Urteil des EuG vom 30.09.2003

EuG: kommission, beherrschende stellung, zusage, verordnung, zugang, wettbewerber, nummer, rüge, klagegrund, betreiber

URTEIL DES GERICHTS (Dritte Kammer)
30. September 2003
„Wettbewerb - Zusammenschlüsse - Zulässigkeit - Bezahlfernsehmarkt und Markt für digitale interaktive
Fernsehdienste - Ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt - Zusagen
in der ersten Prüfungsphase - Fristen - Änderung der Zusagen - Unzulänglichkeit der Zusagen“
In der Rechtssache T-158/00
Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik
Deutschland (ARD)
A. Bartosch, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Kommission der Europäischen Gemeinschaften
Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagte,
unterstützt durch
Kirch Pay-TV GmbH & Co. KGaA
Rechtsanwalt K. Metzlaff, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
und
British Sky Broadcasting Group plc (BSkyB)
Prozessbevollmächtigte: Solicitors S. Wisking und D. Livingston, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Streithelferinnen,
wegen Nichtigerklärung der Entscheidung SG(2000) D/102552 der Kommission vom 21. März 2000 (Sache
COMP/JV.37), mit der diese den Zusammenschluss, durch den BSkyB die gemeinsame Kontrolle über Kirch
Pay-TV GmbH & Co. KGaA erworben hat, nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr.
4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L
315, S. 1) für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt und dem Abkommen über den Europäischen
Wirtschaftsraum erklärt hat,
erlässt
DAS GERICHT ERSTER INSTANZ
DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten M. Jaeger sowie der Richter K. Lenaerts und J. Azizi,
Kanzler: D. Christensen, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2002
folgendes
Urteil
Rechtlicher Rahmen
1.
Nach ihrem Artikel 1 gilt die Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über
die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395, S. 1, in der berichtigten [ABl. 1990, L
257, S. 13] und durch die Verordnung [EG] Nr. 1310/97 des Rates vom 30. Juni 1997 [ABl. L 180, S. 1]
geänderten Fassung, nachstehend: Verordnung Nr. 4064/89 oder Fusionskontrollverordnung) für
Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung im Sinne der Absätze 2 und 3 dieses Artikels.
2.
Nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89 trifft die Kommission, wenn sie
feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss zwar unter diese Verordnung fällt, jedoch keinen
Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt,
die Entscheidung, keine Einwände zu erheben, und erklärt den Zusammenschluss für vereinbar mit
dem Gemeinsamen Markt (nachstehend: Phase I).
3.
Dagegen trifft die Kommission nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 die
Entscheidung, das Verfahren einzuleiten, wenn sie feststellt, dass der angemeldete
Zusammenschluss unter die Verordnung fällt und Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner
Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt (nachstehend: Phase II).
4.
Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 lautet:
„Stellt die Kommission fest, dass der angemeldete Zusammenschluss nach Änderungen durch die
beteiligten Unternehmen keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken im Sinne des Absatzes 1
Buchstabe c gibt, so kann sie gemäß Absatz 1 Buchstabe b die Entscheidung treffen, den
Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.
Die Kommission kann ihre Entscheidung gemäß Absatz 1 Buchstabe b mit Bedingungen und Auflagen
verbinden, um sicherzustellen, dass die beteiligten Unternehmen den Verpflichtungen nachkommen,
die sie gegenüber der Kommission hinsichtlich einer mit dem Gemeinsamen Markt zu vereinbarenden
Gestaltung des Zusammenschlusses eingegangen sind.“
5.
Nach Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 447/98 der Kommission vom 1. März 1998 über die
Anmeldungen, über die Fristen sowie über die Anhörung nach der Verordnung Nr. 4064/89 (ABl. L 61,
S. 1) sind „[d]ie der Kommission von den beteiligten Unternehmen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der
Verordnung ... Nr. 4064/89 vorgeschlagenen Verpflichtungen, die nach Absicht der Beteiligten die
Grundlage für eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung
bilden sollen, ... der Kommission nicht später als drei Wochen nach dem Tag des Eingangs der
Anmeldung vorzulegen“.
6.
In der Mitteilung über im Rahmen der Verordnung Nr. 4064/89 und der Verordnung Nr. 447/98
zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl. 2001, C 68, S. 3, nachstehend: Mitteilung über Abhilfemaßnahmen)
legt die Kommission die Leitlinien dar, nach denen sie bei Verpflichtungszusagen vorzugehen
beabsichtigt.
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt
7.
Am 22. Dezember 1999 meldeten die Unternehmen British Sky Broadcasting Group plc
(nachstehend: BSkyB) und Kirch Vermögensverwaltungs GmbH & Co. KG (nachstehend: KVV) gemäß
Artikel 4 der Verordnung Nr. 4064/89 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1310/97 des Rates vom
30. Juni 1997 (L 180, S. 1, berichtigt in ABl. 1998, L 40, S. 17, nachstehend: Verordnung Nr. 1310/97)
ein Zusammenschlussvorhaben an. Danach sollte BSkyB zusammen mit KVV die gemeinsame Kontrolle
über das Unternehmen Kirch Pay-TV GmbH & Co. KGaA (nachstehend: KirchPayTV) erwerben.
8.
BSkyB ist ein britisches Unternehmen, das im Medienbereich tätig ist, vorrangig im Bereich analoger
und digitaler Fernsehdienste, die über Satellit und Kabel im Vereinigten Königreich und in Irland
verbreitet werden, sowie zusätzlich im Bereich des terrestrischen Digitalfernsehens im Vereinigten
Königreich. Sie vertreibt ihre eigenen Bezahlfernsehkanäle direkt an Abonnenten und über
gewerbliche Kabel- und Sendebetriebe. Außerdem ist sie an dem Unternehmen British Interactive
Broadcasting/Open beteiligt, das im Vereinigten Königreich digitale interaktive Fernsehdienste
anbietet. Schließlich erbringt sie eine Reihe fernsehrelevanter Dienstleistungen.
9.
Im Zeitpunkt der Anmeldung des Vorhabens war BSkyB in Deutschland nicht auf den Märkten für
Bezahlfernsehen, für interaktives Digitalfernsehen und für den Erwerb von Fernsehrechten tätig.
10.
KirchPayTV, ein deutsches Unternehmen, wurde zum Zeitpunkt der Anmeldung allein durch KVV
kontrolliert, die ihrerseits im alleinigen gesellschaftsrechtlichen Eigentum der Kirch-Gruppe steht,
eines Medienkonzerns, der in den Bereichen frei empfangbares Fernsehen, Rechtehandel auf den
Gebieten Sport und Fiction, Film- und Fernsehproduktionen, Business-TV, Bezahlfernsehen und
technische Dienstleistungen für Bezahlfernsehen tätig ist.
11.
Die Anmeldung des Zusammenschlussvorhabens vom 22. Dezember 1999 wurde im Amtsblatt vom
11. Januar 2000 (ABl. C 7, S. 5) veröffentlicht. Am selben Tag erhielt die Klägerin ein
Auskunftsersuchen der Kommission, in dem sie gebeten wurde, bis zum 14. Januar 2000 zu den
Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb Stellung zu nehmen.
12.
Die Klägerin antwortete der Kommission innerhalb der gesetzten Frist, dass der Zusammenschluss
eine Verstärkung der beherrschenden Stellung von KirchPayTV auf den Märkten für Bezahlfernsehen,
für den Erwerb von Programmrechten und für die Erbringung technischer Dienstleistungen für
Bezahlfernsehen sowie die Entstehung einer solchen Stellung auf dem Markt für digitale interaktive
Fernsehdienste zur Folge haben würde. Außerdem brachte die Klägerin ihre Sorge zum Ausdruck, dass
das Zusammenwirken zwischen Kirch und BSkyB zu einer Verstärkung der vertikalen Integration der
beteiligten Unternehmen auf den betroffenen Märkten und zu einer zwischenstaatlichen
Wettbewerbsbeschränkung vor allem in den Bereichen der Beschaffung von Fernsehprogrammen und
der digitalen interaktiven Fernsehdienste führen würde.
13.
Am 21. Januar 2000 übermittelte die Klägerin der Kommission hierzu eine ergänzende und
vertiefende Stellungnahme. Darin legte sie dar, dass der angemeldete Zusammenschluss durch die
Kommission zu untersagen sei, weil er mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sei. Hilfsweise müsse
eine etwaige Genehmigung des Zusammenschlusses an Mindestauflagen und -bedingungen geknüpft
werden.
14.
Auf Anfrage der Kommission legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 22. Februar 2000 dar, welche
Auflagen, Bedingungen und öffentlich-rechtlichen Zusagen sie im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht
in dem fraglichen Fusionskontrollverfahren für erforderlich hielt.
15.
In dieser Stellungnahme trug die Klägerin erneut vor, dass ihrer Ansicht nach die Voraussetzungen
für eine Genehmigung des Zusammenschlussvorhabens nicht vorlägen, und machte hilfsweise eine
Reihe von Vorschlägen für Zusagen, die die am Zusammenschluss Beteiligten auf jeden Fall zu
akzeptieren hätten.
16.
Die am Zusammenschluss Beteiligten legten der Kommission ein Zusagenpaket vor. Die Kommission
forderte die Klägerin am 29. Februar 2000 auf, zu diesen Zusagen bis zum 2. März 2000 Stellung zu
nehmen.
17.
In ihrer Stellungnahme vom 2. März 2000 beanstandete die Klägerin, die angebotenen Zusagen
stellten nicht mehr als das bloße Versprechen dar, die marktbeherrschende Stellung von KirchPayTV
nicht zu missbrauchen.
18.
Am 14. März 2000 forderte die Kommission die Klägerin auf, bis zum 15. März 2000 13.00 Uhr zu
einer ersten abgewandelten Fassung des Zusagenpakets Stellung zu nehmen. Die Klägerin gab eine
kurz gefasste Kommentierung ab.
19.
Die Kommission gab der Klägerin keine Kenntnis von einer zweiten abgewandelten Fassung des
Zusagenpakets und forderte sie nicht zu einer Stellungnahme dazu auf. Die Klägerin erhielt von
diesem Paket am 18. März 2000 von dritter Seite Kenntnis.
20.
Mit der Entscheidung vom 21. März 2000 (nachstehend: angefochtene Entscheidung) genehmigte
die Kommission den fraglichen Zusammenschluss unter Bedingungen gemäß Artikel 6 Absatz 1
Buchstabe b und Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 sowie Artikel 57 des Abkommens über den
Europäischen Wirtschaftsraum (EWR).
Die angefochtene Entscheidung
21.
In der angefochtenen Entscheidung untersucht die Kommission die Auswirkungen des
Zusammenschlusses auf drei betroffene Märkte, nämlich den für Bezahlfernsehen, den für interaktives
Digitalfernsehen und den für den Erwerb von Fernsehrechten.
22.
Nach den Nummern 23 bis 27 der angefochtenen Entscheidung sind der Bezahlfernsehmarkt und
der Markt für frei empfangbares Fernsehen, d. h. das privat durch Werbung und das öffentlich durch
Gebühren sowie Werbeeinnahmen finanzierte Fernsehen, gesonderte Märkte. Nach Auffassung der
Kommission ist der Bezahlfernsehmarkt national abgegrenzt.
23.
Die Kommission stellt in der angefochtenen Entscheidung fest, KirchPayTV habe in Deutschland
durch „Premiere“ eine Quasi-Monopol-Stellung für die Erbringung von Dienstleistungen für
Bezahlfernsehen. Außerdem stellt sie fest, BSkyB habe im Vereinigten Königreich auf dem
Bezahlfernsehmarkt eine beherrschende Stellung. In Nummer 51 gelangt die Kommission zu dem
Ergebnis, das Vorhaben gebe Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit, weil
es die beherrschende Stellung von KirchPayTV auf dem Bezahlfernsehmarkt in Deutschland verstärke.
Denn KirchPayTV sei aufgrund der finanziellen Mittel und des Know-hows, die von BSkyB eingebracht
würden, in der Lage, ihre marktbeherrschende Stellung zu halten. Die Kommission führt insoweit aus:
50. Die Beteiligten räumen ein, dass KirchPayTV .erheblicher zusätzlicher Mittel‘ bedarf, um ihre
Geschäfte zu entwickeln. Sie veranschlagen die von KirchPayTV benötigten Finanzmittel auf insgesamt
... und die entstandenen Verluste auf ... Nach den Angaben in der Anmeldung konnte KirchPayTV die
erforderlichen Mittel jedoch nicht auf dem Markt beschaffen. Außer Finanzmitteln bringt BSkyB reichlich
Marketing und Vertriebs-Know-how ein, an dem es KirchPayTV nach Auskünften verschiedener
Marktteilnehmer in kritischem Umfang fehlt.
Im Hinblick auf den erheblichen Aufwand für die Tätigkeiten auf diesem Markt, insbesondere auf die
Digitalisierung der Dienstleistungen, die in den kommenden Jahren ansteht, hat die Kommission
ernsthafte Bedenken, ob KirchPayTV ihre Stellung auf dem Bezahlfernsehmarkt in Deutschland ohne
den Zusammenschluss hätte halten können. So könnten sich z. B. die Bedingungen für den
Markteintritt Dritter mittelfristig erheblich verbessern, wenn KirchPayTV ihre Bezahlfernsehdienste
nicht entsprechend den Erwartungen des Marktes modernisiert oder die Kontrolle über die für das
Bezahlfernsehen benötigten Inhalte verliert. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b der
Fusionskontrollverordnung hat die Kommission bei der Prüfung der Auswirkungen eines
Zusammenschlusses auf den Wettbewerb die wirtschaftliche Macht und die Finanzkraft der beteiligten
Unternehmen zu berücksichtigen. Außerdem hat die Kommission in einer Reihe von Entscheidungen
die Auffassung vertreten, dass, wenn infolge des Zusammenschlusses in größerem Umfang
Finanzmittel zugeführt werden, dies zur Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung
führen kann.“
24.
In den Nummern 52 bis 72 der angefochtenen Entscheidung prüft die Kommission überdies die
Frage der Beseitigung potenziellen Wettbewerbs. Sie gelangt insoweit in Nummer 54 zu dem Ergebnis,
dass weder BSkyB noch ein anderes Unternehmen kurz- oder mittelfristig auf dem deutschen
Bezahlfernsehmarkt Fuß fassen könne. Sie stützt dieses Ergebnis im Wesentlichen auf folgende vier
Gründe:
- die vorherrschende Stellung des frei empfangbaren Fernsehens in Deutschland behindere eine
nennenswerte Entwicklung des Bezahlfernsehens;
- Kirch kontrolliere über BetaResearch die Dekodier-Infrastruktur (d-Box-Dekoder) und die in
Deutschland für die Zugangskontrolle erforderliche Technologie;
- BSkyB verfüge über keine für den deutschen Markt geeigneten Programme;
- ein Zutritt zum deutschen Bezahlfernsehmarkt sei mit enormen finanziellem Aufwand verbunden.
25.
Die Kommission gelangt daher in Nummer 70 der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis,
dass BSkyB „kurz- oder mittelfristig“ auf dem relevanten Markt kein potenzieller Wettbewerber sei.
26.
In der angefochtenen Entscheidung heißt es, derzeit würden in Deutschland keine digitalen
interaktiven Fernsehdienste angeboten. Die Kommission weist jedoch darauf hin, dass KirchPayTV in
naher Zukunft auf diesem Markt tätig sein werde. Außerdem stellt sie fest, mindestens vier weitere
Unternehmen, nämlich Bertelsmann, die Klägerin, UPC und die PrimaCom-Gruppe, bereiteten für die
nahe Zukunft ihren Markteintritt vor. BSkyB verfüge als einziges Unternehmen in Europa über
unmittelbare Erfahrung auf dem Markt für digitale interaktive Fernsehdienste.
27.
Die Betreiber der Dienste auf diesem Markt seien grundsätzlich nicht die Lieferanten oder Erbringer
der Produkte und Dienstleistungen, die den Verbrauchern angeboten und von diesen erworben
würden. Die Betreiber stellten eine Plattform zur Verfügung, über die die Inhalteanbieter den Absatz
ihrer Produkte und Dienstleistungen fördern und sie verkaufen könnten. Es seien daher diese
Anbieter, von denen in erster Linie die Nachfrage ausgehe und damit die Einnahmen der Betreiber
stammten. Allgemein könnten im Bereich des interaktiven Digitalfernsehens insbesondere Home
banking, Home shopping sowie Urlaubs- und Reisedienstleistungen angeboten werden.
28.
Der Markt für digitale interaktive Fernsehdienste sei zwar ein von dem des Bezahlfernsehens
gesonderter Markt, doch könne der Bezahlfernsehmarkt für die digitalen interaktiven Fernsehdienste
eine „Hebelwirkung“ haben. Die Betreiber könnten nämlich, weil im Bezahlfernsehen Programme
exklusiv angeboten würden, dadurch viele Fernsehzuschauer mit überdurchschnittlichem Einkommen
gewinnen. Die beiden Märkte seien gesondert, aber komplementär. Geografisch sei der Markt auch
hier national abgegrenzt.
29.
Da Kirch die in Deutschland vorherrschende Dekodier-Infrastruktur (d-Box-Dekoder), die außerdem
für die Erbringung der digitalen interaktiven Fernsehdienste erforderlich sei, kontrolliere, verfüge sie
für das Angebot der digitalen interaktiven Fernsehdienste bereits über einen erheblichen
Wettbewerbsvorteil. Nach Auffassung der Kommission kann der Zusammenschluss die Begründung
einer marktbeherrschenden Stellung weiter begünstigen, weil BSkyB die erforderlichen finanziellen
Mittel und das auf dem britischen Markt erworbene Know-how einbringe. Die Kommission erhebt also
auch insoweit ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem
Gemeinsamen Markt.
30.
Nach der angefochtenen Entscheidung haben Filme und Sportveranstaltungen für das
Bezahlfernsehen Hebelwirkung und es bedarf der Nutzungsrechte an diesen Produkten, um
Programme anbieten zu können, die für potenzielle Abonnenten so attraktiv sind, dass sie für den
Empfang der Fernsehdienste zahlen.
31.
Der Erwerb der Senderechte erfolge ebenfalls im nationalen Rahmen oder für ein Sprachgebiet
(oder Gebiete mit gemeinsamer Sprache) - hier also für den deutschen oder den deutschsprachigen
Markt. Bestimmte Sportübertragungsrechte würden dagegen für ganz Europa erworben und dann für
die einzelnen Länder weiterverkauft. Es könne also für europaweite Sportübertragungen einen
eigenen geografischen Markt geben. Eine genauere Definition des Marktes sei hier jedoch nicht
erforderlich.
32.
Die Kommission stellt in der angefochtenen Entscheidung fest, dass Kirch den Markt für den Erwerb
von Senderechten in Deutschland beherrsche (durch langfristige ausschließliche Vereinbarungen),
während BSkyB diesen Markt im Vereinigten Königreich beherrsche.
33.
Die Kommission hat hinsichtlich des Marktes für den Erwerb von Senderechten keine Bedenken
erhoben. Insbesondere hält sie eine Koppelung des Rechteerwerbs von KirchPayTV mit dem von BSkyB
für unwahrscheinlich.
34.
Die von den Beteiligten angebotenen Zusagen reichten nach Auffassung der Kommission aus, um
ihre ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem
Gemeinsamen Markt wegen seiner Auswirkungen auf die Märkte für Bezahlfernsehen und für digitale
interaktive Fernsehdienste auszuräumen, und sie genehmigte daher den Zusammenschluss gemäß
Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 4064/89.
Verfahren und Anträge der Beteiligten
35.
Mit Klageschrift, die am 13. Juni 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingereicht worden ist, hat die
Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
36.
Mit Schriftsatz, der am 29. September 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat
KirchPayTV ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt.
Diesem Antrag ist mit Beschluss vom 11. Dezember 2000 stattgegeben worden.
37.
Mit Schriftsatz, der am 23. November 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, hat BSkyB
ihre Zulassung als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Kommission beantragt. Diesem
Antrag ist mit Beschluss vom 19. Februar 2001 stattgegeben worden.
38.
Die Klägerin beantragt,
- die Entscheidung der Kommission vom 21. März 2000 in der Sache COMP/JV.37 für nichtig zu
erklären;
- der Kommission die Kosten aufzuerlegen.
39.
Die Kommission beantragt,
- die Klage als unzulässig oder hilfsweise als unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
40.
KirchPayTV beantragt,
- die Klage als unzulässig oder hilfsweise als unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten aufzuerlegen.
41.
BSkyB beantragt,
- die Klage als unzulässig oder hilfsweise als unbegründet abzuweisen;
- der Klägerin die Kosten einschließlich derjenigen der BSkyB aufzuerlegen.
Zur Zulässigkeit
Vorbringen der Beteiligten
42.
Die Klägerin ist der Auffassung, sie sei durch die angefochtene Entscheidung unmittelbar und
individuell betroffen im Sinne vom Artikel 230 Absatz 4 EG.
43.
Die Kommission stellt die individuelle Betroffenheit der Klägerin durch die angefochtene
Entscheidung in Frage.
44.
Die Mitwirkung am Verwaltungsverfahren, auch wenn sie auf Aufforderung der Kommission erfolgt
sei, könne für sich allein nicht eine individuelle Betroffenheit durch die angefochtene Entscheidung
begründen, insbesondere wenn sich wie hier auch viele andere Unternehmen im Verfahren geäußert
hätten oder von ihr angehört worden seien. Die Prüfung eines Zusammenschlussvorhabens erfordere
begriffsnotwendig regelmäßig den Kontakt mit einer Vielzahl von Unternehmen.
45.
Die Klägerin sei derzeit nur auf dem in der angefochtenen Entscheidung nicht behandelten Markt
für frei empfangbares Fernsehen tätig. Somit könnten sich die Verpflichtungen zur Umsetzung der
Vorgaben für die Einführung der digitalen Sendetechniken, auf die sich die Klägerin berufe, jedenfalls
nur auf diesen Markt beziehen.
46.
Dagegen gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin einen Eintritt in den
Bezahlfernsehmarkt, der in der angefochtenen Entscheidung behandelt werde, ins Auge fasse. Sie sei
daher derzeit nicht einmal als potenzieller Wettbewerber auf diesem Markt einzustufen.
47.
Die Klägerin könne allenfalls als potenzieller Wettbewerber eines zukünftigen Marktes für digitale
interaktive Fernsehdienste angesehen werden. Als solcher sei sie jedoch einer unter vielen anderen
potenziellen Wettbewerbern dieses zukünftigen Marktes. Dass die Klägerin sich am Aufbau einer
konkurrierenden technischen Plattform beteilige, ändere an diesem Ergebnis nichts.
48.
Zum Vorbringen der Klägerin, sie sei durch die angefochtene Entscheidung individuell betroffen,
weil eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung auf dem Bezahlfernsehmarkt Auswirkungen
auf die Stellung der Beteiligten auf dem Markt für technische Dienstleistungen für Digitalfernsehen
und damit wiederum auf dem Markt für frei empfangbares Digitalfernsehen habe, weist die Kommission
darauf hin, dass es nach der Rechtsprechung für die Annahme einer individuellen Betroffenheit nicht
bereits ausreiche, lediglich - überdies nur potenzieller - Wettbewerber auf einem in der angefochtenen
Entscheidung geprüften Markt zu sein. Noch weniger genüge es, wenn ein Unternehmen auf einem
Markt tätig sei, der nicht einmal Gegenstand der Entscheidung sei.
49.
Hinsichtlich der Zusagen der am Zusammenschluss Beteiligten trägt die Kommission vor, wenn sich
die Klägerin als aus diesen Zusagen berechtigt betrachte, so gelte dies auch für alle Dritten, die von
diesen Zusagen Gebrauch machen wollten.
50.
Die Kommission gelangt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nur eines unter vielen Unternehmen sei,
die entweder potenzielle Wettbewerber oder Kunden der am Zusammenschluss Beteiligten seien. Ihre
Lage unterscheide sich daher nicht von der all jener Unternehmen, die als (potenzielle) Wettbewerber
von KirchPayTV in Frage kämen oder auf benachbarten Märkten tätig seien. Die Klägerin sei daher
nicht wie die Klägerin in den den Urteilen Air France I (Urteil des Gerichts vom 19. Mai 1994 in der
Rechtssache T-2/93, Air France/Kommission, Slg. 1994, II-323, Randnr. 82) und Air France II (Urteil des
Gerichts vom 24. März 1994 in der Rechtssache T-3/93, Air France/Kommission, Slg. 1994, II-121
Randnr. 45) zugrunde liegenden Rechtssachen der einzige Wettbewerber der am Zusammenschluss
beteiligten Unternehmen. Zudem sei ihre Lage im Hinblick auf den fraglichen Zusammenschluss nicht
wie bei der Klägerin in der dem Urteil Air France I (Randnr. 82) zugrunde liegenden Rechtssache
deutlich anders als die der anderen auf dem gleichen Sektor tätigen Unternehmen.
51.
KirchPayTV bestreitet eine unmittelbare Betroffenheit der Klägerin durch die angefochtene
Entscheidung. Aus dem Urteil Air France I (Randnr. 80) ergebe sich, dass unmittelbar betroffen im
Sinne von Artikel 230 Absatz 4 EG nur sein könne, wer auf den Märkten, auf die sich die angefochtene
Entscheidung beziehe, tätig sei. Die angefochtene Entscheidung beeinträchtige die Klägerin jedoch
nur in ihrer Stellung auf dem Markt für frei empfangbares Digitalfernsehen, auf dem sie potenzielle
Wettbewerberin sei; dieser sei aber nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.
