Ablauf der Festsetzungsfrist
unbeachtlich, weil der Beklagte die Jahresfrist im Sinne dieser Vorschrift gewahrt hat.
Denn er hat den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1996 vom 25.11.2005 am gleichen
Tag erlassen, an dem er den Umsatzsteuerbescheid 1997 antragsgemäß geändert hat.
Zusätzlich müssen jedoch nach § 174 Abs. 4 Satz 4 AO die Voraussetzungen des § 174
Abs. 3 Satz 1 AO erfüllt sein, wenn bei Erlass des später geänderten Steuerbescheids
die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war.
b) Im Streitfall war der „später geänderte Steuerbescheid“ i. S. des § 174 Abs. 4 Satz 4
AO hinsichtlich des Teileigentums 4 die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997
vom 23.08.2005. Bei Erlass dieses Bescheids war die Festsetzungsfrist für die
Umsatzsteuer 1996 bereits abgelaufen. Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1
AO waren nicht erfüllt.
aa) Als „später geänderter Steuerbescheid“ kommen sowohl der Umsatzsteuerbescheid
1997 vom 08.10.2004 als auch die Einspruchsentscheidung zur Umsatzsteuer 1997 vom
23.08.2005, durch die die Umsatzsteuer 1997 auf 96.622,41 € heraufgesetzt wurde, in
Betracht.
Der Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 08.10.2004 zog aus der Veräußerung des
Teileigentums 4 noch keine für die Klägerin nachteiligen Konsequenzen, weil der
Außenprüfer davon ausging, erst nach einer vorsteuergünstigen Verwendung könne eine
Berichtigung gemäß § 15 a UStG erfolgen. Davon ist der Beklagte erst mit seinem
Schriftsatz vom 23.02.2005 abgerückt. Erstmals mit der Einspruchsentscheidung zur
Umsatzsteuer 1997 vom 23.08.2005 hat er die mit der Anschaffung und Herstellung des
Teileigentums 4 im Zusammenhang stehende Vorsteuer in Höhe von 113.788 DM
berichtigt. Daher ist als „später geänderter Steuerbescheid“ i. S. des § 174 Abs. 4 Satz
4 AO im Zusammenhang mit der Veräußerung des Teileigentums 4 allein die
Einspruchsentscheidung vom 23.08.2005 anzusehen. Am 23.08.2005 war - wie oben
dargelegt - die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1996 bereits abgelaufen.
Für diese Lösung spricht, dass nur solche irrigen Vorstellungen der Finanzbehörde
Grundlage für eine Änderung gemäß § 174 Abs. 4 AO sind, die sich auf den
Regelungsinhalt, den Verfügungssatz eines Steuerbescheids ausgewirkt haben (vgl. BFH,
Urteil vom 04.03.2009 I R 1/08, DStR 2009, 1749 unter II. 3. b) aa)). Hinsichtlich des
Teileigentums 4 war der Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 08.10.2004 jedoch nicht
falsch, da der Beklagte im Ergebnis zu Recht darin die Vorsteuer, die auf das
Teileigentum 4 entfiel, nicht berücksichtigt hatte. Gegen die vom Gericht gewählte
Lösung spricht nicht, dass beide Teileigentümer in einer Urkunde an dieselbe Käuferin
veräußert wurden, da es sich um verschiedene Liefergegenstände handelte, die ein
getrenntes steuerliches Schicksal nehmen konnten. Dementsprechend hat auch der
Beklagte mit dem Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 08.10.2004 eine differenzierte
steuerliche Behandlung vorgenommen. „Bestimmter Sachverhalt“ i. S. des § 174 Abs. 4
Satz 1 AO waren daher ungeachtet der tatsächlichen Verknüpfung die Veräußerungen
der Teileigentümer 4 und 5 jeweils gesondert für sich.
bb) Schließlich ist der Umsatzsteuerbescheid 1997 vom 08.10.2004 auch nicht deshalb
als „später geänderter Steuerbescheid“ i. S. des § 174 Abs. 4 Satz 4 AO im
Zusammenhang mit der Veräußerung des Teileigentums 4 heranzuziehen, weil dieser
Bescheid im Rahmen des Einspruchsverfahrens zur Umsatzsteuer 1997 zulasten der
Klägerin geändert wurde, als der Beklagte die auf das Teileigentum 4 entfallende
Vorsteuer mit der Einspruchsentscheidung vom 23.08.2005 berichtigte. Denn „später
geänderte Steuerbescheide“ i. S. des § 174 Abs. 4 Satz 4 AO können nur solche sein,
die jedenfalls auch zugunsten des Steuerpflichtigen auf dessen Antrag hin geändert
wurden (BFH, Urteil vom 19.05.2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl. II 2005, 637;
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wurden (BFH, Urteil vom 19.05.2005 IV R 17/02, BFHE 209, 384, BStBl. II 2005, 637;
Loose in Tipke/Kruse, AO, § 174 Tz. 44).
