Urteil des EuGH vom 19.06.2014

Verordnung, Erzeugnis, Begriff, Inverkehrbringen

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
19. Juni 2014
)
„Vorabentscheidungsersuchen – Patentrecht – Pflanzenschutzmittel – Ergänzendes
Schutzzertifikat – Verordnung (EG) Nr. 1610/96 – Art. 1 und 3 – Begriffe ‚Erzeugnis‘ und
‚Wirkstoffe‘ – Safener“
In der Rechtssache C‑11/13
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom
Bundespatentgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 6. Dezember 2012, beim
Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2013, in dem Verfahren
Bayer CropScience AG
gegen
Deutsches Patent- und Markenamt
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund
(Berichterstatter) und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters
E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21.
November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Bayer CropScience AG, vertreten durch Patentanwältin D. von Renesse,
– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Ondrůšek und F. W. Bulst als
Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Februar
2014
folgendes
Urteil
1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 1 und 3 der
Verordnung (EG) Nr. 1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli
1996 über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel
(ABl. L 198, S. 30).
2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Bayer
CropScience AG (im Folgenden: Bayer) und dem Deutschen Patent- und Markenamt
über die Gültigkeit einer Entscheidung vom 12. März 2007, mit der das Amt Bayer die
Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats verweigert hat.
Rechtlicher Rahmen
Richtlinie 91/414
3
Mit der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen
von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1) in der durch die Richtlinie 2006/136/EG der
Kommission vom 11. Dezember 2006 (ABl. L 349, S. 42) geänderten Fassung (im
Folgenden: Richtlinie 91/414) wurden einheitliche Vorschriften über die
Voraussetzungen für die Zulassung (im Folgenden auch: Genehmigung für das
Inverkehrbringen bzw. Genehmigung) von Pflanzenschutzmitteln und über die
Zulassungsverfahren sowie über die Überprüfung und die Entziehung der Zulassung
geschaffen. Mit ihr sollten nicht nur die Vorschriften über die Voraussetzungen und die
Verfahren für die Zulassung dieser Erzeugnisse harmonisiert, sondern auch ein hohes
Schutzniveau für die Gesundheit von Menschen und Tieren sowie für die Umwelt gegen
die Bedrohungen und Gefahren gewährleistet werden, die sich aus einer unzureichend
kontrollierten Verwendung dieser Erzeugnisse ergeben. Ferner sollte sie die Hemmnisse
für den freien Verkehr dieser Erzeugnisse beseitigen.
4
Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/414 durfte ein Pflanzenschutzmittel in einem
Mitgliedstaat nur dann in Verkehr gebracht und angewendet werden, wenn die
zuständigen Behörden dieses Staates es nach den Bestimmungen dieser Richtlinie
zugelassen hatten.
5
Art. 4 der Richtlinie 91/414 sah vor:
„(1) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass ein Pflanzenschutzmittel nur
zugelassen wird, wenn
a) seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt und die dort festgelegten Bedingungen
erfüllt sind, und wenn bei den nachfolgenden Buchstaben b), c) d) und e) unter
Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI
b) nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse
b) nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen und technischen Kenntnisse
sichergestellt ist und die Prüfung der Unterlagen nach Anhang III ergibt, dass es bei
Anwendung gemäß Artikel 3 Absatz 3 und im Hinblick auf alle normalen
Verhältnisse, unter denen es angewendet wird, sowie im Hinblick auf die Folgen
dieser Anwendung
i) hinreichend wirksam ist,
ii) keine unannehmbaren Auswirkungen auf Pflanzen oder Pflanzenerzeugnisse
hat,
iii) bei den zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder
Schmerzen verursacht,
iv) keine unmittelbaren oder mittelbaren schädlichen Auswirkungen auf die
Gesundheit von Mensch und Tier (z. B. über Trinkwasser, Nahrungs- oder
Futtermittel) oder auf das Grundwasser hat,
v) keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt hat, und zwar unter
besonderer Berücksichtigung folgender Aspekte:
– Verbleib und Ausbreitung in der Umwelt, insbesondere Kontamination
von Wasser einschließlich Trinkwasser und Grundwasser,
– Auswirkung auf Arten, die nicht bekämpft werden sollen;
c) die Art und Menge der in ihm enthaltenen Wirkstoffe und gegebenenfalls die
toxikologisch und ökotoxikologisch signifikanten Verunreinigungen und
zusätzlichen Bestandteile nach geeigneten Methoden bestimmt werden können,
die entsprechend dem Verfahren des Artikels 21 harmonisiert worden sind oder
andernfalls von den für die Zulassung zuständigen Behörden anerkannt werden;
d) seine bei zugelassenen Anwendungen entstehenden toxikologisch und ökologisch
signifikanten Rückstände nach allgemein gebräuchlichen geeigneten Methoden
bestimmt werden können;
e) seine physikalisch-chemischen Eigenschaften ermittelt und für eine angemessene
Verwendung und Lagerung dieses Mittels als annehmbar erachtet worden sind;
f) für die von der Anwendung betroffenen und unter die Zulassung fallenden
landwirtschaftlichen Erzeugnisse gegebenenfalls Rückstandshöchstgehalte gemäß
der Verordnung (EG) Nr. 396/2005 [des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf
Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung
der Richtlinie 91/414 (ABl. L 70, S. 1)] festgesetzt oder geändert worden sind.
