Urteil des EuGH vom 27.02.2014

Kmu, Wirtschaftliche Einheit, Empfehlung, Wirtschaftliche Tätigkeit

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)
27. Februar 2014
)
„Vorabentscheidungsersuchen – Gesellschaftsrecht – Empfehlung 2003/361/EG –
Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen – Bei
der Berechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte
berücksichtigte Unternehmenstypen – Verbundene Unternehmen – Begriff ‚gemeinsam
handelnde Gruppe natürlicher Personen‘“
In der Rechtssache C‑110/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2012, beim
Gerichtshof eingegangen am 7. März 2013, in dem Verfahren
HaTeFo GmbH
gegen
Finanzamt Haldensleben
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter
J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im
Beistand von M. Santoro, avvocato dello Stato,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Sauer und T. Maxian Rusche
als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne
Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4
des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend
die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen
(ABl. L 124, S. 36, im Folgenden: KMU-Empfehlung).
2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der HaTeFo GmbH (im Folgenden:
HaTeFo) und dem Finanzamt Haldensleben wegen der Berechnung einer
Investitionszulage.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3
Im neunten Erwägungsgrund der KMU-Empfehlung heißt es:
„Damit sich die wirtschaftliche Realität der [Kleinstunternehmen sowie der kleinen und
mittleren Unternehmen (KMU)] besser erfassen lässt und aus dieser Kategorie die
Unternehmensgruppen ausgeklammert werden können, die über eine stärkere
Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, empfiehlt es sich, die verschiedenen
Unternehmenstypen danach zu unterscheiden, ob es sich um eigenständige
Unternehmen handelt, ob sie über Beteiligungen verfügen, mit denen keine
Kontrollposition einhergeht (Partnerunternehmen), oder ob sie mit anderen Unternehmen
verbunden sind. …“
4
Der elfte Erwägungsgrund der Empfehlung enthält folgende Ausführungen:
„Aus Gründen der Vereinfachung, vor allem für die Mitgliedstaaten und die Unternehmen,
ist es zum Zwecke der Definition der verbundenen Unternehmen angezeigt, jene
Voraussetzungen zu übernehmen, die in Artikel 1 der [Siebenten] Richtlinie 83/349/EWG
des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des
Vertrages über den konsolidierten Abschluss [ABl. L 193, S. 1], zuletzt geändert durch
die Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 27.
September 2001 (ABl. L 283, S. 28)], festgelegt sind, sofern sie dem Zweck dieser
Empfehlung entsprechen. …“
5
Der zwölfte Erwägungsgrund der Empfehlung lautet:
„Damit der Nutzen der verschiedenen Regelungen oder Maßnahmen zur Förderung der
KMU nur den Unternehmen zugutekommt, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht,
ist es gleichermaßen wünschenswert, die Beziehungen zu berücksichtigen, die
gegebenenfalls durch natürliche Personen zwischen den Unternehmen bestehen. Damit
sich die Prüfung dieser Situation auf das unbedingt Notwendige beschränkt, gilt es,
diese Beziehungen nur bei den Unternehmen zu berücksichtigen, die Tätigkeiten auf
dem gleichen relevanten Markt oder auf benachbarten Märkten nachgehen, indem man
dem gleichen relevanten Markt oder auf benachbarten Märkten nachgehen, indem man
sich erforderlichenfalls auf die von der Kommission gegebene Definition des relevanten
Marktes bezieht, die Gegenstand der Mitteilung der Kommission über die Definition des
relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft [(ABl. 1997,
C 372, S. 5)] ist.“
6
Art. 3 der KMU-Empfehlung bestimmt:
„Die vorliegende Empfehlung ersetzt die Empfehlung 96/280/EG [der Kommission vom 3.
April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 107,
S. 4)] ab 1. Januar 2005.“
7
In Art. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung heißt es:
„Als Unternehmen gilt jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine
wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. …“
8
Art. 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung betrifft die bei der Berechnung der
Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte, die für die verschiedenen in
Art. 2 der Empfehlung definierten Unternehmensklassen maßgebend sind,
berücksichtigten Unternehmenstypen.