52.
Sie bestreitet außerdem eine individuelle Betroffenheit der Klägerin durch die angefochtene
Entscheidung.
53.
Sie trägt hierzu erstens vor, dass die bloße Mitwirkung der Klägerin am Verwaltungsverfahren nicht
ausreiche, um sie zu individualisieren.
54.
Der Zweck der Voraussetzung der Klagebefugnis, die zur Beschränkung der Klagemöglichkeiten
diene, werde nicht erreicht, wenn bereits die Mitwirkung an einem Zusammenschlussverfahren als
ausreichend anzusehen sein sollte. Die Vielzahl der Beteiligten bei solchen Verfahren würde nämlich
zu einer Ausuferung der Klagebefugnis führen.
55.
Zweitens bestreitet KirchPayTV, dass die von den am Zusammenschluss Beteiligten gegebenen
Zusagen eine individuelle Betroffenheit der Klägerin begründen könnten. Denn von diesen Zusagen
könnten viele Wettbewerber und nicht nur die Klägerin Gebrauch machen.
56.
Drittens bestreitet KirchPayTV, dass die Beteiligung der Klägerin am Verband Free Universe Network
(nachstehend: FUN) ihre individuelle Betroffenheit begründen könne. Beim FUN handele es sich
nämlich nicht um eine potenziell konkurrierende technische Plattform, sondern um einen reinen
Interessenverband zur Durchsetzung bestimmter technischer Lösungen zum Betrieb technischer
Plattformen. Als bloßer Interessenverband könne der FUN daher durch die Entscheidung selbst nicht
unmittelbar betroffen sein. Noch weniger könne eine individuelle Betroffenheit der Klägerin durch
diese Entscheidung aus ihrer bloßen Beteiligung an diesem Verband hergeleitet werden.
57.
Viertens verweist KirchPayTV darauf, dass es sich bei der Klägerin um eine Arbeitsgemeinschaft
öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten handele. Nach ständiger Rechtsprechung sei eine
Vereinigung, die zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen einer Gruppe von Mitgliedern gegründet
worden sei, von einer Entscheidung, die die allgemeinen Interessen dieser Gruppe berühre, nicht
individuell betroffen (Beschluss des Gerichtshofes vom 18. Dezember 1997 in der Rechtssache C-
409/96 P, Sveriges Betodlaeres und Henrikson/Kommission, Slg. 1997, I-7531, Randnr. 45, und Urteil
des Gerichts vom 11. Februar 1999 in der Rechtssache T-86/96, Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Luftfahrt Unternehmen und Hapag-Lloyd/Kommission, Slg. 1999, II-179, Randnrn. 55 ff.). Eine solche
Vereinigung könne insbesondere keine Klage erheben, wenn dies ihren Mitgliedern als einzelnen - wie
hier - verwehrt sei.
Würdigung durch das Gericht
58.
Nach Artikel 230 Absatz 4 EG kann „[j]ede natürliche oder juristische Person ... gegen die an sie
ergangenen Entscheidungen sowie gegen diejenigen Entscheidungen Klage erheben, die, obwohl sie
als Verordnung oder als eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung ergangen sind, sie
unmittelbar und individuell betreffen“.
59.
Da die angefochtene Entscheidung nicht an die Klägerin, sondern nur an die am Zusammenschluss
Beteiligten gerichtet war, ist zu prüfen, ob sie die Klägerin unmittelbar und individuell betrifft.
60.
Entgegen dem Vortrag von KirchPayTV kann die unmittelbare Betroffenheit nicht in Abrede gestellt
werden. Da die angefochtene Entscheidung nämlich die sofortige Durchführung des
Zusammenschlusses gestattet, bewirkt sie eine unmittelbare Änderung der Lage auf den betroffenen
Märkten, die dann nur noch vom alleinigen Willen der Parteien abhängt (vgl. Urteil Air France II,
Randnr. 80, und Urteil des Gerichts vom 3. April 2003, BaByliss/Kommission, T-114/02, Slg. 2003, II-
0000, Randnr. 89).
61.
Daher ist zu prüfen, ob die angefochtene Entscheidung die Klägerin auch individuell betrifft.
62.
Nach ständiger Rechtsprechung sind andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur
dann individuell betroffen, wenn diese Entscheidung sie „wegen bestimmter persönlicher
Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände
berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie einen Adressaten“ (Urteile des
Gerichtshofes vom 15. Juli 1963 in der Rechtssache 25/62, Plaumann/Kommission, Slg. 1963, 213, 228,
und vom 10. Dezember 2002 in der Rechtssache C-312/00 P, Kommission/Camar und Tico, Slg. 2002, I-
11355, Randnr. 73, und die dort angeführte Rechtsprechung).
63.
Hier ist zu prüfen, in welchem Maße die Klägerin aufgrund ihrer Mitwirkung am Verfahren und der
Beeinträchtigung ihrer Stellung auf dem Markt im Sinne von Artikel 230 EG individualisiert ist.
64.
Das Gericht stellt erstens, was die Mitwirkung am Verfahren angeht, fest, dass die Klägerin am 11.
Januar 2000 von der Kommission ein Auskunftsersuchen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 4064/89
erhielt, in dem sie gebeten wurde, binnen drei Tagen zu den Auswirkungen des
Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 14. Januar
2000 erteilte die Klägerin die gewünschten Auskünfte.
65.
Am 21. Januar 2000, d. h. innerhalb der Frist von 10 Tagen nach dem Datum der Veröffentlichung
des Vorhabens eines Zusammenschlusses im Amtsblatt gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Verordnung Nr.
4064/89, übermittelte die Klägerin der Kommission eine ergänzende Stellungnahme über die
Auswirkungen des fraglichen Zusammenschlusses auf die Wettbewerbslage auf den betroffenen
Märkten und über ihre eigene Situation.
66.
Am 22. Februar 2000 sandte die Klägerin auf Anfrage der Task force „Kontrolle der
Unternehmenszusammenschlüsse“ der Kommission erneut einen sehr ausführlichen Schriftsatz, in
dem sie ihre Stellungnahme zu den kritischen Punkten des Zusammenschlussverfahrens wiederholte
und unter Aufrechterhaltung des Standpunkts, dass der beabsichtigte Zusammenschluss unvereinbar
sei, darlegte, welche Bedingungen, Auflagen und Zusagen sie für erforderlich hielt, falls die
Kommission entscheiden sollte, gegen den Zusammenschluss keine Einwände zu erheben. Diese
Vorschläge betrafen die Voraussetzungen für die Öffnung der fraglichen Märkte und insbesondere
den diskriminierungsfreien Zugriff anderer Dekoder als der d-Box auf sämtliche übertragenen
Fernsehprogramme und sämtliche interaktiven Dienste, den Zugang anderer Betreiber zu den
Rechten an den Programmen von KirchPayTV und die Unterbindung eines mittelbaren Einflusses der
Kirch-Gruppe auf die Verwendung der Infrastruktur der Breitbandkabelnetze der Deutsche Telekom AG.
67.
Nach dem Wortlaut der angefochtenen Entscheidung bezieht sich die Kommission an zehn Stellen
auf Bemerkungen Dritter (Nrn. 49, 50, 53, 57, 71, 73, 75, 77, 79 und 84 der angefochtenen
Entscheidung); die meisten dieser Stellen betreffen Fragen, die die Klägerin in den Stellungnahmen,
die sie im Verwaltungsverfahren an die Kommission richtete, ausdrücklich aufgeworfen hat.
68.
So behauptete die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 22. Februar 2000, dass Kirch allein finanziell
nicht stark genug sei, um die digitalen Dienste selbst zu entwickeln, und in ihren Stellungnahmen vom
14. und vom 21. Januar 2000, dass BSkyB über unvergleichliche Erfahrung und unvergleichliches Know-
how im Marketing und Vertrieb des Bezahlfernsehens verfüge, deren Transfer in der Vereinbarung
vorgesehen sei. In Nummer 49 der angefochtenen Entscheidung weist die Kommission darauf hin,
eine Reihe Dritter habe geltend gemacht, dass der angemeldete Zusammenschluss aufgrund der
erheblichen finanziellen Mittel und des Know-hows, die in KirchPayTV eingebracht würden, deren
beherrschende Stellung auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt verstärken werde. In den Nummern
50 ff. der angefochtenen Entscheidung gelangt die Kommission aufgrund dieser Erwägungen zu dem
Ergebnis, es bestünden ernsthafte Bedenken.
69.
In Nummer 53 der angefochtenen Entscheidung führt die Kommission aus, eine Reihe Dritter habe
vorgetragen, dass am ehesten mit dem Eintritt von BSkyB in den deutschen Bezahlfernsehmarkt zu
rechnen sei, was die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 14. Januar 2000 erwähnt hatte.
70.
In Nummer 75 der angefochtenen Entscheidung stellt die Kommission entsprechend dem Hinweis
der Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 21. Januar 2000 fest, der Eintritt von KirchPayTV in den Markt
für digitale interaktive Fernsehdienste drohe eine beherrschende Stellung zu begründen, indem ihre
d-Box-Technologie in Deutschland als Standard-Dekoder durchgesetzt werde.
71.
Schließlich geht die Kommission in Nummer 84 der angefochtenen Entscheidung auf das
Vorbringen Dritter zum Problem der Einkaufsmacht von Kirch beim Erwerb von Senderechten ein, das
die Klägerin in ihren Stellungnahmen vom 14. und vom 21. Januar 2000 aufgeworfen hatte.
72.
Folglich hat sich die Kommission in der angefochtenen Entscheidung auf zahlreiche Argumente
gestützt, die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren angeführt worden waren.
73.
Im Übrigen hatte die Kommission die Klägerin aufgefordert, ihr ihren Standpunkt zu etwaigen
Zusagen mitzuteilen, durch die die gegen den Zusammenschluss bestehenden ernsthaften Bedenken
entkräftet werden könnten, und die Vorschläge der Klägerin wurden in der angefochtenen
Entscheidung zumindest teilweise berücksichtigt.
74.
Außerdem holte die Kommission zu den ersten beiden Fassungen der Zusagen die Stellungnahme
der Klägerin ein. In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts hat die Kommission hierzu
ausgeführt, dass außer der Klägerin nur noch zwei weitere Unternehmen, die Bertelsmann AG und die
Universal Studios Inc, Kopie der ersten beiden Fassungen der Zusagen erhalten hatten, und dass
Bertelsmann überdies, im Gegensatz zur Klägerin, die dritte und letzte Fassung der Zusagen erhalten
hatte.
75.
Zudem ist festzustellen, dass die Klägerin mit ihren Schreiben an die Kommission nicht bloß
einseitig und unaufgefordert handelte, sondern dass sie von der Kommission wiederholt zur
Stellungnahme aufgefordert worden war.
76.
Daraus ergibt sich, dass die Klägerin an dem Verfahren aktiv mitgewirkt hat. Wie die Kommission zu
Recht hervorhebt, ist zwar eine einfache Mitwirkung am Verfahren für sich allein kein ausreichender
Nachweis dafür, dass die Entscheidung die Klägerin individuell betrifft; dies gilt insbesondere im
Bereich der Zusammenschlüsse, zu deren genauer Prüfung mit zahlreichen Unternehmen in Kontakt
zu treten ist. Eine aktive Mitwirkung am Verwaltungsverfahren bildet jedoch auch in dem spezifischeren
Bereich der Fusionskontrolle einen Umstand, der zusammen mit anderen Umständen des Einzelfalles
für die Zulässigkeit einer Klage sprechen kann (Urteil BaByliss/Kommission, Randnr. 95). Dies gilt erst
recht im vorliegenden Fall, wo, wie oben festgestellt, diese aktive Mitwirkung den Ablauf des
Verfahrens und zumindest teilweise den Inhalt der angefochtenen Handlung beeinflusst hat, und zwar
sowohl im Hinblick auf die gegen das Zusammenschlussvorhaben bestehenden ernsthaften Bedenken
als auch auf die nach Ansicht der Kommission zu deren Ausräumung erforderlichen Zusagen (vgl. in
diesem Sinne Urteil des Gerichtshofes vom 28. Januar 1986 in der Rechtssache 169/84,
Cofaz/Kommission, Slg. 1986, 391, Randnrn. 24 und 25).
77.
Was zweitens die Beeinträchtigung der Stellung der Klägerin auf dem Markt angeht, ist zunächst
festzustellen, dass der fragliche Zusammenschluss den Bezahlfernsehmarkt betrifft und die Klägerin
auf diesem Markt unstreitig nicht präsent ist. Die Klägerin hat in einem Schreiben vom 22. Februar
2000 an die Kommission sogar mitgeteilt, dass «ARD public broadcasting stations are neither
mandated nor considering to enter the PayTV market».
78.
Der Umstand, dass die Klägerin auf dem Bezahlfernsehmarkt nicht als Wettbewerber oder auch nur
als potenzieller Wettbewerber von KirchPayTV angesehen werden kann, bedeutet jedoch nicht
zwangsläufig, dass die Entscheidung sie nicht individuell betrifft. Zum einen ist der
Bezahlfernsehmarkt, auch wenn KirchPayTV dort den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit hat, nur einer der
drei Märkte, auf denen durch den Zusammenschluss nach Feststellung der Kommission die
beherrschende Stellung der Kirch-Gruppe gefestigt wird. Zum anderen kann, so wie die
Nichtigkeitsklage eines potenziellen Wettbewerbers der an einem Zusammenschluss Beteiligten
gegen die Genehmigungsentscheidung im Fall oligopolistischer Märkte zulässig sein kann (vgl. in
diesem Sinne Urteil des Gerichts vom 27. November 1997 in der Rechtssache T-290/94,
Kaysersberg/Kommission, Slg. 1997, II-2137, und Urteil BaByliss/Kommission), wenn wie im vorliegenden
Fall die Monopolstellung eines Unternehmens durch den Zusammenschluss gefestigt wird, unter
bestimmten Umständen auch die Nichtigkeitsklage eines Marktteilnehmers zulässig sein, der nur auf
benachbarten, oder auf vor- oder nachgelagerten Märkten präsent ist.
79.
Im vorliegenden Fall könnte die Stellung der Klägerin durch folgende fünf Umstände beeinträchtigt
sein: das Bestehen einer gewissen Konkurrenz zwischen dem frei empfangbaren und dem
Bezahlfernsehen, die zukünftige Konvergenz zwischen dem frei empfangbaren und dem
Bezahlfernsehen durch die Digitalisierung, die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf die
digitalen interaktiven Fernsehdienste, die Beteiligung der Klägerin am FUN-Projekt und den Erwerb von
Senderechten.
Bestehen eines gewissen Wettbewerbs zwischen dem frei empfangbaren und dem Bezahlfernsehen
80.
Der Markt für frei empfangbares Fernsehen, auf dem die Klägerin tätig ist, ist zwar, wie in den
Nummern 23 bis 25 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, ein vom Bezahlfernsehmarkt
gesonderter Markt; doch wird in Nummer 56 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich
anerkannt, dass es zwischen den beiden Märkten eine gewisse Interaktion gibt. In der angefochtenen
Entscheidung wird nämlich im Rahmen der Prüfung der Schranken für den Zutritt zum deutschen
Bezahlfernsehmarkt festgestellt, dass dieser wegen der Stärke des Marktes für frei empfangbares
Fernsehen nur schwer zu entwickeln sei.
81.
Daraus folgt, dass der Zusammenschluss bestimmte Rückwirkungen auf den Markt für frei
empfangbares Fernsehen haben kann, soweit damit durch die Einbringung von finanziellen Mitteln und
Know-how von BSkyB eine Stärkung der Finanzkraft von Kirch angestrebt wird, um Kirch die Entwicklung
und Modernisierung ihrer Geschäfte im Bereich des Bezahlfernsehens zu ermöglichen. Die Klägerin ist
nun aber eines der beiden öffentlich-rechtlichen Fernsehunternehmen, die in Deutschland auf dem
Markt für frei empfangbares Fernsehen tätig sind, und überdies einer der beiden Hauptteilnehmer auf
diesem Markt. Insbesondere ist, wenn es Kirch nach dem Zusammenschluss gelingt, neue
Abonnenten zu gewinnen, damit zu rechnen, dass die Klägerin Fernsehzuschauer verliert und damit
ihre Einnahmen sinken. In dieser Hinsicht kann die angefochtene Entscheidung die Klägerin
beeinträchtigen.
Zukünftige Konvergenz zwischen dem frei empfangbaren und dem Bezahlfernsehen durch die
Digitalisierung
82.
In Nummer 25 der angefochtenen Entscheidung wird ferner anerkannt, dass durch die
Digitalisierung in Zukunft eine gewisse Konvergenz zwischen Bezahlfernsehen und frei empfangbarem
Fernsehen zu erwarten ist.
83.
Da zudem das Bezahlfernsehen bislang der einzige Bereich ist, in dem sich die Digitaltechnik hat
entwickeln können, schlägt die beherrschende Stellung von KirchPayTV auf dem Bezahlfernsehmarkt
auf den Markt für Digitalfernsehen durch.
84.
Die Klägerin ist jedoch aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Bindungen verpflichtet, die staatlichen
Vorgaben für die Einführung der digitalen Sendetechniken umzusetzen.
85.
Daher kann der Zusammenschluss, obzwar er auf dem Bezahlfernsehmarkt stattfindet, die
Wettbewerbsstellung der Klägerin auf dem zukünftigen Markt für frei empfangbares Digitalfernsehen in
Deutschland beeinträchtigen.
Auswirkung des Zusammenschlusses auf die digitalen interaktiven Fernsehdienste
86.
Aus den Nummern 30 bis 41 und 73 bis 80 der angefochtenen Entscheidung geht hervor, dass der
fragliche Zusammenschluss den zukünftigen Markt für digitale interaktive Fernsehdienste
beeinflussen kann. Die Kommission weist insoweit nämlich in den Nummern 32, 40 und 94 darauf hin,
dass für die Entwicklung dieses Marktes der Bezahlfernsehmarkt Hebelwirkung habe, weil dort
exklusive Programme angeboten würden, durch die die Betreiber interaktiver Fernsehdienste viele
Fernsehzuschauer mit hohem Einkommen gewinnen könnten. Da der Zusammenschluss eine
Verstärkung der Stellung von Kirch auf dem Bezahlfernsehmarkt bewirke (Nr. 50), werde er auch die
Stellung von Kirch auf dem zukünftigen Markt für interaktive Fernsehdienste verstärken. Nach Nummer
73 ist die Klägerin jedoch einer der vier Betreiber, die angekündigt haben, in naher Zukunft interaktive
Dienste entwickeln zu wollen.
87.
Im Übrigen sind für die Einrichtung einer technischen Infrastruktur, um digitale interaktive
Fernsehdienste anbieten zu können, erhebliche Investitionen erforderlich. In der angefochtenen
Entscheidung heißt es hierzu in Nummer 75, durch den Zusammenschluss könnten die Möglichkeiten
eines Marktzutritts für Dritte erheblich geschmälert werden, weil er es Kirch ermögliche, vor allen
anderen Zutritt zum Markt zu erlangen und damit die Marktzutrittsschranken durch Einführung der d-
Box in Deutschland als Standard-Dekoder zu erhöhen.
88.
Der Zusammenschluss kann daher die Stellung der Klägerin als zukünftiger Teilnehmer auf dem
Markt für digitale interaktive Fernsehdienste beeinträchtigen, indem er zum einen den potenziellen
Wettbewerber Kirch stärkt und zum anderen die Abhängigkeit der Klägerin von der für den Eintritt in
diesen Markt erforderlichen Kirchschen Technologie verschärft.
Beteiligung der Klägerin am FUN-Projekt
89.
Es ist unstreitig, dass das Anbieten digitaler Fernsehdienste, ob nun im Bezahlfernsehen, im frei
empfangbaren oder im interaktiven Fernsehen, eine bestimmte Technologie voraussetzt. Derzeit wird
in Deutschland für die Übertragung digitaler Signale über Kabel ausschließlich die von BetaResearch,
einer Kirch-Tochter, entwickelte Technologie verwendet, die von BetaDigital, einer anderen Kirch-
Tochter, und Deutsche Telekom, Lizenznehmerin der BetaResearch für die Nutzung der Kirchschen
Technologie, betrieben wird. Die Klägerin ist der einzige Fernsehveranstalter, der am FUN-Verband
beteiligt ist; die Unternehmen, aus denen dieser Verband besteht, tragen alle auf unterschiedliche
Weise (insbesondere durch Einbringung einer Verschlüsselungstechnologie, eines Decoders, eines
elektronischen Programmführers usw.) zur Errichtung einer zweiten digitalen Plattform in Deutschland
bei. Dieser Verband strebt die Implementierung einer alternativen offenen Plattform an, d. h. einer
Plattform, die anders als die KirchPayTV nicht mit einem patentierten Zugangskontrollsystem arbeitet.
Die beherrschende Stellung von KirchPayTV auf dem Markt für technische Dienstleistungen für
Digitalfernsehen, die aus ihrer Stellung auf dem Markt für Dienstleistungen für Bezahlfernsehen
resultiert, ist geeignet, die Entwicklung der FUN-Plattform zu erschweren. Die Klägerin ist daher in
dieser Hinsicht durch die Auswirkungen des fraglichen Zusammenschlusses besonders betroffen.
Erwerb von Senderechten
90.
Da die Finanzkraft von Kirch und ihre Beziehungen mit BSkyB, einem anderen wichtigen Erwerber von
Senderechten, durch den Zusammenschluss verstärkt werden, ist nicht auszuschließen, dass dieser
die Klägerin als Erwerber solcher Rechte beeinträchtigt.
91.
Nach den Nummern 81 und 83 der angefochtenen Entscheidung beherrschen Kirch und BSkyB den
deutschen bzw. den britischen Markt für Senderechte für Filme und die wesentlichen
Sportveranstaltungen, wobei BSkyB zudem bestimmte Senderechte in Deutschland besitzt.
92.
In den Nummern 85 ff. der angefochtenen Entscheidung gelangt die Kommission zwar zu dem
Ergebnis, der Zusammenschluss auf diesem Markt gebe keinen Anlass zu ernsthaften Bedenken, und
weist insbesondere darauf hin, der Zusammenschluss habe weder eine erhebliche Verstärkung der
beherrschenden Stellung von Kirch noch die Gefahr einer Kollusion zwischen den Muttergesellschaften
von KirchPayTV zur Folge.
93.
Doch hat die Klägerin zum einen im Verwaltungsverfahren Befürchtungen geäußert, der
Zusammenschluss könne zu einer Bündelung der Nachfrage nach den Rechten für Filme und
Sportveranstaltungen auf dem deutschen Markt führen, und die am Zusammenschluss Beteiligten
haben, um diesem Einwand abzuhelfen, eine Zusage gemacht; zum anderen hat die Klägerin vor dem
Gericht bestritten, dass diese Zusage ausreiche, und gerügt, dass die Kommission in der
angefochtenen Entscheidung diese Zusage lediglich zur Kenntnis genommen und nicht zur
notwendigen Bedingung der Genehmigung des Zusammenschlusses gemacht habe.
94.
Unter diesen Umständen betrifft die angefochtene Entscheidung auch die Klägerin, die mit den
Beteiligten des Zusammenschlusses auf dem Markt für den Erwerb von Senderechten in Deutschland
konkurriert.
95.
Aus alldem ergibt sich, dass die angefochtene Entscheidung die Klägerin unmittelbar und individuell
betrifft, weil diese aufgrund des Umstands, dass sie am Verwaltungsverfahren, in dem sie
Stellungnahmen abgab, die zum Teil Einfluss auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung und die
Art der Zusagen hatten, in qualifizierter Weise mitwirkte und ihre Stellung auf den Märkten für
Digitalfernsehen, für digitale interaktive Fernsehdienste, für technische Dienstleistungen für
Digitalfernsehen und für den Erwerb von Senderechten spezifisch beeinträchtigt wird: Die Klage ist
somit zulässig.
96.
Erstens macht die Kommission geltend, die Klage sei unzulässig, da in der Klageschrift
undifferenziert auf Vorbringen im Verwaltungsverfahren verwiesen werde und rechtliche Argumente
nicht deutlich genug dargelegt würden.
97.
Es ist festzustellen, dass die Bezugnahme auf Vorbringen im Verwaltungsverfahren die Klage nicht
unzulässig macht. Vielmehr ist solches Vorbringen, soweit es nicht in der Klageschrift wiederholt
worden ist, unbeachtlich, da es, wie das Gericht bereits entschieden hat, „nicht Sache des Gerichts
[ist], die Klagegründe, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen
und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion“ (Urteil des Gerichts
vom 7. November 1997 in der Rechtssache T-84/96, Cipeke/Kommission, Slg. 1997, II-2081, Randnr.
34).
98.
Zweitens rügt die Kommission, die Klageschrift genüge nicht den Erfordernissen nach Artikel 44 § 1
Buchstaben c und e der Verfahrensordnung, weil die Klagegründe nicht begründet worden seien und
die Klägerin für ihre Behauptungen keinen Beweis anbiete. Da sich diese Rügen nicht auf die
Zulässigkeit der Klage selbst, sondern auf die der verschiedenen Klagegründe beziehen, werden sie
bei deren Prüfung behandelt.
Zur Begründetheit
99.
Die Klägerin stützt ihre Klage auf fünf Klagegründe: erstens auf eine fehlerhafte Würdigung des
Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt des Artikels 2 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 4064/89,
zweitens auf eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89, drittens auf eine
Unzulänglichkeit der Zusagen, viertens auf einen Verfahrensfehler durch Nichteinleitung des
Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89 und fünftens auf eine
unzulässige Verkürzung der Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren.
