Urteil des EuG vom 06.02.2013

Muster Und Modelle, Marke, Beschwerdekammer, Verordnung

URTEIL DES GERICHTS (Zweite Kammer)
6. Februar 2013
)
„Gemeinschaftsmarke – Anmeldung einer Gemeinschaftsbildmarke, die einen
achteckigen grünen Rahmen darstellt – Absolutes Eintragungshindernis –
Unterscheidungskraft – Beschreibender Charakter – Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der
Verordnung (EG) Nr. 207/2009 – Beweismittel, das erstmals in der Erwiderung benannt
wird – Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts – Versendung eines Schriftstücks
per Fax an das HABM – Anwendbare Bestimmungen“
In der Rechtssache T‑263/11
Carsten Bopp,
Rechtsanwalt C. Russ,
Kläger,
gegen
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM),
zunächst vertreten durch K. Klüpfel und D. Walicka, dann durch K. Klüpfel und
A. Pohlmann als Bevollmächtigte,
Beklagter,
betreffend eine Klage gegen die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des
HABM vom 11. März 2011 (Sache R 605/2010‑4) über die Anmeldung eines
Bildzeichens, das einen achteckigen grünen Rahmen darstellt, als Gemeinschaftsmarke
erlässt
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten N. J. Forwood sowie der Richter F. Dehousse und
J. Schwarcz (Berichterstatter),
Kanzler: C. Herren, Verwaltungsrätin,
aufgrund der am 23. Mai 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen Klageschrift,
aufgrund der am 7. Oktober 2011 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Klagebeantwortung,
aufgrund der am 13. Januar 2012 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenen
Erwiderung,
Erwiderung,
aufgrund der prozessleitenden Maßnahmen vom 18. Juni 2012,
auf die mündliche Verhandlung vom 26. September 2012
folgendes
Urteil
Vorgeschichte des Rechtsstreits
1
Am 27. Januar 2009 meldete der Kläger, Herr Carsten Bopp, nach der Verordnung (EG)
Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994,
L 11, S. 1) in geänderter Fassung (ersetzt durch die Verordnung [EG] Nr. 207/2009 des
Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke [ABl. L 78, S. 1]) beim
Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) eine
Gemeinschaftsmarke an.
2
Bei der angemeldeten Marke handelt es sich um das folgende Bildzeichen:
3
Die Anmeldung enthielt folgende Beschreibung der Marke:
„Bei dem Zeichen handelt es sich um einen zweidimensionalen gleichwinkligen
achteckigen Rahmen, dessen acht Außenkanten eine Länge von jeweils vier
Längeneinheiten aufweisen. Die Innenkanten liegen parallel im Abstand von einer
Längeneinheit zu den Außenkanten. Das Zeichen ist so ausgerichtet, dass zwei
Außenkanten in der Horizontalen und zwei in der Vertikalen liegen. Die Farbe des
gesamten Zeichens ist Grün. Zur dreidimensionalen Darstellung kann das komplette
Zeichen mit einer Tiefe von einer Längeneinheit orthogonal zur Zeichenebene versehen
werden“. Am 4. Mai 2009 strich der Anmelder den letzten Satz dieser Beschreibung.
4
Die Marke wurde für Dienstleistungen der Klasse 35 des Abkommens von Nizza über
die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von
Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung angemeldet, die
ursprünglich wie folgt beschrieben waren: „Kennzeichnung von Eigenschaften“. Nach
Beanstandungen der Prüferin in ihrem Schreiben vom 29. April 2009 fasste der Kläger
Beanstandungen der Prüferin in ihrem Schreiben vom 29. April 2009 fasste der Kläger
das Dienstleistungsverzeichnis wie folgt neu: „Werbung und Öffentlichkeitsarbeit in Form
von Kundeninformation durch Kennzeichnung von Eigenschaften von Waren und
Dienstleistungen“.
5
Mit Entscheidung vom 16. Februar 2010 wies die Prüferin die Anmeldung gemäß Art. 7
Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 zurück.
6
Am 15. April 2010 legte der Kläger gegen die Entscheidung der Prüferin beim HABM
Beschwerde ein.