9
Art. 3 Abs. 1 des Anhangs lautet:
„Ein ‚eigenständiges Unternehmen‘ ist jedes Unternehmen, das nicht als
Partnerunternehmen im Sinne von Absatz 2 oder als verbundenes Unternehmen im
Sinne von Absatz 3 gilt.“
10
Art. 3 Abs. 3 des Anhangs lautet:
„‚Verbundene Unternehmen‘ sind Unternehmen, die zueinander in einer der folgenden
Beziehungen stehen:
a) Ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder
Gesellschafter eines anderen Unternehmens;
b) ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-,
Leitungs- oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder
abzuberufen;
c) ein Unternehmen ist gemäß einem mit einem anderen Unternehmen
abgeschlossenen Vertrag oder aufgrund einer Klausel in dessen Satzung
berechtigt, einen beherrschenden Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben;
d) ein Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens
ist, übt gemäß einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses anderen
Unternehmens getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit
der Stimmrechte von dessen Aktionären oder Gesellschaftern aus.
Es besteht die Vermutung, dass kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, sofern sich
die in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten Investoren nicht direkt oder indirekt in die
die in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten Investoren nicht direkt oder indirekt in die
Verwaltung des betroffenen Unternehmens einmischen – unbeschadet der Rechte, die
sie in ihrer Eigenschaft als Aktionäre oder Gesellschafter besitzen.
Unternehmen, die durch ein oder mehrere andere Unternehmen, oder einen der in
Absatz 2 genannten Investoren, untereinander in einer der in Unterabsatz 1 genannten
Beziehungen stehen, gelten ebenfalls als verbunden.
Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde
Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser Beziehungen stehen, gelten
gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder
teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.
Als benachbarter Markt gilt der Markt für ein Produkt oder eine Dienstleistung, der dem
betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist.“
Deutsches Recht
11
Nach § 1 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes 2005 vom 17. März 2004 (BGBl. I
S. 438) haben Steuerpflichtige, die in den fünf neuen Ländern und Berlin (Deutschland)
bestimmte Arten von Investitionen vornehmen, Anspruch auf eine Investitionszulage.
12
Das Gesetz sieht vor, dass sich die Zulage, wenn solche Investitionen von einem KMU
im Sinne der KMU-Empfehlung vorgenommen werden, unter bestimmten
Voraussetzungen erhöht.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
13
Das 1999 gegründete Unternehmen HaTeFo stellt Platten, Folien, Schläuche und
Profile aus Kunststoff her. Anteilseigner der Gesellschaft sind mit Beteiligungen in Höhe
von 24,8 %, 62,8 % und 12,4 % drei natürliche Personen: A, dessen Ehefrau B und C.
Geschäftsführer sind A und C. A und seine Mutter D sind zudem zu gleichen Teilen
Gesellschafter der Gesellschaft X, deren Geschäftsführer wiederum A und C sind.
14
In der Vorlageentscheidung heißt es, dass X für HaTeFo in deren Anfangsphase
Bürgschaften übernommen habe und dass die beiden Gesellschaften einen
Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen hätten, nach dem HaTeFo sämtliche Aufträge
von X erhalte und nur Letztere auf dem Markt in Erscheinung trete. Der Vertrag sehe
weiter vor, dass ein Vertreter von X die fachliche Betriebsleitung von HaTeFo
übernehme. HaTeFo habe ferner ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und ihre
EDV auf X ausgelagert und nutze eine Bankverbindung von X für ihre Zwecke.
15
Für sich betrachtet kann HaTeFo als KMU eingestuft werden. Anders wäre es aber
wegen der Mitarbeiterzahl und des Jahresumsatzes von X, wenn die beiden
Gesellschaften als verbundene Unternehmen anzusehen wären.
16
Das Finanzamt Haldensleben ging aufgrund der Verflechtungen mit X davon aus, dass
es sich bei HaTeFo nicht um ein KMU handele, und gewährte dieser Gesellschaft für das
Jahr 2006 nicht die erhöhte Zulage, sondern die Grundzulage gemäß dem
Investitionszulagengesetz 2005.