(2) In der Zulassung müssen die Auflagen hinsichtlich des Inverkehrbringens und der
Anwendung des Mittels sowie zumindest die Auflagen präzisiert werden, mit denen die
Einhaltung von Absatz 1 Buchstabe b) gewährleistet werden soll.
(3) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass durch amtliche oder amtlich
(3) Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass durch amtliche oder amtlich
anerkannte Versuche und Analysen sichergestellt wird, dass die in Absatz 1 Buchstaben
b) bis f) genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Versuche und Analysen sind
unter den für die Anwendung des betreffenden Pflanzenschutzmittels relevanten
Bedingungen in Bezug auf Landwirtschaft, Pflanzenschutz und Umwelt durchzuführen,
die in dem betreffenden Mitgliedstaat in dem Gebiet vorherrschen, in dem das
Pflanzenschutzmittel angewendet werden soll.
(4) Unbeschadet der Absätze 5 und 6 werden diese Zulassungen nur für einen von
den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitraum von höchstens zehn Jahren erteilt; sie können
erneuert werden, wenn geprüft worden ist, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1
weiterhin erfüllt sind. Die Zulassungen können auf Antrag für den Zeitraum erneuert
werden, den die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten für diese Prüfung benötigen.
...“
Verordnung Nr. 1610/96
6
Aus den Erwägungsgründen 5 und 6 der Verordnung Nr. 1610/96 geht hervor, dass vor
ihrem Erlass die Dauer des tatsächlichen Patentschutzes für die Amortisierung der in der
Pflanzenschutzforschung vorgenommenen Investitionen und für die Aufbringung der
nötigen Mittel für den Fortbestand einer leistungsfähigen Forschung als unzureichend
angesehen wurde, mit der Folge nachteiliger Auswirkungen auf die
Wettbewerbsfähigkeit dieses Wirtschaftsbereichs. Die Verordnung soll diese
Unzulänglichkeit durch die Schaffung des ergänzenden Schutzzertifikats für
Pflanzenschutzmittel beheben.
7
Die Erwägungsgründe 11 und 16 der Verordnung Nr. 1610/96 lauten:
„(11) Die Dauer des durch das Zertifikat gewährten Schutzes muss so festgelegt werden,
dass dadurch ein ausreichender tatsächlicher Schutz erreicht wird. Hierzu müssen
demjenigen, der gleichzeitig Inhaber eines Patents und eines Zertifikats ist,
insgesamt höchstens fünfzehn Jahre Ausschließlichkeit ab der ersten
Genehmigung für das Inverkehrbringen des betreffenden Pflanzenschutzmittels in
der Gemeinschaft eingeräumt werden.
...
(16) Nur durch ein Eingreifen auf Gemeinschaftsebene kann das angestrebte Ziel
wirksam erreicht werden, nämlich einen ausreichenden Schutz der Innovation in
der Pflanzenschutzindustrie sicherzustellen und zugleich ein angemessenes
Funktionieren des Binnenmarktes für Pflanzenschutzmittel zu gewährleisten.“
8
Art. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 sieht vor:
„Im Sinne dieser Verordnung sind:
1. ‚Pflanzenschutzmittel‘ Wirkstoffe und Zubereitungen, die einen oder mehrere
Wirkstoffe enthalten, in der Form, in welcher sie an den Anwender geliefert werden,
und die dazu bestimmt sind,
a) Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder
ihrer Einwirkung vorzubeugen, insoweit diese Stoffe oder Zubereitungen im
Folgenden nicht anders definiert werden;
b) in einer anderen Weise als ein Nährstoff die Lebensvorgänge von Pflanzen zu
beeinflussen (z. B. Wachstumsregler);
c) Pflanzenerzeugnisse zu konservieren, soweit solche Stoffe oder
Zubereitungen nicht besonderen Vorschriften des Rates oder der Kommission
über konservierende Stoffe unterliegen;
d) unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder
e) Pflanzenteile zu vernichten, ein unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu
hemmen oder einem solchen Wachstum vorzubeugen;
2. ‚Stoffe‘ chemische Elemente und deren Verbindungen, wie sie natürlich
vorkommen oder industriell hergestellt werden, einschließlich jeglicher bei der
Herstellung nicht zu vermeidenden Verunreinigung;
3. ‚Wirkstoffe‘ Stoffe und Mikroorganismen, einschließlich Viren, mit allgemeiner oder
