Urteil des EuGH vom 18.09.2003

EuGH: kommission, rechtliches gehör, rechtsmittelgrund, händler, unternehmen, behinderung, hersteller, nichtigerklärung, erschwerende umstände, eigenes verschulden

WICHTIGER RECHTLICHER HINWEIS:
und Urheberrechtsschutz.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)
18. September 2003
„Rechtsmittel - Wettbewerb - Vertrieb von Kraftfahrzeugen - Abschottung - Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel
81 EG) - Verordnung (EWG) Nr. 123/85 - Zurechnung der dem betroffenen Unternehmen vorgeworfenen
Zuwiderhandlung - Anspruch auf rechtliches Gehör - Begründungspflicht - Rechtsfolgen einer Weitergabe an
die Presse - Auswirkungen der Ordnungsgemäßheit der Anmeldung auf die Bemessung der Geldbuße -
Anschlussrechtsmittel“
In der Rechtssache C-338/00 P
Volkswagen AG
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
betreffend ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften
(Vierte Kammer) vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98 (Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707)
wegen teilweiser Aufhebung dieses Urteils,
andere Verfahrensbeteiligte:
Kommission der Europäischen Gemeinschaften,
Beistand von Rechtsanwalt H.-J. Freund,
Beklagte im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet, der Richter C. Gulmann und V. Skouris
(Berichterstatter) sowie der Richterinnen F. Macken und N. Colneric,
Generalanwalt: D. Ruíz-Jarabo Colomer,
Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des Sitzungsberichts,
nach Anhörung der Parteien in der Sitzung vom 27. Juni 2002,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. Oktober 2002,
folgendes
Urteil
1.
Die Volkswagen AG hat mit Rechtsmittelschrift, die am 14. September 2000 bei der Kanzlei des
Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel
gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. Juli 2000 in der Rechtssache T-62/98
(Volkswagen/Kommission, Slg. 2000, II-2707, im Folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt, mit dem
das Gericht ihre Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung 98/273/EG der Kommission vom 28.
Januar 1998 in einem Verfahren nach Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.733 - VW) (ABl. L 124, S. 60,
im Folgenden: Entscheidung oder angefochtene Entscheidung) teilweise abgewiesen hat.
Rechtlicher Rahmen
2.
Die Händlerverträge im Bereich des Vertriebs von Kraftfahrzeugen sind unter bestimmten
Voraussetzungen durch die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984
über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und
Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. 1985, L 15, S. 16) von der Anwendung des
Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG) freigestellt.
3.
Die betreffenden Vereinbarungen sind in der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr.
123/85 definiert als „Vereinbarungen von bestimmter oder unbestimmter Dauer, in denen der
liefernde Vertragspartner den weiterverkaufenden Vertragspartner damit betraut, Vertrieb und
Kundendienst für bestimmte Waren des Kraftfahrzeugsektors in einem bestimmten Gebiet zu fördern,
und in denen der Lieferant sich gegenüber dem Händler verpflichtet, im Vertragsgebiet mit
Vertragswaren nur den Händler oder außer dem Händler nur eine begrenzte Anzahl von Unternehmen
des Vertriebsnetzes zum Zwecke des Weiterverkaufs zu beliefern“.
4.
Nach der neunten Begründungserwägung dieser Verordnung führen die „Beschränkungen, denen
der Händler außerhalb des Vertragsgebiets unterliegt, ... zu verstärktem Einsatz bei Vertrieb und
Kundendienst in einem überschaubaren Vertragsgebiet und zu verbrauchernaher Marktkenntnis und
bedarfsorientiertem Angebot (Artikel 3 Ziffern 8 und 9)“.
5.
Artikel 1 der Verordnung Nr. 123/85 bestimmt:
„Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages wird gemäß Artikel 85 Absatz 3 [des Vertrages] unter den in dieser
Verordnung genannten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt auf Vereinbarungen, an denen
nur zwei Unternehmen beteiligt sind und in denen sich ein Vertragspartner dem anderen gegenüber
verpflichtet, zum Zwecke des Weiterverkaufs bestimmte zur Benutzung auf öffentlichen Wegen
vorgesehene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge ... innerhalb eines abgegrenzten Gebietes des
Gemeinsamen Marktes
1. nur an ihn oder
2. nur an ihn und eine bestimmte Anzahl von Unternehmen des Vertriebsnetzes
zu liefern.“
6.
Gemäß Artikel 2 der Verordnung Nr. 123/85 gilt die Erklärung nach Artikel 85 Absatz 3 des
Vertrages auch, „wenn die in Artikel 1 genannte Verpflichtung mit der Verpflichtung des Lieferanten
verbunden ist, innerhalb des Vertragsgebiets keine Vertragswaren an Endverbraucher zu vertreiben
...“
7.
Artikel 3 der Verordnung Nr. 123/85 sieht vor:
„Die Erklärung ... gilt auch, wenn [die selektive Vertriebsvereinbarung] mit der Verpflichtung des
Händlers verbunden ist,
...
8. außerhalb des Vertragsgebiets
a) für den Vertrieb von Vertragswaren und ihnen entsprechenden Waren keine Niederlassungen
oder Auslieferungslager zu unterhalten,
b) für Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren keine Kunden zu werben;
9. Dritte nicht damit zu betrauen, außerhalb des Vertragsgebiets Vertragswaren und ihnen
entsprechende Waren zu vertreiben oder Kundendienst für sie zu leisten;
10. an einen Wiederverkäufer
a) Vertragswaren und ihnen entsprechende Waren nur zu liefern, wenn er ein Unternehmen des
Vertriebsnetzes ist,
...
11. Kraftfahrzeuge ... Endverbrauchern, die einen Vermittler eingeschaltet haben, nur zu verkaufen,
wenn der Vermittler vorher schriftlich zum Kauf eines bestimmten Kraftfahrzeugs und bei Abholung
durch diesen auch zur Abnahme bevollmächtigt wurde“.
8.
In Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 123/85 heißt es:
„Der Anwendung der Artikel 1 bis 3 stehen die Verpflichtungen des Händlers nicht entgegen,
...
3. sich zu bemühen, binnen eines bestimmten Zeitraums innerhalb des Vertragsgebiets
Vertragswaren mindestens in dem Umfang abzusetzen, den der Lieferant aufgrund von
Vorausschätzungen des Absatzes des Händlers festsetzt, wenn sich die Vertragspartner nicht darüber
einigen;
...
8. Endverbraucher in allgemeiner Form darauf hinzuweisen, sofern er bei der Instandsetzung oder -
haltung von Vertragswaren oder ihnen entsprechende[n] Waren auch Ersatzteile Dritter verwendet;
...“
9.
Die Verordnung Nr. 123/85 ist mit Wirkung vom 1. Oktober 1995 durch die Verordnung (EG) Nr.
1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages
auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge (ABl. L 145, S. 25)
ersetzt worden.
10.
Der Wortlaut der Artikel 1, 2 und 3 der Verordnung Nr. 1475/95 ist nahezu identisch mit dem der
entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 123/85. Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung Nr.
1475/95 sieht vor:
„Die Freistellung gilt nicht,
...
3. wenn die Vertragspartner ... Wettbewerbsbeschränkungen vereinbaren, die in dieser Verordnung
nicht ausdrücklich freigestellt sind, oder
...
7. wenn der Hersteller, der Lieferant oder ein anderes Unternehmen des Vertriebsnetzes
unmittelbar oder mittelbar die Freiheit der Endverbraucher, der bevollmächtigten Vermittler oder der
Vertragshändler einschränkt, innerhalb des Gemeinsamen Markts bei einem Unternehmen des
Vertriebsnetzes ihrer Wahl Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren zu erwerben ..., oder die
Freiheit der Endverbraucher einschränkt, Vertragswaren oder ihnen entsprechende Waren
weiterzuverkaufen, vorausgesetzt, dass dieser Verkauf nicht zu kommerziellen Zwecken durchgeführt
wird, oder
8. wenn der Lieferant den Händlern Entgelte gewährt, die ohne sachlich gerechtfertigten Grund
nach Maßgabe des Bestimmungsortes der weiterverkauften Kraftfahrzeuge oder des Wohnsitzes des
Käufers berechnet werden,
...“
Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht
11.
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt wird im angefochtenen Urteil wie folgt
dargestellt:
1 Die Klägerin ist die Dachgesellschaft des Volkswagen-Konzerns. Die geschäftlichen Aktivitäten des
Konzerns umfassen die Herstellung von Fahrzeugen der Marken Volkswagen, Audi, Seat und Skoda
sowie die Fertigung von Komponenten und Teilen. ...
2 Die Kraftfahrzeuge der Marken Volkswagen und Audi werden innerhalb der Gemeinschaft über
selektive Händlernetze vertrieben. Der Import dieser Fahrzeuge sowie ihrer Ersatzteile und ihres
Zubehörs nach Italien wird ausschließlich von der Gesellschaft italienischen Rechts Autogerma SpA
(im Folgenden: Autogerma) mit Sitz in Verona (Italien) durchgeführt. Diese ist eine 100%ige
Tochtergesellschaft der Klägerin und bildet demnach mit dieser und Audi wirtschaftlich eine Einheit.
Der Vertrieb in Italien wird über rechtlich und wirtschaftlich selbständige Händler organisiert, die in
einem Vertragsverhältnis zu Autogerma stehen.
...
8 Ab September 1992 und im Jahre 1993 sank die italienische Lira stark im Verhältnis zur Deutschen
Mark. Die Klägerin erhöhte jedoch ihre Verkaufspreise in Italien nicht entsprechend. Die sich daraus
ergebenden Preisdifferenzen machten den Reexport von Fahrzeugen der Marken Volkswagen und Audi
aus Italien wirtschaftlich interessant.
9 Im Laufe der Jahre 1994 und 1995 erhielt die Kommission Schreiben deutscher und
österreichischer Verbraucher, die sich über Hindernisse beim Erwerb neuer Kraftfahrzeuge der
genannten Marken in Italien zum anschließenden Reexport nach Deutschland oder Österreich
beschwerten.
10 Mit Schreiben vom 24. Februar 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, dass sie aufgrund von
Beschwerden deutscher Verbraucher festgestellt habe, dass die Klägerin oder Autogerma den
italienischen Vertragshändlern der Marken Volkswagen und Audi unter Androhung der Kündigung
ihres Händlervertrags auferlegt hätten, Fahrzeuge nur an italienische Kunden zu verkaufen. In
demselben Schreiben forderte die Kommission die Klägerin auf, diese Behinderung des Reexports
einzustellen und ihr innerhalb von drei Wochen nach Zugang dieses Schreibens die zu diesem Zweck
ergriffenen Maßnahmen mitzuteilen.
...
13 Am 17. Oktober 1995 erließ die Kommission eine Entscheidung über Nachprüfungen gemäß
Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste
Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des Vertrages (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204). Die
Nachprüfungen erfolgten am 23. und 24. Oktober 1995 ...
14 Auf der Grundlage der bei diesen Nachprüfungen gefundenen Dokumente gelangte die
Kommission zu der Auffassung, dass die Klägerin, Audi und Autogerma mit ihren italienischen
Vertragshändlern eine Marktabschottungspolitik vereinbart hätten. Am 25. Oktober 1996 stellte die
Kommission der Klägerin und Audi eine entsprechende Mitteilung der Beschwerdepunkte zu.
15 Mit Schreiben vom 18. November 1996 beantragten die Klägerin und Audi Einsicht in die Akten,
die ihnen am 5. Dezember 1996 gewährt wurde.
16 Am 19. Dezember 1996 richtete Autogerma auf ausdrückliche Aufforderung der Klägerin ein
Rundschreiben an die italienischen Händler, in dem deutlich gemacht wurde, dass die Exporte an
Endabnehmer (gegebenenfalls über Vermittler) sowie an Händler des Vertriebsnetzes zulässig seien
und somit keine Sanktionen zur Folge hätten. Dieses Rundschreiben wies ebenfalls darauf hin, dass
der den Händlern auf den Kaufpreis der bestellten Fahrzeuge gewährte Rabatt (.Marge‘) und die
Zahlung ihres Bonus völlig unabhängig davon seien, ob die Fahrzeuge innerhalb oder außerhalb des
Vertragsgebiets verkauft worden seien.
...
20 Am 28. Januar 1998 erließ die Kommission die [angefochtene] Entscheidung ... Die Klägerin wird
darin als einzige Adressatin genannt. Hierzu führt die Kommission aus, dass die Klägerin für die
festgestellte Zuwiderhandlung verantwortlich sei, da Audi und Autogerma ihre Tochtergesellschaften
seien und ihr deren Tätigkeiten bekannt gewesen seien. Bezüglich der italienischen Vertragshändler
weist die Kommission darauf hin, dass diese nicht aktiv an den Behinderungen des Reexports
mitgewirkt hätten, sondern der durch die Hersteller und Autogerma eingeführten restriktiven Politik
als deren Opfer auf Druck zugestimmt hätten.
...
22 Mit Bezug auf die von der Klägerin und Audi ergriffenen Maßnahmen nennt die Kommission die
Einführung eines .Splitmargensystems‘ durch die Klägerin ... Die Kommission erwähnt ebenfalls die
Reduzierung der Händlerlager durch die Klägerin und Audi. Diese Maßnahme habe in Verbindung mit
einer restriktiven Lieferpolitik zu einer erheblichen Verlängerung der Lieferzeiten geführt, die einige
Kunden zur Stornierung ihrer Bestellung veranlasst habe. Sie habe es Autogerma zudem ermöglicht,
Anfragen deutscher Händler nach Lieferungen (Querlieferungen innerhalb des Volkswagen-
Vertriebsnetzes) zurückzuweisen. Die Kommission führt auch die von Audi und Autogerma festgelegten
Voraussetzungen für die Berechnung des Quartalsbonus von 3 % an, der den Händlern aufgrund der
Anzahl der verkauften Fahrzeuge gezahlt worden sei.
23 Als Sanktionen, die Autogerma gegenüber den Vertragshändlern ergriffen habe, nennt die
Kommission die Kündigung einiger Händlerverträge und die Streichung des Quartalsbonus von 3 % für
Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets.
...
26 Die Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass diese Maßnahmen, die sich alle in die
vertraglichen Beziehungen einfügten, die die Hersteller über Autogerma mit den italienischen
Händlern ihres selektiven Händlernetzes hätten, auf einer Vereinbarung oder abgestimmten
Verhaltensweise beruhten und einen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellten, da sie
Ausdruck der Durchführung einer Marktabschottungspolitik seien. Sie stellt fest, dass diese
Maßnahmen nicht von den Verordnungen Nr. 123/85 und Nr. 1475/95 gedeckt seien, da keine
Bestimmung dieser Verordnungen eine Vereinbarung zur Verhinderung von Parallelexporten durch
Endverbraucher, von diesen beauftragte Vermittler oder durch andere Händler des Händlernetzes
freistelle. Sie führt weiter aus, dass die Erteilung einer Einzelfreistellung im vorliegenden Fall
ausgeschlossen sei, da die Klägerin, Audi und Autogerma keine ihrer Vereinbarungen mit den
Vertragshändlern angemeldet hätten und die Behinderungen des Reexports jedenfalls das in Artikel
85 Absatz 3 EG-Vertrag niedergelegte Ziel des Verbraucherschutzes missachteten.
...
28 In Artikel 1 der Entscheidung stellt die Kommission fest, dass die Klägerin zusammen mit ihren
Tochtergesellschaften Audi und Autogerma .Zuwiderhandlungen gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
begangen [hat], da sie mit den italienischen Händlern des Vertriebsnetzes Vereinbarungen getroffen
hat, um Verkäufe an Endverbraucher aus anderen Mitgliedstaaten, die entweder selbst auftreten
oder über einen von ihnen beauftragten Vermittler handeln, und an in anderen Mitgliedstaaten
niedergelassene Vertragshändler des Vertriebsnetzes zu verbieten oder zu beschränken‘. In Artikel 2
der Entscheidung schreibt sie der Klägerin vor, diese Zuwiderhandlungen abzustellen, und gibt ihr
hierzu auf, u. a. die von ihr aufgezählten Maßnahmen zu ergreifen.