7
Mit Schreiben vom 29. November 2010 teilte der Berichterstatter der
Beschwerdekammer dem Anmelder mit, es ergäben sich Bedenken gegen die
Eintragbarkeit der fraglichen Marke auch insofern, als die „Kennzeichnung von
Eigenschaften“ in Wahrheit eine „Beschreibung von Merkmalen“ im Sinne von Art. 7
Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009 darstelle. Insbesondere habe der
Anmelder nicht klar bestimmt, worin die betreffende Dienstleistung bestehen solle und
auf welche Waren oder Dienstleistungen sie anwendbar sein solle. Nachdem der
Berichterstatter darauf hingewiesen hatte, dass es Sache des Anmelders einer Marke
sei, klar darzulegen, welche Waren und Dienstleistungen von der betreffenden Marke
umfasst seien und inwieweit diese Marke als Herkunftsangabe geeignet sei, forderte er
den Kläger auf, innerhalb von zwei Monaten seine Stellungnahme zu diesem Schreiben
abzugeben.
8
Mit Entscheidung vom 11. März 2011 (im Folgenden: angefochtene Entscheidung) wies
die Vierte Beschwerdekammer des HABM die Beschwerde zurück.
9
Zur Begründung ihrer Entscheidung wies die Beschwerdekammer zunächst darauf hin,
dass der Kläger auf das Schreiben vom 29. November 2010 nicht geantwortet habe, und
führte dann weiter aus, dass das vom Anmelder vorgelegte Dienstleistungsverzeichnis
keine konkrete Prüfung der Anmeldung im Hinblick auf die genannten Dienstleistungen
erlaube und damit auch nicht den Erlass einer Entscheidung, die gewährleiste, dass die
darin bezeichneten Tätigkeiten durch die angemeldete Wiedergabe in
herkunftshinweisender Form unterstützt werden könnten. Der Kläger sei nicht in der Lage
gewesen, anzugeben, wie er das Zeichen in markenmäßiger Form verwenden wolle und
worin die beanspruchte „Kennzeichnung von Eigenschaften“ bestehen solle.
10
Das rechtfertige auch die Annahme, dass der Anmelder das angemeldete Zeichen nur
etiketten- oder blickfangartig zur Hervorhebung anderer, nach dem Warenverzeichnis
beschreibender Texte und Angaben und nicht für sich genommen als Hinweis auf sein
Unternehmen verwenden wolle. Die angemeldete achteckige Form sei eine einfache
geometrische Form, die übrigens für Etiketten üblich sei. Der Kläger selbst bezeichne die
Wiedergabe in der Beschreibung als „Rahmen“, in den dann also noch etwas anderes
hineingehöre. Die für den äußeren Rahmen verwendete Farbe Grün sei außerdem eine
übliche Grundfarbe, die als Hinweis auf Umweltfreundlichkeit dienen könne und in der
Werbung entsprechende positive Assoziationen auslöse. Auch die Verwendung von
Grün für den Rahmen des Achtecks schaffe keine irgendwie über die Summe dieser
einfachsten Gestaltungsmittel hinausgehende Kombinationswirkung. Dies gelte ohne
Unterschied für alle Dienstleistungen, die in Klasse 35 eingruppiert werden könnten,
Unterschied für alle Dienstleistungen, die in Klasse 35 eingruppiert werden könnten,
zumal für die Tätigkeit im Bereich der Werbung klar sei, dass das bloße Wecken von
Aufmerksamkeit der erstrebte Effekt einer Werbung sei und für sich genommen keine
herkunftsbezogene Wirkung habe.
11
Zudem könnten die vom Kläger zitierten Eintragungen in angeblich vergleichbaren
anderen Fällen keine Bindungswirkung entfalten. Schließlich werde mit dem
Gegenstand der Anmeldung auch bezweckt, Eigenschaften von Waren und
Dienstleistungen zu beschreiben. Insoweit deckten sich die Eintragungshindernisse
nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009, weshalb einer Marke
wie der angemeldeten aus Rechtsgründen jede Unterscheidungskraft fehle.
Anträge der Parteien
12
Der Kläger beantragt,
– die angefochtene Entscheidung aufzuheben;
– dem HABM die Kosten aufzuerlegen.