spezifischer Wirkung
a) gegen Schadorganismen,
b) auf Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenerzeugnisse;
4. ‚Zubereitungen‘ Gemenge, Gemische oder Lösungen aus zwei oder mehreren
Stoffen, davon mindestens einem Wirkstoff, die als Pflanzenschutzmittel
angewendet werden;
5. ‚Pflanzen‘ lebende Pflanzen oder lebende Teile von Pflanzen, einschließlich
frischer Früchte und Samen;
6. ‚Pflanzenerzeugnisse‘ Erzeugnisse pflanzlichen Ursprungs, unverarbeitet oder
durch vereinfachte Verfahren wie Mahlen, Trocknen oder Pressen bearbeitet,
soweit sie nicht Pflanzen im Sinne von Nummer 5 sind;
7. ‚Schadorganismen‘ Feinde von Pflanzen oder Pflanzenerzeugnissen tierischer
oder pflanzlicher Art sowie Viren, Bakterien und Mykoplasmen oder andere
Krankheitserreger;
8. ‚Erzeugnis‘ der Wirkstoff im Sinne von Nummer 3 oder die
Wirkstoffzusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels;
9. ‚Grundpatent‘ ein Patent, das ein Erzeugnis im Sinne von Nummer 8 als solches,
eine Zubereitung im Sinne von Nummer 4, ein Verfahren zur Herstellung eines
Erzeugnisses oder eine Verwendung eines Erzeugnisses schützt und das von
seinem Inhaber für die Zwecke des Verfahrens zur Erteilung eines Zertifikats
angegeben wird;
angegeben wird;
10. ‚Zertifikat‘ das ergänzende Schutzzertifikat.“
9
Art. 2 („Anwendungsbereich“) der Verordnung Nr. 1610/96 bestimmt:
„Für jedes im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte Erzeugnis,
das vor seinem Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel Gegenstand eines
verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahrens gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/414
... oder – wenn es sich um ein Pflanzenschutzmittel handelt, für das der
Genehmigungsantrag vor der Umsetzung der Richtlinie 91/414 ... durch diesen
Mitgliedstaat eingereicht wurde – gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen
Rechtsvorschrift war, kann nach den in dieser Verordnung festgelegten Bedingungen
und Modalitäten ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden.“
10
Art. 3 („Bedingungen für die Erteilung des Zertifikats“) Abs. 1 der Verordnung
Nr. 1610/96 sieht vor:
„Das Zertifikat wird erteilt, wenn in dem Mitgliedstaat, in dem die Anmeldung nach Artikel
7 eingereicht wird, zum Zeitpunkt dieser Anmeldung
a) das Erzeugnis durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist;
b) für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel eine gültige Genehmigung für das
Inverkehrbringen gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/414 ... oder gemäß einer
gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift erteilt wurde;
c) für das Erzeugnis nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde;
d) die unter Buchstabe b) erwähnte Genehmigung die erste Genehmigung für das
Inverkehrbringen dieses Erzeugnisses als Pflanzenschutzmittel ist.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
11
Bayer ist Inhaberin eines mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents
mit der Bezeichnung „Substituierte Isoxazoline, Verfahren zu deren Herstellung, diese
enthaltende Mittel und deren Verwendung als Safener“. Dieses Patent erstreckt sich auf
Isoxadifen, einen Safener.
12
Am 10. Juli 2003 beantragte Bayer beim Deutschen Patent- und Markenamt ein
ergänzendes Schutzzertifikat für Isoxadifen und dessen Salze und Ester. Dieser Antrag
war auf die am 21. März 2003 von den deutschen Behörden nach Art. 8 Abs. 1 der
Richtlinie 91/414 für ein als Herbizid eingesetztes Pflanzenschutzmittel mit dem
Handelsnamen MaisTer erteilte vorläufige Zulassung gestützt. Dieses Erzeugnis besteht
aus Foramsulfuron, Isoxadifen und Iodosulfuron.
13
Zur Unterstützung ihres Antrags gab Bayer als Erstgenehmigung in der Europäischen
Union die Zulassung an, die die italienischen Behörden am 10. April 2001 für ein
Pflanzenschutzmittel erteilt hatten, das unter dem Handelsnamen Ricestar vertrieben
wird und aus Fenoxaprop-p-ethyl und Isoxadifen-ethyl zusammengesetzt ist.