29 In Artikel 3 der Entscheidung verhängt die Kommission gegen die Klägerin wegen der Schwere
der festgestellten Zuwiderhandlung eine Geldbuße von 102 000 000 ECU. Hierzu stellt sie fest, dass
die Behinderung des Parallelexports von Fahrzeugen durch Endverbraucher und von Querlieferungen
innerhalb des Händlernetzes das Ziel der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes und damit einen
Grundsatz der Europäischen Gemeinschaft beeinträchtige, so dass die festgestellte Zuwiderhandlung
besonders schwer sei. Hinzu komme, dass die in dieser Hinsicht geltenden Regeln seit vielen Jahren
festgelegt seien und dass der Volkswagen-Konzern der Hersteller von Kraftfahrzeugen mit dem
höchsten Marktanteil in der Gemeinschaft sei. Die Kommission führt zudem Dokumente zum Beweis
dafür an, dass die Klägerin sich vollkommen bewusst gewesen sei, dass ihr Verhalten gegen Artikel 85
EG-Vertrag verstoße. Sie stellt außerdem fest, dass der Verstoß mehr als zehn Jahre gedauert habe.
Schließlich hat die Kommission als erschwerende Umstände berücksichtigt, dass die Klägerin die
beanstandeten Maßnahmen nicht beendet habe, obwohl die Kommission sie 1995 in zwei Schreiben
darauf hingewiesen habe, dass das Verhalten der Be- oder Verhinderung von Parallelexporten aus
Italien einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln bedeute, und dass die Klägerin das zwischen
einem Kraftfahrzeughersteller und seinen Händlern bestehende wirtschaftliche Machtgefälle
ausgenutzt habe, was bei mehreren Händlern zu erheblichen Umsatzeinbußen geführt habe. Hierzu
wird in der Entscheidung ausgeführt, dass die Klägerin, Audi und Autogerma mehr als 50
Vertragshändlern die Kündigung ihres Vertrages angedroht hätten, falls sie weiterhin Fahrzeuge an
ausländische Kunden verkaufen sollten, und dass in zwölf Fällen tatsächlich Händlerverträge
gekündigt worden seien und damit die Existenz der betroffenen Betriebe massiv gefährdet worden sei.
30 Die Entscheidung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 5. Februar 1998 bekanntgegeben, das
ihr am darauffolgenden Tag zuging.
...“
12.
Die Klägerin erhob mit Klageschrift, die am 8. April 1998 bei der Kanzlei des Gerichts einging, eine
Klage gegen diese Entscheidung.
13.
Die Klägerin stützte ihre Klage im Wesentlichen auf fünf Nichtigkeitsgründe. Mit den ersten beiden
Gründen machte sie Sachverhaltsirrtümer bzw. Rechtsfehler bei der Anwendung von Artikel 85 EG-
Vertrag geltend. Mit den weiteren drei Gründen rügte sie eine Verletzung des Grundsatzes der
ordnungsgemäßen Verwaltung, der Begründungspflicht und des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
14.
Darüber hinaus trug die Klägerin hilfsweise einen Klagegrund vor, der auf die Herabsetzung der
durch die angefochtenen Entscheidung verhängten Geldbuße gerichtet war, weil diese überhöht sei.
15.
Insbesondere führte die Klägerin in Bezug auf den ersten und den zweiten Klagegrund u. a. aus:
- Was die Behinderung infolge des Bonussystems und den angeblichen Verstoß gegen die
Verordnung Nr. 123/85 angehe, so sei der Bonus von 3 % logischerweise für die besonders gute
Erfüllung der Pflicht des Vertragshändlers gewährt worden, seine Tätigkeit auf das Vertragsgebiet zu
konzentrieren; daher sei die so genannte 15%-Regelung, nach der für die Berechnung des Bonus alle
Verkäufe zu berücksichtigen seien, Verkäufe außerhalb des Vertragsgebiets aber nur bis zu 15 % der
gesamten vom Händler getätigten Verkäufe bonifiziert würden, mit dem Wortlaut der Verordnung Nr.
123/85 (erste und neunte Begründungserwägung sowie Artikel 4 Absatz 1 Ziffer 3) ohne Weiteres
vereinbar gewesen;
- entgegen der Behauptung der Kommission sei niemals ein Splitmargensystem eingeführt worden;
- die Kommission habe fälschlicherweise festgestellt, dass das Geschäftsverhalten der Hersteller
und der zu ihrem Vertriebsnetz in Italien gehörenden Händler gegenüber den Verbrauchern aus
anderen Mitgliedstaaten eine Behinderung der Reexporte dargestellt habe;
- sämtliche Kündigungen von Händlerverträgen, auf die sich die Kommission stütze, hätten Händler
betroffen, die wiederholt Fahrzeuge an nichtautorisierte Wiederverkäufer verkauft hätten und die
manchmal auch andere schwere Vertragsverletzungen begangen hätten;
- die beanstandeten Verhaltensweisen seien nach Oktober 1995 nicht fortgesetzt worden; die von
der Kommission sichergestellten Dokumente bezögen sich nur auf die Jahre 1993 bis 1995;
- eine restriktive Belieferung des italienischen Marktes könne nicht als Vereinbarung im Sinne von
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag qualifiziert werden.
16.
Im Rahmen ihres dritten Klagegrundes, mit dem die Klägerin einen Verstoß gegen den Grundsatz
der ordnungsgemäßen Verwaltung geltend machte, warf sie der Kommission vor, ihre Beurteilungen
und Absichten in Bezug auf die Geldbuße vor dem Erlass der angefochtenen Entscheidung an die
Öffentlichkeit gebracht zu haben.
17.
Mit ihrem vierten Klagegrund, mit dem die Klägerin eine unzureichende Begründung der
angefochtenen Entscheidung rügte, machte sie geltend, dass die von ihr und Audi im
Verwaltungsverfahren erhobenen Einwendungen unzureichend geprüft worden seien. Die Kommission
habe nämlich in der Entscheidung die Auseinandersetzung mit den Dokumenten, die sie mit der
Erwiderung auf die Beschwerdepunkte vorgelegt habe, nicht zur Kenntnis genommen.
18.
Im Rahmen ihres hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes, dass die gegen sie verhängte
Geldbuße zu hoch sei, trug die Klägerin schließlich vor, dass sie niemals den Vorsatz zur Begehung von
Zuwiderhandlungen gehabt habe und dass die in der Entscheidung zum Beweis des Gegenteils
zitierten Dokumente (Randnr. 214 der Entscheidung) von der Kommission völlig falsch gedeutet
worden seien. Außerdem sei die 15%-Regelung in der „Convenzione B“ (dem Händlervertrag als Anlage
beigefügte Vereinbarung), die 1988 bei der Kommission angemeldet worden, ausdrücklich
niedergelegt gewesen; daher hätte gemäß Artikel 15 Absatz 5 der Verordnung Nr. 17 dafür, dass sie
diese Regelung angewandt habe, keine Geldbuße gegen sie verhängt werden dürfen.
Das angefochtene Urteil
19.
Das Gericht hat u. a. festgestellt:
„49 Diese [15%-]Regelung war geeignet, die italienischen Vertragshändler dazu zu veranlassen,
mindestens 85 % der verfügbaren Fahrzeuge innerhalb ihres Vertragsgebiets zu verkaufen. Sie
beschränkte die Möglichkeiten der Endverbraucher und der Vertragshändler anderer Mitgliedstaaten,
Fahrzeuge in Italien zu erwerben, und dies insbesondere in Zeiten, in denen einerseits solche Käufe
für sie sehr interessant waren und andererseits die Anzahl der in diesem Staat für den Verkauf
verfügbaren Fahrzeuge begrenzt war ... Folglich war die Kommission insbesondere zu der in
Randnummer 181 der Entscheidung gezogenen Schlussfolgerung berechtigt, dass die 15%-Regelung
von der Freistellung der Verordnung Nr. 123/85 nicht erfasst war. Denn die Verordnung Nr. 123/85
bietet den Herstellern zwar weitreichende Möglichkeiten zum Schutz ihrer Vertriebsnetze, ermächtigt
sie jedoch nicht zu Maßnahmen, die zu einer Abschottung der Märkte beitragen (Urteil des
Gerichtshofes vom 24. Oktober 1995 in der Rechtssache C-70/93, Bayerische Motorenwerke, Slg.
1995, I-3439, Randnr. 37).
...
189 [A]us dem Umstand, dass die 15%-Regelung zwischen dem 1. Januar 1988 und dem 30.
September 1996 ununterbrochen in Kraft war ..., [ergibt sich] eindeutig, dass die Klägerin während
dieser ganzen Zeit gegen die gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln verstoßen hat (vgl. oben,
Randnr. 49). ...“
20.
Das Gericht hat in Randnummer 72 des angefochtenen Urteils festgestellt, die Kommission habe
nicht hinreichend aussagekräftig und übereinstimmend nachgewiesen, dass ein Splitmargensystem in
Form einer Vereinbarung oder einer abgestimmten Verhaltensweise eingeführt worden sei, und
gefolgert, dass die angefochtene Entscheidung in dieser Hinsicht einen Beurteilungsfehler enthalte.
21.
Das Gericht hat u. a. festgestellt:
„105 Dem Vorbringen der Klägerin steht offensichtlich eine beträchtliche Zahl von Beschwerden
entgegen, die insbesondere im Laufe des Jahres 1995 von Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten als
Italien, zumeist deutscher oder österreichischer Staatsangehörigkeit, entweder an die Klägerin, Audi
oder Autogerma oder an die Kommission gerichtet wurden. Auf die Aufforderung des Gerichts, ihm
sämtliche von ihr empfangenen oder sichergestellten Schreiben von Verbrauchern vorzulegen, hat die
Kommission mehr als sechzig Briefe oder Telefaxe vorgelegt, die allesamt Hindernisse beklagen, auf
die diese Verbraucher beim Erwerb eines Fahrzeugs der Marke Volkswagen oder Audi in Italien
gestoßen sind. Im folgenden sollen nur einige der von der Kommission in der angefochtenen
Entscheidung untersuchten Schreiben wiedergegeben werden.“
22.
Nachdem das Gericht in den Randnummern 106 bis 114 des angefochtenen Urteils einiger dieser
Schreiben wiedergegeben hat, führt es aus:
„115 Aus diesen Dokumenten ergibt sich in ausreichend repräsentativer Weise, dass ein
Interessent mit Wohnsitz außerhalb Italiens während des betreffenden Zeitraums auf größte
Schwierigkeiten stieß, einen italienischen Vertragshändler der Marken Volkswagen und Audi zu finden,
der bereit war, ihm ein Fahrzeug zu verkaufen. Folglich war die Kommission zu der Schlussfolgerung
berechtigt, dass das Geschäftsverhalten der Hersteller und ihres Vertriebsnetzes in Italien gegenüber
Verbrauchern anderer Mitgliedstaaten ebenfalls eine Behinderung der Reexporte darstellte.“
23.
Das Gericht hat in Randnummer 169 des angefochtenen Urteils ausgeführt, aufgrund der von der
Kommission bezüglich der Kündigungen von Händlerverträgen beigebrachten Beweismittel könne nicht
ausgeschlossen werden, dass nur die Vertragshändler, die neben anderen Verletzungen ihrer
vertraglichen Pflichten Fahrzeuge an nichtautorisierte Wiederverkäufer verkauft hätten, tatsächlich mit
Sanktionen belegt worden seien; somit habe die Kommission dadurch einen Beurteilungsfehler
begangen, dass sie es als erwiesen angesehen habe, dass die Kündigungen der betreffenden
Händlerverträge eine rechtswidrige Maßnahme darstellten.
24.
In Randnummer 192 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, die Kommission habe
rechtlich nicht hinreichend nachgewiesen, dass zwischen dem 1. Oktober 1996 und dem Januar 1998
noch immer eine Zuwiderhandlung der Klägerin vorgelegen habe.
25.
Das Gericht hat u. a. ausgeführt:
„236 Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Aufforderung eines Kraftfahrzeugherstellers an
seine Vertragshändler keine einseitige Handlung dar, die sich dem Anwendungsbereich des Artikels
85 Absatz 1 EG-Vertrag entzieht, sondern eine Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie im
Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolgt, die einer im Voraus getroffenen allgemeinen
Vereinbarung unterliegen (Urteile des Gerichtshofes vom 17. September 1985 in den Rechtssachen
25/84 und 26/84, Ford/Kommission, Slg. 1985, 2725, Randnr. 21, und Bayerische Motorenwerke,
Randnrn. 15 und 16). Dies gilt auch hier. Denn die Prüfung des ersten Klagegrundes (vgl. oben,
insbesondere Randnrn. 49, 58, 89 bis 92 und 162 bis 165) hat ergeben, dass die 15%-Regelung, die
Kontingentierung der Belieferung, die Kontrollen und die Warnungen allesamt bezweckten, die
italienischen Vertragshändler bei der Erfüllung ihres Vertrages mit Autogerma zu beeinflussen.“
26.
Das Gericht hat in den Randnummern 280 bis 282 festgestellt, dass ein wesentlicher Aspekt des
Entscheidungsentwurfs, der dem Beratenden Ausschuss und anschließend dem Kollegium der
Kommissionsmitglieder zur endgültigen Zustimmung vorgelegt worden sei, vor Erlass der
angefochtenen Entscheidung Gegenstand mehrerer Verlautbarungen an die Presse gewesen sei und
dass diese Verlautbarungen an die Presse nicht nur den persönlichen Standpunkt des
Kommissionsmitglieds für Wettbewerbsfragen über die Vereinbarkeit der untersuchten Maßnahmen
mit dem Gemeinschaftsrecht zum Ausdruck gebracht hätten, sondern auch die Öffentlichkeit mit
einem hohen Maß an Genauigkeit über die vorgesehene Höhe der Geldbuße informiert hätten.
Dadurch habe die Kommission das Ansehen des beschuldigten Unternehmens beeinträchtigt und den
Interessen einer ordnungsgemäßen Gemeinschaftsverwaltung zuwidergehandelt.
27.
Das Gericht fährt fort:
„283 Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Unregelmäßigkeit dieser Art zur Nichtigerklärung
der fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, dass ohne diese Unregelmäßigkeit die
Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre (Urteil des Gerichtshofes vom 16. Dezember 1975 in
den Rechtssachen 40/73 bis 48/73, 50/73, 54/73 bis 56/73, 111/73, 113/73 und 114/73, Suiker Unie u.
a./Kommission, Slg. 1975, 1663, Randnr. 91; Urteil [des Gerichts vom 7. Juli 1994 in der Rechtssache T-
43/92] Dunlop Slazenger/Kommission [Slg. 1994, II-441], Randnr. 29). Im vorliegenden Fall hat die
Klägerin einen solchen Beweis allerdings nicht erbracht. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass
der Beratende Ausschuss oder das Kollegium der Kommissionsmitglieder die Höhe der Geldbuße oder
den Inhalt der Entscheidung gegenüber dem Vorschlag abgeändert hätten, wenn die streitigen
Auskünfte nicht preisgegeben worden wären.
284 Daher kann auch diesem Teil des dritten Klagegrundes nicht gefolgt werden. ...“
28.
Das Gericht hat u. a. festgestellt:
„297 Die Begründung der angefochtenen Entscheidung hat entsprechend den Anforderungen des
Artikels 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) die Überlegungen der Kommission so klar und eindeutig
zum Ausdruck gebracht, dass zum einen die Klägerin ihr die Gründe für die Entscheidung entnehmen
konnte, um ihre Rechte wahrzunehmen, und zum anderen das Gericht die Begründetheit der
Entscheidung überprüfen konnte (vgl. Urteil des Gerichtshofes vom 15. Mai 1997 in der Rechtssache
C-278/95 P, Siemens/Kommission, Slg. 1997, I-2507, Randnr. 17, und Urteile des Gerichts vom 6. April
1995 in der Rechtssache T-150/89, Martinelli/Kommission, Slg. 1995, II-1165, Randnr. 65, und [vom 21.
Oktober 1997 in der Rechtssache T-229/04] Deutsche Bahn/Kommission [Slg. 1997, II-1689], Randnr.
96).
298 In der angefochtenen Entscheidung ist nämlich für die verschiedenen Zuwiderhandlungen klar
erläutert, aus welchem Grund die Kommission der Ansicht war, dass die Klägerin gegen Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen hat. Die von der Kommission vorgenommenen Beurteilungen haben es
dem Gericht ermöglicht, seine Rechtmäßigkeitskontrolle auszuüben. Sowohl in der Klageschrift als
auch während des weiteren Verfahrens ist die Klägerin auf die in der Entscheidung zur Feststellung
eines Verstoßes entwickelte Argumentation der Kommission eingegangen. Dies zeigt, dass die
Entscheidung ihr die Angaben geliefert hat, die sie zur Wahrnehmung ihrer Rechte benötigte.