Investitionszulagengesetz 2005.
17
Es führte u. a. aus, dass bei der Beurteilung der Frage, ob formal eigenständige
Unternehmen gleichwohl als wirtschaftliche Einheit anzusehen seien, nicht nur die
formalen Kriterien der KMU-Empfehlung zu beachten seien, sondern auch eine
wirtschaftliche Betrachtung erfolgen müsse. Wegen des Geschäftsbesorgungsvertrags
und der Aufgabenteilung von Produktion und Vertrieb und weil Gesellschaftsanteile und
Geschäftsführung in der Hand von nur vier Personen lägen, von denen drei eng
miteinander verwandt seien, stellten die beiden in Rede stehenden Unternehmen eine
solche Einheit dar.
18
Im ersten Rechtszug wies das Finanzgericht die von HaTeFo erhobene Klage mit der
Begründung ab, eine rein formale Anwendung der durch die KMU-Empfehlung
definierten Kriterien für die Eigenständigkeit eines Unternehmens dürfe nicht dazu
führen, dass diese manipuliert oder umgangen würden. Bei der Beurteilung der
Eigenständigkeit
eines
Unternehmens
müssten
auch
die
anderen
Geschäftsbeziehungen zwischen den betreffenden Unternehmen berücksichtigt werden,
insbesondere was die Geschäftsführung, die Lieferanten- und Kundenkontakte und die
gemeinsam verwendete Logistik angehe.
19
HaTeFo hat beim Bundesfinanzhof Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts
eingelegt; sie macht u. a. geltend, die in Art. 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung
genannten Kriterien für „verbundene“ Unternehmen im Sinne dieser Empfehlung seien
als abschließend anzusehen.
20
Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht, dass der Gerichtshof für die Auslegung des
Begriffs der KMU zuständig sei, da dieser in einer nationalen Regelung übernommen
worden sei, die auf die Definition in der KMU-Empfehlung verweise. Er stützt sich dabei
auf das Urteil vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, Slg. 1990, I‑3763).
21
Die KMU-Empfehlung habe das Kriterium der Erstellung eines konsolidierten
Abschlusses aus Art. 1 der Richtlinie 83/349 teilweise übernommen, so dass
Unternehmen, die nach dieser Richtlinie zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses
verpflichtet seien, als verbunden im Sinne der KMU-Empfehlung angesehen werden
könnten. Erstelle ein Unternehmen – wie im Ausgangsverfahren – keinen konsolidierten
Abschluss, sei gleichwohl zu prüfen, ob es nach den im Anhang der KMU-Empfehlung
genannten Kriterien als mit einem anderen Unternehmen verbunden angesehen werden
könne.
22
Der Bundesfinanzhof setzt sich zunächst mit dem Tatbestandsmerkmal „gemeinsam
handelnde Gruppe natürlicher Personen“ in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der
KMU-Empfehlung auseinander. Insoweit stelle sich insbesondere die Frage, ob bereits
jegliche unternehmensbezogene Kooperation solcher Personen genüge oder ob auch
ein abgestimmtes Verhalten und eine vertragliche Bindung erforderlich seien.
23
Weiter stelle sich die Frage, ob über die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der
KMU-Empfehlung aufgeführten Arten von Beziehungen, die für verbundene
Unternehmen charakteristisch seien, hinaus im Wege einer wirtschaftlichen
Gesamtbetrachtung der betreffenden Unternehmen, bei der die Zugehörigkeit der
Gesamtbetrachtung der betreffenden Unternehmen, bei der die Zugehörigkeit der
Anteilseigner zu einer Familie oder die Identität der Geschäftsführer berücksichtigt
werde, angenommen werden könne, dass diese Unternehmen über eine gemeinsam
handelnde Gruppe natürlicher Personen verbunden seien. Schließlich stelle sich die
Frage, ob eine solche wirtschaftliche Gesamtbetrachtung auf Fälle zu beschränken sei,
in denen die genannten Personen die Absicht gehabt hätten, die KMU-Definition zu
umgehen.