14
Das Deutsche Patent- und Markenamt wies diesen Antrag mit Beschluss vom 12. März
2007 zurück und führte dafür im Wesentlichen drei Gründe an. Erstens handele es sich
bei der am 21. März 2003 erteilten Zulassung um eine vorläufige Zulassung, zweitens
betreffe der Antrag auf Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats einen einzigen
Wirkstoff, während sich die Zulassung auf eine Wirkstoffkombination beziehe, und
drittens könne die am 10. April 2001 erteilte Zulassung nicht herangezogen werden, da
sie für eine andere Wirkstoffkombination als die von der am 21. März 2003 erteilten
Zulassung erfasste erteilt worden sei.
15
Gegen diesen Beschluss legte Bayer eine Beschwerde ein, die den Gegenstand des
Ausgangsverfahrens bildet. Das vorlegende Gericht stellt fest, dass in der Zeit seit dem
Erlass des Beschlusses mehrere Urteile des Gerichtshofs ergangen seien, die für das
Ausgangsverfahren relevant seien. Im Urteil Hogan Lovells International (C‑229/09,
EU:C:2010:673) habe der Gerichtshof entschieden, dass ein ergänzendes
Schutzzertifikat auf der Grundlage einer vorläufigen Zulassung erteilt werden könne.
Außerdem habe der Gerichtshof in den Urteilen Medeva (C‑322/10, EU:C:2011:773) und
Georgetown University u. a. (C‑422/10, EU:C:2011:776) die Verordnung (EG) Nr.
469/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über das
ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel (ABl. L 152, S. 1) dahin ausgelegt, dass ein
Antrag auf ein ergänzendes Schutzzertifikat für einen einzelnen Wirkstoff nicht mit der
Begründung zurückgewiesen werden dürfe, dass das fragliche Arzneimittel neben
diesem Wirkstoff noch weitere Wirkstoffe enthalte.
16
Angesichts dessen meint das vorlegende Gericht, dass es nunmehr möglich sei, ein
ergänzendes Schutzzertifikat auf der Grundlage der am 21. März 2003 erteilten
vorläufigen Zulassung zu erteilen und die Laufzeit des ergänzenden Schutzzertifikats
unter Berücksichtigung der von den italienischen Behörden am 10. April 2001 für
Ricestar erteilten Zulassung zu berechnen, auch wenn die Zusammensetzung dieses
Erzeugnisses nicht mit der von MaisTer identisch sei.
17
Das vorlegende Gericht hegt indessen Zweifel, ob ein ergänzendes Schutzzertifikat für
einen Safener erteilt werden kann. Es weist darauf hin, dass nach Art. 2 der Verordnung
Nr. 1610/96 für jedes durch ein Patent geschützte Erzeugnis, das nach Art. 4 der
Richtlinie 91/414 als Pflanzenschutzmittel zugelassen worden sei, ein ergänzendes
Schutzzertifikat erteilt werden könne. Der Begriff „Pflanzenschutzmittel“ werde in Art. 1
Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1610/96 unter Bezugnahme auf die in diesen
Erzeugnissen enthaltenen Wirkstoffe definiert, die Pflanzen gegen Schadorganismen
schützten. Safener entfalteten aber keine derartigen Wirkungen, sondern bezweckten,
die schädigenden Wirkungen eines unkrautbekämpfenden Wirkstoffs zu verhindern, um
dessen Wirksamkeit zu steigern.
18
Angesichts der höchstens mittelbaren Wirkung eines Safeners auf Pflanzen oder
Schadorganismen fragt sich das vorlegende Gericht, ob ein derartiger Stoff vom Begriff
„Wirkstoffe“ im Sinne der Verordnung Nr. 1610/96 erfasst wird.
19
Im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 1 dieser Verordnung ist das vorlegende Gericht der
Ansicht, dass ein Safener aufgrund seiner Wirkungen auf die Organismen, auf die
abgezielt werde, als ein Wirkstoff angesehen werden könne. Eine solche Auslegung
abgezielt werde, als ein Wirkstoff angesehen werden könne. Eine solche Auslegung
stehe aber in mehrfacher Hinsicht in einem Spannungsverhältnis zu der bestehenden
Rechtsprechung.
20
So habe der Gerichtshof im Urteil Massachusetts Institute of Technology (C‑431/04,
EU:C:2006:291) im Bereich der Humanarzneimittel entschieden, dass ein Trägerstoff,
d. h. ein Stoff, der keine eigene arzneiliche Wirkung entfalte, nicht unter den Begriff
„Wirkstoff“ im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92 des Rates vom 18. Juni 1992
über die Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Arzneimittel (ABl. L 182, S. 1)
falle. Dieses Urteil des Gerichtshofs könne dazu führen, den Begriff „Wirkstoffe“ auf Stoffe
zu begrenzen, die unmittelbar eine eigene pflanzenschützende Wirkung entfalteten.