299 Wie bereits oben in Randnummer 27 ausgeführt, hat sich die Kommission in der Entscheidung
und insbesondere in deren Randnummern 194 bis 201 außerdem ausdrücklich mit einigen der von der
Klägerin und Audi in der Erwiderung auf die Beschwerdepunkte vorgetragenen Ausführungen
auseinandergesetzt. Die Kommission war nicht verpflichtet, auf die detaillierten Einwendungen der
Klägerin, etwa zu ihrer Margenpolitik, einzugehen. Es genügte, dass die Kommission klar und eindeutig
erläutert - wie sie es in den Randnummern 62 bis 66 der Entscheidung getan hat -, weshalb sie der
Auffassung war, dass ein Splitmargensystem praktiziert worden sei (vgl. Urteil Siemens/Kommission,
Randnrn. 17 und 18). Ebenso hat die Kommission ihre Beurteilung der sichergestellten Dokumente
ordnungsgemäß dadurch begründet, dass sie ausführlich erklärt hat, aus welchen Gründen diese
Dokumente ihrer Ansicht nach das Vorliegen der behaupteten Zuwiderhandlung bewiesen, ohne
Punkt für Punkt auf die verschiedenen Auslegungen dieser Dokumente durch die Klägerin in der
Erwiderung auf die Beschwerdepunkte einzugehen. ...“
29.
Was zunächst die Vorsätzlichkeit der Zuwiderhandlung angeht, hat das Gericht festgestellt:
„334 Hinsichtlich der ersten Frage steht fest, dass die Kommission im vorliegenden Fall festgestellt
hat, dass die Zuwiderhandlung vorsätzlich und nicht nur fahrlässig begangen worden ist (Randnr. 214
der Entscheidung). Diese Beurteilung erweist sich als völlig gerechtfertigt. Denn wie im Rahmen des
ersten Klagegrundes festgestellt, hat die Klägerin Maßnahmen ergriffen, die die Abschottung des
italienischen Marktes und damit eine Behinderung des Wettbewerbs bezweckten ... Außerdem ist es
für eine vorsätzlich begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Vertrages nicht
erforderlich, dass sich das Unternehmen des Verstoßes gegen diese Regeln bewusst gewesen ist,
sondern es genügt, dass es sich nicht in Unkenntnis darüber befinden konnte, dass sein Verhalten
eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckte (vgl. Urteile des Gerichts vom 2. Juli 1992 in der
Rechtssache T-61/89, Dansk Pelsdyravlerforening/Kommission, Slg. 1992, II-1931, Randnr. 157, und
vom 6. April 1995 in der Rechtssache T-143/89, Ferriere Nord/Kommission, Slg. 1995, II-917, Randnr.
41). Da es eine gefestigte Rechtsprechung gibt, wonach Verhaltensweisen zur Abschottung der
Märkte mit den gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln unvereinbar sind ..., konnte sich die
Klägerin nicht in Unkenntnis darüber befinden, dass ihr Verhalten den Wettbewerb behinderte.“
30.
Was sodann die Frage angeht, ob die 15%-Regelung bei der Kommission angemeldet wurde und
welche Folgen sich daraus für die Festsetzung der Geldbuße in der angefochtenen Entscheidung
ergeben, hat das Gericht ausgeführt:
„342 Zu dem Argument, die Convenzione B sei 1988 angemeldet worden, so dass die Kommission
eine Anwendung der in dieser Vereinbarung vorgesehenen 15%-Regelung durch die Klägerin nicht
ahnden könne, ist zunächst festzustellen, dass das Verbot des Artikels 15 Absatz 5 Buchstabe a der
Verordnung Nr. 17, Geldbußen für Handlungen festzusetzen, .die nach der bei der Kommission
vorgenommenen Anmeldung und vor der Entscheidung der Kommission nach Artikel 85 Absatz (3) des
Vertrages begangen werden, soweit sie in den Grenzen der in der Anmeldung dargelegten Tätigkeit
liegen‘, nur für tatsächlich gemäß den erforderlichen Förmlichkeiten angemeldete Vereinbarungen gilt
(Urteil des Gerichtshofes vom 10. Dezember 1985 in den Rechtssachen 240/82 bis 242/82, 261/82,
262/82, 268/82 und 269/82, Stichting Sigarettenindustrie/Kommission, Slg. 1985, 3831, Randnr. 77;
Urteil [des Gerichts vom 21. Februar 1995 in der Rechtssache T-29/92, Slg. 1995, II-289] SPO u.
a./Kommission, Randnr. 342; vgl. auch Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 1980 in der Rechtssache
30/78, Distillers Company/Kommission, Slg. 1980, 2229, Randnrn. 23 und 24). Ferner ist festzustellen,
dass die Kommission Autogerma mit Schreiben vom 25. November 1988 (Anlage 3 zur
Klagebeantwortung) mitgeteilt hat, dass die Übermittlung der Convenzione B keine Anmeldung im
Sinne der Verordnung Nr. 17 darstelle ...
343 Unabhängig davon, ob die Übersendung der Convenzione B eine Anmeldung im Sinne der
Verordnung Nr. 17 darstellte, hätte die Tatsache, dass diese Vereinbarung der Kommission bereits
1988 übermittelt wurde, diese veranlassen müssen, die Vereinbarung für sich allein nicht als Umstand
anzusehen, der die Erhöhung des für die Schwere des Verstoßes ermittelten Betrages rechtfertigt
(Randnr. 217 der Entscheidung). Die Zeit von 1988 bis 1992, in der die in der Convenzione B
vorgesehene 15%-Regelung die einzige beanstandete Maßnahme darstellt (vgl. Randnr. 202 der
Entscheidung), darf daher für die Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden, auch wenn
diese Regelung zu Recht als mit dem EG-Vertrag unvereinbar beurteilt worden ist (vgl. zu Letzterem
oben, Randnrn. 49 und 189).
344 Demgegenüber durfte die 15%-Regelung bei der Festsetzung der Geldbuße für die Zeit von
1993 bis 1996 berücksichtigt werden. Wie bereits festgestellt ..., wurde in diesem Zeitraum die durch
die 15%-Regelung vorgesehene Obergrenze mit anderen Maßnahmen verbunden und damit verstärkt,
um die Reexporte zu behindern. ... Auch wenn also nachgewiesen wäre, dass die Convenzione B
angemeldet wurde, wäre dennoch festzustellen, dass die Anwendung der 15%-Regelung ab 1993
nicht mehr in den Grenzen der Tätigkeit lag, wie sie im Text der der Kommission übersandten
Vereinbarung beschrieben war, so dass aufgrund des klaren Wortlauts von Artikel 15 Absatz 5
Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 die Bußgeldfreiheit nicht mehr greifen würde. Es wäre somit
angemessen gewesen, als Ausgangspunkt des für die Festsetzung der Geldbuße zu
berücksichtigenden Zeitraums auf den 1. September 1993 abzustellen ...“
31.
Schließlich hat das Gericht in Randnummer 346 des angefochtenen Urteils festgestellt, da die
Dauer der Zuwiderhandlung, die bei der Festsetzung der Geldbuße zu berücksichtigen sei, nur
ungefähr drei Jahre betrage und da die Beschreibung der Zuwiderhandlung, wie sie die Kommission
vorgenommen habe, um die Schwere des Verstoßes zu beurteilen, nicht in vollem Umfang zutreffe, sei
es angezeigt, im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung die angefochtene
Entscheidung abzuändern und den Betrag der Geldbuße herabzusetzen.
32.
Hierzu hat das Gericht ausgeführt:
„347 Die Herabsetzung der Geldbuße braucht jedoch weder im Verhältnis zur Kürzung der von der
Kommission berücksichtigten Dauer zu stehen noch der Summe der von der Kommission für die Zeit
von 1988 bis August 1993, für das letzte Quartal des Jahres 1996 und für das Jahr 1997 berechneten
Erhöhungssätze zu entsprechen (vgl. entsprechend Urteil Dunlop Slazenger, Randnr. 178). Es ist
Sache des Gerichts, im Rahmen seiner Befugnis in diesem Bereich selbst die Umstände des Einzelfalls
zu beurteilen, um die Höhe der Geldbuße festzusetzen (Urteil des Gerichtshofes vom 9. November
1983 in der Rechtssache 322/81, Michelin/Kommission, Slg. 1983, 3461, Randnr. 111; Urteil des
Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-148/94, Preussag Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-
613, Randnr. 728). Im vorliegenden Fall erfordern zum einen die der begangenen Zuwiderhandlung
eigene besondere Schwere - wie sie oben in Randnummer 336 herausgestellt wurde - und zum
anderen die Intensität, mit der die unzulässigen Maßnahmen praktiziert wurden, - wie die oben im
Rahmen des ersten Klagegrundes erörterte umfangreiche Korrespondenz belegt - eine wirklich
abschreckende Geldbuße (vgl. [Urteil] des Gerichts vom 10. März 1992 in der Rechtssache T-12/89,
Solvay/Kommission, Slg. 1992, II-907, Randnr. 309, und [Urteil des Gerichtshofes] vom 17. Juli 1997 [in
der Rechtssache C-219/95 P], Ferriere Nord/Kommission [Slg. 1997, I-4411], Randnr. 33). Unter
Berücksichtigung dieser Erwägungen ist die verhängte Geldbuße von 102 000 000 ECU, die - wie die
Klägerin in ihrer Antwort auf eine schriftliche Frage des Gerichts bestätigt hat - ungefähr 0,5 % des
1997 vom Volkswagen-Konzern in Italien, Deutschland und Österreich erzielten Umsatzes oder 0,25 %
seines im selben Jahr in der Europäischen Union erzielten Umsatzes ausmacht, nicht außergewöhnlich
hoch. Dass die Schlussfolgerungen der Kommission zum Splitmargensystem und zur Kündigung einiger
Händlerverträge als nicht hinreichend durch Beweise gestützt beurteilt wurden, mindert schließlich
nicht die besondere Schwere der fraglichen Zuwiderhandlung, die durch den Beweis anderer
rechtswidriger Verhaltensweisen ausreichend nachgewiesen wurde ...
348 Nach alledem hält es das Gericht, das in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter
Nachprüfung im Sinne des Artikels 172 EG-Vertrag (jetzt Artikel 229 EG) und des Artikels 17 der
Verordnung Nr. 17 entscheidet (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 15. Dezember 1994 in der
Rechtssache C-320/92 P, Finsider/Kommission, Slg. 1994, I-5697, Randnr. 46, und vom 17. Dezember
1998 in der Rechtssache C-185/95 P, Baustahlgewebe/Kommission, Slg. 1998, I-8417, Randnr. 129),
für gerechtfertigt, den Betrag der Geldbuße ... auf 90 000 000 Euro herabzusetzen.“
33.
Der Tenor des angefochtenen Urteils lautet:
„1. Die Entscheidung 98/273/EG der Kommission vom 28. Januar 1998 in einem Verfahren nach
Artikel 85 EG-Vertrag (Sache IV/35.733 - VW) wird insoweit für nichtig erklärt, als mit ihr festgestellt
wird,
a) dass ein Splitmargensystem und die Kündigung einiger Händlerverträge als Sanktion
Maßnahmen darstellten, die ergriffen wurden, um Reexporte von Fahrzeugen der Marken Volkswagen
und Audi aus Italien durch Endverbraucher und Vertragshändler dieser Marken aus anderen
Mitgliedstaaten zu behindern,
b) dass die Zuwiderhandlung in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis zum Erlass der Entscheidung
nicht vollständig beendet war.
2. Der Betrag der in Artikel 3 der angefochtenen Entscheidung gegen die Klägerin verhängten
Geldbuße wird auf 90 000 000 EUR herabgesetzt.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten und 90 % der Kosten der Kommission.
5. Die Kommission trägt 10 % ihrer eigenen Kosten.“
Das Rechtsmittel
34.
Die Rechtsmittelführerin beantragt in ihrer Rechtsmittelschrift,
- das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtene Entscheidung für nichtig zu erklären;
- die Kommission zu verurteilen, die Kosten der Rechtsmttelführerin für die Verfahren vor dem Gericht
und dem Gerichtshof zu tragen.
35.
In ihrer Erwiderung präzisiert die Rechtsmittelführerin, dass ihr Antrag im Lichte der Begründung
des Rechtsmittels verstanden und ausgelegt werden müsse, aus der sich ergebe, dass sie nicht die
Aufhebung des Urteils in seiner Gesamtheit beantrage, sondern nur insoweit, als sie durch das Urteil
beschwert sei.
36.
Die Kommission beantragt,
- das Rechtsmittel abzuweisen;
- das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Gericht
zurückzuverweisen, als das Gericht die gegen die Rechtsmittelführerin verhängte Geldbuße auf 90 000
000 Euro herabgesetzt hat, ohne bei der Bemessung der Geldbuße die in der Convenzione B zum
Händlervertrag von 1988 enthaltene 15%-Regelung für die Zeit von 1988 bis 1992 zu berücksichtigen;
- der Rechtsmittelführerin die Kosten des Verfahrens beim Gerichtshof aufzuerlegen und dem
Gericht die Entscheidung über die Kosten des Anschlussrechtsmittels vorzubehalten.
Zum Hauptrechtsmittel
37.
Die Rechtsmittelführerin macht folgende neun Rechtsmittelgründe geltend:
- Anders als das Gericht entschieden habe, verstoße die 3%ige Bonuskürzung bei Verkäufen der
italienischen Händler von mehr als 15 % außerhalb ihres Vertragsgebiets nicht gegen Artikel 85
Absatz 1 EG-Vertrag; jedenfalls sei sie durch die Verordnung Nr. 123/85 gedeckt (erster
Rechtsmittelgrund).
- Die vom Gericht zugrunde gelegte „restriktive Belieferung“ des italienischen Marktes unterliege als
einseitige Maßnahme nicht dem Kartellverbot des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag (zweiter
Rechtsmittelgrund).
- Die Berücksichtigung der Bonusregelung (vgl. erster Rechtsmittelgrund) bei der Bemessung der
Geldbuße verstoße gegen Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 (dritter
Rechtsmittelgrund).
- Die Feststellungen des Gerichts über die vorsätzliche Begehung der Zuwiderhandlung genügten
nicht den Anforderungen des Artikels 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 (vierter Rechtsmittelgrund).
- Das Gericht habe seiner Entscheidung einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt, als den, auf
dem die angefochtene Entscheidung beruhe (fünfter Rechtsmittelgrund).
- Das Gericht habe den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (als Verteidigungsrecht) missachtet,
indem es Verbraucherbeschwerden zu Lasten der Rechtsmittelführerin verwertet habe, zu denen sich
diese im Verwaltungsverfahren nicht habe äußern können (sechster Rechtsmittelgrund).
- Anders als das Gericht entschieden habe, sei die angefochtene Entscheidung nicht ausreichend
begründet worden und deshalb rechtswidrig (siebter Rechtsmittelgrund).
- Das Gericht habe im Hinblick auf die von ihm festgesetzte Geldbuße seiner Begründungspflicht
nicht genügt (achter Rechtsmittelgrund).
- Die vorzeitige Bekanntmachung des Entscheidungsvorschlags durch den für Wettbewerbssachen
zuständigen Kommissar führe in jedem Fall zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung
(neunter Rechtsmittelgrund).
Vorbringen der Parteien
38.
Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund greift die Rechtsmittelführerin die rechtliche Bewertung des
Gerichts an, die 15%-Regelung sei selbst bei isolierter Betrachtung mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
nicht vereinbar oder jedenfalls von der damals anwendbaren Verordnung Nr. 123/85 nicht gedeckt
gewesen (Randnr. 49 des angefochtenen Urteils; vgl. auch Randnr. 189 in Verbindung mit Randnr.
343 des angefochtenen Urteils).
39.
Zur Auslegung des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag führt sie aus, in ihrer Klage habe sie - im
tatsächlicher Hinsicht unwidersprochen - Folgendes geltend gemacht: Ein Händler, der ein Fahrzeug in
ein Gebiet verkaufe, das nicht zu seinem Vertragsgebiet gehöre, habe im Allgemeinen sowohl für den
Verkauf als solchen als auch für die Betreuung nach dem Verkauf wesentlich weniger Aufwendungen
als bei einem Verkauf in seinem Vertragsgebiet. Somit stehe dem Bonusnachteil ein entsprechender
betriebswirtschaftlicher Vorteil gegenüber. Die Bonusregelung habe also weder einen
wettbewerbsbeschränkenden Zweck noch eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung gehabt. Sie habe
daher nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen.
40.