Vorbringen der Parteien
100.
Die Klägerin trägt vor, die Kommission sei in Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung bezüglich
der Auswirkung des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb auf dem deutschen
Bezahlfernsehmarkt gestützt auf ihre Ausführungen in den Nummern 56 bis 70 zu dem Ergebnis
gelangt, dass auf diesem Markt weder BSkyB noch irgendein anderes Unternehmen kurz- und
mittelfristig potenzieller Wettbewerber von KirchPayTV sei.
101.
Dieses Ergebnis stehe in Widerspruch zu der Feststellung der Kommission in Nummer 50 der
angefochtenen Entscheidung, dass sie ernsthafte Bedenken habe, was die Fähigkeit von KirchPayTV
angehe, ihre Position auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt zu halten, falls das
Zusammenschlussvorhaben nicht durchgeführt werden sollte, und dass sich die Bedingungen für den
Zutritt Dritter zu diesem Markt kurzfristig deutlich verbessern würden, falls KirchPayTV ihre Position auf
diesem Markt nicht halten sollte.
102.
Die Klägerin wirft der Kommission also vor, die Auswirkung des Zusammenschlussvorhabens auf den
potenziellen Wettbewerb auf diesem Markt ausschließlich anhand des Status quo zum Zeitpunkt des
Erlasses der Entscheidung bewertet zu haben, also ausgehend von einer unangefochtenen
marktbeherrschenden Stellung von KirchPayTV, anstatt auf die Veränderung dieser Stellung
abzustellen, die nach ihrer eigenen Feststellung ohne den Zusammenschluss mittelfristig zu erwarten
sei.
103.
Sie beanstandet diese Art und Weise, den potenziellen Wettbewerb zu bewerten, bei der zur
Bestimmung der Marktposition des am Zusammenschluss beteiligten Unternehmens und damit der
Höhe der durch diese Position gebildeten Marktzutrittschranke für potenzielle Wettbewerber auf den
Status quo abgestellt und die wahrscheinliche künftige Veränderung dieser Position außer Acht
gelassen werde.
104.
Diese Art und Weise, den potenziellen Wettbewerb zu bewerten, stelle eine fehlerhafte Würdigung
von Tatsachen dar, die einer zutreffenden Beurteilung des Zusammenschlussvorhabens nach Artikel 2
Absätze 3 und 4 der Fusionskontrollverordnung im Wege stehe.
105.
Die Klägerin stellt fest, sie bestreite keine der Tatsachen, die die Kommission in den Nummern 56
bis 70 der angefochtenen Entscheidung zur Untermauerung der Ansicht anführe, dass weder BSkyB
noch ein anderes Unternehmen als potenzieller Wettbewerber von KirchPayTV angesehen werden
könnten.
106.
In Erwiderung auf das Vorbringen von KirchPayTV, die Kommission sei bei ihrer Analyse der
Auswirkung des Zusammenschlussvorhabens auf den potenziellen Wettbewerb zwischen KirchPayTV
und BSkyB oder anderen Unternehmen von einer mittelfristigen Prognose und also nicht vom Status
quo ausgegangen, räumt die Klägerin ein, dass die Kommission bei dieser Analyse in der Tat teilweise
auf eine mittelfristige Sicht abgestellt habe. Die Kommission habe im Rahmen dieser Analyse aber
nicht den von ihr selbst in Nummer 50 der angefochtenen Entscheidung hervorgehobenen Umstand
berücksichtigt, dass sich die Bedingungen für einen Zutritt dritter Wettbewerber zum deutschen
Bezahlfernsehmarkt ohne einen erheblichen Kapitalzufluss an KirchPayTV mittelfristig deutlich
verbessern könnten. Anstatt diese mittelfristige Senkung der Marktzutrittsschranken in Betracht zu
ziehen, habe die Kommission vielmehr auf die gegenwärtige beherrschende Stellung von KirchPayTV in
den Bereichen Technologie und Programminhalte abgestellt und daraus abgeleitet, dass es keinen
potenziellen Wettbewerb gebe. In diesem Sinne habe die Kommission den potenziellen Wettbewerb
anhand des Status quo bewertet.
107.
Entgegen dem Vorbringen der BSkyB treffe es nicht zu, dass die Stärke des deutschen Marktes für
frei empfangbares Fernsehen den Zutritt potenzieller Wettbewerber zum deutschen
Bezahlfernsehmarkt erheblich behindere und dass ein Scheitern von KirchPayTV den Zutritt
potenzieller Wettbewerber zu diesem Markt nicht nur nicht fördere, sondern sie umgekehrt von einem
Engagement abhalte und die objektive Bedeutung der Schranken für den Zutritt zu diesem Markt
aufzeige.
108.
Diese Argumente seien nämlich rein hypothetischer Natur und grob fehlerhaft. Entscheidend für die
Beurteilung, ob die Kommission gegen Artikel 2 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung verstoßen
habe oder nicht, seien allein die rechtlichen Erwägungen, die sie in der angefochtenen Entscheidung
tatsächlich angestellt habe, und nicht diejenigen, die sie sinnvollerweise hätte anstellen können.
109.
Zudem sei die Stärke des deutschen Marktes für frei empfangbares Fernsehen nur einer von
insgesamt vier Gesichtspunkten, die die Kommission in ihrer Entscheidung angeführt habe, um ein
potenzielles Wettbewerbsverhältnis auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt zu verneinen. Nichts in
der angefochtenen Entscheidung deute darauf hin, dass die Kommission der deutschen
Marktsituation im Bereich des frei empfangbaren Fernsehens insoweit eine besonders herausragende
Bedeutung zugemessen hätte. Ebenso wenig habe die Kommission dargelegt, dass ein Scheitern von
KirchPayTV andere potenzielle Wettbewerber von einem Engagement abhalten könnte.
110.
Die Kommission macht geltend, dass dieser Klagegrund unzulässig sei.
111.
Zum einen sei der Klagegrund unzulässig, soweit undifferenziert auf Vorbringen der Klägerin im
Verwaltungsverfahren Bezug genommen werde. Die Kommission verweist hierzu insbesondere auf die
folgende Stelle auf Seite 6 der Klageschrift: „Die Klägerin macht sich ihren Vortrag gegenüber der
Kommission zur Einschätzung und notwendigen Kontrolle des Wettbewerbs gegen die Auswirkungen
des angegriffenen Zusammenschlusses auch für das Klageverfahren zu Eigen.“
112.
Zum anderen würden in der Klageschrift rechtliche Argumente nicht deutlich genug dargelegt. Die
Klägerin beschränke sich auf eine Reihe von Behauptungen, nämlich dass die Kommission ihre
Entscheidungslinie geändert, KirchPayTV zu einer dauerhaften Marktvorherrschaft verholfen und BSkyB
fälschlicherweise nicht als potenziellen Wettbewerber angesehen habe. Sie lege aber nicht dar,
weshalb die Beurteilung der Kommission in der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft sein solle.
113.
Hilfsweise macht die Kommission, unterstützt durch KirchPayTV und BSkyB, geltend, dass der
Klagegrund unbegründet sei.
Würdigung durch das Gericht
114.
Zum Vorbringen der Kommission, der Klagegrund sei unzulässig, ist festzustellen, dass die
Klageschrift zwar nicht sehr explizit ist, aus ihr aber hervorgeht, dass die Klägerin rügt, der Sachverhalt
sei unter dem Gesichtspunkt des Artikels 2 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 4064/89 fehlerhaft
gewürdigt worden, weil die Kommission BSkyB nicht als potenziellen Wettbewerber angesehen habe.
Im Übrigen ist das Vorbringen, die Klägerin habe ihre Behauptung, BSkyB sei als potenzieller
Wettbewerber anzusehen, nicht untermauert, im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. Der
Klagegrund ist daher zulässig.
115.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe den Sachverhalt unter dem
Gesichtspunkt des Artikels 2 Absätze 3 der Verordnung Nr. 4064/89 fehlerhaft gewürdigt, indem sie in
Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung festgestellt habe, dass weder BSkyB noch ein anderes
Unternehmen kurz- oder mittelfristig auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt Fuß fassen könne,
während sie in Nummer 50 der angefochtenen Entscheidung, anerkannt habe, dass KirchPayTV ohne
die Einbringung finanzieller Mittel aufgrund des Zusammenschlusses nicht die erforderlichen
Investitionen tätigen könne, um ihre derzeitige beherrschende Stellung auf diesem Markt zu halten.
Die Klägerin wirft der Kommission vor, die Finanzschwäche von KirchPayTV nicht berücksichtigt und
einen Fehler begangen zu haben, indem sie BSkyB nicht als potenziellen Wettbewerber angesehen
habe.
116.
Erstens ist festzustellen, dass entgegen dem Vortrag der Klägerin die in den Nummern 50 und 54
vorgenommenen Bewertungen nicht widersprüchlich sind.
117.
Zum einen beziehen sich die an diesen beiden Stellen vorgenommenen Bewertungen nicht auf
denselben Zeitraum. Während nämlich in Nummer 50 die Verbesserung der Bedingungen für den
Markteintritt Dritter erst mittelfristig vorhergesagt wird, bezieht sich die in Nummer 54 getroffene
Feststellung, weder BSkyB noch ein sonstiges Unternehmen seien potenzielle Wettbewerber, nur auf
einen kurz- bis mittelfristigen Zeitraum, also einen kürzeren Zeitraum als den in Nummer 50
genannten.
118.
Zum anderen ist die Nummer 50 der angefochtenen Entscheidung als Hypothese formuliert, denn
die Kommission führt lediglich aus, „die Bedingungen für einen Markteintritt Dritter [könnten sich ...]
erheblich verbessern, wenn KirchPayTV ihre Bezahlfernsehdienste nicht entsprechend den
Erwartungen des Marktes modernisiert oder die Kontrolle über die für das Bezahlfernsehen benötigten
Inhalte verliert“.
119.
Überdies geht auch aus Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung ausdrücklich hervor, dass
die Kommission, anders als von der Klägerin behauptet, bei ihrer Analyse der Auswirkungen des
Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb nicht den Status quo zugrunde gelegt, sondern
eine kurz- oder mittelfristige Prognose angestellt hat.
120.
Zweitens ist festzustellen, dass die in Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung getroffene
Aussage, auf dem Bezahlfernsehmarkt in Deutschland sei weder BSkyB noch irgendein anderes
Unternehmen kurz- und mittelfristig ein potenzieller Wettbewerber von KirchPayTV, nach dem Wortlaut
von Nummer 55 der angefochtenen Entscheidung hauptsächlich auf vier Umstände gestützt ist, die in
den Nummern 56 bis 70 der angefochtenen Entscheidung ausgeführt sind, nämlich die Stärke des frei
empfangbaren Fernsehens in Deutschland (Nrn. 56 und 57 der angefochtenen Entscheidung), die
Kontrolle der Kirch-Gruppe über die Dekodier-Infrastruktur und die Verschlüsselungstechnologie, wie
sie in Deutschland verwendet würden (Nrn. 58 bis 64 der angefochtenen Entscheidung), die Kontrolle
der Kirch-Gruppe über die Senderechte für Filme und Sportveranstaltungen, die potenziellen
Wettbewerbern den Zugang zu den fraglichen Inhalten erschwere (Nrn. 65 bis 67 der angefochtenen
Entscheidung), und die wegen der erforderlichen hohen Investitionen geringe Wahrscheinlichkeit
eines kurz- oder mittelfristigen Einstiegs von BSkyB in den fraglichen Markt (Nrn. 68 bis 70 der
angefochtenen Entscheidung).
121.
Die Klägerin bestreitet, wie sie in ihrer Erwiderung ausdrücklich einräumt, keinen dieser vier
Umstände.
122.
Sie trägt jedoch vor, im Hinblick darauf, dass es Kirch aufgrund ihrer Finanzschwäche nicht möglich
sei, ausreichend in die Programme und die technische Infrastruktur zu investieren, seien die
Marktzutrittsschranken soweit gesunken, dass BSkyB als potenzieller Wettbewerber anzusehen sei.
123.
Diese Rüge ist zurückzuweisen, denn die Klägerin tut nicht dar, inwiefern der Umstand der
Finanzschwäche der Kirch-Gruppe für sich allein trotz der Argumente der Kommission die Folgerung
zulassen soll, dass auf dem fraglichen Markt kurz- oder mittelfristig ein potenzieller Wettbewerb
besteht.
124.
Die Finanzschwäche von KirchPayTV könnte allenfalls für zwei der vier Gründe, auf die die
Kommission die Feststellung, es gebe keinen potenziellen Wettbewerb, stützte, von Bedeutung sein,
nämlich für die Kontrolle der Kirch-Gruppe über die Dekodier-Infrastruktur und die
Verschlüsselungstechnologie, wie sie in Deutschland verwendet werden, und den Zugang zu den
Programminhalten. Den beiden anderen Gründen - Stärke des frei empfangbaren Fernsehens in
Deutschland und Erforderlichkeit hoher Investitionen - wird durch die finanziellen Probleme Kirchs nicht
nur kein Abbruch getan, vielmehr werden sie durch diese bestätigt. Ein solches Scheitern könnte
andere Unternehmen nämlich eher von einem Eintritt in diesen Markt abhalten und würde das
Bestehen und die Höhe von Marktzutrittsschranken bestätigen, die unabhängig von der Stellung von
KirchPayTV sind.
125.
So wäre der Umstand, dass KirchPayTV es trotz ihrer beherrschenden Stellung hinsichtlich der
Infrastruktur und der Programminhalte und obwohl sie auf dem Bezahlfernsehmarkt der einzige
Anbieter ist, angesichts der Stärke des frei empfangbaren Fernsehens in Deutschland nicht schafft,
die Wirtschaftlichkeitsschwelle zu erreichen, geeignet, andere Betreiber von einem Markteintritt
abzuhalten.
126.
Ferner würde das finanzielle Scheitern von KirchPayTV nur das Argument untermauern, dass für
einen Markteintritt erhebliche Mittel verfügbar sein müssten. Die Klägerin hat jedoch der in den
Nummern 68 und 69 der angefochtenen Entscheidung enthaltenen Behauptung nicht widersprochen,
dass BSkyB nicht in der Lage sein werde, die für den Eintritt in einen neuen, a priori verlustbringenden
Markt erforderlichen Mittel aufzubringen, da sie erhebliche Investitionen zu tragen habe, um sich als
Betreiber von digitalen Fernsehdiensten im Vereinigten Königreich zu etablieren und eine
Satellitenplattform gegen die Konkurrenz durchzusetzen.
127.
Folglich beruht das Vorbringen der Klägerin, sofern KirchPayTV nicht infolge des
Zusammenschlusses neue Finanzmittel zuflössen, würden potenzielle Wettbewerber in den fraglichen
Markt einsteigen, auf der nicht nachgewiesenen Annahme, dass das finanzielle Scheitern von
KirchPayTV auf diesem Markt ein den Markteintritt potenzieller Wettbewerber begünstigender Faktor
wäre.
128.
Nach alledem ist der Klagegrund, die Kommission habe einen Beurteilungsfehler begangen, indem
sie angenommen habe, BSkyB könne nicht als kurz- und mittelfristig potenzieller Wettbewerber
angesehen werden, nicht stichhaltig.
129.
Jedenfalls geht der Klagegrund fehl, soweit die Kommission in den Nummern 51 und 92 der
angefochtenen Entscheidung angenommen hat, das Zusammenschlussvorhaben gebe Anlass zu
ernsthaften Bedenken, weil es durch die von BSkyB eingebrachten finanziellen Mittel die
beherrschende Stellung von KirchPayTV auf dem Bezahlfernsehmarkt in Deutschland verstärke. Die in
Nummer 54 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, kurz- oder mittelfristig gebe es
keinen potenziellen Wettbewerb, erscheint daher nicht als tragende Grundlage der angefochtenen
Entscheidung und kann daher nicht zu ihrer Nichtigerklärung führen.
130.
Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89
Zusammenschlüsse, die keine beherrschende Stellung begründen oder verstärken, durch die
wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich
behindert würde, für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären sind. Folglich hat die
Kommission einen Zusammenschluss, durch den eine beherrschende Stellung begründet oder
verstärkt wird, dennoch zu gestatten, wenn dadurch wirksamer Wettbewerb nicht erheblich behindert
wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Air France I, Randnrn. 78 und 79, Urteile des Gerichts vom 25. März
1999 in der Rechtssache T-102/96, Gencor/Kommission, Slg. 1999, II-753, Randnrn. 170, 180 und 193,
und vom 6. Juni 2002 in der Rechtssache T-342/99, Airtours/Kommission, Slg. 2002, II-2585, Randnr.
58).
131.
Da die Kommission festgestellt hatte, dass der Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken
gebe, musste sie zwangsläufig der Ansicht sein, dass durch den Zusammenschluss der Wettbewerb
erheblich behindert würde; diese Behinderung des Wettbewerbs kann nur den potenziellen
Wettbewerb betreffen, denn KirchPayTV hält auf dem Bezahlfernsehmarkt in Deutschland unstreitig
eine Monopolstellung. Folglich ist festzustellen, dass die angefochtene Entscheidung, obwohl in ihrer
Nummer 54 das Vorliegen eines potenziellen Wettbewerbs verneint wurde, auf der Annahme beruht,
dass es, wenn auch nur langfristig, einen potenziellen Wettbewerb gab und dass dieser durch den
Zusammenschluss behindert wurde, denn die Kommission hat ernsthafte Bedenken geltend gemacht
und Zusagen für erforderlich gehalten.
132.
Nach alledem ist der erste Klagegrund, der Sachverhalt sei fehlerhaft gewürdigt worden, da BSkyB
als potenzieller Wettbewerber hätte angesehen werden müssen, zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
133.
Die Klägerin trägt vor, das Zusammenschlussvorhaben sei im vorliegenden Fall gemäß Artikel 6
Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrollverordnung in der ersten Phase der Fusionskontrolle für
vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt worden, nachdem die beteiligten Unternehmen
Zusagen gemacht hätten.
134.
Ein Zusammenschlussvorhaben in der ersten Phase der Fusionskontrolle auf der Grundlage von
Zusagen der beteiligten Unternehmen für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, sei eine
gängige Praxis der Kommission, die in der Lehre heftig kritisiert worden sei und erst vor kurzem im
neuen Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung, der durch die Verordnung Nr. 1310/97
eingefügt worden sei, eine formelle gesetzliche Grundlage erhalten habe.
135.
Der Rückgriff auf diese Möglichkeit sei in der Verordnung Nr. 1310/97 jedoch einschränkenden
Voraussetzungen unterworfen und komme, wie aus der achten Begründungserwägung der
Verordnung hervorgehe, nur dann in Betracht, „wenn das Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und
leicht gelöst werden kann“.
136.
Diese Beschränkung des Rückgriffs auf die genannte Möglichkeit entspreche der Systematik des
Artikels 6 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung, der vorsehe, dass die Kommission, wenn sie
feststelle, dass der Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner
Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe, die zweite Phase der Fusionskontrolle einleiten
müsse. Die Kommission müsse die zweite Prüfungsphase gerade in den Fällen einleiten, in denen die
durch das Zusammenschlussvorhaben aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht den in der achten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 festgelegten Kriterien entsprächen.
137.
Die Klägerin räumt ein, dass die Kommission bei der Beurteilung der Frage, wann ein
Wettbewerbsproblem, „klar umrissen ist und leicht gelöst werden kann“, einen weiten
Beurteilungsspielraum besitze, der nur einer marginalen Kontrolle durch das Gericht unterliege (vgl.
sinngemäß Urteil des Gerichtshofes vom 17. November 1987 in den Rechtssachen 142/84 und 156/84,
Bat und Reynolds/Kommission, Slg. 1987, 4487, Randnr. 62).
138.
Dieses Verständnis sei weder von der Kommission noch von BSkyB, sondern allein von KirchPayTV in
Frage gestellt worden, deren Vorbringen sie jedoch bestreite.
139.
Auf das Vorbringen von KirchPayTV, die klägerische Ansicht berücksichtige nicht die Grundsätze der
Verhältnismäßigkeit und der Beschleunigung des Verfahrens, erwidert die Klägerin, diesen
Grundsätzen werde durch den neuen Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung entsprochen.
Die achte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 bilde jedoch gerade eine Schranke des
Beschleunigungsgrundsatzes. Zudem begehe KirchPayTV einen Denkfehler, wenn sie den Grundsatz
aufstelle, dass die Einleitung der zweiten Prüfungsphase immer dann unverhältnismäßig sei, wenn in
der ersten Prüfungsphase vorgeschlagene Zusagen zur Lösung des Wettbewerbsproblems
ausreichten. Nur dann, wenn das Wettbewerbsproblem klar umrissen und leicht zu lösen sei, sei es
der Kommission möglich, bereits nach Abschluss der ersten Prüfungsphase zu beurteilen, ob die
Zusagen ihre ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens
mit dem Gemeinsamen Markt zerstreuen könnten. Wäre es der Kommission demgegenüber gestattet,
auch dann, wenn die Voraussetzungen der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr.
1310/97 nicht erfüllt seien, bereits nach Abschluss der ersten Prüfungsphase zu folgern, dass ihre
Bedenken zerstreut seien, so würde die Kommission dazu verleitet, in überhasteter Form
umfangreiche Zusagen zur Lösung hoch komplizierter Wettbewerbsprobleme zu akzeptieren, nur um
den beteiligten Unternehmen den Eintritt in die zweite Prüfungsphase zu ersparen.
140.
Auf das Vorbringen von KirchPayTV, die der Kommission zur Prüfung der vorgeschlagenen Zusagen
gesetzte Frist sei in der zweiten Prüfungsphase mit vier Wochen fast genauso knapp wie in der ersten
Prüfungsphase mit drei Wochen, erwidert die Klägerin, bei diesen Ausführungen bleibe offen, welche
Tragweite die achte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 habe oder warum diese
Begründungserwägung rechtlich keine Bedeutung habe. Ferner übersehe KirchPayTV, dass sich die
vierwöchige Prüfungsfrist der zweiten Prüfungsphase an einen Zeitraum von drei Monaten ab
Einleitung der zweiten Prüfungsphase anschließe, der wiederum die Frist der ersten Prüfungsphase
vorangehe. Innerhalb der drei Monate der zweiten Prüfungsphase habe die Kommission jedoch
Gelegenheit, sich mit den aufgeworfenen Wettbewerbsproblemen intensiv auseinander zu setzen.
Dagegen verfüge sie, falls sie das Zusammenschlussvorhaben bereits nach der ersten Prüfungsphase
auf der Grundlage von Zusagen der beteiligten Unternehmen für vereinbar mit dem Gemeinsamen
Markt erklären wolle, für eine verfahrensabschließende Entscheidung nur über eine Frist von
insgesamt sechs Wochen ab der Anmeldung des Vorhabens.
141.
Zum Vorbringen von KirchPayTV, aus dem Grünbuch der Kommission vom 31. März 1996 zur
Änderung der Fusionskontrollverordnung (KOM[96] 19 endg. vom 31. Januar 1996) gehe hervor, dass
nach Auffassung der Kommission zwei Wochen genügten, um die in der ersten Prüfungsphase
vorgeschlagenen Zusagen zu überprüfen, macht die Klägerin geltend, diese Passage (Nr. 126) sei in
Verbindung mit der Aussage der Kommission (Nr. 123) zu verstehen, dass Zusagen in der ersten
Prüfungsphase nur in den Fällen zu akzeptieren seien, „in denen das Wettbewerbsproblem klar
umrissen und im Vergleich zum Gesamtvorhaben begrenzt ist, mühelos geregelt werden kann und wo
die Einhaltung der eingegangenen Verpflichtungen leicht kontrollierbar ist“.
142.
Im vorliegenden Fall seien die in der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97
genannten Anforderungen nicht erfüllt. Daher seien die hier durch das Zusammenschlussvorhaben
aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen und nicht leicht zu lösen gewesen.
143.
Zur Begründung dieser Ansicht verweist die Klägerin erstens auf den Umstand, dass die
Kommission in jüngerer Zeit drei andere Zusammenschlussvorhaben, die Unternehmen der Kirch-
Gruppe sowie die deutschen Märkte für Bezahlfernsehen und damit verbundene technische und
administrative Dienstleistungen beträfen, für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt erklärt habe:
Entscheidung 94/922/EG vom 9. November 1994 (Sache IV/M.469 - MSG Media Service) (ABl. L 364, S.
1, nachstehend: Entscheidung MSG Media Service), Entscheidung 1999/153/EG vom 27. Mai 1998
(Sache IV/M.933 - Bertelsmann/Kirch/Premiere) (ABl. 1999, L 53, S. 1, nachstehend: Entscheidung
Bertelsmann/Kirch/Premiere), und Entscheidung 1999/154/EG vom 27. Mai 1998 (Sache IV/M.1027 -
Deutsche Telekom/BetaResearch) (ABl. 1999, L 53, S. 1, nachstehend: Entscheidung Deutsche
Telekom/BetaResearch).
144.
Bereits dieser Umstand zeige, dass die wettbewerbsrechtliche Problematik, die sich anlässlich der
vorliegenden Rechtssache auf denselben Märkten stelle und im Übrigen Ähnlichkeiten mit den drei
genannten Verfahren aufweise, weder begrenzt noch leicht zu lösen sei.
145.