Allerdings sei die Wirkungsweise eines Safeners nicht unbedingt mit der eines
Trägerstoffs in einem Arzneimittel vergleichbar. Ein Safener sei nämlich manchmal für
die Anwendung eines Wirkstoffs unverzichtbar.
21
Außerdem legt das vorlegende Gericht unter Berufung auf das Urteil Söll (C‑420/10,
EU:C:2012:111) dar, dass der Gerichtshof bereits entschieden habe, dass der Begriff
„Biozid-Produkte“ auch Produkte erfasse, die nur mittelbar auf die betreffenden
Schadorganismen einwirkten, sofern sie einen oder mehrere Wirkstoffe enthielten, die für
den Prozess, der die angestrebte Wirkung herbeiführe, erforderlich seien.
22
Im Übrigen hebt dieses Gericht hervor, dass das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr.
1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über das
Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln und zur Aufhebung der Richtlinien
79/117/EWG und 91/414 des Rates (ABl. L 309, S. 1) zur Präzisierung der Begriffe
„Erzeugnis“ und „Wirkstoffe“ beitragen könnte. Diese Begriffe seien, so wie sie in der
Verordnung Nr. 1610/96 verwendet würden, aus der Richtlinie 91/414 übernommen
worden. Diese Richtlinie sei indessen durch die Verordnung Nr. 1107/2009 aufgehoben
und ersetzt worden. In dieser letztgenannten Verordnung werde nunmehr zwischen den
Begriffen Wirkstoffe, Safener, Synergisten, Beistoffe und Zusatzstoffe unterschieden.
Art. 2 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1107/2009 definiere dabei die „Safener“ als
„Stoffe oder Zubereitungen, die einem Pflanzenschutzmittel beigefügt werden, um die
phytotoxische Wirkung des Pflanzenschutzmittels auf bestimmte Pflanzen zu
unterdrücken oder zu verringern“.
23
Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Verordnung Nr. 1610/96 nach dem Erlass
der Verordnung Nr. 1107/2009 nicht geändert worden sei. Aufgrund der zwischen diesen
beiden Verordnungen bestehenden Verbindung sei der Begriff „Wirkstoffe“ jedoch in
beiden in derselben Weise zu definieren. Folglich könne ein ergänzendes
Schutzzertifikat nicht für einen Safener erteilt werden.
24
Außerdem habe die Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 2005 auf die Initiative
der Kommission hin ihre Praxis aufgegeben, nach der Safener nach den gleichen
Vorschriften wie Wirkstoffe deklariert und registriert worden seien. Folglich könne es in
der Praxis für den Inhaber eines Patents für einen Safener, der ein ergänzendes
Schutzzertifikat erhalten möchte, aber nicht über eine Zulassung für ein
Pflanzenschutzmittel verfüge, unmöglich sein, zu klären, ob ein Dritter über eine solche
Zulassung verfüge. Dies könnte darauf schließen lassen, dass es nicht gewünscht
gewesen sei, dass Safener in gleicher Weise wie Wirkstoffe behandelt würden.
25
Das vorlegende Gericht weist allerdings darauf hin, dass gegen diesen Ansatz der
Umstand spreche, dass die materiellen Zulassungsvoraussetzungen für einen Safener
unter der Geltung der Verordnung Nr. 1107/2009 weitgehend identisch mit denen seien,
die für die Zulassung eines Wirkstoffs gälten. Zwischen den beiden betreffenden
Verfahren bestehe ein „funktionaler Gleichwertigkeitszusammenhang“ im Sinne des
Urteils Hogan Lovells International (EU:C:2010:673). Das Verfahren zur Erteilung einer
Zulassung für einen Safener könne somit ebenso lange dauern wie das für einen
Wirkstoff. Angesichts des Ziels der Verordnung Nr. 1610/96 könne dies die Erteilung
eines ergänzenden Schutzzertifikats rechtfertigen.
26
Im vorliegenden Fall sei hervorzuheben, dass Isoxadifen im Rahmen eines Verfahrens
zur vorläufigen Zulassung eines Erzeugnisses, das zwei andere Wirkstoffe enthalte,
geprüft worden sei. Die Dauer dieses Verfahrens habe die tatsächliche Schutzdauer des
Patents reduziert. Aus diesem Grund könnte es gerechtfertigt sein, für diesen Stoff ein
ergänzendes Schutzzertifikat zu erteilen. Allerdings könnte einer solchen Auslegung die
Rechtsprechung aus dem Urteil BASF (C‑258/99, EU:C:2001:261, Rn. 31)
entgegenstehen, in dem der Gerichtshof entschieden habe, dass die Zulassung nicht zu
den Kriterien gehöre, die in der Verordnung Nr. 1610/96 für die Definition des Begriffs
„Erzeugnis“ aufgestellt würden.