Anders als das Gericht entschieden habe, sei die 15%-Regelung jedenfalls von der nach der
Verordnung Nr. 123/85 gewährten Freistellung erfasst gewesen. Ziel sei es gewesen, dass sich der
Händler in erster Linie um Kunden in seinem Gebiet kümmere. Insoweit ergebe sich aus der ersten
und der neunten Begründungserwägung sowie aus Artikel 4 Absatz 1 Ziffern 3 und 8 der Verordnung
Nr. 123/85, dass diese dem Händler eine besondere Verantwortung für sein Vertragsgebiet auferlege.
41.
Insbesondere dürfe der Lieferant, wenn der Hersteller oder Importeur nach Artikel 4 Absatz 1 Ziffer
3 der Verordnung Nr. 125/85 den Vertragshändler dazu verpflichten dürfe, sich um den Absatz einer
gewissen Mindestanzahl von Fahrzeugen in seinem Vertragsgebiet zu bemühen, eine erfolgreiche
Tätigkeit des Vertragshändlers im Vertragsgebiet auch prämieren. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es
sich um im Vergleich zur Gesamtvergütung relativ geringe Prozentsätze handele (bis zu 3 %) und wenn
zu einem erheblichen Anteil (bis zu 15 %) sogar Verkäufe an Kunden prämiert würden, die nicht aus
dem Vertragsgebiet stammten.
42.
Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund offensichtlich unzulässig. Die
Rechtsmittelführerin wiederhole lediglich das, was sie bereits im ersten Rechtszug vorgetragen habe,
ohne die Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 49 und 189 des angefochtenen Urteils in
Frage zu stellen.
43.
Hilfsweise sei der Rechtsmittelgrund unbegründet. Die Bonusregelung beschränke die
Möglichkeiten der Endverbraucher und der Vertragshändler anderer Mitgliedstaaten, Fahrzeuge in
Italien zu erwerben, und habe daher eine direkte Diskriminierung der Exporte zur Folge gehabt. Als
Maßnahme, die zu einer Abschottung der Märkte beigetragen habe und von der Rechtsmittelführerin
auch genau zu diesem Zweck eingesetzt worden sei, habe die 15%-Regelung somit von vornherein
nicht in den Genuss einer Freistellung kommen können.
Würdigung durch den Gerichtshof
44.
Wie den Randnummern 49 und 189 in Verbindung mit Randnummer 343 des angefochtenen Urteils
zu entnehmen ist, war das Gericht der Auffassung, dass die 15%-Regelung mit Artikel 85 Absatz 1 EG-
Vertrag unvereinbar sei, weil sie geeignet sei, die italienischen Vertragshändler dazu zu veranlassen,
mindestens 85 % der verfügbaren Fahrzeuge innerhalb ihres Vertragsgebiets zu verkaufen, weil sie
infolgedessen die Möglichkeiten der Endverbraucher und der Vertragshändler anderer Mitgliedstaaten
beschränke, Fahrzeuge in Italien zu erwerben, und weil sie damit zum Ziel habe, einen gewissen
Gebietsschutz und insoweit eine Abschottung des Marktes sicherzustellen. Das Gericht hat ebenfalls
in Randnummer 49 festgestellt, die Kommission sei zu der Schlussfolgerung berechtigt gewesen, dass
die betreffende Regelung von der Freistellung der Verordnung Nr. 123/85 nicht erfasst gewesen sei,
da diese Verordnung den Herstellern zwar weitreichende Möglichkeiten zum Schutz ihrer
Vertriebsnetze biete, sie jedoch nicht zu Maßnahmen ermächtige, die zu einer Abschottung der Märkte
beitrügen.
45.
Soweit die Rechtsmittelführerin die Feststellungen des Gerichts in Bezug auf den Verstoß gegen
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag beanstandet, beschränkt sie sich jedoch auf eine Wiedergabe der
Ausführungen, die sie hierzu in ihrer Klageschrift vor dem Gericht gemacht hat, und stellt weder die
Überlegungen in Frage, auf deren Grundlage das Gericht zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die
15%-Regelung eine Maßnahme der Marktabschottung darstelle, noch die Feststellung, dass es sich
bei dieser Regelung um eine mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag unvereinbare Maßnahme handele.
46.
Daher ist dieser erste Teil des Rechtsmittelgrundes als unzulässig zurückzuweisen.
47.
Nach ständiger Rechtsprechung genügt nämlich ein Rechtsmittel, das nur die bereits vor dem
Gericht geltend gemachten Klagegründe und Argumente wiederholt oder wörtlich wiedergibt und nicht
einmal Ausführungen enthält, in denen speziell der Rechtsfehler herausgearbeitet wird, mit dem das
angefochtene Urteil behaftet sein soll, nicht den Begründungserfordernissen des Artikels 58 der EG-
Satzung des Gerichtshofes sowie des Artikels 112 § 1 Absatz 1 Buchstabe c seiner
Verfahrensordnung. Denn ein solches Rechtsmittel stellt in Wirklichkeit einen Antrag auf bloße
erneute Prüfung der Klage dar, die nach Artikel 56 der Satzung nicht in die Zuständigkeit des
Gerichtshofes fällt (vgl. u. a. Urteile vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-352/98 P, Bergaderm et
Goupil/Kommission, Slg. 2000, Randnr. 35, vom 13. Juli 2000 in der Rechtssache C-210/98 P,
Salzgitter/Kommission, Slg. 2000, I-5843, Randnr. 42, und vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C-
321/99 P, ARAP u. a./Kommission, Slg. 2002, I-4287, Randnr. 48).
48.
Die Rechtsmittelführerin meint auch, indem das Gericht festgestellt habe, dass die 15%-Regelung
nicht von der Verordnung Nr. 123/85 erfasst werde, habe es diese Verordnung falsch ausgelegt und
angewandt, da es die besondere Verantwortung übersehen habe, die dem Händler durch Artikel 4
Absatz 1 Ziffern 3 und 8 der Verordnung Nr. 123/85 in Verbindung mit ihrer ersten und neunten
Begründungserwägung für sein Vertragsgebiet auferlegt werde.
49.
Hierzu genügt die Feststellung, dass eine Maßnahme, die auf die Errichtung von Handelsschranken
zwischen Mitgliedstaaten abzielt, nicht unter die Bestimmungen der Verordnung Nr. 123/85 fallen
kann, in denen geregelt ist, welche Verpflichtungen der Händler im Rahmen eines Händlervertrages
wirksam eingehen kann. Wie das Gericht in Randnummer 49 des angefochtenen Urteils zu Recht
ausgeführt hat, bietet nämlich diese Verordnung den Herstellern zwar weitreichende Möglichkeiten
zum Schutz ihrer Vertriebsnetze, ermächtigt sie aber nicht zu Maßnahmen, die zu einer Abschottung
der Märkte beitragen (Urteil Bayerische Motorenwerke, Randnr. 37).
50.
Folglich ist dieser zweite Teil des Rechtsmittelgrundes unbegründet.
51.
Nach alldem ist der erste Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
52.
Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die vom Gericht in
Randnummer 236 des angefochtenen Urteils vorgenommene Würdigung, nach der die Maßnahmen zur
restriktiven Belieferung des italienischen Marktes Vereinbarungen im Sinne von Artikel 85 Absatz 1 EG-
Vertrag seien, weil sie im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolgten, die einer im Voraus
getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterlägen.
53.
Der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich erheblich von denen, die den vom Gericht
angeführten Urteilen Ford/Kommission und Bayerische Motorenwerke zugrunde gelegen hätten. In
Randnummer 21 des Urteils Ford/Kommission habe der Gerichtshof die Zustimmung des Händlers zur
Entscheidung des Herstellers angenommen. Ebenso habe der Gerichtshof in Randnummer 17 des
Urteils Bayerische Motorenwerke berücksichtigt, dass sich das fragliche Rundschreiben in die
vertraglichen Beziehungen zwischen der Bayerische Motorenwerke AG und ihren Händlern eingefügt
sowie ausdrücklich und wiederholt auf den Händlervertrag Bezug genommen habe.
54.
Ferner habe das Gericht in seinem Urteil vom 26. Oktober 2000 in der Rechtssache T-41/96
(Bayer/Kommission, Slg. 2000, II-3383, Randnr. 169) ausdrücklich hervorgehoben, dass das subjektive
Element einer Willensübereinstimmung ein unabdingbares Tatbestandsmerkmal von Artikel 85 Absatz
1 EG-Vertrag sei. Es reiche deshalb nicht aus, auf den Händlervertrag zu verweisen, um eine
Zustimmung der Vertragshändler zu einer angeblich restriktiven Lieferpolitik nachzuweisen.
55.
Auch wenn es im vorliegenden Fall nach dem Händlervertrag möglich gewesen sei, die Händler
unterhalb des von ihnen gemeldeten Bedarfs zu beliefern, sei das vom Gericht festgestellte Motiv für
die nicht bedarfsdeckende Belieferung, nämlich die Behinderung von Exportgeschäften, durch den
Händlervertrag nicht gedeckt gewesen. Denn den Händlern habe es nach dem Vertrag freigestanden,
die von der Rechtsmittelführerin gelieferten Fahrzeuge auch an ausländische Endabnehmer und an
andere autorisierte Händler zu verkaufen. Die vom Gericht festgestellten Beschränkungen seien von
ihnen nicht gewollt gewesen, da sie Herabsetzungen der Liefermengen abgelehnt hätten; soweit
Beschränkungen aufgetreten seien, habe es sich um einseitige Maßnahmen gehandelt, die nicht
unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fielen. Das Urteil des Gerichts missachte den Wortlaut dieser
Bestimmung und verwische die Grenze zwischen den Artikeln 85 und 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82
EG).
56.
Die Kommission trägt vor, der Rechtsmittelgrund sei unbegründet. Die Rechtsmittelführerin
bestätige selbst, dass die restriktive Belieferung als solche nach dem Händlervertrag möglich
gewesen sei. Folglich hätten die Händler mit Abschluss des Händlervertrags der Möglichkeit einer
solchen restriktiven Belieferung zugestimmt. Als die Rechtsmittelführerin von dieser Möglichkeit
Gebrauch gemacht habe, habe sie dies im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen getan, die einer
im Voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung, nämlich dem Händlervertrag, unterlegen hätten
(Randnr. 236 des angefochtenen Urteils).
57.
Das Gericht habe auch die von ihm zitierte Rechtsprechung richtig angewandt. Die Auffassung der
Rechtsmittelführerin, es müsse nach den Motiven differenziert werden, die sie beim Gebrauchmachen
von der vertraglich vorgesehenen Möglichkeit einer restriktiven Belieferung verfolgt habe, finde in den
Urteilen Ford/Kommission und Bayerische Motorenwerke keine Stütze. Denn die Händlerverträge der
betreffenden Unternehmen hätten in den Fällen, die den genannten Urteilen zugrunde gelegen
hätten, nicht vorgesehen, dass der Händler keine Exportgeschäfte tätigen dürfe oder dass der
Hersteller von den Rechten, die ihm der Vertrag einräume, nicht zum Zweck der Behinderung von
Exportgeschäften Gebrauch machen dürfe.
58.
Schließlich habe das Gericht in Randnummer 169 des von der Rechtsmittelführerin angeführten
Urteils Bayer/Kommission ein anderes Urteil des Gerichtshofes ausgelegt, das ebenfalls die Bayerische
Motorenwerke AG betroffen habe, nämlich das Urteil vom 12. Juli 1979 in den Rechtssachen 32/78 und
36/78 bis 82/78 (BMW Belgium u. a./Kommission, Slg. 1979, 2435). Der Vergleich zwischen diesem
Urteil und dem vorerwähnten Urteil Bayerische Motorenwerke zeige nur, dass eine scheinbar
einseitige Handlung (wie die Aufforderung eines Kraftfahrzeugherstellers an seine Vertragshändler
oder die einseitige Belieferung dieser Händler durch den Hersteller) in Wirklichkeit eine Vereinbarung
darstelle, wenn sie im Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolge, die einer im Voraus
getroffenen allgemeinen Vereinbarung unterlägen (vgl. Urteile Ford/Kommission und Bayerische
Motorenwerke, zitiert vom Gericht in Randnr. 236 des angefochtenen Urteils), oder wenn die Händler
durch ein bestimmtes Verhalten als Reaktion auf die Maßnahme ihre Zustimmung zum Ausdruck
gebracht hätten (Urteil BMW Belgium u. a./Kommission).
59.
Die Auffassung der Rechtsmittelführerin, eine Vereinbarung könne nur dadurch zustande kommen,
dass die Adressaten oder „Opfer“ einer scheinbar einseitigen Maßnahme durch ihr Verhalten ihre
Zustimmung zum Ausdruck brächten, nicht aber dadurch, dass sich die einseitige Maßnahme in
laufende Geschäftsbeziehungen einfüge, die einer im Voraus getroffenen allgemeinen Vereinbarung
unterlägen, sei mit den Urteilen Ford/Kommission und Bayerische Motorenwerke nicht vereinbar und
daher zurückzuweisen.
Würdigung durch den Gerichtshof
60.
Nach ständiger Rechtsprechung stellt eine Aufforderung eines Kraftfahrzeugherstellers an seine
Vertragshändler keine einseitige Handlung dar, die sich dem Anwendungsbereich des Artikels 85
Absatz 1 EG-Vertrag entzieht, sondern eine Vereinbarung im Sinne dieser Bestimmung, wenn sie im
Rahmen laufender Geschäftsbeziehungen erfolgt, die einer im Voraus getroffenen allgemeinen
Vereinbarung unterliegen (Urteile Ford/Kommission, Randnr. 21, und Bayerische Motorenwerke,
Randnrn. 15 und 16).
61.
In Randnummer 236 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, diese Rechtsprechung
finde auch hier Anwendung, da die Maßnahmen der Rechtsmittelführerin, darunter die 15%-Regelung
und die Kontingentierung der Belieferung, allesamt bezweckten, die italienischen Vertragshändler bei
der Erfüllung ihres Vertrages mit Autogerma zu beeinflussen.
62.
Die Rechtsmittelführerin wirft dem Gericht vor, es sei zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, dass
die betreffende Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall anwendbar sei. In den Urteilen
Ford/Kommission und Bayerische Motorenwerke hätten die festgestellten Beschränkungen ihre
Grundlage in den Händlerverträgen gehabt. Im vorliegenden Fall dagegen sei es nach dem
Händlervertrag zwar möglich gewesen, die Belieferung der italienischen Vertragshändler
einzuschränken, das vom Gericht festgestellte Motiv für die restriktive Belieferung, nämlich die
Behinderung des Reexports der an diese Händler gelieferten Fahrzeuge aus Italien, sei aber vom
Händlervertrag nicht gedeckt gewesen, da es den Händlern freigestanden habe, diese Fahrzeuge
auch an ausländische Endabnehmer und Händler zu verkaufen. Die Händler selbst hätten keine
Zustimmung zu den festgestellten Beschränkungen zum Ausdruck gebracht; soweit derartige
Beschränkungen aufgetreten seien, habe es sich daher um einseitige Maßnahmen gehandelt, die
nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fielen.
63.
Aus den Randnummern 79 bis 90 des angefochtenen Urteils geht insoweit hervor, dass die
Rechtsmittelführerin eine Politik der Kontingentierung der Belieferung der italienischen Händler mit
dem ausdrücklichen Ziel betrieb, die Reexporte aus Italien zu behindern und damit den italienischen
Markt abzuschotten. Außerdem ist Randnummer 236 des angefochtenen Urteils zu entnehmen, dass
diese Politik aufgrund des Händlervertrags durchgesetzt werden konnte.
64.
Die Rechtsmittelführerin bestreitet weder, dass es nach dem Händlervertrag möglich war, die
Belieferung der italienischen Vertragshändler einzuschränken, noch die Feststellung des Gerichts,
dass diese Einschränkung mit dem ausdrücklichen Ziel erfolgt sei, den Reexport der an diese Händler
gelieferten Fahrzeuge aus Italien zu behindern.
65.
Daraus folgt, dass die italienischen Vertragshändler durch den Abschluss des Händlervertrags
einer Maßnahme zugestimmt haben, die später der Behinderung von Reexporten aus Italien und damit
der Beschränkung des innergemeinschaftlichen Wettbewerbs diente.
66.