Sie behaupte nicht, dass die Sachverhalte, die den genannten Untersagungsentscheidungen
zugrunde gelegen hätten, und der Sachverhalt der hier angefochtenen Genehmigungsentscheidung
gleich seien. Die durch die drei genannten Entscheidungen untersagten Zusammenschlüsse hätten
jedoch im Fall der Genehmigung die gleichen Auswirkungen auf den Wettbewerb wie der durch die
angefochtene Entscheidung genehmigte Zusammenschluss gehabt.
146.
In den drei genannten Entscheidungen und der angefochtenen Entscheidung stelle sich das
gleiche Problem einer Verstärkung der beherrschenden Stellung der Kirch-Gruppe auf dem
Bezahlfernsehmarkt, dem Markt für den Erwerb von Fernsehrechten und dem - erstmals in der
angefochtenen Entscheidung analysierten - Markt für digitale interaktive Fernsehdienste.
147.
Diese Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung der Kirch-Gruppe sei nach dem Erlass der
drei genannten Entscheidungen dadurch noch weiter zementiert worden, dass KirchPayTV den Pay-TV-
Sender Premiere von Bertelsmann und Canal+ SA übernommen habe und die Aktiva des digitalen Pay-
TV-Senders DF1 auf Premiere übertragen worden seien.
148.
Die allen vier Sachen gemeinsame Schwierigkeit liege in der korrekten Erfassung der Bedeutung
der technischen und administrativen Dienstleistungen für Digitalfernsehen und, im Zusammenhang
damit, der Kontrolle der Kirch-Gruppe über die Verschlüsselungstechnologie mittels des d-Box-
Dekoders.
149.
In den Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nr. 139) und Deutsche Telekom/BetaResearch
(Nrn. 64 und 78) seien die Zusammenschlüsse insbesondere deshalb für unvereinbar mit dem
Gemeinsamen Markt erklärt worden, weil die von den beteiligten Unternehmen gemachten Zusagen
die Kontrolle der Kirch-Gruppe über die Verschlüsselungstechnologie nicht hätten antasten können.
Dagegen habe die Kommission in der angefochtenen Entscheidung einen völlig anderen Ansatz
gewählt, indem sie Zusagen akzeptiert habe, die diese Kontrolle allerdings nicht beseitigen könnten.
150.
Dieser radikale Wechsel des Ansatzes lasse nur einen der beiden folgenden Schlüsse zu: Entweder
habe die Kommission im vorliegenden Fall Schwierigkeiten gehabt, die durch das
Zusammenschlussvorhaben aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme zutreffend zu erfassen - dann
wären diese nicht klar zu umreißen - oder sie habe die aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme korrekt
identifiziert. Treffe die zweite Alternative zu, so sei aus dem Umstand, dass die vorgeschlagenen
Zusagen in den Sachen, die zu den Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere und Deutsche
Telekom/BetaResearch geführt hätten, abgelehnt worden seien, während die im vorliegenden Fall
vorgeschlagenen Zusagen, die ähnlich seien, akzeptiert worden seien, zu folgern, dass die in diesen
Sachen aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme zwar identifizierbar, aber nicht leicht zu lösen seien.
151.
In beiden Fällen seien die Voraussetzungen für das Recht der Kommission, Zusagen in der ersten
Phase der Fusionskontrolle zu akzeptieren, nicht erfüllt.
152.
Die Klägerin widerspricht dem sowohl von KirchPayTV als auch von BSkyB vorgetragenen Argument,
die drei vorangegangenen Entscheidungen seien ein Beleg für die Erfahrung, die die Kommission in
der Analyse und Lösung von Wettbewerbsproblemen, die durch Zusammenschlussvorhaben auf den
fraglichen Märkten aufgeworfen werden könnten, gesammelt habe, und seien daher entgegen dem
klägerischen Vorbringen ein Indiz dafür, dass die Wettbewerbsprobleme vorliegend klar zu umreißen
und leicht zu lösen gewesen seien. Die Klägerin fragt sich insoweit, wie es die Streithelferinnen
erklärten, dass die Kommission im Jahr 1998 das Problem der Verstärkung der beherrschenden
Stellung der Kirch-Gruppe auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt nur auf dem Wege über die
Aufgabe der Kontrolle der Kirch-Gruppe über das Dekodiersystem d-Box als lösbar angesehen habe
und knapp zwei Jahre später angesichts völlig unveränderter Marktverhältnisse dieses Problem ohne
nähere Begründung auch ohne derartige Zusagen für lösbar halte.
153.
Zweitens verweist die Klägerin auf den Umstand, dass die Kommission hier das Problem habe lösen
müssen, ob und gegebenenfalls wie angesichts einer bestehenden und drohenden Monopolsituation
die Märkte für künftige potenzielle Wettbewerber offen gehalten werden könnten und wie verhindert
werden könne, dass andere Marktteilnehmer, die auf die monopolisierten Dienstleistungen für ihre
eigene Betätigung angewiesen seien, hierin von dem Verhalten des Monopolisten bestimmt würden.
Mithin seien die durch das Zusammenschlussvorhaben aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme äußerst
kompliziert und daher nicht klar umrissen und nicht leicht zu lösen.
154.
Drittens macht die Klägerin geltend, die Kompliziertheit der aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme
ergebe sich bereits aus der angefochtenen Entscheidung. Die Kommission habe zweimal, in den
Nummern 51 und 80, zum Ausdruck gebracht, dass das Zusammenschlussvorhaben Anlass zu
ernsthaften Bedenken hinsichtlich seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gebe, und zwar
weil zu erwarten sei, dass es die beherrschende Stellung von KirchPayTV auf dem deutschen
Bezahlfernsehmarkt verstärke (Nr. 51) und zur Begründung einer beherrschenden Stellung oder gar
eines Monopols von KirchPayTV auf dem zukünftigen Markt für digitale interaktive Fernsehdienste
führe (Nr. 80).
155.
Viertens verweist die Klägerin auf die Vielzahl und die Komplexität der von den beteiligten
Unternehmen vorgeschlagenen Zusagen, auf die äußerst kontrovers geführte Diskussion über sie
und auf die ständigen Abwandlungen dieser Zusagen im Laufe des Verfahrens.
156.
In diesem Zusammenhang widerspricht sie der Ansicht von BSkyB, je mehr Zusagen die beteiligten
Unternehmen machten, desto leichter werde die Wettbewerbsproblematik gelöst. Das Gegenteil sei
der Fall: Je mehr Zusagen die beteiligten Unternehmen machen müssten, um die
Wettbewerbsprobleme zu lösen, desto schwieriger und komplizierter sei deren Lösung.
157.
Schließlich widerspricht sie dem Argument von BSkyB, der Umstand, dass die Klägerin in ihren
Stellungnahmen im Verfahren selbst Zusagen vorgeschlagen habe, die die ernsthaften Bedenken
hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt
zerstreuen könnten, deute auf eine leichte Lösbarkeit der aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme hin.
Sie habe nämlich ihre Vorschläge nur hilfsweise und deswegen unterbreitet, weil sie von der
Kommission ausdrücklich dazu aufgefordert worden sei, und habe im Gegenteil in ihrer Stellungnahme
vor allem ausführlich begründet, warum ihrer Ansicht nach das Zusammenschlussvorhaben zwingend
für unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären sei. Überdies unterstelle BSkyB, dass
offenbar alle Zusammenschlussvorhaben, bei denen die wettbewerbsrechtlichen Probleme durch
Zusagen gelöst werden könnten, ohne weiteres als leicht lösbar anzusehen seien. Dies sei grob
fehlerhaft. Wäre dieser Gedanke richtig, dürften in der ersten Prüfungsphase vorgeschlagene
Zusagen nämlich überhaupt nur noch in dieser Phase akzeptiert werden, weil der Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit dann die Einleitung einer zweiten Prüfungsphase verbieten würde.
158.
Nach Auffassung der Kommission ist der Klagegrund unzulässig, da die Klägerin die rechtlichen
Argumente nicht deutlich genug darlege. Der Klagegrund sei völlig unsubstanziiert und werde lediglich
auf einen vagen Hinweis auf die Fusionskontrollpraxis gestützt.
159.
Die Kommission und die Streithelferinnen tragen vor, der Klagegrund sei unzulässig und jedenfalls
unbegründet.
Würdigung durch das Gericht
160.
Zum Vortrag der Kommission, der Klagegrund sei unzulässig, da die Klägerin ihre Argumentation
nicht deutlich genug darlege, indem sie sie ohne jegliche Begründung lediglich auf einen vagen
Hinweis auf die Fusionskontrollpraxis stütze, ist festzustellen, dass die Klageschrift zwar nicht sehr
explizit ist, sich aus ihr aber entnehmen lässt, dass die Klägerin eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 2
der Verordnung Nr. 4064/89 rügt. Im Übrigen ist das Vorbringen, dass die Klägerin ihre Argumentation
nicht ausreichend untermauert habe, im Rahmen der Begründetheit und nicht der Zulässigkeit zu
prüfen.
161.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Kommission habe den Zusammenschluss unter
Berücksichtigung der Zusagen nicht in der ersten Phase des Prüfungsverfahrens genehmigen dürfen,
da die Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen und nicht leicht zu lösen gewesen seien.
162.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass in der ursprünglichen Fassung der Verordnung Nr. 4064/89
die Annahme von Zusagen durch die Kommission in der ersten Prüfungsphase nicht ausdrücklich
geregelt war, da Artikel 8 Absatz 2 es der Kommission nur im Rahmen der zweiten Phase gestattete,
den Zusammenschluss für vereinbar zu erklären, wenn die ernsthaften Bedenken durch von den
Beteiligten angebotene Zusagen entkräftet werden können. Der Entscheidungen der ersten Phase
betreffende Artikel 6 Absatz 2 enthielt keine entsprechende Bestimmung, was anscheinend
bedeutete, dass die Kommission, wenn nach ihrer Ansicht das Zusammenschlussvorhaben Anlass zu
ernsthaften Bedenken gab, keine andere Wahl hatte, als die zweite Phase einzuleiten. In der Praxis
genehmigte die Kommission jedoch im Hinblick auf die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der
Beschleunigung, die für das Fusionskontrollverfahren kennzeichnend sind, mehrere
Zusammenschlüsse in der ersten Phase, wenn die von den Beteiligten angebotenen Zusagen die
Wettbewerbsprobleme lösen konnten.
163.
Durch die Verordnung Nr. 1310/97 wurde in die Fusionskontrollverordnung insbesondere eine
Bestimmung eingefügt, die es der Kommission ausdrücklich gestattet, einen Zusammenschluss in der
ersten Phase aufgrund von Zusagen, die die Beteiligten anbieten, zu genehmigen. In der achten
Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 heißt es: „Die Kommission kann einen
Zusammenschluss in der zweiten Verfahrensphase für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt
erklären, wenn die Parteien Verpflichtungen eingehen, die dem Wettbewerbsproblem gerecht werden
und dieses völlig aus dem Weg räumen. Es ist ebenso angemessen, entsprechende Verpflichtungen
in der ersten Verfahrensphase zu akzeptieren, wenn das Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und
leicht gelöst werden kann ...“ Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung in der Fassung der
Verordnung Nr. 1310/97 bestimmt zu der von der Kommission in der ersten Phase vorzunehmenden
Prüfung: „Stellt die Kommission fest, dass der angemeldete Zusammenschluss nach Änderungen
durch die beteiligten Unternehmen keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken im Sinne des
Absatzes 1 Buchstabe c gibt, so kann sie gemäß Absatz 1 Buchstabe b die Entscheidung treffen, den
Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären.“
164.
Folglich wirft der vorliegende Klagegrund zwei Fragen auf. Die erste geht dain, ob Artikel 6 Absatz 2,
wie die Klägerin geltend macht, es entsprechend der achten Begründungserwägung der Verordnung
Nr. 1310/97 in der ersten Phase nur dann zulässt, Zusagen zu akzeptieren, wenn das
Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und leicht gelöst werden kann, oder ob Zusagen, wie die
Kommission vorträgt, bereits in der ersten Phase selbst dann, wenn das Problem nicht klar umrissen
oder nicht leicht zu lösen ist, akzeptiert werden können, sobald sie es ermöglichen, festzustellen, dass
der Zusammenschluss keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken gibt, so wie dies im Rahmen der
zweiten Phase zulässig ist. Die zweite Frage, die dagegen die rechtliche Würdigung des Sachverhalts
betrifft, geht dahin, ob das durch das fragliche Zusammenschlussvorhaben aufgeworfene
Wettbewerbsproblem als klar umrissen und leicht zu lösen angesehen werden kann.
165.
Nach Auffassung des Gerichts ist mit der Prüfung der zweiten Frage zu beginnen.
166.
In der Klageschrift trägt die Klägerin zur Untermauerung dieses Klagegrundes nur vor, die
Kommission habe einen Anlass zu ernsthaften Bedenken festgestellt und in der Vergangenheit auf
den fraglichen Märkten drei Zusammenschlussvorhaben untersagt.
167.
Dieses Vorbringen, mit dem die Feststellung der Kommission beanstandet wird, dass Anlass zu
ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen
Markt bestehe, ist offensichtlich unbegründet. Denn nur dann, wenn die Kommission der Ansicht ist,
der geprüfte Zusammenschluss gebe Anlass zu ernsthaften Bedenken, werden die Beteiligten
aufgefordert, Zusagen zur Ausräumung dieser Bedenken vorzuschlagen. Die Zusagen haben
gegebenenfalls stets den Zweck, die ernsthaften Bedenken zu entkräften und das
Zusammenschlussvorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu machen. Folglich ist die
Tatsache, dass die Kommission einen Anlass zu ernsthaften Bedenken festgestellt hat, nicht zum
Nachweis geeignet, dass die hier aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen und nicht
leicht zu lösen waren.
168.
Zur Behauptung der Klägerin, die durch das fragliche Zusammenschlussvorhaben aufgeworfenen
Wettbewerbsprobleme seien nicht klar umrissen gewesen, ist festzustellen, dass die Klägerin in ihrer
Antwort auf das Auskunftsersuchen der Kommission vom 11. Januar 2000 insbesondere ihre
Auffassung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Zusammenschluss eine Verstärkung der
beherrschenden Stellung von KirchPayTV auf den Märkten für Bezahlfernsehen, für den Erwerb von
Programmrechten und für die Erbringung technischer Dienstleistungen für Bezahlfernsehen zur Folge
haben werde, und dass angesichts der weitgehenden Überschneidungen zwischen den technischen
Leistungen für die Erbringung von Diensten des Bezahlfernsehens und denen für die Erbringung
digitaler interaktiver Fernsehdienste (Set-Top-Boxen, elektronischer Programmführer,
Zugangskontrolldienste) die beherrschende Stellung der Kirch-Gruppe in Deutschland den Zutritt
potenzieller Wettbewerber zum Markt für digitale interaktive Fernsehdienste erheblich behindere. Die
Klägerin war also offenbar innerhalb von nur drei Tagen in der Lage, die Hauptprobleme des
potenziellen Wettbewerbs zu erkennen, die gerade auch von der Kommission in der angefochtenen
Entscheidung festgestellt werden. Daher kann die Klägerin nicht überzeugend behaupten, das
Zusammenschlussvorhaben habe Wettbewerbsprobleme aufgeworfen, die nicht klar umrissen
gewesen seien.
169.
Zu dem Umstand, dass die Kommission in der Vergangenheit auf den fraglichen Märkten bereits
drei Zusammenschlussvorhaben untersagte, ist zunächst festzustellen, dass jeder Zusammenschluss
nach seinen jeweiligen Auswirkungen auf den Markt untersucht werden muss. So könnte ein nach
einer Untersagung unverändert erneut angemeldeter Zusammenschluss gegebenenfalls genehmigt
werden, wenn die Marktverhältnisse sich so verändert hätten, dass er nicht mehr als mit dem
Gemeinsamen Markt unvereinbar erschiene. Daher könnte ein Vergleich zwischen unterschiedlichen
Zusammenschlussfällen gegebenenfalls nur dann relevant sein, wenn feststeht, dass sie die gleichen
Wettbewerbsprobleme aufwerfen und Märkte betreffen, deren Verhältnisse sich nicht verändert haben
und die die gleichen Merkmale aufweisen.
170.
Folglich reicht die bloße nicht näher erläuterte Behauptung, die Kommission habe bereits andere
Zusammenschlüsse auf den Fernsehmärkten in Deutschland untersagt, nicht aus, um darzutun, dass
die Kommission in der ersten Phase der Prüfung des fraglichen Zusammenschlusses keine Zusagen
akzeptieren durfte. Bereits aus diesem Grund ist die Rüge der Klägerin zurückzuweisen.
171.
Außerdem ist hervorzuheben, dass die von der Klägerin angeführten Entscheidungen nicht
einschlägig sind, da sie andere Beteiligte betreffen und die betroffenen Märkte und die
aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht vergleichbar sind.
172.
In der Entscheidung Bertelsmann/Kirch/Premiere ging es zwar wie hier um den Bezahlfernsehmarkt
in Deutschland, doch hatte sie einen Zusammenschluss zwischen den beiden einzigen auf dem
deutschen Markt tätigen Unternehmen, Bertelsmann und Kirch, zum Gegenstand, während die
vorliegende Entscheidung die Beteiligung des auf dem britischen Bezahlfernsehmarkt tätigen
Unternehmens BSkyB an einem auf dem deutschen Markt tätigen Unternehmen betrifft. Da die
Bezahlfernsehmärkte unstreitig national oder jedenfalls nach sprachlichen Gesichtspunkten
abzugrenzen sind, führt der fragliche Zusammenschluss nicht zu einer Häufung von Marktanteilen,
sondern lediglich zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von KirchPayTV durch die
Einbringung finanzieller Mittel von BSkyB. Die in den beiden Sachen aufgeworfenen
Wettbewerbsprobleme sind daher nicht vergleichbar.
173.
In der Entscheidung Deutsche Telekom/BetaResearch wurden andere Märkte als in der
vorliegenden Rechtssache untersucht. Durch den Zusammenschluss, der mit dem in der
Entscheidung Bertelsmann/Kirch/Premiere geprüften Zusammenschluss zusammenhing, sollte
Deutsche Telekom für die Einspeisung in ihre Kabelnetze Zugang zu der Kirchschen
Dekodertechnologie erhalten, was diese zur einzigen für Satelliten- und Kabelübertragung auf dem
deutschen Markt verfügbaren Technologie gemacht hätte; Deutsche Telekom, die die Kabelnetze
beherrscht, wäre daher in der Lage gewesen, Anbieter, die mit dem von Premiere über Satellit
übertragenen digitalen Programm-Bouquet konkurrieren wollten, von den Kabelnetzen auszusperren.
174.
In der Entscheidung MSG Media Service ging es um die Begründung einer beherrschenden Stellung
auf dem Markt für technische Dienstleistungen für Bezahlfernsehen in Deutschland, die auch zu einer
beherrschenden Stellung auf dem Bezahlfernsehmarkt geführt hätte. Sie ist daher mit der in der
vorliegenden Rechtssache angefochtenen Entscheidung, die sich auf einen besseren Zugang zu den
Finanzmitteln bezieht, ebenfalls nicht zu vergleichen.
175.
Die Behauptung der Klägerin in der Erwiderung, die diesen Sachen zugrunde liegenden
Sachverhalte seien zwar vom vorliegenden verschieden gewesen, doch hätten diese
Zusammenschlüsse im Fall der Genehmigung die gleichen Auswirkungen auf den Wettbewerb wie der
streitige Zusammenschluss gehabt, bestätigt nur, dass die in den fraglichen Sachen aufgeworfenen
Probleme nicht vergleichbar sind. So hätten die Zusammenschlüsse in diesen drei Sachen durch die
Vereinigung der verschiedenen konkurrierenden oder komplementären Aktivitäten der Beteiligten zur
Begründung von Monopolen geführt, während sich hier das Problem daraus ergibt, dass die Stellung
von KirchPayTV durch die Einbringung finanzieller Mittel von BSkyB gestärkt wird.
176.
Jedenfalls hat die Kommission die drei Untersagungsentscheidungen offenbar nicht deshalb
erlassen, weil die Wettbewerbsprobleme durch die Zusagen in der ersten Phase nicht klar umrissen
oder nicht leicht zu lösen gewesen wären, und die Klägerin behauptet dies auch nicht. Diese
Entscheidungen wurden nämlich am Ende der zweiten Phase erlassen, nicht weil die Probleme nicht
klar umrissen oder nicht leicht zu lösen gewesen wären, sondern weil die vorgeschlagenen Zusagen
der Beteiligten nicht ausreichten, um die ernsthaften Bedenken zu zerstreuen und das
Zusammenschlussvorhaben mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar zu machen. Wie die Klägerin
selbst hervorgehoben hat, ist der hier untersuchte Klagegrund nicht mit der im Rahmen des dritten
Klagegrundes erörterten Frage zu vermengen, ob die vorgeschlagenen und in die angefochtene
Entscheidung aufgenommenen Zusagen ausreichen.
177.
Die drei von der Klägerin angeführten Entscheidungen stellen also keineswegs einen Nachweis dar,
dass die hier aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen und nicht leicht zu lösen
waren; sie beweisen im Gegenteil die gründliche Kenntnis der Kommission auf diesem Gebiet. Zwar
unterschieden sich die Auswirkungen der drei Zusammenschlussvorhaben auf die
Wettbewerbsbedingungen, wie eben dargelegt, von denen in der vorliegenden Rechtssache, doch
gaben diese drei früheren Entscheidungen der Kommission bereits Gelegenheit, die
Wettbewerbsprobleme auf den deutschen Märkten für Bezahlfernsehen, für technische
Dienstleistungen und für Senderechte für Filme und Sportveranstaltungen zu untersuchen.
178.
Im Hinblick auf die reiche Erfahrung, die die Kommission in diesen vorherigen Sachen und einer
Reihe weiterer von der Klägerin nicht angeführter Entscheidungen der Kommission - darunter
insbesondere die Sache British Interactive Broadcasting/Open (Sache IV/36.539), wo es um die
Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens ging, das im Vereinigten Königreich unter Beteiligung
des Bezahlfernsehveranstalters BSkyB mit seiner Kontrolle über die Senderechte und die an den
Dekoder gebundenen technischen Dienstleistungen sowie des im Telekommunikationsbereich
dominierenden Betreibers British Telecom interaktive Fernsehdienste erbringt - gesammelt hat, ist das
Vorbringen, die Materie sei technisch komplex, unbegründet. Zudem schließen die hohe technische
Komplexität der Materie und der Umfang und die Komplexität der Zusagen es für sich allein noch nicht
aus, dass die ernsthaften Bedenken der Kommission hinsichtlich der Vereinbarkeit des
Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt leicht zerstreut werden können. Wenn
etwa ein technisches Gebiet für einen Laien auf den ersten Blick durchaus komplex erscheint, gilt dies
überdies nicht automatisch für Fachleute auf diesem Gebiet, zu denen in erster Linie natürlich die
Beteiligten und interessierte Dritte gehören, die erforderlichenfalls durchaus in der Lage sind, die
Kommission zu unterrichten. Im Übrigen werden in der Verordnung Zusammenschlussvorhaben nicht
nach dem betroffenen Sachgebiet unterschieden.
179.
Ebenso wenig kann ein Argument darauf gestützt werden, dass die Beteiligten zahlreiche Zusagen
abgegeben haben, denn dies kann auch ein Indiz dafür sein, dass die durch das
Zusammenschlussvorhaben aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme durch die Zusagen in jeder
Hinsicht gelöst werden konnten.
180.
Schließlich ist auch das auf die beherrschende Stellung von KirchPayTV oder allgemeiner der Kirch-
Gruppe abgestellte Vorbringen der Klägerin nicht substanziiert. Der Beherrschungsgrad ist nämlich für
sich allein noch kein Beweis dafür, dass das Problem nicht leicht zu lösen war.
181.
Nach alledem ist der zweite Klagegrund zurückzuweisen, weil nicht bewiesen worden ist, dass die
Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen hat, indem sie das Problem als klar umrissen und
leicht zu lösen ansah; eine Entscheidung darüber, ob Zusagen in der ersten Phase nur dann
akzeptiert werden dürfen, wenn die Wettbewerbsprobleme klar umrissen und leicht zu lösen sind, oder
ob es ausreicht, dass die Zusagen die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des
Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen Markt zerstreuen können, ist nicht erforderlich.
182.
Die Klägerin trägt vor, die von der Kommission akzeptierten Zusagen reichten nicht aus, um die
ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen
Markt auszuräumen. Sie stützt diesen Klagegrund auf Rügen, die alle Zusagen gemeinsam betreffen,
auf spezifisch einzelne Zusagen betreffende Rügen und auf Rügen, die sie aus dem Fehlen angeblich
gebotener Zusagen herleitet.
Vorbringen zu allen Zusagen gemeinsam
Vorbringen der Parteien
183.
Die Klägerin trägt erstens vor, die Fusionskontrolle müsse gegenüber der allgemeinen Aufsicht über
den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 82 EG einen Mehrwert bieten, d. h. nicht
nur den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung ausschließen, sondern auch die Entstehung
oder Verstärkung einer solchen Stellung verhindern (vgl. sinngemäß Nr. 137 der Entscheidung
2001/98/EG der Kommission vom 13. Oktober 1999 zur Vereinbarkeit eines Zusammenschlusses mit
dem Gemeinsamen Markt und dem EWR-Abkommen [Sache Nr. IV/M.1439 Telia/Telenor], ABl. 2001, L
40, S. 1).
184.