27
Unter diesen Umständen hat das Bundespatentgericht beschlossen, das Verfahren
auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind die Begriffe „Erzeugnis“ in Art. 3 Abs. 1, Art. 1 Nr. 8 und „Wirkstoffe“ in Art. 1 Nr. 3
der Verordnung Nr. 1610/96 dahin auszulegen, dass auch ein Safener darunter fällt?
Zur Vorlagefrage
28
Im Hinblick auf die Beantwortung der von dem vorlegenden Gericht gestellten Frage, mit
der dieses Gericht klären möchte, ob nach der Verordnung Nr. 1610/96 ein ergänzendes
Schutzzertifikat für ein Patent erteilt werden kann, das sich auf einen Safener bezieht, ist
darauf hinzuweisen, dass dies durch keine ausdrückliche Bestimmung dieser
Verordnung speziell erlaubt oder ausgeschlossen wird.
29
Art. 2 der Verordnung Nr. 1610/96 sieht Folgendes vor: „Für jedes im Hoheitsgebiet
eines Mitgliedstaats durch ein Patent geschützte Erzeugnis, das vor seinem
Inverkehrbringen als Pflanzenschutzmittel Gegenstand eines verwaltungsrechtlichen
Genehmigungsverfahrens gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/414 ... oder – wenn es sich
um ein Pflanzenschutzmittel handelt, für das der Genehmigungsantrag vor der
Umsetzung der Richtlinie 91/414 ... durch diesen Mitgliedstaat eingereicht wurde –
gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift war, kann nach den in
dieser Verordnung festgelegten Bedingungen und Modalitäten ein ergänzendes
Schutzzertifikat erteilt werden.“
30
Der Begriff „Erzeugnis“ wird in Art. 1 Nr. 8 der Verordnung Nr. 1610/96 definiert als „der
Wirkstoff ... oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels“.
Wirkstoff ... oder die Wirkstoffzusammensetzung eines Pflanzenschutzmittels“.
31
„Wirkstoffe“ wiederum werden in Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung definiert als „Stoffe und
Mikroorganismen, einschließlich Viren, mit allgemeiner oder spezifischer Wirkung ...
gegen Schadorganismen [oder] auf Pflanzen, Pflanzenteile oder Pflanzenerzeugnisse“.
32
Der Begriff „Wirkstoffe“ wird in Art. 1 Nr. 1 der Verordnung verwendet, um den Begriff
„Pflanzenschutzmittel“ zu definieren. Diese Bestimmung nimmt Bezug auf die
Anwendungen, für die die in den Pflanzenschutzmitteln enthaltenen Wirkstoffe bestimmt
sind. Nach dieser Bestimmung können die entsprechenden Anwendungen darin
bestehen, „Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse vor Schadorganismen zu schützen oder
ihrer Einwirkung vorzubeugen ..., in einer anderen Weise als ein Nährstoff die
Lebensvorgänge von Pflanzen zu beeinflussen (z. B. Wachstumsregler)[,] ...
Pflanzenerzeugnisse zu konservieren, ... unerwünschte Pflanzen zu vernichten oder ...
Pflanzenteile zu vernichten, ein unerwünschtes Wachstum von Pflanzen zu hemmen
oder einem solchen Wachstum vorzubeugen“.
33
Daraus ergibt sich, dass sich der Begriff „Wirkstoffe“ für die Zwecke der Anwendung der
Verordnung Nr. 1610/96 auf Stoffe bezieht, die eine eigene toxische, phytotoxische oder
pflanzenschützende Wirkung entfalten. Insoweit ist hervorzuheben, dass – da in der
Verordnung Nr. 1610/96 in keiner Weise danach unterschieden wird, ob diese Wirkung
unmittelbar oder mittelbar ist – der Begriff „Wirkstoffe“ nicht auf die Stoffe zu begrenzen
ist, deren Wirkung als unmittelbar eingestuft werden kann (vgl. entsprechend in Bezug
auf Arzneimittel Urteil Chemische Fabrik Kreussler, C‑308/11, EU:C:2012:548, Rn. 36,
und in Bezug auf Biozid-Produkte Urteil Söll, EU:C:2012:111, Rn. 31).
34
Ein Stoff ohne eine solche toxische, phytotoxische oder pflanzenschützende Wirkung
kann hingegen nicht als „Wirkstoff“ im Sinne der Verordnung Nr. 1610/96 angesehen
werden, so dass für ihn kein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann. Diese
Auslegung entspricht der Auslegung im Bereich Arzneimittel. Der Gerichtshof hat bereits
entschieden, dass ein Stoff, der keine eigenen arzneilichen Wirkungen entfaltet – wie
etwa ein Trägerstoff oder ein Adjuvans – kein Wirkstoff ist, so dass für ihn kein
ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann (Urteil Massachusetts Institute of
Technology, EU:C:2006:291, Rn. 25, und Beschluss Glaxosmithkline Biologicals und
Glaxosmithkline Biologicals, Niederlassung der Smithkline Beecham Pharma, C‑210/13,
EU:C:2013:762, Rn. 35).