13
Das HABM beantragt,
– die Klage abzuweisen;
– dem Kläger die Kosten aufzuerlegen.
Rechtliche Würdigung
14
Der Kläger stützt seine Klage im Wesentlichen auf zwei Klagegründe, mit denen er
einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009 rügt.
15
Zunächst macht er geltend, es scheine, obwohl er innerhalb der vorgegebenen Frist per
Fax eine Antwort auf das Schreiben vom 29. November 2010 versandt habe, dass diese
Antwort der Beschwerdekammer zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen
Entscheidung nicht vorgelegen habe. Er legt auch die Sendedetails und ein Dokument
vor, mit dem die Versendung und der Empfang des Faxschreibens bestätigt würden.
16
Des Weiteren vertritt er im Wesentlichen die Auffassung, dass die Anmeldemarke
unterscheidungskräftig und das in Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 207/2009
vorgesehene Eintragungshindernis im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei.
17
Insbesondere weist er das Argument der Beschwerdekammer zurück, wonach die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine Prognoseentscheidung dahin
zuließen, dass die darin bezeichneten „Tätigkeiten“ durch die angemeldete Wiedergabe
in herkunftshinweisender Form unterstützt werden könnten.
18
Schließlich habe die Eintragung von mit der angemeldeten Marke vergleichbaren
Marken, darunter ein blaues Dreieck und ein schwarzer Kreis mit einem Punkt in der
Mitte, eine Indizwirkung für die Eintragungsfähigkeit seiner Anmeldung.
19
Das HABM macht vorab geltend, die Beschwerdekammer habe die Anmeldung nicht
nur wegen Unklarheiten im Warenverzeichnis zurückgewiesen, sondern trotz ihrer
Zweifel eine Prüfung hinsichtlich der gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung
Nr. 207/2009 notwendigen Unterscheidungskraft vorgenommen.
20
In der Sache weist das HABM zunächst darauf hin, dass nach der Rechtsprechung ein
Zeichen, das äußerst einfach sei und aus einer geometrischen Grundfigur wie einem
Kreis, einer Linie, einem Rechteck oder einem üblichen Fünfeck bestehe, als solches
nicht geeignet sei, eine Aussage zu vermitteln, an die sich die Verbraucher erinnern
könnten, so dass sie es nicht als Marke ansehen würden, sofern es nicht durch
Benutzung Unterscheidungskraft erlangt habe (Urteile des Gerichts vom 12. September
2007, Cain Cellars/HABM [Darstellung eines Pentagons], T‑304/05, nicht in der
amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 22, und vom 29. September 2009, The
Smiley Company/HABM [Darstellung eines halben Smileys], T‑139/08, Slg. 2009,
II‑3535, Randnr. 26). Solche einfachen geometrischen Figuren seien in der Regel nicht
geeignet, auf die betriebliche Herkunft von Waren und Dienstleistungen hinzuweisen.
21
Daher könne die Darstellung eines Achtecks nur dann eine Kennzeichnungsfunktion
erfüllen, wenn sie Bestandteile enthalte, die geeignet seien, sie von anderen Achteck-
Darstellungen zu unterscheiden und die Aufmerksamkeit der maßgeblichen
Verkehrskreise insoweit auf sich zu ziehen. Die angemeldete Marke bestehe aber aus
einer üblichen und einfachen Wiedergabe eines Achtecks, das lediglich mit dicken
Linien gezeichnet sei.
22
Das HABM schließt sich dem Argument der Beschwerdekammer an, wonach das
angemeldete Zeichen in der Form eines Rahmens als Hintergrund für die Aufnahme von
Texten dienen könne, und verweist hierfür auf die Darstellung eines Stoppschilds.
Folglich habe das Vorliegen oder das Fehlen einer Farbe innerhalb des genannten
Rahmens keine Auswirkungen auf diese Beurteilung.