c) Die in § 174 Abs. 4 Satz 4 AO in Bezug genommenen Voraussetzungen des § 174
Abs. 3 Satz 1 AO liegen nicht vor. Danach gilt: Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem
Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem
anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als
unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des
Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden.
Im Streitfall müsste die Berichtigung der auf das Teileigentum 4 entfallenden Vorsteuer
bei Erlass des Umsatzsteuerbescheids 1996 vom 08.10.2004 deshalb unterblieben sein,
weil diese erkennbar in einem anderen Steuerbescheid hätte berücksichtigt werden
sollen. Zwar war für die Klägerin nach Bekanntgabe des Bescheids erkennbar, dass der
Beklagte rechtsirrig von einer Grundstückslieferung im Jahre 1997 ausging, jedoch hätte
der Beklagte im Oktober 2004 selbst bei Entdecken dieses Rechtsfehlers den
Berichtigungsbetrag nach § 15 a UStG nicht in 1996 angesetzt, weil er seinerzeit davon
ausging, dass § 15 a UStG auf das Teileigentum 4 nicht anwendbar war. Aufgrund der
zeitgleich ergangenen Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 und der der Klägerin
bekannten Außenprüfungsberichte musste diese im Oktober 2004 davon ausgehen,
dass die Berichtigungsbeträge für das Teileigentum 4 nicht deshalb unberücksichtigt
blieben, weil der Beklagte von der Annahme ausging, sie seien in einem anderen
Steuerbescheid zu berücksichtigen, sondern weil der Beklagte die Veräußerung des
Teileigentums 4 schlechthin für irrelevant im Rahmen der Ermittlung der
Berichtigungsbeträge hielt. Von dieser Rechtsansicht ist der Beklagte äußerlich
erkennbar erst mit den Schreiben vom 16.02.2005 und 04.05.2005 abgegangen. Es
reicht aber nicht aus, dass die Klägerin danach den Fehler der zutreffenden zeitlichen
Zuordnung erkennen konnte, weil dies bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist der
Umsatzsteuer 1996 der Fall hätte gewesen sein müssen (vgl. BFH, Urteil vom
15.01.2009 III R 81/07, BFH/NV 2009, 1073 unter II.b). Die Festsetzungsfrist endete
jedoch - wie dargelegt - am 11.11.2004.
3. Für die Veräußerung des Teileigentums 5 gelten die vorstehenden Erwägungen nicht,
weil insoweit die durch die Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 08.10.2004 in
den unzutreffenden Veranlagungszeiträumen 1997 und 1998 vorgenommene
Umsatzsteuerberichtigung durch die Abhilfebescheide vom August 2005 und 25.11.2005
rückgängig gemacht wurde. „Später geänderte Steuerbescheide“ i. S. des § 174 Abs. 4
Satz 4 AO waren daher hinsichtlich des Teileigentums 5 auch die
Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 vom 08.10.2004, die vor Eintritt der
Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 1996 am 11.11.2004 ergangen sind.
Überdies war für die Klägerin vor Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1996
erkennbar, dass der Beklagte hinsichtlich der Veräußerung des Teileigentums 5 durch
Ansatz von Berichtigungsbeträgen in den Jahren 1997 ff. zulasten einer Berichtigung im
Jahre 1996 absah.
IV. Die Kostenentscheidungen folgen aus §§ 136 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 151 Abs. 3, 155
FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung - ZPO - analog.
VI. Das Gericht hat die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil es die
Fragen für höchstrichterlich ungeklärt hält, ob die Veräußerung zweier Teileigentümer in
einer Urkunde einen einheitlichen bestimmten Sachverhalt i. S. des § 174 Abs. 4 AO
darstellt, bzw. welches der „später geänderte Steuerbescheid“ i. S. des § 174 Abs. 4
Satz 4 AO ist, wenn im Rahmen eines Einspruchsverfahrens die Finanzbehörde nach §
367 Abs. 2 AO verbösert.
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