Soweit die Rechtsmittelführerin behauptet, die Behinderung des Reexports der an die italienischen
Vertragshändler gelieferten Fahrzeuge sei von diesen nicht gewollt gewesen, sind die Randnummern
90 und 91 des angefochtenen Urteils zu beachten, auf die in dessen Randnummer 236 verwiesen
wird. In den betreffenden Randnummern hat das Gericht zunächst das Vorbringen der
Rechtsmittelführerin verworfen, die italienischen Händler hätten aus eigenem Antrieb entschieden,
dass es für sie nicht attraktiv sei, Fahrzeuge außerhalb ihres Vertragsgebiets zu verkaufen; sodann
hat es festgestellt, dass die italienischen Händler, da sie gleichzeitig einer restriktiven Belieferung und
der - ebenfalls im Rahmen des Händlervertrags vereinbarten (vgl. Randnrn. 44, 48 und 342 des
angefochtenen Urteils) - 15%-Regelung ausgesetzt und sich bewusst gewesen seien, dass die
Reexporte von Autogerma und den Herstellern sehr schlecht aufgenommen würden, offensichtlich ein
starkes Interesse daran gehabt hätten, die begrenzte Zahl verfügbarer Fahrzeuge nur oder fast nur
an in Italien wohnhafte Käufer zu verkaufen, und dass ihr Geschäftsverhalten somit von den
Herstellern und Autogerma beeinflusst worden sei.
67.
Daraus folgt, dass das Gericht, anders als die Rechtsmittelführerin behauptet, festgestellt hat,
dass die Einschränkung der Reexporte als das von der Rechtsmittelführerin verfolgte Ziel auch eine
Folge des Geschäftsverhaltens der italienischen Vertragshändler gewesen sei und dass dieses
Verhalten von der Rechtsmittelführerin beeinflusst worden sei, zumal feststand, dass sich die hierzu
angewandten Mittel, insbesondere die restriktive Belieferung mit Fahrzeugen, aus den Klauseln des
Händlervertrags ergaben und daher die Zustimmung der Händler erhalten hatten.
68.
Angesichts dieser Umstände hat das Gericht zu Recht die in Randnummer 236 des angefochtenen
Urteils zitierte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall angewandt.
69.
Der zweite Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
70.
Mit dem ersten Teil des dritten Rechtsmittelgrundes macht die Rechtsmittelführerin geltend, die
Würdigung des Gerichts in Randnummer 342 des angefochtenen Urteils, die Convenzione B und somit
auch die dort vorgesehene 15%-Regelung seien nicht ordnungsgemäß angemeldet worden, sei falsch.
71.
Dem zur maßgeblichen Zeit geltenden Gemeinschaftsrecht (Verordnung Nr. 27 der Kommission vom
3. Mai 1962: Erste Ausführungsverordnung zur Verordnung Nr. 17 des Rats [Form, Inhalt und andere
Einzelheiten von Anträgen und Anmeldungen] [ABl. 1962, 35, S. 1118] in der Fassung der Verordnung
[EWG] Nr. 2526/85 vom 5. August 1985 [ABl. L 240, S. 1] [im Folgenden: Verordnung Nr. 27] und
insbesondere Abschnitt VI Absatz 1 des Anhangs „Ergänzender Vermerk“ der letztgenannten
Verordnung; vgl. auch ab 1993 Verordnung [EWG] Nr. 3666/93 der Kommission vom 15. Dezember
1993 zur Änderung der Verordnungen Nr. 27, [EWG] Nr. 1629/69, [EWG] Nr. 4260/88, [EWG] Nr.
4261/88 und [EWG] Nr. 2367/90 im Hinblick auf die Durchführung der in dem Abkommen über den
Europäischen Wirtschaftsraum niedergelegten Wettbewerbsregeln [ABl. L 336, S. 1] und insbesondere
„Ergänzender Vermerk“ im Anhang zu dieser Verordnung) sei zu entnehmen, dass für spätere
Änderungen angemeldeter Vereinbarungen deren formlose Mitteilung an die Kommission in ihrer
rechtlichen Qualität wie eine Anmeldung gewertet werden müsse.
72.
Sodann habe das Gericht, indem es in Randnummer 344 des angefochtenen Urteils festgestellt
habe, dass die Anwendung der 15%-Regelung ab 1993 nicht mehr in den Grenzen der Tätigkeit
gelegen habe, wie sie in der der Kommission übersandten Vereinbarung beschrieben gewesen sei, so
dass die Befreiung von der Geldbuße nicht mehr greife, Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der
Verordnung Nr. 17 gegen seinen Wortlaut ausgelegt. Denn dort werde das Wort „soweit“ und nicht
die Konjunktion „wenn“ verwendet, was bedeute, dass das, was angemeldet sei, weiterhin von der
Geldbuße befreit sei, und nur das, was darüber hinausgehe, nicht befreit sein könne. Folglich
verstoße die Berücksichtigung der 15%-Regelung bei der Bemessung der Geldbuße ab 1993 gegen
Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17.
73.
Die Kommission führt aus, das in Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 enthaltene
Verbot der Festsetzung von Geldbußen gelte ausdrücklich nur für den Fall tatsächlich angemeldeter
Vereinbarungen. Die bloße Übersendung einer Vereinbarung sei keine Anmeldung. Die Einhaltung der
in Artikel 4 der Verordnung Nr. 27 vorgeschriebenen Förmlichkeiten sei kein Selbstzweck, sondern
solle die wettbewerbsrechtliche Prüfung der angemeldeten Vereinbarung ermöglichen. Durch bloße
Übersendung einer Vereinbarung könnten die Unternehmen ihrer Darlegungs- und Beweislast dafür,
dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Freistellung nach Artikel 85 Absatz 3 EG-Vertrag
vorlägen, nicht nachkommen (vgl. Urteil des Gerichts SPO u. a./Kommission, Randnr. 262).
74.
Die Rechtsmittelführerin berufe sich zu Unrecht auf Abschnitt VI des Ergänzenden Vermerks zur
Verordnung Nr. 27. Dort heiße es, es sei wichtig, dass die Kommission von allen wesentlichen
Änderungen solcher Absprachen unterrichtet werde, die nach Einreichung des Antrags oder der
Anmeldung erfolgt seien. Die Convenzione B habe den 1963 angemeldeten Händlervertrag aber nicht
nur abgeändert. Mit der 15%-Regelung enthalte sie vielmehr eine neue Vereinbarung, die eine
Wettbewerbsbeschränkung zum Gegenstand und zur Folge habe, die in dem angemeldeten
Händlervertrag noch gar nicht enthalten gewesen sei.
75.
Die von der Rechtsmittelführerin an Randnummer 344 des angefochtenen Urteils geäußerte Kritik
sei unbegründet. Denn die 15%-Regelung und die anderen Maßnahmen, mit denen sie verbunden und
durch die sie seit 1993 verstärkt worden sei, um die Reexporte zu behindern, stellten eine einheitliche
Zuwiderhandlung dar, deren einziges wirtschaftliches Ziel die Abschottung des italienischen Marktes
gewesen sei. Es wäre daher gekünstelt, dieses durch ein einziges Ziel gekennzeichnete Verhalten
strikt zu untergliedern (Randnr. 234 des angefochtenen Urteils).
Würdigung durch den Gerichtshof
76.
Mit dem ersten Teil dieses Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht vor, es
habe in Randnummer 342 des angefochtenen Urteils zu Unrecht festgestellt, dass die Convenzione B
und somit auch die dort vorgesehene 15%-Regelung nicht ordnungsgemäß angemeldet worden seien.
77.
In der betreffenden Randnummer 342 führt das Gericht jedoch zunächst aus, dass das Verbot des
Artikels 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17, Geldbußen festzusetzen, nur für tatsächlich
gemäß den vorgeschriebenen Förmlichkeiten angemeldete Vereinbarungen gelte, und nimmt dann
lediglich zur Kenntnis, dass nach Auffassung der Kommission die Übermittlung der Convenzione B
keine Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17 darstellt, ohne selbst zu dieser Frage Stellung zu
nehmen.
78.
Dass das Gericht insoweit nicht Stellung bezieht, ergibt sich im Übrigen eindeutig aus Randnummer
343 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht „[u]nabhängig davon, ob die Übersendung der
Convenzione B eine Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17 darstellte“, in seinen Erwägungen
fortfährt.
79.
Aus dem Vorstehenden folgt, dass der erste Teil des dritten Rechtsmittelgrundes der
Rechtsmittelführerin auf einer fehlerhaften Auslegung der Randnummer 342 des angefochtenen
Urteils beruht.
80.
Daher ist dieser erste Teil zurückzuweisen.
81.
Mit dem zweiten Teil ihres dritten Rechtsmittelgrundes wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht
vor, es habe Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 falsch ausgelegt, indem es in
Randnummer 344 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, dass die Anwendung der 15%-
Regelung ab 1993 nicht mehr in den Grenzen der Tätigkeit gelegen habe, wie sie in der Convenzione B
beschrieben gewesen sei, so dass die Befreiung von der Geldbuße nicht mehr greife, selbst wenn
nachgewiesen würde, dass die betreffende Vereinbarung gemäß den vorgeschriebenen
Förmlichkeiten angemeldet worden sei und folglich die 15%-Regelung ab 1. September 1993 für die
Festsetzung der Geldbuße hätte berücksichtigt werden müssen.
82.
Aus dem Wortlaut von Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 gehe hervor, dass die
Befreiung für das, was angemeldet sei, weiterhin gelte, nicht jedoch für das, was darüber hinausgehe.
83.
Hierzu ist zu bemerken, dass nach Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17
Geldbußen nicht für Handlungen festgesetzt werden dürfen, die nach der bei der Kommission
vorgenommenen Anmeldung und vor deren Entscheidung nach Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages
begangen werden, soweit sie in den Grenzen der in der Anmeldung dargelegten Tätigkeit liegen.
84.
Aus dieser Bestimmung ergibt sich im Gegenschluss, dass dann, wenn die betreffenden
Handlungen über die Grenzen der angemeldeten Tätigkeit hinausgehen, die Freistellung von
Geldbußen für keine dieser Handlungen gilt, da die betreffende Tätigkeit nicht mehr der in der
Anmeldung beschriebenen Tätigkeit entspricht. Diese Feststellung wird durch die Erwägung
bekräftigt, dass es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem das beanstandete Verhalten aus einem
Bündel von Maßnahmen besteht, mit denen das gleiche Ziel verfolgt wird, gekünstelt wäre, das
betreffende Verhalten aufzuspalten, um die Freistellung von Geldbußen nur auf einige wenige der
Maßnahmen anzuwenden, die dieses Verhalten ausmachen.
85.
Daraus folgt, dass die Auslegung von Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr.17, wie sie
sich aus Randnummer 344 des angefochtenen Urteils ergibt, nicht mit einem Rechtsfehler behaftet
ist.
86.
Daher ist der zweite Teil des dritten Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen.
87.
Folglich ist der dritte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
88.
Mit ihrem vierten Rechtsmittelgrund wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die Feststellung
des Gerichts in Randnummer 334 des angefochtenen Urteils, sie habe die ihr vorgeworfene
Zuwiderhandlung vorsätzlich begangen. Das „Schuldprinzip“, das im Rahmen des gemeinschaftlichen
Wettbewerbsrechts zu beachten sei, besage, dass für die Verhängung einer Sanktion der Betreffende
objektiv rechtswidrig gehandelt haben und ihm dieses Verhalten auch subjektiv vorwerfbar sein
müsse. Das gelte selbst dann, wenn es sich um ein Unternehmen handele, denn eine juristische
Person könne nur aufgrund von ihr zuzurechnenden Handlungen natürlicher Personen in Erscheinung
treten.
89.
Im vorliegenden Fall jedoch entnähmen die Kommission und das Gericht den Vorsatz aus
Äußerungen von Personen, von denen zumindest ein Teil nicht mit den handelnden Personen
identisch sei, ohne dass sie festgestellt hätten, ob diese Personen auch selbst irgendwelche
objektiven Verstöße begangen hätten. Allein die Feststellung objektiv rechtswidriger Handlungen
einzelner Mitarbeiter der Rechtsmittelführerin in Verbindung mit der andere Mitarbeiter betreffenden
Aussage, die Rechtsmittelführerin habe insoweit vorsätzlich gehandelt, genüge nicht den
Erfordernissen des „Schuldprinzips“. Das bedeute nicht, dass alle objektiven und subjektiven
Elemente der Zuwiderhandlung, die sich aus dem jeweiligen Verhalten ergebe, in ein und derselben
Person konzentriert sein müssten. Es müsse jedoch für jede Handlung nachgewiesen werden, dass
sie mit dem für die Verhängung der Geldbuße erforderlichen Vorsatz vorgenommen worden sei, was im
vorliegenden Fall nicht geschehen sei.
90.
Selbst unter der Annahme, dass ein Unternehmen für das Verhalten aller Personen hafte, die in
seinem Wirkungs- und Verantwortungsbereich handelten (in diesem Sinne Urteil vom 7. Juni 1983 in
den Rechtssachen 100/80 bis 103/80, Musique Diffusion Française u. a./Kommission, Slg. 1983, 1825,
Randnr. 97), müsse zumindest festgestellt werden können, dass gerade diese Personen, d. h.
diejenigen, die die beanstandete Handlung vorgenommen hätten, schuldhaft gehandelt hätten.
91.
In einigen früheren Entscheidungen seien Kommission und Gerichtshof von einem normativen
Schuldbegriff ausgegangen, indem sie ein eigenes Verschulden des Unternehmens angenommen und
nicht lediglich das Verschulden natürlicher Personen dem Unternehmen zugerechnet hätten
(Entscheidung 82/203/EWG der Kommission vom 27. November 1981 betreffend ein Verfahren nach
Artikel 85 des EWG-Vertrags [IV/30.188-Moët et Chandon (London) Ltd.] [ABl. 1982, L 94, S. 7, 10] und
Entscheidung 82/267/EWG der Kommission vom 6. Januar 1982 betreffend ein Verfahren nach Artikel
85 EWG-Vertrag [IV/28.748-AEG-Telefunken] [ABl. L 117, S. 15, 27]). Dieses Abstellen auf ein originäres
Verschulden des Unternehmens sei allerdings nichts anderes als die Annahme eines
Organisationsverschuldens, bei dem nicht auf die einzelnen objektiv rechtswidrigen Handlungen
einzelner Mitarbeiter abgestellt werde. Im vorliegenden Fall ließen jedoch weder die Entscheidung der
Kommission noch das diese Entscheidung bestätigende Urteil des Gerichts erkennen, worin ein
solcher konkreter Verschuldensvorwurf bestehen könnte. Kommission und Gericht hätten zumindest
darlegen müssen, dass der Rechtsmittelführerin eine fehlerhafte Organisation oder
Aufsichtspflichtverletzungen vorzuwerfen seien (vgl. dazu Randnr. 17 der Entscheidung 83/667/EWG
der Kommission vom 5. Dezember 1983 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 EWG-Vertrag
[IV/30.671 - IPTC Belgium] [ABl. L 376, S. 7] 9, und Randnr. 21 der Entscheidung 85/79/EWG der
Kommission vom 14. Dezember 1984 betreffend ein Verfahren nach Artikel 85 des EWG-Vertrags
[IV/30.809 - John Deere] [ABl. 1985, L 35, S. 58, 61].
92.
Nach Auffassung der Kommission ist die Vorstellung der Rechtsmittelführerin, einem Unternehmen
könnten Handlungen eines Mitarbeiters nur dann zugerechnet werden, wenn dieser sämtliche
objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale einer Zuwiderhandlung in seiner Person
verwirkliche, mit dem Charakter des Wettbewerbsrechts als Unternehmensrecht und mit der
arbeitsteiligen Organisation von Unternehmen nicht vereinbar.
93.
Deshalb würden sämtliche Handlungen von Personen, die berechtigt seien, für Unternehmen tätig
zu werden, Letzteren zugerechnet (vgl. Urteil Musique Diffusion Française u. a./Kommission, Randnr.
97). Dies gehe aus Randnummer 234 des angefochtenen Urteils, in der das Gericht die Qualifikation
der Verhaltensweisen der Rechtsmittelführerin durch die Kommission als einheitliche Zuwiderhandlung
bestätigt habe, deutlich hervor.
Würdigung durch den Gerichtshof
94.
In Randnummer 334 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die
Rechtsmittelführerin Maßnahmen ergriffen habe, die die Abschottung des italienischen Marktes
bezweckt hätten, und dass sich die Rechtsmittelführerin angesichts einer gefestigten
Rechtsprechung, wonach Verhaltensweisen zur Abschottung der Märkte mit den
gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregeln unvereinbar seien, nicht in Unkenntnis darüber habe
befinden können, dass ihr Verhalten den Wettbewerb behindert habe.
95.