23
Was die Komponente der Farbe anbelangt, weist das HABM sodann im Wesentlichen
darauf hin, dass die angesprochenen Verbraucher grundsätzlich nicht daran gewöhnt
seien, allein aus der Farbe auf die betriebliche Herkunft von Waren und Dienstleistungen
zu schließen, da Farben zwar gedankliche Verbindungen vermitteln und Gefühle
hervorrufen könnten, aber – mit wenigen Ausnahmen – ihrer Natur nach kaum geeignet
seien, eindeutige Informationen zu übermitteln. Hier habe die in Rede stehende Marke
einfach keine Farbe, die eine solche gedankliche Verbindung vermitteln oder Gefühle
hervorrufen könnte. Es handle sich bloß um in Form gebrachte Farbe, die weder
ungewöhnlich noch außergewöhnlich sei.
24
Was die genaue Bestimmung der von der angemeldeten Marke erfassten
Dienstleistungen sowie die näheren Ausführungen zur Benutzung der Marke als
Gütesiegel angehe, so habe der Kläger nicht fristgerecht auf die Stellungnahme des
Berichterstatters der Beschwerdekammer reagiert. Letztere habe somit keine andere
Wahl gehabt, als die Eintragung der Marke abzulehnen. Daher seien die Ausführungen
hierzu in der Klageschrift erstmals vor dem Gericht vorgetragen worden und damit
verspätet. Sie seien auch unbegründet, da sie sich zum einen in keinem Fall auf einen
spezifischen Markt bezögen, in dem die Verwendung der Farbe Grün außergewöhnlich
spezifischen Markt bezögen, in dem die Verwendung der Farbe Grün außergewöhnlich
wäre, und zum anderen, selbst wenn „Zertifizierungsmarken“ in dem durch die
Verordnung Nr. 207/2009 geschaffenen System existierten, was das HABM bestreitet,
diese keine Herkunftsfunktion hätten.
25
Folglich habe die Beschwerdekammer zu Recht ausgeführt, dass die angemeldete
Marke in ihrer Gesamtheit keine Unterscheidungskraft in Bezug auf die Dienstleistungen
der Klasse 35 aufweise.
26
Was sodann das vom Kläger vorgelegte Dokument angehe, mit dem er nachweisen
wolle, dass seine Antwort auf die Stellungnahme des Berichterstatters der
Beschwerdekammer fristgerecht versendet und empfangen worden sei, so sei dieses
Dokument unzulässig, da es erstmals im Stadium der Erwiderung vorgelegt worden sei.
27
Jedenfalls sei das streitige Fax nicht an die Faxnummer gesandt worden, die auf der
Internetseite des HABM zu diesem Zweck angegeben sei und die auch in den im
Begleitschreiben vom 29. November 2010 enthaltenen Kontaktdaten angegeben sei,
sondern an eine andere Nummer des HABM. Daher sei das Fax vom 28. Januar 2011 zu
Recht nicht berücksichtigt worden. Diese Schlussfolgerung ergebe sich auch aus Art. 5
Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 216/96 der Kommission vom 5. Februar 1996 über die
Verfahrensordnung vor den Beschwerdekammern des [HABM] (ABl. L 28, S. 11) in der
durch die Verordnung (EG) Nr. 2082/2004 der Kommission vom 6. Dezember 2004 (ABl.
L 360, S. 8) geänderten Fassung, wonach der Empfang aller die Verfahren vor den
Beschwerdekammern betreffenden Dokumente sowie die Zusammenstellung der
entsprechenden Akten Aufgabe der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern sei
.
28
Was schließlich die Rüge des Klägers betreffe, das HABM habe mit dem angemeldeten
Zeichen vergleichbare Zeichen eingetragen, habe sich ergeben, dass – im Gegensatz zu
dem, was möglicherweise früher der Fall gewesen sei – der vorliegenden Anmeldung
unter Berücksichtigung der Waren, für die die Eintragung beantragt worden sei, und der
Wahrnehmung durch die beteiligten Verkehrskreise eines der in Art. 7 Abs. 1 der
Verordnung Nr. 207/2009 aufgeführten Eintragungshindernisse entgegengestanden
habe. Unter diesen Umständen habe die Beschwerdekammer zu Recht feststellen
können, dass der Kläger frühere Entscheidungen des HABM nicht mit Erfolg geltend
machen könne, um dieses Ergebnis in Frage zu stellen (Urteil des Gerichtshofs vom 10.
März 2011, Agencja Wydawnicza Technopol/HABM, C‑51/10 P, noch nicht in der
amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 77).