35
Die Antwort auf die Frage, ob ein Safener ein Wirkstoff im Sinne von Art. 1 Nr. 3 der
Verordnung Nr. 1610/96 ist, hängt somit davon ab, ob dieser Stoff eine eigene toxische,
phytotoxische oder pflanzenschützende Wirkung entfaltet. Ist dies der Fall, so fällt er
unter den Begriff „Erzeugnis“ im Sinne von Art. 1 Nr. 8 der Verordnung Nr. 1610/96, so
dass für ihn – unter Beachtung der in Art. 3 dieser Verordnung aufgestellten
Voraussetzungen – ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann.
36
Aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts und den von Bayer sowie der
Kommission eingereichten Erklärungen geht hervor, dass in Pflanzenschutzmitteln
enthaltene Safener dazu bestimmt sind, die toxischen Wirkungen dieser Mittel auf
bestimmte Pflanzen zu verringern. Safener können so die Wirksamkeit eines
Pflanzenschutzmittels steigern, indem sie seine Selektivität verbessern und seine
toxischen oder ökotoxischen Wirkungen begrenzen. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass
Art. 2 der Verordnung Nr. 1107/2009, der in der für das Ausgangsverfahren
maßgeblichen Zeit nicht anwendbar war, Safener definiert als „Stoffe oder
Zubereitungen, die einem Pflanzenschutzmittel beigefügt werden, um die phytotoxische
Wirkung des Pflanzenschutzmittels auf bestimmte Pflanzen zu unterdrücken“.
37
Es ist Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Ausgangsrechtsstreit befasst ist, im
Licht aller relevanten tatsächlichen und wissenschaftlichen Umstände zu prüfen, ob der
im Ausgangsverfahren in Rede stehende Stoff aufgrund seiner Wirkung als Safener als
„Wirkstoff“ im Sinne von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung Nr. 1610/96 eingestuft werden kann.
38
Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass die Feststellung einer entsprechenden
Einstufung zwar notwendig ist, aber nicht ausreicht, um zu bestimmen, ob für einen
Safener ein ergänzendes Schutzzertifikat erteilt werden kann. Dafür müssen nämlich die
vier in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 aufgezählten kumulativen
Voraussetzungen erfüllt sein. Diese Bestimmung sieht im Wesentlichen vor, dass ein
ergänzendes Schutzzertifikat nur dann erteilt werden kann, wenn das Erzeugnis zum
Zeitpunkt der Anmeldung durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt ist und
dafür nicht bereits ein Zertifikat erteilt wurde. Zudem muss für das Erzeugnis eine gültige
Genehmigung „gemäß Artikel 4 der Richtlinie 91/414 ... oder gemäß einer gleichwertigen
einzelstaatlichen Rechtsvorschrift erteilt“ worden sein, und schließlich muss diese
Genehmigung die erste Genehmigung für das Erzeugnis als Pflanzenschutzmittel sein
(vgl. in diesem Sinne Urteil Hogan Lovells International, EU:C:2010:673, Rn. 51).
39
Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass durch die Verordnung Nr. 1610/96 die u. a. durch
den für den Erhalt der Genehmigung erforderlichen Zeitraum bedingte Aushöhlung des
wirksamen Schutzes von patentierten Erfindungen im Bereich der Pflanzenschutzmittel
begrenzt werden soll. Mit dem ergänzenden Schutzzertifikat wird die Wiederherstellung
einer ausreichenden Dauer des wirksamen Patentschutzes angestrebt, indem dem
Inhaber nach Ablauf des Grundpatents eine zusätzliche Ausschließlichkeitsfrist
eingeräumt wird, die zumindest zum Teil den Rückstand in der wirtschaftlichen
Verwertung seiner Erfindung ausgleichen soll, der aufgrund der Zeitspanne von der
Einreichung der Patentanmeldung bis zur Erteilung der ersten Genehmigung in der
Union eingetreten ist (Urteil Hogan Lovells International, EU:C:2010:673, Rn. 49 und 50).