Sie folgert daraus, dass eine Zusage, die lediglich das Versprechen enthalte, eine
marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen, gegenüber der Überwachung nach Artikel 82 EG
keinen fusionskontrollrechtlichen Mehrwert biete. Eine solche Zusage sei nämlich nur auf das
Unterbleiben eines nach Artikel 82 EG ohnehin verbotenen Verhaltens, nämlich die missbräuchliche
Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung, gerichtet, könne aber nicht die Entstehung oder
Verstärkung einer solchen Stellung verhindern, was doch das Ziel der Fusionskontrolle sei.
185.
Zur Erreichung dieses Zieles müssten Zusagen spiegelbildlich im Verhältnis zu den durch das
Zusammenschlussvorhaben aufgeworfenen Wettbewerbsproblemen stehen.
186.
Die vorgeschlagenen Zusagen enthielten lediglich Versprechen, von der Kommission festgestellte
marktbeherrschende Stellungen nicht zu missbrauchen, könnten aber nicht die Entstehung oder
Verstärkung einer solchen Stellung verhindern. Folglich seien sie nicht geeignet, die ernsthaften
Bedenken der Kommission gegen die Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem
Gemeinsamen Markt zu entkräften. Die Kommission sei demnach dazu verpflichtet gewesen, sie nicht
zu akzeptieren, sondern die zweite Prüfungsphase einzuleiten.
187.
Die Klägerin widerspricht der Argumentation von KirchPayTV, die Zusagen seien für die
Unternehmen der Kirch-Gruppe, hier der BetaDigital, Gesellschaft für digitale Fernsehdienste GmbH
(nachstehend: BetaDigital), und der BetaResearch, Gesellschaft für die Entwicklung und Vermarktung
digitaler Infrastrukturen GmbH (nachstehend: BetaResearch), verbindlich, die einzeln keine
beherrschende Stellung auf den Märkten, auf denen sie tätig seien, hätten, so dass die Zusagen
mehr seien als das Versprechen, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen.
188.
Die Klägerin räumt ein, dass die Stellung von BetaDigital, die die technische Satellitenplattform der
Kirch-Gruppe betreibe, aufgrund der Bedeutung, die in Deutschland der Übertragungsweg Kabel
gegenüber dem Übertragungsweg Satellit habe, geschmälert werde. Indessen sei zu berücksichtigen,
dass die technische Plattform für die Kabelübertragung von einem Unternehmen, nämlich der MSG
MediaServices GmbH, einer Tochtergesellschaft von Deutsche Telekom, betrieben werde, das zwar
nicht zur Kirch-Gruppe gehöre, das aber die Verschlüsselungstechnologie der zur Kirch-Gruppe
gehörenden BetaResearch verwende. Für eine wirksame Öffnung der deutschen Märkte für
Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste, deren Dienstleistungen sich sinnvoll nur
über beide Übertragungswege, Kabel und Satellit, gemeinsam betreiben ließen, sei es unabdingbar
gewesen, darauf zu achten, dass diese Verschlüsselungstechnik nicht ausschließlich von der MSG
MediaServices GmbH verwendet werde.
189.
Zweitens trägt die Klägerin vor, die Zusagen stünden in Widerspruch zu der Mitteilung über
Abhilfemaßnahmen. Dort habe die Kommission das Urteil Gencor/Kommission ausgelegt und
festgestellt, Verpflichtungen müssten innerhalb kurzer Zeit effektiv durchgeführt werden können und
sollten keine zusätzliche Überwachung mehr benötigen (Nr. 10). Hier erforderten die Zusagen jedoch
entgegen diesem Grundsatz eine mittel- oder langfristige Überwachung.
190.
Drittens trägt die Klägerin vor, die Zusagen seien ausschließlich für die Kirch-Gruppe verbindlich.
Das dem Zusammenschluss zugrunde liegende Vertragswerk gewähre jedoch BSkyB unter bestimmten
Voraussetzungen die Option, die Alleinkontrolle über KirchPayTV zu übernehmen, also eine
marktbeherrschende Stellung einzunehmen, ohne ihrerseits an die Zusagen im Rahmen der
angefochtenen Entscheidung gebunden zu sein.
191.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen sind diese Rügen unbegründet.
Würdigung durch das Gericht
192.
Zunächst ist festzustellen, dass nach Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 die Kommission
den Zusammenschluss gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b für vereinbar mit dem Gemeinsamen
Markt erklären kann, wenn sie feststellt, dass der Zusammenschluss nach Zusagen seitens der
Beteiligten keinen Anlass mehr zu ernsthaften Bedenken gibt. Da die Verordnung die Begründung
oder Verstärkung von Marktstrukturen verhindern soll, die einen effektiven Wettbewerb im
Gemeinsamen Markt spürbar beeinträchtigen könnten, müssen die Zusagen geeignet sein, die
ernsthaften Bedenken, die nach Auffassung der Kommission gegen das Zusammenschlussvorhaben
bestehen, zu zerstreuen.
193.
Wie sich aus der Rechtsprechung ergibt, darf die Kommission nur solche Zusagen akzeptieren,
durch die die Entstehung oder Verstärkung der beherrschenden Stellung, die sie im Rahmen ihrer
Untersuchung des Zusammenschlussvorhabens festgestellt hat, verhindert werden kann. Um die
Einhaltung dieses Kriteriums nachzuprüfen, sind die Zusagen einzeln zu untersuchen, ohne dass es
darauf ankäme, ob die Zusage als verhaltensbezogene oder als strukturorientierte Verpflichtung
qualifiziert werden kann. Zwar verdienen strukturorientierte Verpflichtungen gegenüber
verhaltensbezogenen grundsätzlich den Vorzug, weil sie die Entstehung oder Verstärkung der
beherrschenden Stellung endgültig oder zumindest auf längere Zeit verhindern und mittel- oder
langfristig keine Überwachung erfordern, doch lässt es sich nicht a priori ausschließen, dass auf den
ersten Blick verhaltensbezogene Verpflichtungen wie der Zugang zu einer wesentlichen Infrastruktur
unter nichtdiskriminierenden Bedingungen ebenfalls geeignet sein können, die Entstehung oder
Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu verhindern (Urteil Gencor/Kommission, Randnr. 319).
194.
Im Übrigen muss angesichts der komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen, die die Kommission im
Rahmen der Ausübung des Ermessens vornimmt, über das sie bei der Bewertung der von den
Beteiligten des Zusammenschlusses angebotenen Zusagen verfügt, der Kläger, der eine
Entscheidung, mit der ein Zusammenschluss genehmigt wurde, für nichtig erklären lassen will, weil die
Zusagen nicht ausreichten, um die ernsthaften Bedenken zu zerstreuen, einen offensichtlichen
Beurteilungsfehler der Kommission nachweisen (Urteil des Gerichts vom 3. April 2003, Royal Philips
Electronics/Kommission, T-119/02, Slg. 2003, II-0000, Randnr. 78).
195.
Der Klagegrund der Unzulänglichkeit der Zusagen ist im Licht dieser Grundsätze zu prüfen.
196.
In der vorliegenden Rechtssache beruht die Feststellung der Kommission, es sei zu erwarten, dass
das fragliche Zusammenschlussvorhaben die beherrschende Stellung der Kirch-Gruppe auf dem
deutschen Bezahlfernsehmarkt verstärke und der Kirch-Gruppe eine beherrschende Stellung auf dem
zukünftigen Markt für digitale interaktive Fernsehdienste verschaffe, darauf, dass Dritten der Zutritt zu
dem fraglichen Markt versperrt wird. Die Klägerin stellt die in der angefochtenen Entscheidung
beschriebenen ernsthaften Bedenken nicht in Abrede und behauptet nicht, dass der
Zusammenschluss Anlass zu anderen ernsthaften Bedenken gebe, sondern trägt lediglich vor, dass
die Zusagen nicht ausreichten, um diese Bedenken auszuräumen.
197.
Um diese ernsthaften Bedenken zu zerstreuen, hat die Kommission ein umfangreiches
Zusagenpaket gefordert und akzeptiert. Mit den Zusagen wurde bezweckt, die festgestellten
Wettbewerbsprobleme dadurch zu lösen, dass die Marktzutrittssperren hinsichtlich des Angebots von
Dienstleistungen des Bezahlfernsehen gesenkt werden und KirchPayTV daran gehindert wird, ihre
angebliche beherrschende Stellung auf dem Markt für Dienstleistungen des Bezahlfernsehens im
Rahmen ihrer Tätigkeiten auf dem Markt für digitale interaktive Fernsehdienste zu ihrem Vorteil
auszunutzen. Die erste Gruppe dieser Zusagen betrifft im Wesentlichen den freien Marktzugang für
Inhalteanbieter (Zusagen 1 bis 5). Durch die zweite Zusagengruppe sollen die Marktzutrittschwellen
für Betreiber technischer Plattformen gesenkt und damit zusätzliche Möglichkeiten zur Verbreitung von
Inhalten über konkurrierende Plattformen geschaffen werden (Zusagen 6 bis 10). Damit scheint das
Zusagenpaket auf den ersten Blick zu einer entsprechenden Senkung der Marktzutrittsschwellen zu
führen und die ernsthaften Bedenken, die durch die sich aus dem Zusammenschluss ergebende
Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von KirchPayTV veranlasst sind, zu zerstreuen.
198.
Im ersten Teil des Klagegrundes trägt die Klägerin drei allgemeine Rügen vor, die sich auf alle
Zusagen beziehen.
199.
Zur ersten Rüge, mit der beanstandet wird, die Zusagen enthielten lediglich Versprechen, von der
Kommission festgestellte marktbeherrschende Stellungen nicht zu missbrauchen, ist zunächst
festzustellen, dass die Zusagen, obzwar sie eher verhaltensbezogener Natur sind, einen
strukturorientierten Charakter aufweisen, da sie ein Strukturproblem lösen sollen, nämlich das des
Marktzutritts Dritter. Die Kommission konnte somit vernünftigerweise annehmen, dass durch den
Abschluss von Simulcrypt-Vereinbarungen, die Offenlegung der Programmierschnittstelle des d-Box-
Dekoders für Dritte, die Implementierung der standardisierten DVB-MHP und die Vergabe von Lizenzen
für die d-Box-Technologie sowie für die Herstellung von d-Boxen auf allen Ebenen der digitalen
Infrastruktur Wettbewerb konsequent ermöglicht und gestärkt werde. Folglich können die Zusagen
nicht als bloße verhaltensbezogene Zusagen angesehen werden, die die von der Kommission
festgestellten Wettbewerbsprobleme nicht lösen konnten.
200.
Da durch die Zusagen, wie oben festgestellt, die Struktur der digitalen Übertragung auf allen
Ebenen für den Wettbewerb geöffnet wird, gehen sie in ihrer Tragweite weit über ein einfaches
Verbot, eine marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen, hinaus.
201.
Sodann ist klarzustellen, dass es nicht darum geht, ob den Verpflichtungen aus den Zusagen
angeblich Artikel 82 EG zugrunde liegt, sondern vielmehr darum, ob die Zusagen die durch den
Zusammenschluss verursachten Probleme lösen können. Die Klägerin hat jedoch in ihrer Klageschrift
die Geeignetheit der Zusagen nur abstrakt in Frage gestellt und ihre Verhältnismäßigkeit gegenüber
den von der Kommission klar umrissenen Wettbewerbsproblemen nicht geprüft.
202.
Im Übrigen hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Zusagen gegenüber der allgemeinen
Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach Artikel 82 EG keinen Mehrwert
bieten. Im Rahmen der allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung
nach Artikel 82 EG ist der Nachweis einer marktbeherrschenden Stellung und ihres Missbrauchs von
der Kommission und den Dritten zu führen. Dagegen bewirken die Zusagen, die bei einer
Genehmigungsentscheidung über einen Zusammenschluss in Form einer Bedingung auferlegt
werden, einen Übergang der Beweislast für ihre Einhaltung auf die an dem fraglichen
Zusammenschluss beteiligten Unternehmen. Insoweit gehen die Zusagen bereits über die allgemeine
Aufsicht nach Artikel 82 EG hinaus.
203.
Hierzu ist überdies festzustellen, dass ohne Zusagen die Einleitung eines nationalen oder
gemeinschaftlichen Verfahrens nach Artikel 82 EG geboten wäre, dessen Ausgang ungewiss und
dessen Ergebnis jedenfalls schwerer durchzusetzen wäre. Die Rechtssubjekte wären einer größeren
Rechtsunsicherheit ausgesetzt. Dagegen erlegen die Zusagen genau festgelegte Verpflichtungen
auf, die binnen kurzer Fristen zu erfüllen sind und deren Einhaltung durch ein wirksames und
bindendes Schiedsverfahren sichergestellt ist, in dem die Kirch-Gruppe die Beweislast trägt. Die
Zusagen bieten damit eine weit größere Rechtssicherheit als Artikel 82 EG.
204.
Die Klägerin hat außerdem auch nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung
von Artikel 82 erfüllt sind.
205.
So ergibt sich zwar aus der angefochtenen Entscheidung, dass KirchPayTV auf dem deutschen
Bezahlfernsehmarkt eine beherrschende Stellung hält, doch hat die Klägerin nicht nachgewiesen oder
auch nur dargelegt, wodurch KirchPayTV diese beherrschende Stellung missbraucht haben soll.
Dagegen wird das Zusagenpaket die Zutrittssperren für Dritte sowohl auf dem Bezahlfernsehmarkt als
auch auf den benachbarten Märkten mit sofortiger Wirkung erheblich senken.
206.
Ferner sind die Zusagen für eine Reihe von Unternehmen der Kirch-Gruppe verbindlich, die auf
anderen Märkten als den durch die angefochtene Entscheidung erfassten tätig sind und für die keine
beherrschende Stellung auf den fraglichen Märkten oder auf den Märkten, auf denen sie tätig sind,
festgestellt worden ist.
207.
So richten sich die Zusagen l bis 3 an BetaDigital, die die technische Satellitenplattform der Kirch-
Gruppe betreibt, über die neben den Programmen von KirchPayTV auch die Programme anderer
Fernsehanstalten verbreitet werden. Da in Deutschland die Übertragung über Satellit weit geringere
Bedeutung hat als die Übertragung über Kabel und die technische Kabelplattform von der MSG
MediaServices GmbH, einer Tochtergesellschaft von Deutsche Telekom, also von einem nicht zur Kirch-
Gruppe gehörenden Unternehmen betrieben wird, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen, dass
BetaDigital auf dem Markt für technische Dienstleistungen eine marktbeherrschende Stellung hat.
208.
Ebenso wenig hat die Klägerin nachgewiesen, dass im vorliegenden Fall die Merkmale des
fraglichen Marktes und die Stellung der Unternehmen der Kirch-Gruppe auf diesem Markt den
restriktiven Voraussetzungen für die Anwendung der Rechtsprechung über wesentliche
Infrastrukturen genügen, geschweige denn, dass sie es gestattet hätten, diesen Unternehmen
deshalb Verpflichtungen aufzuerlegen oder gegen sie Sanktionen zu verhängen, die in gleicher Weise
wie die Zusagen die Öffnung der Märkte für den Wettbewerb erleichtern.
209.
Zudem ist bei Verpflichtungen im Rahmen von Zusagen die Ahndung der Nichteinhaltung wirksamer
als bei gesetzlichen Pflichten aufgrund von Artikel 82 EG. Aus Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Nr.
4064/89 geht nämlich hervor, dass die Kommission die getroffene Entscheidung widerrufen kann,
wenn die beteiligten Unternehmen einer dort vorgesehenen Auflage zuwiderhandeln. Artikel 82 EG
sieht keine solche Sanktion vor.
210.
Zur zweiten Rüge, mit der beanstandet wird, die Zusagen hätten nicht akzeptiert werden dürfen, da
sie eine mittelfristige Überwachung erforderten, ist festzustellen, dass die Mitteilung über
Abhilfemaßnahmen nicht die Bedeutung und Tragweite hat, die ihr die Klägerin beilegt.
211.
In Nummer 10 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen weist die Kommission darauf hin, dass, sobald
der Zusammenschluss vollzogen worden sei, die gewünschten Wettbewerbsbedingungen am
relevanten Markt nicht tatsächlich wiederhergestellt würden, solange die Verpflichtungen unerfüllt
blieben, und erläutert, Verpflichtungen müssten effektiv innerhalb kurzer Zeit durchgeführt werden
können und sollten keine zusätzliche Überwachung mehr benötigen. Die Kommission will durch diese
Erläuterung nicht jegliche Überwachung der Durchführung der Zusagen durch die Kommission
ausschließen, sondern sicherstellen, dass die Zusagen geeignet sind, die durch den
Zusammenschluss aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme zu lösen, so dass nach ihrer Durchführung
nicht zusätzlich eine laufende Überwachung durch die Kommission erforderlich ist.
212.
In der vorliegenden Rechtssache sehen die Zusagen eine Reihe genauer Maßnahmen zur Öffnung
des Zugangs zu den verschiedenen Märkten und ein bindendes Schiedsverfahren für den Fall von
Schwierigkeiten bei der Durchführung vor.
213.
Zur dritten Rüge, mit der beanstandet wird, das angemeldete Vertragswerk schließe auch die
Übernahme alleiniger Kontrolle über die KirchPayTV durch die BSkyB ein, genügt es, festzustellen, dass
die angefochtene Entscheidung ausschließlich den Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über
KirchPayTV durch BSkyB und Kirch betrifft. Die Übernahme der Kontrolle über KirchPayTV durch BSkyB
allein würde ein neues Vorhaben darstellen, das bei der Kommission anzumelden und Gegenstand
einer neuen Untersuchung wäre.
214.
Nach alledem sind die im Rahmen des ersten Teils des Klagegrundes vorgetragenen Rügen
zurückzuweisen.
Spezifisches Vorbringen zu einzelnen Zusagen
Zugang Dritter zur Plattform Kirchs (Zusagen l bis 3)
-
215.
Die Klägerin trägt vor, die Zusagen, interessierten Dritten Zugang zur technischen Plattform der
Kirch-Gruppe zu gewähren, d. h. technische Dienstleistungen zu fairen, angemessenen und
nichtdiskriminierenden Bedingungen anzubieten, seien nur eine Wiederholung der Rechtspflicht, die
einen marktbeherrschenden Anbieter von Einrichtungen, die andere benötigten, um ihre
wirtschaftliche Tätigkeit ausüben zu können, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ohnehin
treffe. Einen marktbeherrschenden Anbieter einer Infrastruktur, die für die Erbringung anderer
Dienstleistungen auf nachgelagerten Märkten unentbehrlich sei und von anderen Marktteilnehmern
nicht mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand dupliziert werden könne, treffe die Verpflichtung, diesen
Marktteilnehmern Zugang zu der betreffenden Infrastruktur zu gewähren (Urteile des Gerichtshofes
vom 6. April 1995 in den Rechtssachen C-241/91 P und C-242/91 P, RTE und ITP/Kommission, Slg.
1995, 743, Randnrn. 48 ff., und vom 26. November 1998 in der Rechtssache C-7/97, Bronner, Slg.
1998, I-7791, Randnrn. 23 ff.).
216.
Durch diese Zusagen werde es der KirchPayTV demnach lediglich erschwert, ihre
marktbeherrschende Stellung zu missbrauchen, ohne die durch den Zusammenschluss
herbeigeführte Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung selbst in Frage zu stellen. Sie reichten
daher nicht aus.
217.
Die Zusagen machten eine zusätzliche mittel- und langfristige Überwachung durch die Kommission
erforderlich, die dem Urteil Gencor/Kommission und der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen
widerspreche.
218.
Die Klägerin bestreitet die Behauptung der KirchPayTV, dass der Markt für technische
Dienstleistungen nicht von dem Zusammenschlussvorhaben betroffen sei. Diese Behauptung stehe in
Widerspruch zu der von der KirchPayTV anerkannten Tatsache, dass durch die Zusagen, potenziellen
Wettbewerbern Zugang zu den technischen Dienstleistungen der Kirch-Gruppe zu gewähren, die durch
den Zusammenschluss ausgelösten wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausgeräumt werden sollten.
Damit gebe die KirchPayTV stillschweigend zu, dass die Öffnung des Marktes für technische
Dienstleistungen von entscheidender Bedeutung für den Zugang der potenziellen Wettbewerber zu
den Märkten für Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste sei.
219.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
-
220.
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, die Zusagen, durch die interessierten Dritten Zugang
zur technischen Plattform der Kirch-Gruppe verschafft werden solle, seien nur eine Anwendung der
nach Artikel 82 EG jedem marktbeherrschenden Unternehmen obliegenden Verpflichtung, seine
technischen Dienstleistungen Dritten zur Verfügung zu stellen, um ihnen zu ermöglichen, mit ihm in
Wettbewerb zu treten. Sie bestreitet damit, dass die Zusagen ausreichen.
221.
Durch die drei ersten Zusagen der Kirch-Gruppe soll Inhalteanbietern Zutritt zum
Bezahlfernsehmarkt und zum Markt für digitale interaktive Fernsehdienste verschafft werden. Sie
gewährleisten den Zugang zur technischen Satellitenplattform der Kirch-Gruppe zu fairen,
angemessenen und nichtdiskriminierenden Bedingungen, damit ihre digitalen Dienstleistungen über
die d-Box empfangen werden können. Die drei Zusagen haben dadurch eine strukturbezogene
Auswirkung. Sie stellen nicht nur ein Versprechen dar, eine beherrschende Stellung im Sinne von
Artikel 82 EG nicht zu missbrauchen, und scheinen nicht von vornherein ungeeignet zu sein, die hier
durch den Zusammenschluss aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme zu lösen.
222.
Im Übrigen werden die verschiedenen Dienstleistungen allesamt getrennt angeboten, für jede
Dienstleistung besteht eine Pflicht zur getrennten Buchführung und zur Offenlegung der Bücher
gegenüber Dritten innerhalb von zwei Wochen, die Kirch-Gruppe ist zur Offenlegung der Preise und
Geschäftsbedingungen verpflichtet, und es bestehen Kooperationspflichten sowie eine Pflicht zur
Gleichbehandlung von Dritten mit Unternehmen der Kirch-Gruppe.
223.
Zudem sind die Zusagen für eine Reihe von Unternehmen der Kirch-Gruppe verbindlich, die auf
anderen Märkten als den durch die angefochtene Entscheidung erfassten tätig sind und für die keine
beherrschende Stellung auf dem fraglichen Markt oder auf den Märkten, auf denen sie tätig sind,
festgestellt worden ist. Es ist daher nicht ersichtlich, dass diese Unternehmen in den
Anwendungsbereich von Artikel 82 EG-Vertrag fallen. Daher kann nicht angenommen werden, dass die
Zusagen zum Inhalt haben, nicht gegen Artikel 82 EG zu verstoßen.
224.
Dieses Ergebnis wird nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass Artikel 82 EG in
Ausnahmefällen auch strukturelle Wettbewerbsprobleme erfasst, die denjenigen, die zu der Zusage
geführt haben, ähnlich sind (Urteile des Gerichtshofes vom 21. Februar 1973 in der Rechtssache 6/72,
Europemballage und Continental Can/Kommission, Slg. 1973, 215, RTE und ITP/Kommission, Randnrn.
48 ff., und Bronner, Randnrn. 23 ff.).
225.
Nach der genannten Rechtsprechung kann ein Missbrauch nur dann angenommen werden, wenn
durch die Verweigerung des Zugangs zu einer Infrastruktur, die für Dienstleistungen auf
nachgelagerten Märkten wesentlich ist, jeglicher Wettbewerb auf dem nachgelagerten Markt
ausgeschaltet wird, ohne dass dies objektiv zu rechtfertigen wäre.
226.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass Kirch über eine derartige für sie mit
diesen Verpflichtungen verbundene Infrastruktur verfügt.
227.
Im Gegenteil ist zum einen festzustellen, dass die Übertragung digitaler Signale über Kabelnetze
oder über Satellit erfolgen kann. Mit dem FUN-Projekt soll gerade einer alternative Plattform
aufgebaut werden, allerdings nur für die Übertragung über Satellit. In Nummer 62 der angefochtenen
Entscheidung wird jedoch festgestellt, dass in Deutschland die Übertragung über Satellit nicht mit der
über Kabel vergleichbar ist, weil ein Fernsehveranstalter, der ausschließlich über Satellit überträgt,
nur ein Drittel der Haushalte erreichen könnte. Zum anderen verfügt Kirch im Bereich der
Kabelübertragung nur über die Technologie, die in den Deutsche Telekom gehörenden Kabelnetzen
verwendet wird.
228.
Nach alledem ist diese Rüge zurückzuweisen.
Öffnung des Zugangs zum d-Box-System von Kirch für Applikationen Dritter (Zusage 4)
- Vorbringen der Parteien
229.
Die Klägerin trägt erstens vor, die Eröffnung des Zugangs zum d-Box-System für Applikationen
Dritter stelle lediglich die Wiederholung einer ohnehin gemäß der Rechtsprechung zu Artikel 82 EG
geltenden Rechtspflicht dar. Da das d-Box-System, wie aus der angefochtenen Entscheidung (Nrn. 61
ff.) hervorgehe, bereits eine Monopolstellung bedeute, unterliege es ohnehin der allgemeinen
Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG. Die fragliche
Zusage enthalte keine absolute Pflicht zur Gewährung des Zugangs, sondern stehe unter dem
Vorbehalt, dass zwischen Kirch und den Dritten eine Vereinbarung zu fairen, angemessenen und
nichtdiskriminierenden Bedingungen zustande komme. Durch diese Zusage werde somit lediglich eine
auf Dauer angelegte Verhaltenskontrolle eingeführt, wie sie bereits ohnehin nach Artikel 82 EG für
marktbeherrschende Unternehmen gelte, und es werde Dritten insoweit kein Mehrwert geboten.