In der Sitzung hat der Beistand der Rechtsmittelführerin auf die Aufforderung des Gerichtshof, den
vierten Rechtsmittelgrund näher zu erläutern, ausgeführt, um die vorsätzliche Begehung der
Zuwiderhandlung nachzuweisen, hätten die Kommission und das Gericht die Personen bezeichnen
müssen, die schuldhaft gehandelt hätten und daher als für die begangene Zuwiderhandlung
verantwortlich angesehen werden müssten, oder jedenfalls die Person, die für die fehlerhafte
Organisation der Rechtsmittelführerin, die eine solche Zuwiderhandlung ermöglicht habe, hätte
verantwortlich gemacht werden müssen.
96.
Hierzu ist festzustellen, dass der Auffassung der Rechtsmittelführerin im Rahmen des
Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft, in dem die begangenen Zuwiderhandlungen Geldbußen nach
sich ziehen, die nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gegen Unternehmen festgesetzt
werden, die sich vorsätzlich oder fahrlässig an der Zuwiderhandlung beteiligt haben, nicht gefolgt
werden kann. Im Übrigen heißt es in Artikel 15 Absatz 4, dass die Entscheidungen, mit denen eine
solche Geldbuße festgesetzt wird, nicht strafrechtlicher Art sind.
97.
Folgte man der Ansicht der Rechtsmittelführerin, wäre außerdem die Effektivität des
Wettbewerbsrechts ernsthaft gefährdet.
98.
Demnach hat das Gericht entgegen den Ausführungen der Rechtsmittelführerin keinen
Rechtsfehler begangen, als es die vorsätzliche Begehung der Zuwiderhandlung für feststehend
erachtet hat, ohne die Benennung der Personen zu verlangen, die innerhalb des Unternehmens
schuldhaft gehandelt hatten oder für die möglicherweise fehlerhafte Organisation der
Rechtsmittelführerin hätten verantwortlich gemacht werden müssen.
99.
Der vierte Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
100.
Mit ihrem fünften Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, dem angefochtenen
Urteil liege ein anderer Sachverhalt zugrunde als der, auf dem die angefochtene Entscheidung
beruhe. Die Kommission habe in ihrer Entscheidung den Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag
aus einem Bündel von Maßnahmen hergeleitet, die ihrer Ansicht nach eine einheitliche
Zuwiderhandlung gebildet hätten. Das Gericht habe jedoch die Analysen der Kommission zur
Margenpolitik in den Nummern 62 bis 72 der Begründung der angefochtenen Entscheidung und zur
Kündigung von Verträgen in den Nummern 93 bis 97 der Begründung (Randnrn. 65 bis 72 bzw. 166 bis
169 des angefochtenen Urteils) und folglich auch die einheitliche Gesamtstrategie, die der
Kommission zufolge aus sieben Komplexen bestanden habe, nicht bestätigt.
101.
Selbst wenn nach Auffassung des Gerichts die verbleibenden Maßnahmen isoliert betrachtet gegen
Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßen hätten, sei es nicht berechtigt gewesen, den Sachverhalt,
auf dem die angefochtene Entscheidung beruhe, durch einen anderen zu ersetzen und zu
unterstellen, dass die Kommission in diesem Fall dieselbe Entscheidung getroffen hätte. Wenn sich
der Sachverhalt, der die Grundlage für die betreffende Entscheidung bilde, bei der Nachprüfung durch
das Gericht nicht bestätige, sei das Gericht verpflichtet, die Entscheidung aufzuheben.
102.
Die Kommission entgegnet, sie und das Gericht hätten denselben Sachverhalt gewürdigt. Dass das
Gericht die von ihr vorgelegten Beweise zu den beiden in Randnummer 100 dieses Urteils genannten
Fragen nicht für ausreichend gehalten habe, ändere nichts daran, dass ihre Beurteilung richtig sei.
Wenn ausreichende Beweise nur für einige der dem Unternehmen vorgeworfenen
wettbewerbswidrigen Handlungen erbracht werden könnten, hindere die Zusammenfassung dieser
Handlungen zu einer einheitlichen Zuwiderhandlung das Gericht außerdem nicht daran, die
Entscheidung der Kommission in Bezug auf die bewiesenen Handlungen zu bestätigen. Seien die
bewiesenen Handlungen isoliert betrachtet aufgrund ihrer einheitlichen wirtschaftlichen Zielsetzung
als einheitliche Zuwiderhandlung anzusehen, so sei das Gericht ebenfalls nicht daran gehindert, dies
festzustellen. So sei es hier gewesen (vgl. Randnr. 234 des angefochtenen Urteils).
Würdigung durch den Gerichtshof
103.
Dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung die Auffassung vertrat, die der
Rechtsmittelführerin vorgeworfene Zuwiderhandlung bestehe aus einem Maßnahmenbündel, hinderte
das Gericht weder daran, diese Entscheidung teilweise für nichtig zu erklären, weil es der Ansicht war,
dass einige der Maßnahmen, aus denen sich die beanstandete Zuwiderhandlung zusammengesetzt
habe, nicht bewiesen seien, noch daran, zu bestätigen, dass diejenigen Maßnahmen, deren
Wettbewerbswidrigkeit bewiesen war, im Hinblick auf ihren gemeinsamen Zweck eine einheitliche
Zuwiderhandlung bildeten.
104.
Insbesondere folgt entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin daraus, dass das Gericht die
Einheitlichkeit der begangenen Zuwiderhandlung auf der Grundlage nur eines Teils der in der
angefochtenen Entscheidung beanstandeten Maßnahmen bestätigt hat, nicht, dass es seine
Würdigung auf einen anderen Sachverhalt gestützt hätte als den, auf dem die betreffende
Entscheidung beruhte.
105.
Daher ist auch dieser Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
106.
Mit ihrem sechsten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, in den
Randnummern 105 bis 115 des angefochtenen Urteils habe das Gericht ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt, indem es zu ihren Lasten Verbraucherbeschwerden verwertet habe, die die
Kommission im Laufe des Verfahrens vorgelegt habe und zu denen sie sich im Verwaltungsverfahren
nicht habe äußern können.
107.
Die Kommission habe nur 15 Verbraucherbeschwerden, die der Rechtsmittelführerin während des
Verwaltungsverfahrens im Rahmen der Akteneinsicht offen gelegt worden seien, angegeben und
gegen sie verwertet. Die restlichen Beschwerden habe sie erst einsehen können, nachdem die
Kommission auf die Aufforderung des Gerichts vom 12. Juli 1999 mit Schriftsatz vom 10. August 1999
sämtliche Schreiben vorgelegt habe. Sie habe keine Gelegenheit gehabt, sich zu diesen Schreiben
schriftlich zu äußern. Darüber hinaus sei es ihr in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 1999
weder möglich gewesen, eine detaillierte Stellungnahme abzugeben, noch, den jeweiligen Einzelfällen
nachzugehen, weil die Redezeit ihres Beistands in der mündlichen Verhandlung auf 30 Minuten
begrenzt worden sei.
108.
In Randnummer 105 des angefochtenen Urteils verwerte das Gericht alle Briefe und Telefaxe, auf
die es Bezug nehme, gegen sie. Die gleiche Wertung zeige sich in Randnummer 115 des
angefochtenen Urteils, in der das Gericht feststelle, dass die in den Randnummern 106 bis 114 des
Urteils aufgezählten und in der angefochtenen Entscheidung untersuchten Dokumente in
ausreichend repräsentativer Weise die Exportbehinderungen belegten. Das Gericht betrachte diese
Beschwerden offenbar als repräsentativ für die anderen, ihr nicht vorher überlassenen Schreiben.
109.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes verlange der Anspruch auf rechtliches Gehör als
Verteidigungsrecht, dass das betroffene Unternehmen bereits während des Verwaltungsverfahrens in
die Lage versetzt werde, zum Vorliegen und zur Bedeutung der von der Kommission geltend
gemachten Tatsachen, Beschwerdepunkte und Umstände Stellung zu nehmen (vgl. Randnr. 311 des
angefochtenen Urteils und die dort angeführte Rechtsprechung). Wenn es ausgeschlossen sei, dass
die Kommission ihre Entscheidung nachträglich mit Beweismitteln rechtfertige, die dem betroffenen
Unternehmen im Verwaltungsverfahren nicht überlassen worden seien, dürfe das Gericht diese
Beweismittel auch nicht gegen das betroffene Unternehmen verwerten können.
110.
Die Kommission weist darauf hin, dass sich die Rechtsmittelführerin in der mündlichen Verhandlung
vor dem Gericht inhaltlich auf die Verbraucherbeschwerden eingelassen habe, die sie mit Schreiben
vom 20. August 1999 in das Verfahren eingeführt habe. Außerdem habe die Rechtsmittelführerin nicht
geltend gemacht, dass ihr diese Beschwerden im Verwaltungsverfahren von der Kommission ganz oder
teilweise nicht zugänglich gemacht worden seien und das Gericht sie folglich nicht verwenden könne,
ohne den Anspruch der Rechtsmittelführerin auf rechtliches Gehör zu verletzen.
111.
Des Weiteren setze sich die Rechtsmittelführerin in Widerspruch zu dem Schreiben ihres
Prozessbevollmächtigten vom 10. Dezember 1996 in Verbindung mit der Bestätigungserklärung vom 5.
Dezember 1996, in der Frau Pretzell, eine Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten der
Rechtsmittelführerin, erkläre, am 5. Dezember 1996 vollständige Einsicht in die Akte der Kommission
erhalten zu haben.
112.
Ferner gehe aus Randnummer 115 des angefochtenen Urteils hervor, dass sich das Gericht allein
auf die Schreiben gestützt habe, die in den Randnummern 106 bis 114 des betreffenden Urteils
wiedergegeben und von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung untersucht worden
seien. Deshalb treffe die Behauptung der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe die Gesamtheit der
gegen sie erhobenen Beschwerden als Beweismittel gegen sie verwendet, nicht zu.
Würdigung durch den Gerichtshof
113.
Dieser Rechtsmittelgrund beruht auf der Prämisse, dass die Rechtsmittelführerin erstmals im
Verfahren vor dem Gericht von den Verbraucherbeschwerden erfahren hat, die die Kommission im
Laufe des Verfahrens vorgelegt hat.
114.
Diese Prämisse erweist sich jedoch als falsch.
115.
Wie die Kommission nämlich in ihrer Klagebeantwortung insoweit von der Rechtsmittelführerin
unbestritten ausführt, hat die Rechtsmittelführerin im Verwaltungsverfahren vollständige Einsicht in
die Akten der Kommission einschließlich der Verbraucherbeschwerden erhalten.
116.
Selbst wenn das Gericht in Randnummern 105 bis 115 des angefochtenen Urteils, wie die
Rechtsmittelführerin behauptet, nicht nur die von der Kommission in der angefochtenen Entscheidung
ausgewerteten Dokumente, sondern auch sämtliche gegen sie erhobenen Beschwerden verwertet
haben sollte, ist der Vorwurf der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe ihr rechtliches Gehör verletzt,
daher jedenfalls unbegründet.
117.
Folglich ist der sechste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
118.
Mit ihrem siebten Rechtsmittelgrund trägt die Rechtsmittelführerin vor, das Gericht habe das Wesen
der Begründungspflicht nach Artikel 190 EG-Vertrag (jetzt Artikel 253 EG) verkannt, indem es in
Randnummer 299 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, es genüge, dass sich die Kommission
in der Entscheidung mit einigen der von ihr im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte
erhobenen Einwendungen auseinander gesetzt habe. Eine Begründung, in der sich die Kommission
ohne erkennbare Methodik nur mit einigen Einwendungen des betroffenen Unternehmens befasse
und die anderen einfach übergehe, könne weder der Kommission bei der Selbstkontrolle helfen noch
das betroffene Unternehmen von der Richtigkeit der getroffenen Entscheidung überzeugen, noch die
Öffentlichkeit angemessen über die Erwägungen informieren, die die Kommission zu ihrer
Entscheidung geführt hätten; auch diese Funktionen müsse die Begründung erfüllen. Die
Rechtsauffassung, die Randnummer 297 des angefochtenen Urteils zugrunde liege, stelle den Sinn
des Verwaltungsverfahrens in Frage.
119.
Es sei insoweit bezeichnend, dass die Kommission in der angefochtenen Entscheidung nicht oder
fast nicht auf die Einwendungen eingegangen sei, die sie in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte erhoben habe und die das Splitmargensystem und die Dauer der
Zuwiderhandlung betroffen hätten, zwei Punkte, in denen das Gericht die betreffende Entscheidung
für nichtig erklärt habe.
120.
Die Kommission führt aus, dieser Rechtsmittelgrund sei zum Teil unzulässig und im Übrigen
unbegründet.
121.
Da das Gericht die angefochtene Entscheidung in den beiden von der Rechtsmittelführerin
erwähnten Punkten für nichtig erklärt habe, könne der Gerichtshof sie nicht noch einmal in diesen
Punkten für nichtig erklären, selbst wenn sie insoweit an einem Begründungsmangel gelitten hätte,
was das Gericht im Übrigen in den Randnummern 299 und 300 des angefochtenen Urteils
ausdrücklich geprüft und verneint habe. Weder gebe die Rechtsmittelführerin an, in welchen weiteren
Punkten die Entscheidung nach ihrer Auffassung an einem Begründungsmangel leide, der zu ihrer
Nichtigerklärung hätten führen müssen, noch trage sie vor, dass das Gericht die Entscheidung wegen
eines angeblichen Begründungsdefizits in den beiden erwähnten Punkten insgesamt für nichtig hätte
erklären müssen.
122.
Die Rechtsmittelführerin verfälsche die Ausführungen in Randnummer 299 des angefochtenen
Urteils, in der das Gericht hervorhebe, dass sich die Kommission, die ihrer Begründungspflicht ohnehin
bereits nachgekommen gewesen sei (Randnrn. 297 und 298), außerdem mit einigen der von der
Rechtsmittelführerin und Audi im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte vorgetragenen
Ausführungen ausdrücklich auseinander gesetzt habe. Den Ausführungen des Gerichts sei nicht zu
entnehmen, dass sich die Kommission mit den übrigen Einwendungen gegen die Mitteilung der
Beschwerdepunkte überhaupt nicht hätte auseinander zu setzen brauchen und sie einfach hätte
übergehen können. Das Gericht stelle lediglich fest, dass die Kommission ihre Beurteilung der
sichergestellten Dokumente ordnungsgemäß dadurch begründet habe, dass sie klar zum Ausdruck
gebracht habe, aus welchen Gründen diese Dokumente ihrer Ansicht nach das Vorliegen der
behaupteten Zuwiderhandlung bewiesen hätten. Außerdem gehe aus der Rechtsprechung des
Gerichtshofes nicht hervor, dass die Kommission Punkt für Punkt auf die verschiedenen Auslegungen
dieser Dokumente durch die Rechtsmittelführerin in ihrer Erwiderung auf die Mitteilung der
Beschwerdepunkte hätte eingehen müssen.
Würdigung durch den Gerichtshof
123.
Dieser Rechtsmittelgrund umfasst zwei Teile. Mit dem ersten Teil wirft die Rechtsmittelführerin dem
Gericht im Kern vor, es habe in Randnummer 297 des angefochtenen Urteils die Anforderungen falsch
definiert, denen die Begründung einer Kommissionsentscheidung wie der angefochtenen genügen
müsse. Mit dem zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht
habe auch den Umfang der Begründungspflicht falsch beurteilt, der die Kommission gemäß Artikel 190
EG-Vertrag nachkommen müsse, indem es in Randnummer 299 des angefochtenen Urteils festgestellt
habe, es genüge, dass sich die Kommission in der Entscheidung lediglich mit einigen der von ihr im
Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhobenen Einwendungen auseinander gesetzt
habe.
124.
Was den ersten Teil des Rechtsmittelgrundes angeht, so muss nach ständiger Rechtsprechung die
nach Artikel 190 EG-Vertrag vorgeschriebene Begründung die Überlegungen der
Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum
Ausdruck bringen, dass die Betroffenen zur Wahrnehmung ihrer Rechte die Gründe für die getroffene
Maßnahme erfahren können und der Gemeinschaftsrichter seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann
(vgl. u. a. Urteil vom 16. Mai 2002 in der Rechtssache C-482/99, Frankreich/Kommission, Slg. 2002, I-
4397, Randnr. 41).
125.
Anhand eben dieser Kriterien hat das Gericht in Randnummer 297 des angefochtenen Urteils die
Begründung der angefochtenen Entscheidung überprüft. Es kann ihm daher nicht vorgeworfen
werden, dass es insoweit einen Rechtsfehler begangen habe.
126.