29
Erstens sind die Zulässigkeit und die Beweiskraft des in der Anlage A 5
wiedergegebenen Dokuments zu prüfen, aus dem sich nach Auffassung des Klägers
ergibt, dass er das Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht beantwortet habe.
30
Das HABM hält dieses Dokument für unzulässig, da es im Stadium der Erwiderung
vorgelegt worden sei.
31
Hierzu sieht Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts vor, dass die Parteien in
der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung noch Beweismittel benennen können und
dass sie die Verspätung zu begründen haben. Aus dem Urteil des Gerichts vom 4. Juli
2006, easyJet/Kommission (T‑177/04, Slg. 2006, II‑1931, Randnrn. 24 bis 26), ergibt
2006, easyJet/Kommission (T‑177/04, Slg. 2006, II‑1931, Randnrn. 24 bis 26), ergibt
sich, dass diese Begründung auf Aufforderung des Gerichts sogar noch in der
mündlichen Verhandlung erfolgen kann. Daher ist der Kläger im Rahmen
prozessleitender Maßnahmen aufgefordert worden, zu erläutern, warum der
Sendebericht nicht mit der Klageschrift eingereicht wurde.
32
Der Kläger macht in den Randnrn. 2 bis 7 seiner Antwort auf die prozessleitenden
Maßnahmen im Wesentlichen geltend, dass er in der Klageschrift bereits alle Details der
Übermittlung seines Faxschreibens vom 28. Januar 2011 dargelegt habe und dass er
daher davon ausgegangen sei, dass das HABM den Eingang des fraglichen Schreibens
aufgrund dieser Informationen prüfen und nicht mehr bestreiten würde. Da das HABM in
der Klagebeantwortung seine Behauptung, sein Schreiben vom 29. November 2010 sei
nicht beantwortet worden, aufrechterhalten habe, habe der Kläger beantragt, eine
Erwiderung einreichen zu dürfen, um diesem Vorbringen den Bericht über die
Versendung und den Empfang seiner Antwort vom 28. Januar 2011 entgegenzuhalten.
Die Anlage A 5 diene daher nur der Untermauerung des bereits in der Klageschrift
vorgetragenen Sachverhalts.
33
Diese Begründung der verspäteten Einreichung des fraglichen Schriftstücks ist im
vorliegenden Fall als ausreichend anzusehen.
34
Zum einen hat der Kläger in der Klageschrift in der Tat alle Details dieser
Faxübermittlung dargelegt und in der Anlage A 3 seine Antwort auf das Schreiben vom
29. November 2010 vorgelegt. Die Anlage A 5 dient daher tatsächlich nur der
Untermauerung des bereits in der Klageschrift vorgetragenen Sachverhalts.
35
Zum anderen kommt nach der Rechtsprechung in Art. 48 § 1 der Verfahrensordnung
das Bestreben zum Ausdruck, für die Einhaltung des Gebots eines fairen Verfahrens und
insbesondere die Wahrung der Verteidigungsrechte zu sorgen (Urteil des Gerichtshofs
vom 14. April 2005, Gaki-Kakouri/Gerichtshof, C‑243/04 P, nicht in der amtlichen
Sammlung veröffentlicht, Randnr. 32). Im konkreten Fall beeinträchtigt die Zulassung
dieses Beweismittels jedoch den fairen Charakter des Verfahrens vor dem Gericht
ebenso wenig wie die Verteidigungsrechte des HABM. Es steht nämlich fest, dass die
Antwort auf das Schreiben vom 29. November 2010, auf die sich das fragliche
Beweisangebot bezieht, sowohl dem Fax vom 23. März 2011, mit dem der Kläger das
HABM aufgefordert hatte, die angefochtene Entscheidung zu überdenken, als auch der
Klageschrift als Anlage beigefügt war. Da der Kläger in beiden Fällen auch auf die
Details der Versendung und des Empfangs seines Fax vom 28. Januar 2011
hingewiesen hat, hätte das HABM den Empfang dieses Dokuments anhand der
genannten Informationen überprüfen können.