230.
Zweitens wäre nur eine Aufgabe der Kontrolle der Kirch-Gruppe über das d-Box-System ausreichend
gewesen.
231.
Hierzu trägt die Klägerin zum einen vor, die Zusage ändere nichts an der Tatsache, dass die Kirch-
Gruppe die Kontrolle über die technologische Entwicklung des d-Box-Systems behalte. In den
Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nrn. 37 bis 39) sowie Deutsche Telekom/BetaResearch
(Nrn. 56 bis 61) habe die Kommission die fraglichen Zusammenschlüsse für unvereinbar mit dem
Gemeinsamen Markt erklärt, um insbesondere zu verhindern, dass die Technologie des d-Box-Systems
der einzige im deutschsprachigen Raum benutzte digitale Standard werde und dass infolgedessen
jeder weitere potenzielle Betreiber eines Zugangskontrollsystems von der Lizenzpolitik des zur Kirch-
Gruppe gehörenden Unternehmens BetaResearch abhängen würde. Die Herrschaft Kirchs über die
technologische Infrastruktur und die dadurch bedingte Abhängigkeit Dritter von der Gewährung einer
Lizenz durch die Kirch-Gruppe sei durch die fragliche Zusage gerade nicht beseitigt worden. In den
Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nr. 139) und Deutsche Telekom/BetaResearch (Nr. 64)
habe die Kommission ähnliche Zusagen wie die im vorliegenden Fall gemachten abgelehnt, weil sie
der Herrschaft der Kirch-Gruppe über die Technologie des d-Box-Systems nicht hätten entgegenwirken
können.
232.
Dementsprechend weist die Klägerin das Vorbringen der Kommission zurück, die Entscheidungen
Bertelsmann/Kirch/Premiere und Deutsche Telekom/BetaResearch seien mit dem vorliegenden Fall
nicht vergleichbar. Diese Sachen unterschieden sich von der vorliegenden zwar hinsichtlich des
Sachverhalts, nicht aber bezüglich der Wettbewerbsprobleme, die sich in allen diesen Fällen in
identischer Form stellten.
233.
Zum anderen trägt die Klägerin vor, die Zusage entspreche nicht den Kriterien, die die Kommission
in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen aufgestellt habe. Dort sei ausgeführt: „Stellt sich das
Wettbewerbsproblem aufgrund der Kontrolle über eine Schlüsseltechnologie, so ist die Veräußerung
der betreffenden Technologie die beste Abhilfemaßnahme, da hierdurch jede weitere Beziehung
zwischen der fusionierten Einheit und ihren Wettbewerbern unterbunden wird. Allerdings kann die
Kommission auch Lizenzvereinbarungen (vornehmlich ausschließliche Lizenzen ohne irgendeine
Verwendungsbeschränkung für den Lizenznehmer) als Alternative akzeptieren, wenn z. B. durch eine
Veräußerung effiziente, fortlaufende Forschungstätigkeiten behindert würden ...“ (Nr. 29).
234.
Die Klägerin leitet daraus ab, dass im vorliegenden Fall das Problem der beherrschenden Stellung
von KirchPayTV auf den Märkten für Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste im
Grundsatz nur durch eine völlige Aufgabe der Kontrolle der Kirch-Gruppe über die
Verschlüsselungstechnologie, die für den Zutritt zu diesen Märkten in Deutschland wesentlich sei,
hätte gelöst werden können, was die Aufgabe der Kontrolle der Kirch-Gruppe über BetaResearch
bedeutet hätte. Zu keinem Zeitpunkt hätten die am Zusammenschluss Beteiligten Argumente für eine
Ausnahme von dem in der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen dargelegten Prinzip vorgetragen,
insbesondere nicht für den dort genannten Fall der Behinderung laufender Forschungstätigkeiten.
235.
Schließlich weist die Klägerin das Vorbringen von KirchPayTV zurück, durch die Zusage könnten
dritte Anbieter ihre Angebote mittels der d-Box unabhängig von einer Lizenz oder einer Genehmigung
der Kirch-Gruppe erbringen. Die Zusage erfasse nämlich nicht die Technologie der Zugangskontrolle
und lasse daher für dritte Anbieter die technische Notwendigkeit unberührt, mit der Kirch-Gruppe eine
Vereinbarung über die Verwendung dieser Technologie, hier eine Simulcrypt-Vereinbarung, zu
schließen. Diese Konsequenz hätte nur vermieden werden können, wenn die Kirch-Gruppe es, wie von
ihr bereits im Verwaltungsverfahren gefordert, akzeptiert hätte, dass in die d-Box eine gemeinsame
Schnittstelle installiert werde; dagegen habe sich die Kirch-Gruppe jedoch bisher vehement gewehrt.
236.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
237.
Die Klägerin hält die Eröffnung des Zugangs zum System der d-Box nicht für ausreichend. Sie macht
geltend, da das d-Box-System bereits eine Monopolstellung bedeute, unterliege es ohnehin der
allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung gemäß Artikel 82 EG. Nur
eine Aufgabe der Kontrolle der Kirch-Gruppe über das d-Box-System wäre ausreichend gewesen.
238.
Es ist hervorzuheben, dass das Zusammenschlussvorhaben an der von der Kirch-Gruppe
ausgeübten Kontrolle nichts ändert.
239.
Durch diese vierte Zusage stellt Kirch sicher, dass die Applikationen-Schnittstelle (das d-Box-
System) für Dritte offen ist und dadurch zusätzliche Applikationen, wie z. B. Programmführer,
ermöglicht.
240.
Die Klägerin legt nicht dar, warum nur eine Aufgabe der Kontrolle der Kirch-Gruppe über das d-Box-
System ausreichend gewesen wäre, um die Bedenken gegen den Zusammenschluss auszuräumen.
241.
Im Übrigen ist der Markt für die digitale Verschlüsselungstechnologie, wie bereits erwähnt, durch
den Zusammenschluss nicht betroffen. Da es zudem Dritten durch die Zusage ermöglicht wird, ihre
Dienstleistungen über die d-Box unabhängig von einer Lizenz oder einer Genehmigung der Kirch-
Gruppe zu erbringen, scheint die Kontrolle über dieses System, seine weitere Entwicklung unterstellt,
nicht geeignet zu sein, Dritten den Zugang zu den Märkten für Bezahlfernsehen oder für digitale
interaktive Fernsehdienste zu versperren.
242.
Das Vorbringen der Klägerin, die Zusage stelle lediglich die Wiederholung einer sich aus Artikel 82
EG ergebenden Rechtspflicht dar, ist aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen.
243.
Die Rüge in Bezug auf diese Zusage ist daher zurückzuweisen.
244.
Dieses Ergebnis wird nicht durch das Argument der Klägerin in Frage gestellt, die Kommission habe
in den Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere und Deutsche Telekom/BetaResearch ähnliche
Zusagen wie die im vorliegenden Fall gemachten abgelehnt, weil sie der Herrschaft der Kirch-Gruppe
über die Technologie des d-Box-Systems nicht hätten entgegenwirken können. Der streitige
Zusammenschluss und die dadurch aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme sind nämlich, wie oben
ausgeführt, nicht mit denjenigen zu vergleichen, um die es in diesen drei Entscheidungen ging.
245.
Überdies ist, um zu prüfen, ob die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen
hat, zu untersuchen, ob sie annehmen durfte, dass sich die festgestellten Wettbewerbsprobleme
durch das Paket der angebotenen Zusagen lösen lassen; dagegen kommt es nicht darauf an, ob eine
Zusage für sich allein im Fall eines anderen Zusammenschlusses als nicht ausreichend befunden
wurde. Im vorliegenden Fall gelangte die Kommission am Ende der Phase I zu dem Ergebnis, dass die
durch den Zusammenschluss aufgeworfenen ernsthaften Bedenken durch die Zusagen ausgeräumt
würden. Die Zusage hat nämlich den Zweck, interessierten Dritten die Möglichkeit zu geben,
Applikationen für das interaktive Digitalfernsehen auf der technischen Plattform von Kirch zu
entwickeln. Insbesondere im Hinblick auf die Interoperabilität der Applikationen ist nicht ersichtlich,
dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, indem sie annahm,
dass diese Zusage auch zu einer Öffnung des Marktes für Digitalfernsehen führen wird.
246.
Folglich ist diese Rüge zurückzuweisen.
Interoperabilität der Applikationen (Zusage 5)
- Vorbringen der Parteien
247.
Die Klägerin trägt vor, die Zusage, die Interoperabilität der Applikationen zu gewährleisten, stelle
schlicht und einfach eine notwendige Ergänzung zu der oben behandelten Zusage dar, durch die der
laufenden Verhaltenskontrolle nur ein weiteres Element hinzugefügt werde, ohne dass das
Wettbewerbsproblem gelöst werde, das bereits in den Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere
und Deutsche Telekom/BetaResearch sowie in der angefochtenen Entscheidung (insbesondere Nr.
61) festgestellt worden sei und in der Kontrolle der Kirch-Gruppe über das d-Box-System bestehe.
248.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
249.
Mit der fünften Zusage will die Kirch-Gruppe die Interoperabilität der Applikationen, d. h. das
Bestehen eines gemeinsamen Standards, des MHP-Standards, gewährleisten.
250.
Wie bereits erwähnt, können verhaltensbezogene Zusagen akzeptiert werden, wenn sie
strukturbezogene Auswirkungen haben, d. h. wenn sie geeignet sind, die Entstehung oder
Verstärkung einer beherrschenden Stellung zu verhindern (Urteil Gencor/Kommission).
251.
Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die fragliche Zusage nicht zu dieser Gruppe gehört.
Durch die Interoperabilität der Applikationen soll im Gegenteil sichergestellt werden, dass
interessierte Dritten die Möglichkeit haben, Applikationen für das interaktive Digitalfernsehen zu
entwickeln, die für mehrere technische Plattformen geeignet sind. Entgegen dem Vorbringen der
Klägerin erscheint der Aufbau konkurrierender technischer Plattformen vorstellbar, da das Projekt des
FUN-Verbands gerade die Entwicklung einer solchen technischen Plattform zum Zweck hat.
252.
Zudem erfordert die Verpflichtung zur Implementierung des DVB-MHP-Standards entgegen dem
Vorbringen der Klägerin keine laufende Verhaltenskontrolle, da durch die standardisierte Schnittstelle
der Markt für die Anbieter konkurrierender Applikationen strukturell geöffnet wird. Damit können
entwickelnde Unternehmen nämlich Anwendungen unabhängig von einer Lizenz oder einer
Genehmigung der Kirch-Gruppe verwendungsfertig entwickeln und entsprechende Dienstleistungen
anbieten.
253.
Im Übrigen ermöglicht die vierte in Verbindung mit der fünften Zusage eine Öffnung des Marktes für
die Applikationen.
254.
Jedenfalls ist festzustellen, dass die Klägerin nicht nachgewiesen hat, dass die Kommission einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat.
255.
Nach alledem ist diese Rüge zurückzuweisen.
Interoperabilität miteinander im Wettbewerb stehender Plattformen (Zusage 6)
- Vorbringen der Parteien
256.
Die Klägerin trägt vor, die Zusage der Kirch-Gruppe, für den Abschluss von Simulcrypt-
Vereinbarungen mit den Betreibern konkurrierender technischer Plattformen zu sorgen, sei nicht
geeignet, die beherrschende Stellung, die die Kirch-Gruppe auf dem Markt für technische
Dienstleistungen, zu dem auch die Zugangskontrollsysteme gehörten, aufgrund ihres geschützten
Zugangskontrollsystems der d-Box habe, in Frage zu stellen. Die Zusage stelle eine Verhaltenspflicht
dar, die die Kirch-Gruppe nach Artikel 82 EG ohnehin treffe, und biete daher gegenüber der
allgemeinen Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden Stellung nach diesem Artikel keinen
Mehrwert.
257.
Der Inhalt der Verhaltenspflicht, der sich die Kirch-Gruppe unterworfen habe, sei nämlich
außerordentlich vage ausgestaltet. Zunächst verpflichte sich die Kirch-Gruppe nur dazu, alle
Anstrengungen zu unternehmen, um zu gewährleisten, dass Simulcrypt-Vereinbarungen so schnell wie
möglich in Kraft treten könnten. Sodann hänge die Erfüllung dieser Zusage davon ab, dass die
Betreiber einer konkurrierenden technischen Plattform so weit wie objektiv notwendig
zusammenarbeiteten, dass der Betreiber faire und angemessene Bedingungen erhalte und dass
schließlich die technische Sicherheit des Zugangskontrollsystems nicht so beschaffen sei, dass sie
das entsprechende System der d-Box gefährde.
258.
Überdies setze die Zusage, die den Abschluss von Simulcrypt-Vereinbarungen zwischen den
Betreibern konkurrierender Plattformen und der BetaResearch, die zur Kirch-Gruppe gehöre, impliziere,
immer eine Bereitschaft der Kirch-Gruppe voraus. Am Vorliegen dieser Bereitschaft der Kirch-Gruppe
bestünden jedoch Zweifel, da sie auch Programmveranstalter sei und als solcher durch den Abschluss
von Simulcrypt-Vereinbarungen, die die Verbreitung konkurrierender Programme erleichterten, in ihren
Interessen beeinträchtigt sein könne. Es bestehe daher die Gefahr eines Konflikts zwischen den
Interessen der Erbringerin von technischen Dienstleistungen BetaResearch und denen des
Programmveranstalters der sie kontrollierenden Gruppe. Die Unabhängigkeit von BetaResearch in
ihren geschäftlichen Entscheidungen sei daher nicht gewährleistet.
259.
Diese Missbrauchsgefahr sei von der Kommission in den Entscheidungen
Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nr. 58) und Deutsche Telekom/BetaResearch (Nr. 38) analysiert und
bemängelt worden. Die Klägerin verweist ferner darauf, dass der FUN-Verband beim Versuch, mit der
Kirch-Gruppe eine Simulcrypt-Vereinbarung auszuhandeln, leidvolle Erfahrungen gemacht habe.
260.
Schließlich setze diese Zusage die Existenz konkurrierender Zugangskontrollsysteme voraus. Es
bleibe jedoch unklar, wie neue Technologien auf dem Markt Fuß fassen könnten.
261.
Auf das Vorbringen von KirchPayTV, die Simulcrypt-Vereinbarungen seien nur zwischen technischen
Plattformen zu schließen, die Kirch-Gruppe betreibe aber im Bereich der Kabelübertragung keine
solche Plattform, erwidert die Klägerin, dass die wichtigste technische Plattform in diesem Bereich von
der MSG MediaServices GmbH betrieben werde, die ausschließlich die von der Kirch-Gruppe
entwickelte Technologie verwende.
262.
Zum Hinweis von KirchPayTV, seit kurzem seien im Bereich der Kabelübertragung neue technische
Plattformen entstanden, führt sie aus, dieser Gesichtspunkt sei zur Zeit der angefochtenen
Entscheidung nicht gegeben gewesen und damit irrelevant. Zu ihrer Entstehung sei es bisher noch
nicht einmal wirklich gekommen, da potenzielle Betreiber konkurrierender Plattformen von Seiten von
Deutsche Telekom, der der größte Teil des Kabelnetzes gehöre, und deren Tochtergesellschaft MSG
MediaServices GmbH, der Betreiberin der wichtigsten technischen Plattform im Bereich der
Kabelübertragung, Zwängen ausgesetzt seien. Die Klägerin verweist insoweit darauf, dass PrimaCom,
die eine konkurrierende Plattform betreibe, enormen Schwierigkeiten begegnet sei, als sie versucht
habe, mit der MSG MediaServices GmbH eine Simulcrypt-Vereinbarung zu schließen.
263.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
264.
Durch diese sechste Zusage soll die d-Box für andere Bezahlfernsehsender und für die digitalen
interaktiven Dienste geöffnet werden.
265.
Die Kirch-Gruppe hat sich damit verpflichtet, mit Betreibern technischer Plattformen, die andere
Verschlüsselungssysteme verwenden, Simulcrypt-Vereinbarungen zu schließen. Wie bereits erwähnt,
ermöglicht das Simulcrypt-Verfahren die Verwendung verschiedener Verschlüsselungssysteme, ohne
dass der Verbraucher für die Entschlüsselung der empfangenen Signale mehrere Dekoder benötigt,
indem die Schlüssel zwischen den Plattformbetreibern ausgetauscht werden. Daher können die
entsprechenden Programme mit einem einzigen Dekoder empfangen werden.
266.
Diese Zusage soll sicherstellen, dass konkurrierende technische Plattformen aufgebaut werden,
und zwar dadurch, dass, falls ein Erbringer technischer Dienstleistungen ein konkurrierendes
Verschlüsselungssystem einsetzen will, über die d-Box mittels des Simulcrypt-Verfahrens der Empfang
ermöglicht wird. Die Kommission und die Streithelferinnen haben seitens der Klägerin
unwidersprochen behauptet, dass die Erbringer technischer Dienstleistungen ihr
Verschlüsselungssystem daher frei wählen könnten und dass durch diese Zusage der Wettbewerb
zwischen den Betreibern technischer Plattformen, aber auch der auf dem Markt für Dekoder verstärkt
werde.
267.
Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass jede Zusage eine rechtliche Verpflichtung darstellt, deren
Verletzung die Kommission gegebenenfalls veranlassen kann, die Genehmigung des
Zusammenschlusses zu widerrufen. Der von der Klägerin ohne weiteren Nachweis vorgetragene
Umstand, Kirch könnte es an der Bereitschaft zur Umsetzung der Zusage fehlen lassen, ist nicht
geeignet, darzutun, dass die Kommission einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat,
indem sie die Zusage als zur Lösung der Wettbewerbsprobleme geeignet ansah.
268.
Überdies ist die fragliche Zusage nicht isoliert, sondern im Gesamtzusammenhang mit allen von der
Kirch-Gruppe abgegebenen Zusagen zu sehen, insbesondere mit der Zusage des Zugangs einer
alternativen technischen Plattform zu Kirchs Bezahlfernsehprogrammen.
269.
Diese Rüge ist daher zurückzuweisen.
Zugang anderer technologischer Plattformen zu den Bezahlfernsehdiensten von Kirch (Zusage 7)
- Vorbringen der Parteien
270.
Die Klägerin trägt zunächst vor, die Zusage, mit der sich die Kirch-Gruppe dazu verpflichte, ihre
Bezahlfernsehprogramme insbesondere mittels Simulcrypt-Vereinbarung auch über alternative
technische Plattformen anzubieten, sei nicht geeignet, der Beherrschung der Märkte für
Bezahlfernsehen und für die entsprechenden technischen Dienstleistungen durch die Kirch-Gruppe
entgegenzuwirken, und biete gegenüber der Aufsicht über den Missbrauch einer beherrschenden
Stellung nach Artikel 82 EG keinen Mehrwert.
271.
Erstens öffne diese Zusage nämlich nicht etwa den Markt für konkurrierende Plattformen, sondern
setze deren Markzutritt stillschweigend voraus und verspreche ihnen lediglich kartellrechtliches
Wohlverhalten.
272.
Zweitens seien die Bedingungen, von denen das versprochene Wohlverhalten abhängig gemacht
werde, außerordentlich vage gehalten.
273.
Drittens führe die Zusage zu einem Interessenkonflikt, der ihre Wirksamkeit beeinträchtige. Durch
die Verpflichtung, ihre Bezahlfernsehprogramme über konkurrierende technische Plattformen
anzubieten, sei die Kirch-Gruppe nämlich gegebenenfalls gezwungen, Entscheidungen zu erlassen, die
ihren eigenen Interessen als Programmveranstalter zuwiderliefen. Unter diesen Umständen sei zu
bezweifeln, dass die Zusage fair angewandt werde. Diesen Gesichtspunkt habe die Kommission in den
Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere sowie Deutsche Telekom/BetaResearch richtig erkannt.
274.
Insoweit verweist die Klägerin zunächst auf die leidvollen Erfahrungen des FUN-Verbands, dem, als
er eine technische Plattform habe aufbauen wollen, von KirchPayTV entgegen der fraglichen Zusage
und unter irreführenden Vorwänden der Zugang zum Bezahlfernsehangebot der Kirch-Gruppe verwehrt
worden sei. Weiter verweist sie auf die Schwierigkeiten der technischen Kabelplattform PrimaCom, mit
der Kirch-Gruppe eine Simulcrypt-Vereinbarung zu schließen. Schließlich sei bisher keine einzige
zwischen Anbietern unterschiedlicher Verschlüsselungssysteme gefundene praktisch funktionsfähige
Simulcrypt-Lösung bekannt.
275.
Ferner trägt die Klägerin vor, die Zusage erfordere eine Überwachung des späteren Verhaltens, die
dem Urteil Gencor und der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen widerspreche.
276.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
277.
Durch diese siebte Zusage verpflichtet sich die Kirch-Gruppe dazu, ihre Bezahlfernsehprogramme
insbesondere mittels Simulcrypt-Vereinbarung auch über alternative technische Plattformen
anzubieten.
278.
Diese Zusage erleichtert den Betreibern konkurrierender technischer Plattformen den Marktzutritt
und fördert mittelbar den Wettbewerb zwischen den Anbietern von Bezahlfernsehen, indem es ihnen
ermöglicht, ihre Programme mittels dieser technischen Plattformen neben den
Bezahlfernsehprogrammen der Kirch-Gruppe zu senden.
279.
Was zum einen das Vorbringen der Klägerin betreffend die Schwierigkeiten angeht, denen sie
angeblich bei der Umsetzung der siebten Zusage als Mitbetreiber der alternativen FUN-Plattform
begegnet ist, so ist festzustellen, dass FUN nach den seitens der Klägerin unwidersprochenen
Behauptungen der Streithelferinnen nicht das in den Zusagen vorgesehene Schiedsverfahren
eingeleitet hat.
280.
Zum anderen ist hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die siebte Zusage führe nicht zu einer
Öffnung des Marktes, sondern setze die Existenz konkurrierender technischer Plattformen voraus,
erneut darauf hinzuweisen, dass die Zusagen nicht isoliert zu sehen sind.
281.
Wie die Kommission vorgetragen hat, wird der Marktzugang einer technischen Plattform durch die
Interoperabilität der konkurrierenden technischen Plattformen mittels der Gewährleistung von
Simulcrypt-Vereinbarungen (Zusage 6), durch die Zurverfügungstellung des Bezahlfernsehangebots
der Kirch-Gruppe (Zusage 7) und gegebenenfalls durch die Zurverfügungstellung der Technologie des
d-Box-Systems mittels einer Lizenz (Zusage 8) erleichtert. Die sechste und die siebte Zusage sollen es
somit einem Wettbewerber im Bereich des Bezahlfernsehens ermöglichen, eine andere technische
Plattform als die von Kirch angebotene zu verwenden.
282.
Die Rügen gegen die siebte Zusage sind daher zurückzuweisen.
Benutzung der Technologie des d-Box-Systems durch konkurrierende Plattformen (Zusage 8)
- Vorbringen der Parteien
283.
Die Klägerin trägt vor, die Zusage der Kirch-Gruppe, Betreibern konkurrierender technischer
Plattformen Zugang zur Technologie des d-Box-Systems zu gewähren, sei nicht geeignet, die
Herrschaft der Kirch-Gruppe über die technologische Entwicklung des d-Box-Systems anzutasten.
284.
Erstens habe die Kommission eine solche Zusage in den Fällen Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nr.
139) und Deutsche Telekom/Beta-Research (Nr. 64) deshalb nicht akzeptiert, weil sie nicht geeignet
gewesen sei, diese Herrschaft über die technologische Entwicklung des d-Box-Systems zu beenden.
Die angefochtene Entscheidung enthalte keine Begründung dafür, warum im vorliegenden Fall trotz
gleicher Sachlage eine andere wettbewerbsrechtliche Beurteilung geboten sein sollte.
285.
Zweitens stehe die Zusage im Widerspruch zu dem, was der Direktor der Task force „Kontrolle der
Unternehmenszusammenschlüsse“ als Voraussetzung für die Annahme derartiger Zusagen
identifiziert habe (Götz Drauz, „Remedies under the merger regulation“,
, Fordham Corporate Law Institute, 1996, S. 219 bis 238, vgl. S. 225 ff.), insbesondere zu den
folgenden Voraussetzungen:
- Der Lizenzgeber dürfe die Wirkung der Lizenz nicht unterlaufen können, indem er beispielsweise
wichtige technische Unterstützung zurückhalte;
- der Lizenzgeber dürfe keine unverhältnismäßigen Lizenzgebühren erheben und
- die Kommission dürfe nicht in eine ständige Kontrolle der Einhaltung des Lizenzvertrages
hineingezogen werde, wie in die Prüfung der Angemessenheit der Lizenzgebühren.
286.
Die Klägerin trägt hierzu zunächst vor, der Festsetzung überhöhter Lizenzgebühren solle offenbar
nur durch den Hinweis auf angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen entgegengewirkt
werden. Ferner enthalte die Zusage keine besonderen Bestimmungen für den Bereich der
technischen Unterstützung. Vor allem werde die Kommission schließlich durch die Zusage in eine
laufende Verhaltenskontrolle hineingezogen.
287.
Diese laufende Verhaltenskontrolle widerspreche der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen.
288.