Der erste Teil des siebten Rechtsmittelgrundes ist daher zurückzuweisen.
127.
Was den zweiten Teil dieses Rechtsmittelgrundes betrifft, so hat die Kommission nach Artikel 190
EG-Vertrag zwar die sachlichen Gesichtspunkte, von denen die Rechtmäßigkeit der Entscheidung
abhängt, sowie die rechtlichen Erwägungen aufzuführen, die sie zum Erlass ihrer Entscheidung
veranlasst haben; sie braucht jedoch nicht auf alle sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte
einzugehen, die im Verwaltungsverfahren behandelt worden sind (Urteile vom 17. Januar 1984 in den
verbundenen Rechtssachen 43/82 und 63/82, VBVB und VBBB/Kommission, Slg. 1984, 19, Randnr. 22,
und vom 11. Juli 1989 in der Rechtssache 246/86, Belasco u. a./Kommission, Slg. 1986, 2117, Randnr.
55).
128.
Hier hat das Gericht in den Randnummern 298 bis 302 des angefochtenen Urteils dargelegt, aus
welchen Gründen es zu der Auffassung gelangte, dass die angefochtene Entscheidung hinreichend
begründet sei, wobei es außerdem in Randnummer 299 ausgeführt hat, dass sich die Kommission
ausdrücklich mit einigen der von der Rechtsmittelführerin und Audi im Anschluss an die Mitteilung der
Beschwerdepunkte vorgetragenen Ausführungen auseinander gesetzt habe.
129.
Daher ist die Feststellung in der betreffenden Randnummer 299, dass die Kommission nicht
verpflichtet gewesen sei, auf sämtliche detaillierten Einwendungen der Rechtsmittelführerin
einzugehen, als solche nicht mit einem Rechtsfehler behaftet.
130.
Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin hätte das Gericht allerdings von der Kommission verlangen
müssen, sich in der angefochtenen Entscheidung zumindest mit den Einwendungen zu befassen, die
sie im Anschluss an die Mitteilung der Beschwerdepunkte erhoben habe und die das
Splitmargensystem und die Dauer der Zuwiderhandlung betroffen hätten, zwei Punkte, in denen das
Gericht die betreffende Entscheidung aus anderen Gründen für nichtig erklärt habe.
131.
Unabhängig davon, ob die Rechtsmittelführerin mit ihrer Rüge gehört werden kann, dass das
Gericht einen Rechtsfehler in Bezug auf einen Teil der angefochtenen Entscheidung begangen habe,
der aus anderen Gründen für nichtig erklärt worden ist, ist hierzu festzustellen, dass das Gericht in
Randnummern 299 und 300 des angefochtenen Urteils erklärt hat, aus welchen Gründen es zu der
Auffassung gelangt war, dass die Entscheidung der Kommission in Bezug auf die Einführung des
Splitmargensystems und die Dauer der Zuwiderhandlung hinreichend begründet sei.
132.
Mit dieser Vorgehensweise hat das Gericht nach der in Randnummer 127 dieses Urteils zitierten
Rechtsprechung den Umfang der in Artikel 190 EG-Vertrag vorgesehenen Begründungspflicht
zutreffend beurteilt.
133.
Folglich ist der zweite Teil des siebten Rechtsmittelgrundes ebenfalls zurückzuweisen.
134.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist der siebte Rechtsmittelgrund insgesamt
zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
135.
Mit ihrem achten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe nicht
seiner Begründungspflicht nach Artikel 46 in Verbindung mit Artikel 33 der EG-Satzung des
Gerichtshofes genügt, weil es in den Randnummern 347 und 348 des angefochtenen Urteils nicht
hinreichend dargelegt habe, weshalb es eine Geldbuße in Höhe von 90 000 000 Euro für
gerechtfertigt halte.
136.
Im vorliegenden Fall sei eine genauere Begründung erforderlich, zumal die Kommission selbst den
von ihr gegen die Rechtsmittelführerin festgesetzten Betrag von 102 000 000 Euro ausführlich
begründet habe. Im Hinblick auf die Feststellungen in den Randnummern 72 (Splitmargensystem), 169
(Kündigungen der Händlerverträge), 344 und 346 (bei der Festsetzung der Geldbuße zu
berücksichtigende Dauer der Zuwiderhandlung) des angefochtenen Urteils hätte sich bei Anwendung
der von der Kommission entwickelten Maßstäbe durch das Gericht eine deutlich niedrigere Geldbuße
(rund 50 000 000 Euro) ergeben.
137.
Der letzte Satz der Randnummer 347 des angefochtenen Urteils sei symptomatisch für die Art der
Begründung, die das Gericht gegeben habe. Denn seine ungenaue Formulierung mache es
unmöglich, nachzuprüfen, für wie schwerwiegend das Gericht die einzelnen Verhaltensweisen gehalten
habe. Wörtlich genommen bedeute die betreffende Formulierung, dass die Tatsache, dass zwei
zentrale Vorwürfe der Kommission nicht bewiesen seien, keine Auswirkungen auf die Schwere der
angeblichen Zuwiderhandlung habe. Ferner hätten sich die Feststellungen zur Dauer der
Zuwiderhandlung in Randnummer 346 des angefochtenen Urteils auf die Höhe der Geldbuße
praktisch nicht ausgewirkt.
138.
In Randnummer 347 des angefochtenen Urteils hätte das Gericht das Verhältnis zwischen der
Geldbuße und dem Umsatz des Volkswagen-Konzerns nicht berücksichtigen dürfen, da dieser
Gesichtspunkt erst im Gerichtsverfahren und nicht bereits in der angefochtenen Entscheidung
erwähnt worden sei (vgl. Urteil des Gerichts vom 11. März 1999 in der Rechtssache T-141/94, Thyssen
Stahl/Kommission, Slg. 1999, II-347, Randnr. 623). Darüber hinaus sei nach Artikel 15 Absatz 2 der
Verordnung Nr. 17 der Umsatz nur im Hinblick auf die Obergrenze und nicht als Kriterium für die
Bemessung der Geldbuße relevant.
139.
Zwar sei es nach der Rechtsprechung nicht Sache des Gerichtshofes, bei der Entscheidung über
Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner
Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den Betrag der gegen Unternehmen wegen ihres
Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten Geldbußen entscheide, aus Gründen der
Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen (Urteil vom 6. April 1995 in der Rechtssache C-
310/93 P, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, Slg. 1995, I-865, Randnr. 34). Dennoch
müsse der Gerichtshof wenigstens überprüfen können, ob das Gericht bei der Festsetzung der
Geldbuße die Grenzen seiner Nachprüfungsbefugnis überschritten habe. Das könne der Gerichtshof
nicht tun, wenn das Gericht nicht klar und deutlich darlege, aus welchen Gründen es von den
Maßstäben der Kommission abweiche, die in der Mitteilung über die Leitlinien für das Verfahren zur
Festsetzung von Geldbußen, die gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 und gemäß Artikel
65 Absatz 5 EGKS-Vertrag festgesetzt werden (ABl. 1998, C 9, S. 3), angegeben seien und die
Gleichbehandlung der Unternehmen gewährleisten sollten, und eine Geldbuße von 90 000 000 Euro
für gerechtfertigt halte. Das sei die Lehre aus dem Urteil vom 16. November 2000 in der Rechtssache
C-291/98 P (Sarrió/Kommission, Slg. 2000, I-9991, Randnr. 98).
140.
Nach Ansicht der Kommission ist dieser Rechtsmittelgrund offensichtlich unbegründet. Die Befugnis
des Gerichts zur Nachprüfung des Betrages der gegen Unternehmen festgesetzten Geldbußen sei
unbeschränkt. Das Gericht sei daher nicht an die von der Kommission entwickelten Maßstäbe zur
Bemessung der gegen die Rechtsmittelführerin festgesetzten Geldbuße gebunden gewesen. Ebenso
wenig sei das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung daran gehindert
gewesen, das Verhältnis zwischen der Höhe der festgesetzten Geldbuße und dem Umsatz des
Volkswagen-Konzerns bei seiner eigenen Beurteilung des vorliegenden Falles im Hinblick auf die
Festsetzung der Höhe der Geldbuße zu berücksichtigen.
141.
Jedenfalls sei die Begründung, mit der das Gericht im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter
Nachprüfung den Betrag der Geldbuße auf 90 000 000 Euro herabgesetzt habe, in jeder Hinsicht
ausreichend.
142.
Im Urteil Sarrió/Kommission werde lediglich festgestellt, dass das Gericht nicht an die von der
Kommission verwendete Methode der Bußgeldbemessung gebunden sei und in einem Verfahren mit
mehreren an einer Zuwiderhandlung beteiligten Unternehmen zwischen diesen nicht ohne sachlichen
Grund unterscheiden dürfe. Das angefochtene Urteil sei aber in einem Verfahren ergangen, das sich
allein gegen die Rechtsmittelführerin richte.
Würdigung durch den Gerichtshof
143.
In Randnummer 347 des angefochtenen Urteils hat das Gericht zunächst ausgeführt, die
Herabsetzung der Geldbuße brauche weder im Verhältnis zur Kürzung der von der Kommission
berücksichtigten Dauer der Zuwiderhandlung zu stehen noch nach der von ihr verwendeten
Berechnungsmethode zu erfolgen, da es Sache des Gerichts sei, im Rahmen seiner Befugnis zu
unbeschränkter Nachprüfung selbst die Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, um die Höhe der
Geldbuße festzusetzen. Das Gericht erklärt anschließend, die der begangenen Zuwiderhandlung
eigene besondere Schwere, wie sie in Randnummer 336 festgestellt worden sei, nämlich die
Abschottung des italienischen Marktes, erfordere eine wirklich abschreckende Geldbuße, und fährt
dann fort, die von der Kommission gegen die Rechtsmittelführerin verhängte Geldbuße sei unter
Berücksichtigung des Umsatzes, den der Volkswagen-Konzern 1997 in den drei Mitgliedstaaten, in
denen die Zuwiderhandlung begangen worden sei, nämlich Italien, Deutschland und Österreich, sowie
in der Europäischen Union erzielt habe, nicht außergewöhnlich hoch. Schließlich vertritt es die
Auffassung, die Zurückweisung der Schlussfolgerungen der Kommission zum Splitmargensystem und
zur Kündigung einiger Händlerverträge mindere nicht die besondere Schwere der begangenen
Zuwiderhandlung, die durch den Beweis anderer rechtswidriger Verhaltensweisen ausreichend belegt
worden sei.
144.
Angesichts sämtlicher in der voranstehenden Randnummer wiedergegebenen Umstände und
Erwägungen hat das Gericht es in Randnummer 348 des angefochtenen Urteils für gerechtfertigt
gehalten, den Betrag der Geldbuße auf 90 000 000 Euro herabzusetzen.
145.
Der von der Rechtsmittelführerin geltend gemachte Rechtsmittelgrund umfasst im Wesentlichen
drei Rügen. Erstens wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht unter Verweis auf das Urteil
Sarrió/Kommission vor, es habe nicht klar und deutlich dargelegt, aus welchen Gründen es von den
Maßstäben abweiche, die die Kommission für die Festsetzung der Höhe der Geldbuße verwendet habe.
Zweitens dürfe das Gericht das Verhältnis zwischen der Geldbuße und dem Umsatz des Volkswagen-
Konzerns nicht berücksichtigen, da dieser Gesichtspunkt zum einen im Verfahren vor dem Gericht
eingeführt worden sei und zum anderen nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 der Umsatz
nur im Hinblick auf die Obergrenze und nicht als Kriterium für die Bemessung der Geldbuße relevant
sei. Drittens habe das Gericht in Randnummer 347 des angefochtenen Urteils eine ungenaue
Formulierung verwendet, die es unmöglich mache, nachzuprüfen, für wie schwerwiegend das Gericht
die einzelnen Verhaltensweisen gehalten habe, und außerdem habe sich weder die Zurückweisung
der Analyse der Kommission zum Splitmargensystem und zur Kündigung der Händlerverträge noch die
vom Gericht selbst vorgenommene Begrenzung der Dauer der Zuwiderhandlung auf die Höhe der von
ihm festgesetzten Geldbuße praktisch ausgewirkt. Folglich habe das Gericht nicht hinreichend
dargelegt, weshalb es eine Geldbuße in Höhe von 90 000 000 Euro für gerechtfertigt halte.
146.
Zur ersten Rüge ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in Randnummern 97 und 98 des
Urteils Sarrió/Kommission entschieden hat, dass die Ausübung einer Befugnis zu unbeschränkter
Nachprüfung nicht dazu führen darf, dass Unternehmen, die an einer gegen Artikel 85 Absatz 1 des
Vertrages verstoßenden Vereinbarung beteiligt waren, bei der Ermittlung der Höhe ihrer Geldbußen
ungleich behandelt werden, und dass das Gericht, wenn es speziell gegenüber einem dieser
Unternehmen von der Berechnungsmethode abweichen will, der die Kommission gefolgt ist und die
vom Gericht nicht in Frage gestellt worden ist, dies im angefochtenen Urteil erläutern muss.
147.
Diese Feststellung gilt jedoch nicht für den vorliegenden Fall, da das angefochtene Urteil in einem
Verfahren erlassen wurde, das nur die Rechtsmittelführerin betraf, und das Gericht somit bei der
Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung grundsätzlich nicht an die von der
Kommission befolgte Methode zur Berechnung der Geldbuße gebunden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil
Michelin/Kommission, Randnr. 111).
148.
Folglich ist diese erste Rüge zurückzuweisen.
149.
Zur zweiten Rüge genügt die Feststellung, dass das Gericht, wenn es im Rahmen seiner Befugnis zu
unbeschränkter Nachprüfung selbst die Umstände des Einzelfalls beurteilt, gemäß Artikel 15 Absatz 2
der Verordnung Nr. 17 das Verhältnis zwischen der von der Kommission verhängten Geldbuße und
dem Umsatz des betreffenden Unternehmens berücksichtigen darf. Jedenfalls hat das Gericht im
vorliegenden Fall den Umsatz des Volkswagen-Konzerns nicht als Kriterium zur Berechnung der Höhe
der gegen die Rechtsmittelführerin verhängten Geldbuße verwendet, sondern zur Stützung der in
Randnummer 347 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellung, dass der betreffende Betrag
nicht außergewöhnlich hoch sei.
150.
Die zweite Rüge ist daher zurückzuweisen.
151.
Die dritte Rüge läuft im Wesentlichen darauf hinaus, die Verhältnismäßigkeit der vom Gericht
festgesetzten Geldbuße sowohl in Anbetracht der Feststellungen, die das Gericht getroffen hat und
die zur Zurückweisung zweier Vorwürfe der Kommission geführt haben, als auch in Bezug auf die
Schwere und die Dauer der Zuwiderhandlung in Frage zu stellen. Es ist jedoch nicht Sache des
Gerichtshofes, bei der Entscheidung über Rechtsfragen im Rahmen eines Rechtsmittels die
Beurteilung des Gerichts, das in Ausübung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über den
Betrag der gegen Unternehmen wegen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht festgesetzten
Geldbußen entscheidet, aus Gründen der Billigkeit durch seine eigene Beurteilung zu ersetzen. Der
Gerichtshof kann daher im Stadium des Rechtsmittelverfahrens nicht überprüfen, ob die vom Gericht
im Rahmen seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung festgesetzte Höhe der Geldbuße zur
Schwere und zur Dauer der Zuwiderhandlung, wie sie vom Gericht als Ergebnis der vom ihm
vorgenommenen Sachverhaltswürdigung festgestellt worden sind, im Verhältnis steht (Urteil vom 15.
Oktober 2002 in den Rechtssachen C-238/99 P, C-244/99 P, C-245/99 P, C-247/99 P, C-250/99 P bis C-
252/99 P und C-254/99 P, Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission, Slg. 2002, I-8375, Randnrn.
611 bis 614). Jedenfalls erscheint die Begründung in Randnummer 347 des angefochtenen Urteils
weder unangemessen noch widersprüchlich.
152.
Somit ist diese Rüge ebenfalls zurückzuweisen.
153.
Nach alledem ist der achte Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
154.
Mit ihrem neunten Rechtsmittelgrund wendet sich die Rechtsmittelführerin gegen die Feststellung
des Gerichts in Randnummer 283 des angefochtenen Urteils, dass eine Unregelmäßigkeit wie die der
Bekanntgabe der Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße an die Presse nur dann zur
Nichtigerklärung der angefochtenen Entscheidung führen könne, wenn erwiesen sei, dass ohne sie
die Entscheidung anders ausgefallen wäre.