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Unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen, hat somit das
nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist, zu prüfen, ob entsprechend den
Vorgaben des Art. 3 der Verordnung Nr. 1610/96 in dem betreffenden Mitgliedstaat für
das Erzeugnis, das den in Rede stehenden Safener enthält, als Pflanzenschutzmittel
eine gültige Genehmigung für das Inverkehrbringen „gemäß Artikel 4 der Richtlinie
91/414 ... oder gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift“ erteilt
wurde. Die letztgenannte Voraussetzung ist im Licht von Art. 2 dieser Verordnung zu
lesen, aus dem sich ergibt, dass die jeweilige gleichwertige einzelstaatliche
Rechtsvorschrift für Pflanzenschutzmittel gilt, für die „der Genehmigungsantrag vor der
Umsetzung der Richtlinie 91/414 ... durch [den betreffenden] Mitgliedstaat eingereicht
wurde“.
41
Das vorlegende Gericht, die polnische Regierung und die Kommission haben darauf
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Das vorlegende Gericht, die polnische Regierung und die Kommission haben darauf
hingewiesen, dass Safener unter der Geltung der Richtlinie 91/414 Wirkstoffen nicht
gleichgestellt gewesen seien und somit nicht dem Verfahren der Eintragung in Anhang I
dieser Richtlinie unterlegen hätten. Die Kommission meint, Safener seien im Rahmen
der Anwendung der Richtlinie 91/414 höchstens als bloße „Beistoffe“ angesehen
worden.
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Allerdings ist festzustellen, wie der Generalanwalt in Nr. 39 seiner Schlussanträge
hervorgehoben hat, dass die Richtlinie 91/414 für die Anwendung der Verordnung Nr.
1610/96 zwar nicht ohne Bedeutung ist, dass die Erteilung eines ergänzenden
Schutzzertifikats aber weiterhin autonom in dieser Verordnung geregelt wird. Selbst
wenn in Anhang I der Richtlinie 91/414 kein Safener als Wirkstoff eingetragen worden
sein sollte, erlaubt dieser Umstand somit nicht den endgültigen Schluss, dass die
wirtschaftliche Verwertung eines Patents für einen Safener nicht aufgrund der Fristen für
die Erteilung einer Genehmigung für das Inverkehrbringen „gemäß Artikel 4 der
Richtlinie 91/414 ... oder gemäß einer gleichwertigen einzelstaatlichen Rechtsvorschrift“
im Sinne von Art. 3 der Verordnung Nr. 1610/96 verzögert wurde.
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Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass das Genehmigungsverfahren nach Art. 4 der
Richtlinie 91/414 die Vorlage der in Anhang III dieser Richtlinie vorgesehenen
Unterlagen erfordert, mit denen insbesondere die Wirksamkeit und die Wirkungen eines
Pflanzenschutzmittels belegt werden sollen. Diese Unterlagen müssen u. a. Angaben zu
den in Nr. 1.4.4 des Teils A dieses Anhangs III genannten Beistoffen enthalten, zu denen
Safener gehören. Somit lässt sich nicht ausschließen, dass die Vorlage von Unterlagen,
die den in dem genannten Anhang III aufgestellten Anforderungen entsprechen, um eine
Genehmigung für das Inverkehrbringen für ein Pflanzenschutzmittel, das einen Safener
enthält, zu erhalten, die wirtschaftliche Verwertung eines Patents für den entsprechenden
Safener verzögert hat.
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Dazu ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht speziell angegeben hat,
dass Isoxadifen im Rahmen eines Verfahrens zur vorläufigen Zulassung eines
Erzeugnisses, das zwei andere Wirkstoffe enthalte, geprüft worden sei und dass die
Dauer dieses Verfahrens die tatsächliche Schutzdauer des Patents reduziert habe.
Diese Feststellungen, die in die alleinige Zuständigkeit des mit dem Ausgangsverfahren
befassten nationalen Gerichts fallen, können den Schluss zulassen, dass die in Art. 3 der
Verordnung Nr. 1610/96 aufgestellte Voraussetzung einer gültigen, gemäß Art. 4 der
Richtlinie 91/414 erteilten Genehmigung für das Inverkehrbringen erfüllt ist.
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Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass der Begriff „Erzeugnis“ in
Art. 1 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1610/96 und der Begriff „Wirkstoffe“ in
Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung dahin auszulegen sind, dass ein Stoff, der für einen
Gebrauch als Safener bestimmt ist, unter diese Begriffe fallen kann, wenn er eine eigene
toxische, phytotoxische oder pflanzenschützende Wirkung entfaltet.
Kosten
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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem
bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen
vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
Der Begriff „Erzeugnis“ in Art. 1 Nr. 8 und Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr.
1610/96 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über die
Schaffung eines ergänzenden Schutzzertifikats für Pflanzenschutzmittel und der
Begriff „Wirkstoffe“ in Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung sind dahin auszulegen, dass
ein Stoff, der für einen Gebrauch als Safener bestimmt ist, unter diese Begriffe
fallen kann, wenn er eine eigene toxische, phytotoxische oder pflanzenschützende
Wirkung entfaltet.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.