24
Der Bundesfinanzhof hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof
folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. a) Welche Anforderungen sind an die Annahme eines gemeinsamen Handelns
im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung zu
stellen: Genügt insoweit bereits jegliche unternehmensbezogene Kooperation
der an beiden Unternehmen beteiligten natürlichen Personen, die ohne
Streitigkeiten oder zu Tage tretende Interessengegensätze stattfindet, oder ist
vielmehr ein erkennbar abgestimmtes Verhalten dieser Personen erforderlich?
b) Falls ein abgestimmtes Verhalten erforderlich ist: Folgt dieses bereits aus
einer rein tatsächlichen Kooperation?
2. Ist, wenn kein Fall der Verpflichtung zu einem konsolidierten Abschluss besteht, bei
der Frage, ob ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen über eine Person
oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen verbunden ist, über
die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgeführten
„Beziehungen“ hinaus weiterhin eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung
vorzunehmen, bei der Aspekte wie die Eigentumsverhältnisse – hierbei
insbesondere die Zugehörigkeit der Anteilseigner zu einer Familie –, die
Beteiligungsstruktur und die wirtschaftliche Integration – insbesondere auch die
Identität der Geschäftsführer – der betroffenen Unternehmen zu untersuchen sind?
3. Für den Fall, dass auch unter der Geltung der KMU-Empfehlung eine über die
formale Betrachtung hinausgehende wirtschaftliche Gesamtbetrachtung möglich ist:
Setzt dies die Absicht oder zumindest das Risiko der Umgehung der KMU-
Definition voraus?
Zu den Vorlagefragen
25
Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht
wissen, ob Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung dahin
auszulegen ist, dass nur Unternehmen, die vermittels einer natürlichen Person oder einer
gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen zueinander in einer der in Art. 3
Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen stehen, als „verbundene
Unternehmen“ im Sinne dieses Artikels anzusehen sind, oder ob sich eine solche
Verbindung auch aus einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung ergeben kann, bei der
u. a. die Absicht der betreffenden Personen zur Umgehung der KMU-Definition geprüft
wird. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, unter welchen Voraussetzungen
natürliche Personen als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des
Anhangs der KMU-Empfehlung anzusehen sind und ob dafür insbesondere zwischen
Anhangs der KMU-Empfehlung anzusehen sind und ob dafür insbesondere zwischen
ihnen vertragliche Beziehungen bestehen müssen.
26
Nach Art. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung gilt als Unternehmen jede Einheit,
unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.
27
Art. 3 Abs. 3 des Anhangs enthält die Kriterien, die es ermöglichen, Unternehmen zur
Klärung der Frage, ob es sich bei ihnen um KMU handelt, als „verbunden“ einzustufen.
28
Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 und 4 des Anhangs der
KMU-Empfehlung ergibt, zielen diese Bestimmungen grundsätzlich nur auf den Fall ab,
dass Unternehmen zueinander in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a bis d
des Anhangs aufgezählten Beziehungen stehen.
29
Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass eine Einstufung der betreffenden
Unternehmen als verbundene Unternehmen stets ausscheidet, wenn diese
Voraussetzung formal nicht erfüllt ist.
30
Die KMU-Empfehlung ist nämlich unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die
zu ihrem Erlass geführt haben (vgl. entsprechend Urteil vom 29. April 2004,
Italien/Kommission, C‑91/01, Slg. 2004, I‑4355, Rn. 49).
31
Hierzu geht aus den Erwägungsgründen 9 und 12 der KMU-Empfehlung hervor, dass
die Definition der verbundenen Unternehmen dazu dient, die wirtschaftliche Realität der
KMU besser zu erfassen und aus dieser Kategorie die Unternehmensgruppen
auszuklammern, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, damit der
Nutzen der verschiedenen Regelungen oder Maßnahmen zur Förderung der KMU nur
Unternehmen zugutekommt, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht. Wie in den
genannten Erwägungsgründen weiter ausgeführt wird, gilt es, damit sich die Prüfung der
Beziehungen, die durch natürliche Personen zwischen den Unternehmen bestehen, auf
das unbedingt Notwendige beschränkt, diese Beziehungen nur bei Unternehmen zu
berücksichtigen, die Tätigkeiten auf dem gleichen relevanten Markt oder auf
benachbarten Märkten nachgehen.