36
Im Übrigen hat das Gericht die Einreichung einer Erwiderung nur zugelassen, um
darüber Aufschluss zu erhalten, ob die streitige Versendung tatsächlich erfolgt ist.
37
Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit, die sich auf die Anlage A 5 bezieht,
zurückzuweisen.
38
Das HABM meint zudem, dass es, selbst wenn nachgewiesen wäre, dass die Antwort
des Klägers auf das Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht bei ihm
eingegangen sei, berechtigt gewesen sei, diese Antwort nicht zu berücksichtigen, da sie
per Fax an eine andere als die speziell zu diesem Zweck angegebene Nummer gesandt
worden sei.
39
Dem kann nicht gefolgt werden.
40
Zum einen hat das HABM in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass, auch wenn
die speziell für die Übermittlung von Verfahrensschriftstücken bestimmte Faxnummer
sowohl auf der Internetseite des HABM als auch in den Kontaktdaten in der Fußzeile des
Begleitschreibens zum Schreiben vom 29. November 2010 angegeben gewesen sei, der
Kläger hinsichtlich der Faxnummer, an die seine Antwort hätte gesendet werden
müssen, habe irregeführt werden können. Das Schreiben vom 29. November 2010 war
ihm nämlich vom Präsidenten der Vierten Beschwerdekammer, der selbst
Berichterstatter in der fraglichen Sache war, übersandt worden und enthielt in den
Kontaktdaten in der Fußzeile eine andere als die allgemein angegebene Nummer.
41
Daher durfte der Kläger im vorliegenden Fall davon ausgehen, dass er seine Antwort
nicht an letztere Nummer, sondern an diejenige senden durfte oder sogar musste, die im
Hauptschreiben vom 29. November 2010, das vom Präsidenten der mit der Sache
befassten Beschwerdekammer stammte, angegeben war.
42
Zum anderen müsste, damit eine Instanz des HABM wie die betreffende
Beschwerdekammer ein Fax, das direkt an sie und nicht an die speziell zu diesem
Zweck angegebene Nummer zugegangen ist, nicht zu berücksichtigen brauchte, eine
entsprechende Regel ausdrücklich vorgesehen sein. Das HABM hat in der mündlichen
Verhandlung jedoch eingeräumt, dass es eine solche Regel nicht gibt. Nach seiner
Ansicht ergibt sie sich jedoch stillschweigend aus Art. 5 Abs. 1 der Verfahrensordnung
vor den Beschwerdekammern des HABM, wonach der Empfang der
Verfahrensschriftstücke Aufgabe der Geschäftsstelle der Beschwerdekammern sei.
Diese Bestimmung sagt aber nichts über die Zulässigkeit eines Faxschreibens, das dem
HABM unter Umständen wie denen des vorliegenden Falls übermittelt wurde. Außerdem
ergibt sich aus dem sechsten Erwägungsgrund der genannten Verfahrensordnung, dass
diese die in der Verordnung (EG) Nr. 2868/95 der Kommission vom 13. Dezember 1995
zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 (ABl. L 303, S. 1) enthaltenen
Durchführungsvorschriften insbesondere im Hinblick auf die Organisation der
Beschwerdekammern und das mündliche Verfahren ergänzt. Da das schriftliche
Verfahren vor den Beschwerdekammern des HABM grundsätzlich nicht in den
Anwendungsbereich dieser Verfahrensordnung fällt, ergibt sich nicht, dass mit ihr eine
Regel zum Umgang mit Faxschreiben eingeführt werden sollte, die unter einer anderen
als der ausdrücklich angegebenen Nummer eingehen.
43
Dass es keine zwingende Regel gibt, die – auch nur stillschweigend – die
Unzulässigkeit von Verfahrensschriftstücken, die an eine andere als die zu diesem
Zweck speziell angegebene Nummer gesandt wurden, vorsieht, ergibt sich außerdem
aus der Antwort des HABM auf eine Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung
zur Vorgehensweise des HABM bei Eingang eines Schriftstücks an eine falsche
Nummer. Nach Aussage des HABM wird ein solches Schriftstück normalerweise
informell an die zuständige Dienststelle weitergeleitet.
informell an die zuständige Dienststelle weitergeleitet.