Auf den Einwand von KirchPayTV, eine solche laufende Verhaltenskontrolle entfalle, weil es ein
Schiedsverfahren mit Beweislastumkehr zu Lasten der Kirch-Gruppe gebe, erwidert die Klägerin, das
Bestehen der Kontrolle werde durch diese Gesichtspunkte nicht in Frage gestellt und die
Notwendigkeit eines Schiedsverfahrens beweise im Gegenteil, dass eine solche Kontrolle bestehe.
289.
Drittens enthalte die Entscheidung einen logischen Bruch, wenn in ihr einerseits die fragliche
Zusage angenommen werde und andererseits festgestellt werde, dass in der wahrscheinlichen
Lizenzpolitik von BetaResearch gegenüber anderen potenziellen Wettbewerbern von KirchPayTV auf
dem Markt für digitale interaktive Fernsehdienste erhebliche Missbrauchsgefahren lägen und dabei
sogar auf von interessierten Dritten mitgeteilte konkrete Missbrauchsfälle hingewiesen werde (Nr. 37
der angefochtenen Entscheidung).
290.
Die Klägerin weist das Vorbringen von KirchPayTV zurück, die Betreiber von technischen Plattformen
hätten die Wahl zwischen der Technologie des d-Box-Systems, womit sie von der entsprechenden
Zusage Gebrauch machten, und einer konkurrierenden Technologie, bei der sie die Abonnenten der
d-Box mittels Simulcrypt-Vereinbarungen erreichen könnten. Die leidvollen Erfahrungen, die FUN und
PrimaCom im Rahmen ihrer Versuche, mit der Kirch-Gruppe Simulcrypt-Vereinbarungen auszuhandeln,
gemacht hätten, zeigten die offensichtliche Ungeeignetheit der zweiten Wahlmöglichkeit auf.
291.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
292.
Durch diese Zusage soll Betreibern konkurrierender technischer Plattformen Zugang zur
Technologie des d-Box-Systems gewährt werden.
293.
Sie erleichtert somit den Aufbau konkurrierender technischer Plattformen; außerdem erleichtert sie
dadurch konkurrierenden Inhalteanbietern den Marktzutritt, was den Wettbewerb auf dem
Bezahlfernsehmarkt fördern kann.
294.
Das Vorbringen der Klägerin betreffend einen Widerspruch zwischen der angefochtenen
Entscheidung und den Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere sowie Deutsche Telekom/Beta-
Research ist aus den oben genannten Gründen zurückzuweisen.
295.
Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin, die fragliche Zusage führe zu einer laufenden
Verhaltenskontrolle, die der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen widerspreche, genügt es,
festzustellen, dass alle Streitigkeiten über die Einhaltung von Zusagen einem Schiedsgericht
vorgelegt werden müssen, das eine ausreichende Kontrolle sicherstellt. Im Übrigen können mit der
Erfüllung der Zusage unzufriedene Dritte das Schiedsgericht anrufen, wobei im Schiedsverfahren die
Beweislast der Kirch-Gruppe obliegt. Damit unterliegt die Erfüllung der Zusage zwar einer Kontrolle,
doch belastet dies nicht die Kommission.
296.
Zu dem Vorbringen, die Zusage stehe im Widerspruch zu dem, was in einer Veröffentlichung des
Direktors der Task force „Kontrolle der Unternehmenszusammenschlüsse“ als Voraussetzung für die
Annahme derartiger Zusagen identifiziert sei, reicht der Hinweis aus, dass die Darlegungen eines
Beamten, mit denen kein offizieller Standpunkt der Kommission wiedergegeben wird, für diese nicht
verbindlich sind.
297.
Schließlich ist auch das Vorbringen der Klägerin zurückzuweisen, die Kommission habe durch die
Annahme der Zusage die Gefahren eines Missbrauchs der beherrschenden Stellung durch
BetaResearch bei der Gewährung von Lizenzen zur Nutzung des d-Box-Systems übersehen. Zum einen
steht es nämlich den Betreibern technischer Plattformen offen, eine konkurrierende Technologie zu
wählen und die Abonnenten des d-Box-Systems mittels Simulcrypt-Vereinbarungen zu erreichen. Zum
anderen ist, wie oben ausgeführt, die fragliche Zusage nicht isoliert zu sehen, sondern als Teil eines
Zusagenpakets, das durch entsprechende Auflagen und Bedingungen und insbesondere durch ein
bindendes Schiedsverfahren abgesichert ist.
298.
Die die achte Zusage betreffende Rüge ist daher zurückzuweisen.
Herstellung von „Multiple-system“-Boxen (Zusage 9)
- Vorbringen der Parteien
299.
Die Klägerin trägt vor, die Zusage, Herstellungslizenzen für so genannte „Multiple-system“-Boxen zu
erteilen, stehe im Widerspruch zu der in den vorangegangenen Entscheidungen
Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nr. 139) und Deutsche Telekom/BetaResearch (Nr. 64) abgegebenen
Einschätzung der Kommission, dass eine solche Zusage nicht geeignet sei, die
wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, da Kirch die Kontrolle über die technologische
Entwicklung nicht aus der Hand genommen werde. Der Wechsel der fusionskontrollrechtlichen
Bewertung trotz veränderter tatsächlicher Verhältnisse werde von der Kommission in keiner Weise
begründet.
300.
Diese Herrschaft hätte nur dann in Frage gestellt werden können, wenn die Kommission der Kirch-
Gruppe die zusätzliche Verpflichtung auferlegt hätte, den Inhabern von Lizenzen für die Herstellung der
d-Box das Recht zu geben, diese nicht nur mit konkurrierenden Verschlüsselungssystemen, sondern
auch mit einer gemeinsamen Schnittstelle auszustatten. Die Ausstattung mit konkurrierenden
Verschlüsselungssystemen sei nämlich völlig unzureichend, da sie die Betreiber technischer
Plattformen, die andere Verschlüsselungssysteme benutzten, zum Abschluss von Simulcrypt-
Vereinbarungen mit der Kirch-Gruppe zwinge und also die Herrschaft der Kirch-Gruppe über das d-Box-
System nicht in Frage stelle.
301.
Die Klägerin bestreitet insoweit die Behauptung der Kommission, die Zusage eröffne die
Möglichkeit, in die d-Box eine gemeinsame Schnittstelle einzubauen.
302.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
303.
Durch diese neunte Zusage soll erreicht werden, dass Herstellern von Dekodern Lizenzen für die
Entwicklung der d-Box-Dekoder angeboten werden, nach denen sie diese in andere
Zugangskontrollsysteme, einschließlich einer gemeinsamen Schnittstelle, integrieren dürfen. Unter
einer gemeinsamen Schnittstelle ist ein Modulsystem zu verstehen, das den Einsatz der
verschiedenen Verschlüsselungsarten gestattet.
304.
Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass diese Zusage nicht geeignet ist, sicherzustellen, dass
die künftigen Abonnenten der d-Box auch über andere Verschlüsselungssysteme erreicht werden
können. Die neunte Zusage soll also den Markt öffnen für die Betreiber technischer Plattformen, für
die Inhalteanbieter und für die potenziellen Hersteller der d-Box, aber auch für die Anbieter von
Verschlüsselungssystemen.
305.
Im Übrigen ist der vorliegende Fall nicht mit dem Kontext vergleichbar, der den Entscheidungen
Bertelsmann/Kirch/Premiere und Deutsche Telekom/BetaResearch zugrunde lag. Da die Sachlage nicht
die gleiche ist, musste die Kommission ihre Entscheidung nicht besonders begründen.
306.
Die vorliegende Rüge ist daher zurückzuweisen.
Wechsel vom analogen zum digitalen System (Zusage 10)
- Vorbringen der Parteien
307.
Die Klägerin hält die Zusage, jedem Abonnenten von KirchPayTV, der nur über einen analogen
Dekoder verfügt, einen Digitaldekoder (d-Box) anzubieten, nicht für geeignet, interessierten
Betreibern den Zutritt zu den Märkten für Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste
zu erleichtern, um solchen Abonnenten ihre Dienstleistungen anbieten zu können. Wegen der
Ablehnung der Lösung durch die gemeinsame Schnittstelle setze dieser Zugang Dritter zu den
fraglichen Märkten über die d-Box nämlich zumindest den Abschluss von Simulcrypt-Vereinbarungen
mit der Kirch-Gruppe voraus, den diese jedoch verweigere.
308.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
309.
Die Klägerin bestreitet nicht, dass durch die fragliche Zusage, jedem Abonnenten von KirchPayTV,
der nur über einen analogen Dekoder verfügt, einen Digitaldekoder (d-Box) anzubieten, sichergestellt
ist, dass die Abonnenten von „Premiere“ über einen Digitaldekoder verfügen und dass Inhalteanbieter
nicht deshalb am Marktzugang gehindert sind, weil sie ihr Programm digital verbreiten. Die Zusage
vermeidet, dass die Aktivitäten konkurrierender Betreiber auf den fraglichen Märkten dadurch
behindert werden, dass Verbraucher analoge Dekoder verwenden, die für solche Aktivitäten nicht
passen. Die Klägerin hat daher nicht dargetan, inwiefern die Kommission durch die Feststellung, dass
diese Zusage den Markt für die konkurrierenden Betreiber öffne, einen offensichtlichen
Beurteilungsfehler begangen haben soll.
310.
Die diese Zusage betreffende Rüge ist daher zurückzuweisen.
Begrenzung zusätzlicher Kabelplätze (Zusage 11)
- Vorbringen der Parteien
311.
Die Klägerin trägt vor, die Zusage, wonach KirchPayTV sich verpflichte, bis zum 31. Dezember 2000
keine zusätzlichen Anträge auf Zuweisung digitaler Kabelkapazität mehr zu stellen, sei nicht geeignet,
die technologische Marktbeherrschung der Kirch-Gruppe anzutasten. Sie sei außerdem ungeeignet,
die Bedenken auszuräumen, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Nr. 78) im
Hinblick darauf zum Ausdruck gebracht habe, dass Deutsche Telekom für die digitale Verbreitung von
Fernsehprogrammen auf ihren Breitbandkabelnetzen die Technologie von BetaResearch verwende.
Diese Bedenken hätten darin bestanden, dass auf dem Markt für digitale interaktive Fernsehdienste
die Entstehung einer beherrschenden Stellung von KirchPayTV zu befürchten sei.
312.
Die Berechtigung dieser Bedenken sei inzwischen insofern bestätigt worden, als Deutsche Telekom
und die Kirch-Gruppe derzeit beabsichtigten, BetaResearch als Gemeinschaftsunternehmen zu führen
und dieses Vorhaben beim Bundeskartellamt angemeldet hätten.
313.
Die Klägerin bestreitet die Behauptung der Kommission, sie wolle einem am Zusammenschluss nicht
beteiligten Dritten, d. h. Deutsche Telekom, Verpflichtungen auferlegen. Sie sei lediglich der
Auffassung, dass die ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses
mit dem Gemeinsamen Markt, die die Kommission in der angefochtenen Entscheidung (Nr. 78) zum
Ausdruck gebracht habe, durch diese Zusage nicht ausgeräumt werden könnten.
314.
Nach Auffassung der Kommission und der Streithelferinnen ist diese Rüge unbegründet.
- Würdigung durch das Gericht
315.
Durch die Zusage, bis zum 31. Dezember 2000 keine zusätzlichen Anträge auf Zuweisung digitaler
Kabelkapazität mehr zu stellen, soll Befürchtungen Dritter abgeholfen werden, das
Bezahlfernsehangebot von Kirch beanspruche im Kabelnetz zu viel Platz, so dass für Angebote Dritter
zu wenig Platz zur Verfügung stehe.
316.
Der Vorwurf der Klägerin, die Kommission habe der Deutschen Telekom nicht auferlegt, für ihre
Kabelnetze eine andere als die Kirchsche Technologie zu verwenden, ist zurückzuweisen. Deutsche
Telekom ist am fraglichen Zusammenschluss nicht beteiligt, so dass ihr die Kommission im Rahmen
des vorliegenden Verfahrens keine Verpflichtungen auferlegen kann.
317.
Überdies steht der fragliche Zusammenschluss in keinem Zusammenhang mit der Entscheidung
von Deutsche Telekom, die Kirchsche Technologie für ihr Kabelnetz zu verwenden.
318.
Im Übrigen ist der Hinweis der Klägerin auf ein Vorhaben von Deutsche Telekom und BetaResearch,
ein Gemeinschaftsunternehmen zu gründen, unbeachtlich, da die dadurch etwa aufgeworfenen
Wettbewerbsprobleme mit der angefochtenen Entscheidung in keinem Zusammenhang stehen.
319.
Die Rüge der Klägerin ist daher zurückzuweisen.
320.
Die Klägerin rügt, dass die Kommission Zusagen, die sie im Laufe des Verwaltungsverfahren
vorgeschlagen habe (Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 2000, vom 2. März 2000 und vom 15.
März 2000), nicht berücksichtigt habe. Diese Zusagen hätten die schwerwiegendsten Bedenken, die
die Kommission selbst hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlusses mit dem Gemeinsamen
Markt festgestellt habe, beseitigen können, wenn sie auch nicht ausgereicht hätten, um diese
Vereinbarkeit herzustellen.
321.
Die Klägerin weist das Vorbringen von KirchPayTV zurück, die Zusagen 1 bis 5 hätten ausgereicht,
die Zusagen 6 bis 9 zur Öffnung des Marktes für technische Dienstleistungen seien gar nicht
erforderlich gewesen und erst recht hätte es anderer noch weiter gehender Zusagen nicht bedurft.
Indem KirchPayTV die Zusagen 6 bis 9 nicht für erforderlich halte, offenbare sie, dass sie die
Bedeutung der Herrschaft der Kirch-Gruppe über die Technologie des d-Box-Systems für die Öffnung
der Märkte für Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste verkenne. Folgte man
diesem Gedankengang, so wäre die angefochtene Entscheidung überdies wegen Auferlegung nicht
erforderlicher Zusagen für nichtig zu erklären.
Keine Zusage der Ausstattung des d-Box-Dekoders mit einer gemeinsamen Schnittstelle
- Vorbringen der Parteien
322.
Die Klägerin beanstandet, dass den am Zusammenschluss Beteiligten nicht, wie von ihr angeregt,
die Verpflichtung auferlegt worden sei, den d-Box-Dekoder mit einer gemeinsamen Schnittstelle
auszurüsten.
323.
Sie trägt hierzu vor, auf der Grundlage der akzeptierten Zusagen könnten die mit KirchPayTV
konkurrierenden Veranstalter ihre Programme mittels des d-Box-Dekoders nur unter Verwendung des
von BetaResearch, die zur Kirch-Gruppe gehöre, entwickelten Zugangskontrollsystems BetaCrypt
übertragen, zu dessen Verwendung sie nur berechtigt seien, wenn sie vorher mit BetaResearch eine
Simulcrypt-Vereinbarung geschlossen hätten. Die Notwendigkeit, eine Simulcrypt-Vereinbarung zu
schließen, mache diese Veranstalter jedoch von BetaResearch abhängig, und es bestehe die Gefahr,
dass die Kirch-Gruppe diese Position missbrauche, um ihre Interessen auf den Märkten für
Bezahlfernsehen und für digitale interaktive Fernsehdienste zu wahren, und dadurch ihre potenziellen
Wettbewerber auf diesen Märkten benachteilige.
324.
Diese Gefahr sei von der Kommission in ihren Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nr. 58)
und Deutsche Telekom/BetaResearch (Nr. 38) sowie vom Eidgenössischen Departement für Umwelt,
Verkehr, Energie und Kommunikation in einer Entscheidung vom 8. November 1999 betreffend den
schweizerischen Pay-TV-Veranstalter Teleclub AG erörtert worden, an dem KirchPayTV zu 40 % beteiligt
sei und der ebenfalls die d-Box benutze.
325.
Diese Gefahr sei inzwischen nach der Übernahme des Pay-TV-Senders Premiere durch die Kirch-
Gruppe und nach dem Zusammenschluss dieses Senders mit DF1 zu Premiere World noch größer
geworden. Außerdem verweist die Klägerin in diesem Zusammenhang erneut auf die praktischen
Schwierigkeiten, denen bestimmte Betreiber, darunter FUN, die mit BetaResearch Simulcrypt-
Vereinbarung hätten schließen wollen, begegnet seien.
326.
Zur Vermeidung dieser Gefahr habe sie vorgeschlagen, der Kirch-Gruppe aufzuerlegen, den d-Box-
Dekoder mit einer gemeinsamen Schnittstelle auszurüsten, die über ein- und denselben Dekoder den
Empfang von mit verschiedenen Zugangskontrollsystemen verschlüsselten Programmen ermögliche.
Diese Lösung, das Multicrypt-Verfahren, vermeide die genannten Nachteile und ermögliche es den
konkurrierenden Veranstaltern, ihre Programme mit anderen Zugangskontrollsystemen als dem der
Kirch-Gruppe mittels der d-Box zu übertragen, ohne dass eine Vereinbarung mit der Kirch-Gruppe
notwendig werde.
327.
Auf das Vorbringen von KirchPayTV entgegnet die Klägerin, die Richtlinie 95/47/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 über die Anwendung von Normen für
die Übertragung von Fernsehsignalen (ABl. L 281, S. 51), eine auf die Artikel 47 Absatz 2 EG, 55 EG
und 95 EG gestützte Harmonisierungsrichtlinie, schränke den Beurteilungsspielraum der Kommission
hinsichtlich der fusionskontrollrechtlich zu akzeptierenden Zusagen keineswegs ein. Bei der
Fusionskontrolle sei ein Vorbringen, wonach die Simulcrypt-Lösung aus der Sicht des Verbrauchers
gegenüber der Multicrypt-Lösung praktische Vorteile biete, unbeachtlich.
- Würdigung durch das Gericht
328.
Zunächst ist festzustellen, dass die Kommission bei der Beurteilung, ob Zusagen einzuholen sind,
um die gegen ein Zusammenschlussvorhaben bestehenden ernsthaften Bedenken zu zerstreuen,
einen weiten Beurteilungsspielraum besitzt.
329.
Folglich darf das Gericht die von der Kommission vorgenommene Beurteilung nicht durch seine
eigene Beurteilung ersetzen, denn es hat im Rahmen seiner Kontrolle nur zu prüfen, ob die
Kommission offensichtliche Beurteilungsfehler begangen hat. Insbesondere ist die
Nichtberücksichtigung der von der Klägerin vorgeschlagenen Zusagen für sich allein noch kein
Nachweis dafür, dass die angefochtene Entscheidung einen offensichtlichen Beurteilungsfehler
aufweist, und der Umstand, dass auch andere Zusagen hätten akzeptiert werden können, kann,
selbst wenn diese für den Wettbewerb günstiger gewesen wären, nicht zur Nichtigerklärung der
Entscheidung führen, sofern die Kommission vernünftigerweise annehmen durfte, dass die in der
Entscheidung vorgesehenen Zusagen ihre ernsthaften Bedenken zerstreuen können.
330.
Die Klägerin rügt, die Kommission hätte den am Zusammenschluss Beteiligten statt einer
Verpflichtung, die Simulcrypt-Vereinbarungen vorsehe, die Verpflichtung auferlegen müssen, den d-
Box-Dekoder mit einer gemeinsamen Schnittstelle auszurüsten.
331.
Hierzu ist zunächst festzustellen, dass sich durch beide Lösungen, die Simulcrypt-Verschlüsselung
und die gemeinsame Schnittstelle, vermeiden lässt, dass ein Fernsehzuschauer, der
Bezahlfernsehprogramme mit unterschiedlichen Zugangskontrollsystemen abonniert hat, zur
Benutzung verschiedener Dekoder gezwungen ist. In der Richtlinie 95/47 werden übrigens beide
Lösungen als gleichwertig angesehen.
332.
Ferner hat die Klägerin nicht der Behauptung von KirchPayTV widersprochen, die Simulcrypt-Lösung
biete gegenüber der gemeinsamen Schnittstelle eine Reihe von Vorteilen. So hat KirchPayTV
vorgetragen, die Simulcrypt-Lösung biete größeren Schutz vor Hackern, und die gemeinsame
Schnittstelle bedeute für den Fernsehzuschauer, dass er für den Empfang von verschlüsselten
Programmen außer dem Dekoder den verschiedenen Zugangskontrollsystemen entsprechende
Module erwerben und vor dem Empfang unterschiedlich verschlüsselter Programme die Module
austauschen müsse. Sie hat außerdem darauf hingewiesen, dass mit dem Einsatz einer gemeinsamen
Schnittstelle ein Zugang zu der bestehenden d-Box-Population nicht möglich sei.
333.
Im Übrigen ist, wie oben festgestellt, die Rüge der Klägerin, die Zusage, die den Abschluss von
Simulcrypt-Vereinbarungen vorsehe, reiche für die Lösung der sich hier stellenden
Wettbewerbsprobleme nicht aus, unbegründet.
334.
Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass die Kommission dadurch einen
offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen hat, dass sie keine Zusage hinsichtlich der
gemeinsamen Schnittstelle vorgesehen hat.
Keine Zusage hinsichtlich etwaiger Beziehungen zwischen BetaResearch und Deutsche Telekom
- Vorbringen der Parteien
335.
Die Klägerin rügt, dass die Kommission ihren Vorschlag nicht beachtet habe, durch Auferlegung
einer entsprechenden Verpflichtung Verbindungen gesellschaftsrechtlicher oder anderer vertraglicher
Art zwischen BetaResearch und Deutsche Telekom zu untersagen, durch die dem von BetaResearch
entwickelten technologischen Standard ausschließliche Anwendung in den Breitbandkabelnetzen von
Deutsche Telekom, der der größte Teil des Kabelnetzes gehöre, gesichert werden solle. Die
Vorstellung einer solchen Verbindung wecke ernsthafte Bedenken, die die Kommission in ihrer
Entscheidung Deutsche Telekom/BetaResearch dargelegt habe (Nrn. 33 ff.).
336.
Auf das Vorbringen der Kommission, die Auferlegung von Rechtspflichten gegenüber Dritten sei
nicht möglich, erwidert die Klägerin, die Beklagte hätte der Kirch-Gruppe sehr wohl aufgeben können,
sich gegenüber Deutsche Telekom dafür einzusetzen, dass diese die ausschließliche Anwendung des
von der BetaResearch entwickelten Standards beende. Wäre die Kirch-Gruppe nicht in der Lage
gewesen, diese Verpflichtung einzuhalten, so hätte die Kommission diese Nichteinhaltung feststellen
und ihre wettbewerbsrechtlichen Bedenken, die sie in der angefochtenen Entscheidung (Nr. 61)
hinsichtlich dieser ausschließlichen Verwendung zum Ausdruck gebracht habe, aufrechterhalten
müssen.
337.
Die Kommission sei dem Vorhaben der Deutschen Telekom und der Kirch-Gruppe, die BetaResearch
als Gemeinschaftsunternehmen zu führen, nicht entgegengetreten, obwohl an diesem Vorhaben zwei
marktbeherrschende Unternehmen beteiligt seien.
338.
Auf das Vorbringen von KirchPayTV, die Gefahr einer Verwendung des von der BetaResearch
entwickelten technologischen Standards durch Deutsche Telekom werde durch den Verkauf eines
großen Teils des Breitbandkabelnetzes von Deutsche Telekom kompensiert, erwidert die Klägerin,
Zeitpunkt und Modalitäten dieses Verkaufs seien zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen
Entscheidung offen gewesen und seien immer noch unklar.
- Würdigung durch das Gericht
339.
Die Klägerin rügt, dass die Kommission im Hinblick auf eine etwaige Verbindung zwischen
BetaResearch und Deutsche Telekom keine Beschränkung auferlegt habe.
340.
Hierzu ist erstens festzustellen, dass die Rüge zurückzuweisen ist, weil die Klägerin der Kommission
in der Klageschrift lediglich vorwirft, ihren Vorschlag, eine solche Verbindung zu untersagen, nicht
beachtet zu haben, ohne darzulegen, geschweige denn nachzuweisen, warum eine solche Zusage
erforderlich wäre, um die nach Auffassung der Kommission gegen das fragliche
Zusammenschlussvorhaben bestehenden ernsthaften Bedenken zu zerstreuen.
341.
Zweitens konnte die Kommission dem Vorschlag der Klägerin ohnehin nicht folgen, weil sie in einer
auf der Grundlage der Verordnung Nr. 4064/89 erlassenen Entscheidung keine Zusagen zu Lasten
von an dem Zusammenschlussvorhaben nicht beteiligten Dritten entgegennehmen kann.
342.
Drittens bezieht sich die Rüge der Klägerin nach ihrem Wortlaut auf die Nichtuntersagung einer
etwaigen Verbindung zwischen Deutsche Telekom und BetaResearch. Die Klägerin verweist in ihrer
Erwiderung insoweit auf ein beim deutschen Bundeskartellamt eingeleitetes Verfahren betreffend die
Absicht von Deutsche Telekom und BetaResearch, ein Gemeinschaftsunternehmen zu bilden. Es ist
festzustellen, dass etwa durch dieses Vorhaben aufgeworfene Wettbewerbsprobleme mit der
angefochtenen Entscheidung nichts zu tun haben und dass die Einwände der Klägerin dagegen an
die für die Entscheidung über das Vorhaben zuständige Behörde zu richten sind.
343.