155.
Sie führt zunächst aus, die vom Gericht angeführten Urteile seien nicht einschlägig, weil es dort um
andere Sachverhalte als im vorliegenden Fall gegangen sei. So erkläre sich die Randnummer 91 des
Urteils Suiker Unie u. a./Kommission durch den Umstand, dass die Kommission anders als in der
vorliegenden Rechtssache in ihrer Entscheidung nicht alle in der Mitteilung der Beschwerdepunkte
erhobenen Vorwürfe aufrechterhalten habe (vgl. Randnr. 92 des Urteils Suiker Unie u. a./Kommission).
Außerdem gehe aus Randnummer 29 des Urteils Dunlop Slazenger/Kommission hervor, dass die Frage,
ob die Dienststellen der Kommission für die undichten Stellen verantwortlich gewesen seien, anders
als im vorliegenden Fall nicht entschieden worden sei.
156.
Sodann trägt sie vor, wenn man es zuließe, dass Unregelmäßigkeiten wie die hier festgestellte die
Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung nicht in Frage stellten, blieben solche
Unregelmäßigkeiten regelmäßig ohne Sanktion, da ein Unternehmen niemals, und zwar auch nicht bei
voller Kenntnis der Kommissionsakten, in der Lage sei, nachzuweisen, dass die Entscheidung bei
ordnungsgemäßem Handeln der Kommission anders ausgefallen wäre. Daher müsse es ausreichen,
die Möglichkeit einer Beeinflussung der betreffenden Entscheidung aufzuzeigen, was sie hier getan
habe.
157.
Insoweit sei nicht auszuschließen, dass die Mitglieder der Kommission den Vorschlag zur Höhe der
Geldbuße nicht deswegen angenommen hätten, weil sie ihn für richtig gehalten hätten, sondern um
die Desavouierung ihres Kollegen zu vermeiden, der der Öffentlichkeit schon vorab den genauen
Betrag der Geldbuße mitgeteilt habe.
158.
Da schließlich die vom Gericht angeführten Grundsätze der Unschuldsvermutung, der Vermeidung
einer Beeinträchtigung des Ansehens des beschuldigten Unternehmens und der ordnungsgemäßen
Gemeinschaftsverwaltung die angefochtene Entscheidung insgesamt beträfen und nicht nur die Höhe
der Geldbuße, komme als Sanktion nur die vollständige Nichtigerklärung der Entscheidung in
Betracht.
159.
Die Kommission macht zunächst unter Verweis auf die Randnummern 91 bis 92 des Urteils Suiker
Unie u. a./Kommission und Randnummer 29 des Urteils Dunlop Slazenger/Kommission geltend, dass
die angeblichen Unterschiede im Bezug auf den diesen Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalt,
aufgrund deren die Rechtsmittelführerin behaupte, die vom Gericht zitierte ständige Rechtsprechung
könne nicht berücksichtigt werden, lediglich obiter dicta zum Gegenstand gehabt hätten, die nicht die
Grundlage für die Feststellung des Gerichtshofes und des Gerichts gewesen seien, dass auch in den
dort entschiedenen Fällen keine Anhaltspunkte für die Annahme vorgelegen hätten, dass die fragliche
Entscheidung ohne die Unregelmäßigkeit nicht ergangen oder inhaltlich anders ausgefallen wäre.
160.
Sodann führt sie aus, es sei zwischen Meinungsäußerungen einzelner Kommissionsmitglieder und
der Entscheidung der Kommission zu unterscheiden, die nach dem Kollegialprinzip beraten und
erlassen werde.
161.
Öffentliche Äußerungen einzelner Kommissionsmitglieder seien für die Entscheidung der Kommission
ohne jede Bedeutung, es sei denn, sie hätten sich auf den Inhalt der Entscheidung ausgewirkt. Dass
dies regelmäßig nicht der Fall sei, könne nicht dazu führen, dass schon die bloße Möglichkeit der
Auswirkung einer öffentlichen Äußerung auf die betreffende Entscheidung zu deren Aufhebung führen
müsse, nur damit diese nicht sanktionslos bleibe. Für eine derartige Sanktion gebe es keine
Rechtsgrundlage, und sie sei im Übrigen unverhältnismäßig.
162.
Das Vorbringen der Rechtsmittelführerin schließlich, andere Kommissionsmitglieder hätten mit ihrer
Zustimmung zum Entscheidungsvorschlag schlicht vermeiden wollen, ihren für Wettbewerb
zuständigen Kollegen zu desavouieren, sei rein spekulativ und ersetze nicht den erforderlichen
Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Mitteilung an die Presse und dem Inhalt der
Entscheidung.
Würdigung durch den Gerichtshof
163.
Nachdem das Gericht in den Randnummern 280 bis 282 des angefochtenen Urteils festgestellt hat,
dass die Kommission dadurch, dass sie vor Erlass der angefochtenen Entscheidung und mit einem
hohen Maß an Genauigkeit einen ihrer wesentlichen Aspekte, nämlich die Höhe der vorgesehenen
Geldbuße, an die Presse verlautbart habe, das Ansehen des beschuldigten Unternehmens
beeinträchtigt und den Interessen einer ordnungsgemäßen Gemeinschaftsverwaltung
zuwidergehandelt habe, hat es die von der Rechtsmittelführerin beantragte Nichtigerklärung der
betreffenden Entscheidung aus den in Randnummer 283 des angefochtenen Urteils genannten
Gründen abgelehnt. Dort heißt es:
„Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Unregelmäßigkeit dieser Art zur Nichtigerklärung der
fraglichen Entscheidung führen, wenn erwiesen ist, dass ohne diese Unregelmäßigkeit die
Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre (Urteil des Gerichtshofes Suiker Unie u.
a./Kommission, Randnr. 91; Urteil Dunlop Slazenger/Kommission, Randnr. 29). Im vorliegenden Fall hat
die Klägerin einen solchen Beweis allerdings nicht erbracht. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür,
dass der Beratende Ausschuss oder das Kollegium der Kommissionsmitglieder die Höhe der Geldbuße
oder den Inhalt der Entscheidung gegenüber dem Vorschlag abgeändert hätten, wenn die streitigen
Auskünfte nicht preisgegeben worden wären.“
164.
Entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin war das Gericht zu Recht der Ansicht, dass die in
Randnummer 283 des angefochtenen Urteils erwähnte Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall
anwendbar sei. Von einigen nicht entscheidenden Unterschieden zwischen dem vorliegenden Fall und
den Fällen, die den beiden vom Gericht zitierten Urteilen zugrunde lagen, abgesehen, ging es nämlich
in den betreffenden Urteilen um die Klärung der Frage, welche Folgen es für die Rechtmäßigkeit einer
Entscheidung der Gemeinschaftsbehörden haben kann, wenn einer ihrer Aspekte vor ihrem Erlass
verlautbart wird. Gerade zu einer solchen Unregelmäßigkeit ist es aber im vorliegenden Fall
gekommen, wie das Gericht in Randnummern 280 bis 282 des angefochtenen Urteils festgestellt hat.
165.
Hinzu kommt schließlich, dass entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführerin der
Gesichtspunkt, der in den beiden in Randnummer 283 des angefochtenen Urteils erwähnten Urteilen
für ausschlaggebend erachtet wurde - dass nämlich eine Unregelmäßigkeit in Form der vorzeitigen
Verlautbarung eines Aspektes der Entscheidung nur dann zu ihrer Nichtigerklärung führen kann, wenn
erwiesen ist, dass ohne diese Unregelmäßigkeit die Entscheidung inhaltlich anders ausgefallen wäre -
, nicht zur Folge hat, dass Unregelmäßigkeiten dieser Art praktisch sanktionslos bleiben. Denn
unabhängig von der Möglichkeit, die Nichtigerklärung der betreffenden Entscheidung zu erreichen,
wenn sich die begangene Unregelmäßigkeit auf ihren Inhalt ausgewirkt hat, könnte der Betroffene mit
Erfolg das jeweilige Organ auf Ersatz des ihm infolge dieser Unregelmäßigkeit entstandenen Schadens
in Anspruch nehmen.
166.
Folglich ist der neunte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
167.
Da keiner der von der Rechtsmittelführerin angeführten Rechtsmittelgründe begründet ist, ist das
Hauptrechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.
Zum Anschlussrechtmittel
168.
Die Kommission wendet sich in ihrem Anschlussrechtsmittel gegen die Feststellung in Randnummer
343 des angefochtenen Urteils, dass auch für den Fall, dass die in der Convenzione B vorgesehene
15%-Regelung nicht ordnungsgemäß angemeldet worden sein sollte, die Kommission diese Regelung
für sich allein nicht als Umstand habe ansehen dürfen, der die Erhöhung des für die Schwere des
Verstoßes ermittelten Betrages rechtfertige, und dass folglich die Zeit von 1988 bis 1992, in der die
betreffende Regelung die einzige der Rechtsmittelführerin vorgeworfene Maßnahme dargestellt habe,
für die Festsetzung der gegen diese verhängten Geldbuße nicht hätte berücksichtigt werden dürfen.
169.
Damit widerspreche das Gericht der noch in der vorangegangenen Randnummer 342 des
angefochtenen Urteils zitierten ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes, wonach das in Artikel
15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17 vorgesehene Verbot, Geldbußen festzusetzen, nur für
tatsächlich gemäß den vorgeschriebenen Förmlichkeiten angemeldete Vereinbarungen gelte. Dass ihr
die Convenzione B 1988 übersandt worden sei, vermöge eine Ausnahme von diesem Grundsatz nicht
zu rechtfertigen.
170.
Die Einhaltung der in Artikel 4 der Verordnung Nr. 27 vorgeschriebenen Förmlichkeiten sei kein
Selbstzweck, sondern solle ihr die wettbewerbsrechtliche Prüfung der angemeldeten Vereinbarung
ermöglichen, indem sie den Unternehmen einen Anreiz verschaffe, ihr die hierzu benötigten Angaben
zu übermitteln, insbesondere durch Vorlage einer vollständigen Darstellung des Sachverhalts.
171.
Außerdem habe die Rechtsmittelführerin angesichts des Schreibens, das die Kommission bereits
1988 an Autogerma gerichtet habe (vgl. Randnr. 342 des angefochtenen Urteils), nicht darauf
vertrauen können, dass die Kommission in der Übersendung des neuen Vertrages und seiner Anlagen
trotz allem eine ordnungsgemäße Anmeldung sehen oder den Vertrag unabhängig davon, dass er gar
nicht angemeldet gewesen sei, einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung unterziehen würde.
172.
Daher sei das angefochtene Urteil, soweit das Gericht die Geldbuße auf 90 000 000 Euro
herabgesetzt habe, ohne die Zuwiderhandlung durch die Anwendung der 15%-Regelung in der Zeit
von 1988 bis 1992 zu berücksichtigen, wegen Verstoßes gegen Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der
Verordnung Nr. 17 aufzuheben. Im Einklang mit der Rechtsprechung (Urteile BPB Industries und British
Gypsum/Kommission, Randnr. 34, und vom 16. November 2000 in der Rechtssache C-280/98 P,
Weig/Kommission, Slg. 2000, I-9757, Randnr. 62) sei der Rechtsstreit an das Gericht
zurückzuverweisen, damit dieses den Betrag der Geldbuße unter Berücksichtigung der in dieser Zeit
begangenen Zuwiderhandlung neu festsetzen könne.
173.
Die Rechtsmittelführerin macht geltend, aus der für den Fall der ordnungsgemäßen Anmeldung
vorgesehenen Freistellung von Geldbußen folge nicht, dass bei nicht ordnungsgemäßer Anmeldung
eine Geldbuße festgesetzt oder erhöht werden müsse. Denn die Höhe der Geldbuße hänge nicht nur
von der Dauer, sondern auch von der Schwere der Zuwiderhandlung und dem Grad des Verschuldens
des Zuwiderhandelnden ab.
174.
Da das Gericht in Wahrnehmung seiner Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung über einen weiten
Ermessensspielraum verfüge, könne seine Entscheidung nur im Falle eines offensichtlichen
Rechtsfehlers vom Gerichtshof aufgehoben werden. Mit der Entscheidung, dass die Anwendung der
15%-Regelung, die der Kommission bekannt gewesen und von ihr nicht abgestellt worden sei, für sich
allein genommen nicht die Verhängung einer Geldbuße gegen die Rechtsmittelführerin rechtfertige,
habe das Gericht seine tatrichterlichen Befugnisse nicht überschritten.
175.
In Randnummer 343 des angefochtenen Urteils hat das Gericht ausgeführt, unabhängig davon, ob
die Übersendung der Convenzione B eine Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17 dargestellt
habe, hätte die Tatsache, dass diese Vereinbarung der Kommission bereits 1988 übermittelt worden
sei, diese veranlassen müssen, die Vereinbarung für sich allein nicht als Umstand anzusehen, der die
Erhöhung des für die Schwere des Verstoßes ermittelten Betrages rechtfertige.
176.
Hiervon ausgehend hat das Gericht in Randnummer 343 des angefochtenen Urteils entschieden,
dass die Zeit von 1988 bis 1992, in der die in der Convenzione B vorgesehene 15%-Regelung die
einzige beanstandete Maßnahme dargestellt habe, für die Festsetzung der Geldbuße nicht
berücksichtigt werden dürfe. Es hat sodann deren Betrag herabgesetzt, wobei es auch diesem
Gesichtspunkt Rechnung getragen hat (Randnrn. 346 bis 348 des angefochtenen Urteils).
177.
Entgegen der Auffassung der Kommission ist die Feststellung des Gerichts, dass die Zeit von 1988
bis 1992 für die Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden dürfe, nicht mit einem
Rechtsfehler behaftet.
178.
Zum einen beruht das Vorbringen der Kommission nämlich auf der Prämisse, dass das Gericht bei
der Anwendung von Artikel 15 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung Nr. 17, der eine Freistellung von
Geldbußen nur für ordnungsgemäß angemeldete Vereinbarungen vorsehe, einem Irrtum unterlegen
sei. Diese Prämisse ist jedoch falsch, da sich das Gericht, wie bereits in den Randnummern 77 und 78
dieses Urteils dargelegt, nicht zu der Frage geäußert hat, ob die Übermittlung der Convenzione B eine
Anmeldung im Sinne der Verordnung Nr. 17 darstellte, und folglich auch nicht dazu, ob der in der
Convenzione B vorgesehenen 15%-Regelung die Freistellung von Geldbußen nach der betreffenden
Verordnung zugute kommen konnte.
179.
Zum anderen ist es in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die begangene Zuwiderhandlung
aus einem Bündel von Maßnahmen bestand, zu denen auch die 15%-Regelung gehörte und deren
kombinierte Wirkung ab 1. September 1993 eintrat (vgl. Randnr. 344 des angefochtenen Urteils),
nicht fehlerhaft, die Erhöhung des Betrages der Geldbuße als nicht gerechtfertigt anzusehen, soweit
sie wegen der Schwere der Zuwiderhandlung insgesamt in Bezug auf einen Zeitraum erfolgt war, der
vor dem oben erwähnten Zeitpunkt lag, nämlich die Zeit von 1988 bis 1992, in der erst eine der die
Zuwiderhandlung begründenden Maßnahmen vorlag und die betreffende Maßnahme darüber hinaus
der Kommission mitgeteilt worden war. Da für den genannten Zeitraum kein anderes Verhalten
beanstandet wurde, durfte das Gericht somit zu Recht schließen, dass dieser Zeitraum für die
Festsetzung der Geldbuße nicht berücksichtigt werden durfte, obwohl es sich bei der 15%-Regelung
für sich genommen um eine mit Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag unvereinbare Maßnahme handelte.
180.
Nach alledem ist das Anschlussrechtsmittel zurückzuweisen.
Kosten
181.
Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes, der nach deren Artikel 118 auf das
Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der
Kosten zu verurteilen. Jedoch kann der Gerichtshof nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 der
Verfahrensordnung beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils
obsiegt, teils unterliegt. Da die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen und ihren Anträgen im
Rahmen des Hauptrechtsmittels und die Kommission mit ihrem Vorbringen und ihren Anträgen im
Rahmen des Anschlussrechtsmittels unterlegen ist, sind jeder Partei ihre eigenen Kosten
aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Hauptrechtsmittel und das Anschlussrechtsmittel werden zurückgewiesen.
2. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Puissochet
Gulmann
Skouris
Macken
Colneric
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 18. September 2003.
Der Kanzler
Der Präsident der Sechsten Kammer
R. Grass
J.-P. Puissochet
Verfahrenssprache: Deutsch.