44
Was die – im Übrigen nicht bestrittene – Beweiskraft des als Anlage A 5 vorgelegten
Dokuments betrifft, wird die Behauptung des Klägers, er habe das Schreiben vom 29.
November 2010 fristgerecht beantwortet, durch dieses Dokument rechtlich hinreichend
nachgewiesen. Das Versendungsdatum des genannten Dokuments ist der 28. Januar
2011, die Faxnummer des Empfängers ist die im Hauptschreiben vom 29. November
2010 angegebene, es wurden drei Seiten gesendet, was der Seitenzahl der Anlage A 3
entspricht, die erste Seite der darin wiedergegebenen Antwort entspricht ebenfalls der
ersten Seite des als Anlage A 3 vorgelegten Dokuments, und als Ergebnis der
Übermittlung ist „OK“ angegeben.
45
Daraus folgt, dass das Fax vom 28. Januar 2011, das die Antwort des Klägers auf das
Schreiben vom 29. November 2010 enthielt, durchaus beim HABM eingegangen ist und
bei der Beurteilung, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft besitzt oder
beschreibend ist, hätte berücksichtigt werden müssen.
46
Zweitens heißt es in Randnr. 24 der angefochtenen Entscheidung, der Eintragung der
angemeldeten Marke stehe das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der
Verordnung Nr. 207/2009 entgegen. Aus Randnr. 23 dieser Entscheidung geht jedoch
hervor, dass „der Gegenstand der Anmeldung auch darauf abzielt, Eigenschaften von
Waren und Dienstleistungen zu beschreiben“, was dem Eintragungshindernis des Art. 7
Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung entspricht. Hierzu hat die Beschwerdekammer
ausgeführt, dass einer beschreibenden Marke auch die Unterscheidungskraft fehle.
Unter diesen Umständen kann entgegen dem Vorbringen des HABM nicht davon
ausgegangen werden, dass die Eintragung mit der angefochtenen Entscheidung nur
gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 abgelehnt wurde. Die
Eintragung wurde auch auf der Grundlage des Art. 7 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung
abgelehnt.
47
Aus den Randnrn. 11, 17, 18 und 24 der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, dass
sich die Beschwerdekammer, obwohl sie mit Schreiben vom 29. November 2010 um
genauere Angaben hierzu gebeten hatte, zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen
Entscheidung weder als darüber unterrichtet ansah, welche Dienstleistungen genau von
der Anmeldemarke erfasst sein sollten, noch darüber, wie diese Marke verwendet
werden sollte, da der Kläger hierzu nicht innerhalb der gesetzten Frist Stellung
genommen habe. Insbesondere hat sie in Randnr. 17 der angefochtenen Entscheidung
ausgeführt, dass „[d]ie Fassung des Warenverzeichnisses, für die allein der Anmelder
verantwortlich ist, ... keine konkrete Prüfung im Hinblick auf bestimmte Dienstleistungen
[erlaubt]“.
48
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger
Rechtsprechung die Unterscheidungskraft einer Marke zum einen im Hinblick auf die
Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im
Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen ist
(vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 21. Januar 2010, Audi/HABM, C‑398/08 P, Slg. 2010,
I‑535, Randnr. 34; Urteil Darstellung eines Pentagons, oben in Randnr. 20 angeführt,
Randnrn. 20 f.). Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung muss sich die Prüfung des
beschreibenden Charakters der angemeldeten Marke auf jede der Waren und
beschreibenden Charakters der angemeldeten Marke auf jede der Waren und
Dienstleistungen beziehen und muss die Entscheidung, mit der die zuständige Behörde
die Anmeldung einer Marke zurückweist, grundsätzlich für jede dieser Waren oder dieser
Dienstleistungen begründet sein (vgl. Beschluss des Gerichtshofs vom 21. März 2012,
Fidelio/HABM, C‑87/11 P, nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 43
und die dort angeführte Rechtsprechung, und Urteil des Gerichts vom 5. Mai 2011,
CheapFlights International/HABM – Cheapflights [Cheapflights], T‑460/09, nicht in der
amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 41).