32
Die Vorteile, die den KMU gewährt werden, stellen nämlich meist Ausnahmen von
allgemeinen Regeln, z. B. im Bereich der staatlichen Beihilfen, dar, so dass der Begriff
der KMU eng auszulegen ist.
33
Damit nur Unternehmen erfasst werden, die tatsächlich unabhängige KMU darstellen,
ist daher die Struktur von KMU zu untersuchen, die eine wirtschaftliche Gruppe bilden,
deren Bedeutung über die eines solchen Unternehmens hinausgeht, und es ist darauf zu
achten, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien
umgangen wird (vgl. Urteil Italien/Kommission, Rn. 50).
34
Im Hinblick auf dieses Ziel ist Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-
Empfehlung somit dahin auszulegen, dass Unternehmen, die zueinander in keiner der in
Rn. 28 des vorliegenden Urteils genannten Beziehungen stehen, aber wegen der Rolle,
die eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher
Personen spielt, gleichwohl eine einzige wirtschaftliche Einheit darstellen, als
verbundene Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, sofern sie ganz
verbundene Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, sofern sie ganz
oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind (vgl.
entsprechend Urteil Italien/Kommission, Rn. 51).
35
Im Übrigen ist die Voraussetzung des gemeinsamen Handelns natürlicher Personen
erfüllt, wenn sich solche Personen abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen
Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese nicht als
wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen angesehen werden können.
Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an; es ist nicht zwingend erforderlich,
dass zwischen den genannten Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass
sie auch nur die Absicht haben, die KMU-Definition zu umgehen.
36
Hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen HaTeFo und X
lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass X die gesamte Produktion von
HaTeFo vertreibt, die selbst am Markt nicht in Erscheinung tritt, das ein Vertreter von X
für die technischen Aspekte der Produktion von HaTeFo verantwortlich ist, dass HaTeFo
ihre EDV, ihren Einkauf und ihre Forschung auf X ausgelagert hat und dass sie eine
Bankverbindung von X für ihre Zwecke nutzt.
37
Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass ein
Verwandtschaftsverhältnis zwischen A, B und D, denen beide Unternehmen gehören,
besteht und dass A und C zugleich die Geschäftsführer dieser Unternehmen sind.
Aufgrund solcher Beziehungen dürften die genannten Personen in der Lage sein, sich
abzustimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden
Unternehmen auszuüben, so dass diese nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig
angesehen werden können.
38
Bei zwei Gesellschaften, die sich in einer vergleichbaren Situation wie die
Gesellschaften des Ausgangsverfahrens befinden, kann nach dem Vorstehenden davon
ausgegangen werden, dass sie in Wirklichkeit vermittels einer gemeinsam handelnden
Gruppe natürlicher Personen eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, so dass sie als
verbundene Unternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-
Empfehlung anzusehen sind. Dies zu beurteilen ist allerdings Sache des vorlegenden
Gerichts, wobei für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, den Gegenbeweis zu
erbringen.
39
Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des
Anhangs der KMU-Empfehlung dahin auszulegen ist, dass Unternehmen als
„verbunden“ im Sinne dieses Artikels angesehen werden können, wenn die Prüfung der
zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass
sie, vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe
natürlicher Personen, eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal
nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen
zueinander stehen. Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des
Anhangs sind natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss
auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so
dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen
werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, und es ist nicht
zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche
zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche
Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die KMU-Definition im
Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen.
Kosten
40
Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem
beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der
Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen
sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist dahin auszulegen, dass
Unternehmen als „verbunden“ im Sinne dieses Artikels angesehen werden
können, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und
wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass sie, vermittels einer natürlichen Person
oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen, eine einzige
wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3
Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen zueinander stehen.
Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs sind
natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die
geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so
dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig
angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an,
und es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen
vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die
Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen
im Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.