49
Obwohl der Kläger im vorliegenden Fall in seinem fristgerecht beim HABM
eingegangenen Fax präzisiert hatte, welche Dienstleistungen von der Anmeldemarke
erfasst sein sollten – nämlich im Wesentlichen Werbung und Öffentlichkeitsarbeit in Form
eines Qualitätssiegels für Waren und Dienstleistungen anderer Hersteller oder
Dienstleister – und wie diese Marke verwendet werden sollte – nämlich zur
Kennzeichnung seiner eigenen Dienstleistungen der Werbung und Öffentlichkeitsarbeit,
nicht aber der Waren und Dienstleistungen, die Gegenstand der Dienstleistungen sind,
die er anbieten will –, hat die Beschwerdekammer dieses Fax beim Erlass der
angefochtenen Entscheidung nicht berücksichtigt. Da zum einen die in diesem
Schreiben enthaltenen Informationen zum besseren Verständnis sowohl der
Bezeichnung der angemeldeten Dienstleistungen als auch der beabsichtigten
Verwendung der Anmeldemarke beitragen konnten und Letztere möglicherweise das
Verständnis der Bezeichnung der beanspruchten Dienstleistungen erleichtert und da
zum anderen dieses Verständnis für die Beurteilung, ob eine Anmeldemarke
Unterscheidungskraft besitzt oder beschreibend ist, entscheidend war, hat die
Beschwerdekammer Art. 7 Abs. 1 Buchst. b und c der Verordnung Nr. 207/2009
fehlerhaft angewandt. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass die Berücksichtigung
dieses Schreibens die Beschwerdekammer möglicherweise veranlasst hätte, anders zu
entscheiden (vgl. entsprechend Urteil des Gerichtshofs vom 29. Oktober 1980, van
Landewyck u. a./Kommission, 209/78 bis 215/78 und 218/78, Slg. 1980, 3125, Randnr.
47).
50
Drittens wird diese Schlussfolgerung nicht dadurch in Frage gestellt, dass die
Beschwerdekammer in Randnr. 19 der angefochtenen Entscheidung auf alle
Dienstleistungen der Klasse 35, u. a. Werbung, und in Randnr. 24 dieser Entscheidung
auf das mit den Dienstleistungen der Klasse 35 angesprochene Publikum Bezug
genommen hat.
51
Unter den Umständen des vorliegenden Falls, in dem zum einen die
Beschwerdekammer zum Ausdruck brachte, dass sie zum Zeitpunkt des Erlasses der
angefochtenen Entscheidung weder darüber, welche Dienstleistungen genau von der
Anmeldemarke erfasst sein sollten, noch darüber, wie diese Marke verwendet werden
sollte, ins Bild gesetzt worden sei, und zum anderen die Antwort des Klägers auf das
Schreiben vom 29. November 2010 fristgerecht beim HABM eingegangen war, konnte
nämlich die Beschwerdekammer ihren Mangel an Informationen nicht dadurch
wettmachen, dass sie die Beurteilung, ob die Anmeldemarke Unterscheidungskraft
besitzt oder beschreibend ist, am Maßstab aller Dienstleistungen der Klasse 35, u. a.
Werbung, in einer abstrakten Betrachtungsweise vornahm, ohne die Besonderheiten der
von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen zu berücksichtigen.
von der Anmeldemarke erfassten Dienstleistungen zu berücksichtigen.
52
Eine derartige Beurteilung widerspricht nämlich dem oben in Randnr. 48 genannten
Grundsatz, wonach die Unterscheidungskraft und der beschreibende Charakter einer
Marke konkret im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet
worden ist, zu beurteilen sind.
53
Die Klagegründe, die der Kläger aus einem Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. b bzw.
c der Verordnung hergeleitet hat, greifen daher durch.
54
Nach alledem ist der Klage stattzugeben und die angefochtene Entscheidung
aufzuheben.
Kosten
55
Nach Art. 87 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM unterlegen ist, sind ihm außer seinen
eigenen Kosten gemäß dem Antrag des Klägers dessen Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat
DAS GERICHT (Zweite Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts
für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 11. März 2011
(Sache R 605/2010-4) wird aufgehoben.
2. Das HABM trägt die Kosten.
Forwood
Dehousse
Schwarcz
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 6. Februar 2013.
Unterschriften
Verfahrenssprache: Deutsch.