Viertens ist, soweit sich die Klägerin in der Erwiderung offenbar dagegen wenden will, dass
Deutsche Telekom in ihren Kabelnetzen derzeit ausschließlich die von BetaResearch entwickelte
Technologie einsetzt, zum einen festzustellen, dass dieses Vorbringen unzulässig ist, da es neu ist
oder jedenfalls nicht den Anforderungen von Artikel 44 § 1 Buchstabe c der Verfahrensordnung des
Gerichts entspricht; zum anderen ist festzustellen, dass die Entscheidung von Deutsche Telekom, in
ihren Kabelnetzen die Technologie von BetaResearch einzusetzen, vor dem Zusammenschluss, um den
es in der angefochtenen Entscheidung geht, gefallen war und mit diesem nichts zu tun hat.
344.
Nach alledem ist die Rüge zurückzuweisen.
Keine Zusage zur Entbündelung von Programm, Technologie und Ausstattung
- Vorbringen der Parteien
345.
Die Klägerin rügt, dass die Kommission nicht ihrem Vorschlag gefolgt sei, der Kirch-Gruppe
aufzugeben, zum einen denjenigen Kunden, die sich nur für die Programme dritter Veranstalter
entschieden und keines der von KirchPayTV angebotenen Bezahlfernsehprogramme, d. h. Premiere
World, abonnieren wollten, den d-Box-Dekoder anzubieten und es zum anderen den Kunden zu
ermöglichen, Premiere World über in Konkurrenz mit der d-Box stehende Systeme zu empfangen.
Solche Zusagen hätten nach ihrer Auffassung zu einem Ende der vertikalen Integration zwischen
Technologie und Inhalten geführt, wie sie hier vorliegen.
346.
Nach Auffassung der Klägerin hätten ohne eine Entbündelung von Programm, Technologie und
Ausstattung Betreiber, die eine mit der d-Box konkurrierende Technologie entwickeln oder anbieten
wollten, nur geringe Erfolgsaussichten, da sie mittels ihrer Technologie nicht die Übertragung des
einzigen umfassenden Bezahlfernsehprogramms, das derzeit auf dem Markt sei, nämlich Premiere
World, gewährleisten könnten. Die Klägerin weist in diesem Zusammenhang erneut auf die aus Sicht
des Wettbewerbsrechts nachteiligen Folgen hin, die das Entstehen oder Fortbestehen einer
marktbeherrschenden Stellung im Technologiebereich habe, was die Kommission in ihren
Entscheidungen Bertelsmann/Kirch/Premiere (Nrn. 56 ff.) und Deutsche Telekom/BetaResearch (Nrn.
33 ff.) in Bezug auf die Auswirkungen des von der Kirch-Gruppe kontrollierten d-Box-Systems anerkannt
habe. Außerdem habe die Kommission in ihrer Mitteilung über Abhilfemaßnahmen selbst festgestellt,
dass, wenn sich das Wettbewerbsproblem aufgrund der Kontrolle über eine Schlüsseltechnologie
stelle, die Veräußerung der betreffenden Technologie die beste Abhilfemaßnahme sei (Nrn. 29 und
30).
347.
Die Klägerin weist das Vorbringen der Kommission zurück, die Entbündelung von Programm,
Technologie und Ausstattung sei bereits durch die Zusagen sichergestellt, interessierten Dritten
Zugang zur technischen Plattform der Kirch-Gruppe zu gewähren (Zusagen 1 bis 3) und
konkurrierenden technischen Plattformen Zugang zu den Bezahlfernsehdiensten von KirchPayTV zu
bieten (Zusage 7). Die Klägerin hält diese Zusagen für wirkungslos und verweist auf die in Bezug auf
sie vorgetragenen Rügen. Was insbesondere die Zusage 7 angeht, verweist sie erneut auf die
beträchtlichen praktischen Schwierigkeiten, die die alternative technische Plattform FUN gehabt habe,
um die Zustimmung der Kirch-Gruppe zum Zugang zu den Programmen von Premiere World einzuholen.
- Würdigung durch das Gericht
348.
Die Klägerin rügt, die Kommission hätte eine Verpflichtung von Kirch vorsehen müssen, zum einen
denjenigen Kunden, die keines der von KirchPayTV angebotenen Bezahlfernsehprogramme abonnieren
wollten, den d-Box-Dekoder anzubieten und zum anderen ihren Abonnenten den Empfang ihrer
Programme über andere Systeme als die d-Box zu ermöglichen.
349.
Hierzu ist festzustellen, dass die Sicherstellung des Zugangs konkurrierender Dritter gerade
Gegenstand zum einen der Zusagen 1 bis 3, Dritten Zugang zur technischen Plattform der Kirch-
Gruppe zu gewähren, und zum anderen der Zusage 7, konkurrierenden technischen Plattformen
Zugang zu den Bezahlfernsehdiensten von KirchPayTV zu bieten, ist. Die Rügen der Klägerin, diese
Zusagen reichten nicht aus, um die nach Auffassung der Kommission bestehenden ernsthaften
Bedenken zu zerstreuen, sind bereits oben zurückgewiesen worden.
350.
Im Übrigen hat die Klägerin nicht nachgewiesen oder auch nur vorgetragen, warum es neben den
verschiedenen Maßnahmen zur Öffnung der Märkte, die sich aus den in der Entscheidung
vorgesehenen Zusagen insgesamt ergeben, noch der von ihr vorgeschlagenen Zusage bedurft hätte.
351.
Folglich hat die Klägerin nicht nachgewiesen, dass die Kommission einen offensichtlichen
Beurteilungsfehler begangen hat; die Rüge ist daher zurückweisen.
352.
Dieses Ergebnis kann nicht durch das von der Klägerin in der Erwiderung vorgetragene Argument in
Frage gestellt werden, die technische Plattform FUN habe Schwierigkeiten, um die Zustimmung von
Kirch zum Zugang zu ihren Bezahlfernsehprogrammen, Premiere World, einzuholen. Die Zusagen
enthalten nämlich eine detaillierte Regelung für ein Schiedsverfahren, in dem verbindliche
Maßnahmen getroffen werden können, um derartige Probleme zu lösen, und die Kommission hätte,
falls dieses Verfahren zu dem Ergebnis führt, dass Kirch die Verpflichtungen nicht erfüllt, die
Möglichkeit, die angefochtene Entscheidung gemäß Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung Nr. 4064/89 zu
widerrufen.
353.
Nach alledem ist der dritte Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
354.
Die Klägerin trägt vor, die Kommission könne gemäß Artikel 6 Absatz 2 der
Fusionskontrollverordnung in Verbindung mit der achten Begründungserwägung der Verordnung Nr.
1310/97 lediglich in Fällen, in denen das Wettbewerbsproblem klar umrissen sei und leicht gelöst
werden könne, Zusagen bereits in der ersten Phase der Kontrolle annehmen und dürfe nur dann
darauf verzichten, das Verfahren gemäß Artikel 6 Absatz l Buchstabe c der Fusionskontrollverordnung
einzuleiten.
355.
Die Kommission habe in der angefochtenen Entscheidung ernsthafte wettbewerbsrechtliche
Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens mit dem Gemeinsamen
Markt geäußert (siehe insbesondere Nrn. 51 und 80). Die Klägerin verweist im Übrigen auf ihr
Vorbringen, dass sowohl die durch den Zusammenschluss aufgeworfenen Probleme als auch die
vorgeschlagenen Zusagen höchst kompliziert und die akzeptierten Zusagen offensichtlich ungeeignet
seien. Folglich seien die vorliegenden Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen und nicht leicht zu
lösen, und die Kommission habe daher nicht davon absehen können, das Verfahren nach Artikel 6
Absatz 1 Buchstabe c der Fusionskontrollverordnung einzuleiten.
356.
Die Nichteinleitung dieses Verfahrens sei ein Verfahrensfehler.
357.
Zur Begründung dieser Ansicht verweist die Klägerin u. a. auf das Urteil des Gerichts vom 10. Mai
2000 in der Rechtssache T-46/97 (SIC/Kommission, Slg. 2000, II-2125). In diesem Urteil habe das
Gericht die Entscheidung der Kommission, mit der die Einstufung einer von einem Beschwerdeführer
beanstandeten Finanzierungsmaßnahme als staatliche Beihilfe ohne Einleitung des förmlichen
Verfahrens nach Artikel 88 Absatz 2 EG abgelehnt worden sei, für nichtig erklärt. Zur Begründung
dieses Ergebnisses habe das Gericht auf ernste Schwierigkeiten bei dieser Einstufung und darauf
hingewiesen, dass durch die Ablehnung der Einleitung des förmlichen Verfahrens dem
Beschwerdeführer jedenfalls die Gelegenheit genommen worden sei, sich durch Stellungnahmen an
diesem zu beteiligen. Das Problem des vorliegenden Falles stelle sich zwar im Bereich der
Fusionskontrolle und nicht in dem der staatlichen Beihilfen, sei aber ähnlich gelagert wie das des
genannten Falles und wesentlich schwieriger angelegt als dieses. Umso dringender sei im
vorliegenden Fall die Einleitung des Verfahrens geboten gewesen.
358.
KirchPayTV lasse bei ihrem Vorschlag zur Auslegung von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der
Fusionskontrollverordnung die achte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1310/97 und die
offensichtliche Ungeeignetheit der im vorliegenden Fall akzeptierten Zusagen unberücksichtigt.
359.
Zu dem Vorbringen von KirchPayTV, das Urteil SIC/Kommission sei wegen der Unterschiede zwischen
dem Verfahren für die staatlichen Beihilfen und dem für die Fusionskontrolle nicht relevant, führt die
Klägerin aus, die Nichteinleitung des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der
Fusionskontrollverordnung habe insbesondere zur Folge gehabt, dass sie ihrer gemäß Artikel 18
Absatz 4 dieser Verordnung erweiterten Verfahrensrechte beraubt worden sei.
360.
Die Kommission und die Streithelferinnen beantragen, den Klagegrund zurückzuweisen.
Würdigung durch das Gericht
361.
Die Klägerin führt für ihr Vorbringen, die Kommission hätte die zweite Phase des Verfahrens
einleiten müssen, drei Argumente an.
362.
Zum ersten Argument, die Kommission habe festgestellt, dass das Zusammenschlussvorhaben
Anlass zu ernsthaften Bedenken gebe, ist daran zu erinnern, dass in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c
der Fusionskontrollverordnung, wonach die Kommission das Verfahren einzuleiten hat, wenn sie
feststellt, dass der angemeldete Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich
seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gibt, ausdrücklich vorgesehen ist, dass diese
Verpflichtung unbeschadet des Artikels 6 Absatz 2 gilt. Dort wird der Kommission aber gerade die
Befugnis gegeben, das genannte Verfahren nicht einzuleiten und den Zusammenschluss für vereinbar
mit dem Gemeinsamen Markt zu erklären, wenn sie feststellt, dass der angemeldete
Zusammenschluss nach Änderungen durch die beteiligten Unternehmen keinen Anlass mehr zu
ernsthaften Bedenken gibt.
363.
Da die Beteiligten Zusagen anboten, die geeignet waren, die ernsthaften Bedenken zu zerstreuen,
bedeutet die Feststellung der Kommission, dass der Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften
Bedenken gab, folglich nicht, dass sie die zweite Phase des Verfahrens hätte einleiten müssen. Die
Kommission stellte in Nummer 94 der angefochtenen Entscheidung fest, dass die ernsthaften Zweifel
durch die von den Beteiligten angebotenen Zusagen entkräftet wurden.
364.
Zweitens ist das Vorbringen der Klägerin, die Kommission habe die Zusagen in der ersten Phase
nicht annehmen dürfen, da die Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen und nicht leicht zu lösen
gewesen seien, und die Zusagen hätten die gegen das Zusammenschlussvorhaben bestehenden
ernsthaften Bedenken nicht entkräften können, bereits im Rahmen des zweiten und des dritten
Klagegrundes zurückgewiesen worden.
365.
Schließlich ist das dritte Argument, das auf einen Vergleich mit der dem Urteil SIC/Kommission
zugrunde liegenden Rechtssache gestützt ist, zurückzuweisen, da das Verfahren für die Prüfung durch
die Kommission gemäß Artikel 6 der Fusionskontrollverordnung nicht dem nach Artikel 88 EG
gleichzustellen ist.
366.
Insbesondere ist festzustellen, dass Dritte in der Vorprüfungsphase des Verfahrens für staatliche
Beihilfen kein Beteiligungsrecht haben. Zudem hat die Kommission, wenn sie in der Vorprüfung nach
Artikel 88 EG feststellt, dass das Projekt eine Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG darstellt und
deshalb Zweifel an seiner Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt bestehen, das förmliche
Verfahren einzuleiten, während sie, wie oben ausgeführt, wenn sie feststellt, dass ein
Zusammenschluss Anlass zu ernsthaften Bedenken gibt, die zweite Phase nicht einzuleiten braucht,
sofern Änderungen des Zusammenschlusses oder Zusagen der beteiligten Unternehmen diese
Bedenken entkräften.
367.
Nach alledem ist der vierte Klagegrund zurückzuweisen.
Vorbringen der Parteien
368.
Die Klägerin trägt vor, die Kommission habe die Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren verletzt,
indem sie Zusagen angenommen habe, die von den am Zusammenschluss Beteiligten so spät
angeboten worden seien, dass die Klägerin dazu nicht mehr rechtzeitig habe Stellung nehmen
können.
369.
Nach Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 seien die der Kommission von den beteiligten
Unternehmen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89 vorgeschlagenen Zusagen, die
nach Absicht der Beteiligten die Grundlage für eine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b
dieser Verordnung bilden sollten, der Kommission nicht später als drei Wochen nach dem Tag des
Eingangs der Anmeldung vorzulegen.
370.
Die Klägerin versteht diese Bestimmung so, dass sämtliche Zusagen, die die Beteiligten machen
wollen, gegenüber der Kommission innerhalb der ersten drei Wochen nach Eingang der Anmeldung
abzugeben sind. Allenfalls leichte, klar erkennbare Modifizierungen könnten danach noch als
akzeptabel angesehen werden.
371.
Sie begründet diese Auslegung mit folgenden drei Argumenten.
372.
Erstens ergebe sich aus Artikel 10 Absatz 6 der Fusionskontrollverordnung, dass der
Zusammenschluss als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt gelte, wenn die Kommission
innerhalb von sechs Wochen keine Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b erlassen habe.
Würde zugelassen, dass die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen ihre Zusagen auch nach
der Dreiwochenfrist des auf die Anmeldungen abstellenden Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr.
447/98 uneingeschränkt ändern könnten, so würde es ihnen folglich ermöglicht, die Kommission in die
Genehmigungsfiktion des Artikels 10 Absatz 6 der Fusionskontrollverordnung zu treiben, indem sie
noch kurz vor Ablauf der Sechswochenfrist weitere Zusageabwandlungen vorlegten.
373.
Zweitens spreche für die vorgeschlagene Auslegung die achte Begründungserwägung der
Verordnung Nr. 1310/97, wonach die Kommission in der ersten Prüfungsphase Zusagen nur
akzeptieren könne, wenn die Wettbewerbsprobleme klar umrissen und leicht zu lösen seien. Die
Klägerin verweist insoweit ferner auf die Mitteilung über Abhilfemaßnahmen, wo die Kommission
feststelle, dass im Hinblick darauf, dass Abhilfemaßnahmen in der ersten Prüfungsphase dazu
bestimmt seien, eine einfache Antwort auf klar umrissene Wettbewerbsprobleme zu erteilen,
Änderungen der vorgeschlagenen Verpflichtungen nur in begrenztem Umfang akzeptiert werden
könnten (Nr. 37).
374.
Die Klägerin weist insoweit das Vorbringen von KirchPayTV zurück, Modifikationen, durch die
Stellungnahmen Dritter Rechnung getragen werden solle, seien kein Indiz dafür, dass die durch den
Zusammenschluss aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht klar umrissen oder nicht leicht zu lösen
seien. Die Kommission dürfe nämlich nur solche Stellungnahmen Dritter zum Anlass nehmen, von den
Parteien die Modifizierung von vorgeschlagenen Zusagen zu verlangen, die bei ihr Bedenken
hinsichtlich der Möglichkeit weckten, den Zusammenschluss für vereinbar mit dem Gemeinsamen
Markt zu erklären. Umfangreiche und häufige Änderungen der Zusagen, die nach der Stellungnahme
Dritter vorgeschlagen würden, reflektierten somit die durch das Zusammenschlussvorhaben
aufgeworfene Problematik.
375.
Drittens spreche für die vorgeschlagene Auslegung, dass der auf die Anmeldungen abstellende
Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 im Gegensatz zu der Regelung in Artikel 18 Absatz 2 für
in der zweiten Prüfungsphase vorgeschlagene Zusagen nicht vorsehe, dass die Kommission die Frist
für das Angebot von Zusagen verlängern könne.
376.
Für den vorliegenden Fall ergebe sich aus dieser Auslegung, dass die Kommission nach Ablauf der
Frist des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98, d. h. im vorliegenden Fall nach dem 29.
Februar 2000, grundsätzlich nicht mehr berechtigt gewesen sei, Modifikationen von vorgeschlagenen
Zusagen zu berücksichtigen.
377.
Dennoch habe die Kommission nach diesem Tag zwei Änderungen des Zusagenpakets
berücksichtigt, die sachlich erheblich gewesen seien und aus offensichtlichen taktischen Gründen
erst sehr kurz vor Ablauf der Sechswochenfrist des Artikels 10 Absatz 1 der Verordnung Nr. 4064/89
abgegeben worden seien.
378.
Dadurch habe die Kommission die Beteiligungsrechte Dritter in unzulässiger Weise verkürzt. Die
Klägerin sieht dies durch den Umstand bestätigt, dass ihr bei der ersten Änderung des
Zusagenpakets eine Frist von kaum 24 Stunden gewährt worden sei und dass sie bei der zweiten
Änderung des Zusagenpakets keine Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten habe.
379.
Die Klägerin führt aus, sie rüge nicht die Verletzung eines Anhörungsrechts Dritter. Das Vorbringen
der Kommission und von KirchPayTV, mit der ihr ein solches Recht abgesprochen werden solle, gehe
daher fehl. Aus dem gleichen Grund seien auch der Hinweis von KirchPayTV auf Artikel 16 Absatz 1 der
Verordnung Nr. 447/98 und das daraus abgeleitete Vorbringen irrelevant, für die Anhörung Dritter auf
der Grundlage von Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 sei keine Frist vorgesehen.
380.
Ferner hält sie in diesem Zusammenhang das Urteil Kaysersberg/Kommission nicht für einschlägig,
auf das die Kommission ihr Vorbringen stützt, die Rechte Dritte kämen im Fusionskontrollverfahren nur
sehr eingeschränkt zum Tragen. Dieses Urteil beziehe sich nämlich auf einen Sachverhalt, der sich vor
dem Inkrafttreten der Verordnung Nr. 447/98 und folglich von deren Artikel 18 Absatz 1, der eine Frist
für die Abgabe von Zusagen vorsehe, ereignet habe. Das Gericht habe in diesem Urteil (Randnr. 141)
ausdrücklich auf das Fehlen einer Vorschrift über Fristen hingewiesen und festgestellt, dass die
Kommission deshalb in diesem Fall eine Prüfung von Zusagen, selbst wenn diese spät vorgeschlagen
worden seien, nicht habe ablehnen können. Im vorliegenden Fall müsse das Gegenteil gelten.
381.
Die Kommission, unterstützt durch KirchPayTV, beantragt, das Vorbringen der Klägerin zu diesem
Klagegrund zurückzuweisen.
Würdigung durch das Gericht
382.
Die Beteiligten meldeten den Zusammenschluss am 7. Februar 2000 vollständig an und schlugen
der Kommission am 29. Februar 2000 Zusagen vor; am 14. und am 16. März 2000 legten sie zwei
geänderte Fassungen dieser Zusagen vor.
383.
Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 bestimmt:
„Die der Kommission von den beteiligten Unternehmen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung ... Nr.
4064/89 vorgeschlagenen Verpflichtungen, die nach Absicht der Beteiligten die Grundlage für eine
Entscheidung nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der genannten Verordnung bilden sollen, sind der
Kommission nicht später als drei Wochen nach dem Tag des Eingangs der Anmeldung vorzulegen.“
384.
Im vorliegenden Fall wurde die Anmeldung von der Kommission am 7. Februar 2000 für vollständig
erklärt; nach der in den Artikeln 6 bis 9 und 18 Absatz 3 der Verordnung Nr. 447/98 festgelegten
Methode für die Fristenberechnung endete die Frist, innerhalb deren der Kommission in der Phase I
Zusagen vorgeschlagen werden konnten, daher am 29. Februar 2000. Folglich wurde die erste
Fassung der Zusagen bei der Kommission innerhalb der nach Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr.
447/98 vorgeschriebenen Fristen eingereicht.
385.
Es steht jedoch fest, dass die erste Fassung der Zusagen nicht diejenige ist, die die Kommission in
der angefochtenen Entscheidung schließlich angenommen hat, und dass sowohl die geänderte als
auch die endgültige Fassung der Zusagen von den Beteiligten nach dem 29. Februar 2000
eingereicht worden ist. Es ist daher zu prüfen, ob die Kommission zur Annahme dieser Zusagen
berechtigt war.
386.
Wie das Gericht hierzu bereits entschieden hat, ist Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98
dahin zu verstehen, dass die Beteiligten eines Zusammenschlusses die Kommission zwar nicht zwingen
können, Zusagen und Änderungen von Zusagen, die nach der Dreiwochenfrist eingereicht werden, zu
berücksichtigen; doch muss die Kommission umgekehrt, sofern sie meint, über die für die Prüfung
erforderliche Zeit zu verfügen, in der Lage sein, den Zusammenschluss aufgrund dieser Zusagen zu
genehmigen, selbst wenn die Änderungen nach der Dreiwochenfrist erfolgt sind (Urteil Royal Philips
Electronics/Kommission, Randnr. 239).
387.
Daraus ergibt sich, dass die Kommission berechtigt war, die geänderte und die endgültige Fassung
der Zusagen auch nach der Dreiwochenfrist des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 zu
akzeptieren, da sie nicht an diese Frist gebunden war.
388.
In Nummer 37 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen hat die Kommission zwar festgestellt:
„Ergibt sich jedoch aus der Prüfung, dass die angebotenen Verpflichtungen nicht ausreichen, um die
Wettbewerbsbedenken auszuräumen, werden die Parteien hiervon in Kenntnis gesetzt. Berücksichtigt
man, dass Abhilfemaßnahmen in der Verfahrensphase I dazu bestimmt sind, eine einfache Antwort auf
klar umrissene wettbewerbliche Bedenken zu erteilen, können nur in begrenztem Umfang Änderungen
der vorgeschlagenen Verpflichtungen akzeptiert werden. Solche Änderungen umfassen, wenn sie als
sofortige Antwort auf die Ergebnisse der Beratungen vorgelegt werden, Klarstellungen,
Verfeinerungen und/oder sonstige Verbesserungen, die sicherstellen, dass die Verpflichtungen
durchführbar und wirksam sind.“
389.
Diese Mitteilung ist jedoch im Licht von Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 auszulegen.
390.
Daher muss die Kommission, sofern sie meint, nach dieser Frist über die für die Prüfung der
Änderungen der Zusagen erforderliche Zeit zu verfügen, in der Lage sein, den Zusammenschluss
aufgrund der geänderten Zusagen zu genehmigen.
391.
Jedenfalls ist festzustellen, dass die hier von der Kommission nach der Dreiwochenfrist
angenommenen Änderungen begrenzten Umfang im Sinne von Nummer 37 der Mitteilung hatten, d. h.
„als sofortige Antwort auf die Ergebnisse der Beratungen vorgelegt [worden sind und] Klarstellungen,
Verfeinerungen und/oder sonstige Verbesserungen [umfassen], die sicherstellen, dass die
Verpflichtungen durchführbar und wirksam sind“.
392.
Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Klägerin weder nachgewiesen noch in ihren
Schriftsätzen oder in der mündlichen Verhandlung auch nur vorgetragen hat, welche wesentlichen
Änderungen nach der Dreiwochenfrist vorgenommen worden sein sollen; sie hat lediglich behauptet,
dass solche Änderungen vorgenommen worden seien.
393.
Allgemein zeigt ein Vergleich der innerhalb der Dreiwochenfrist eingereichten ursprünglichen
Fassung der Zusagen mit deren ersten Änderung und der endgültigen Fassung der von der
Kommission angenommenen Zusagen, dass weder der Gesamtansatz der Kommission, den
Marktzutritt zu eröffnen, noch der wesentliche Gehalt der einzelnen Zusagen geändert worden sind.
Überdies erscheinen die geänderte und die endgültige Fassung der Zusagen gegenüber ihrer ersten
Fassung als „Verbesserung“ gerade im Hinblick auf die Berücksichtigung der Erklärungen Dritter und
insbesondere der Klägerin.
394.
Was die Zusagen 1 bis 3 betreffend den Zugang Dritter zur Plattform von Kirch angeht, so
bestehen die Änderungen in der geänderten gegenüber der ersten Fassung insbesondere in der
Erweiterung des Kreises der Adressaten dieser Zusagen auf alle interessierten Dritten anstelle der
bisherigen Beschränkung auf die Fernsehveranstalter und in der Verdeutlichung der dem
betreffenden Kirch-Unternehmen gegenüber dem Adressaten des Angebots obliegenden
Kooperationspflichten, darunter die Pflicht zur Offenlegung der Informationen über das
Zugangskontrollsystem und über die technischen Dienstleistungen binnen eines Monats ab
schriftlicher Anforderung des interessierten Dritten.
395.
Was die Zusage 4 betreffend den Zugang zum d-Box-System von Kirch für Applikationen Dritter
angeht, so bestehen die Änderungen in der endgültigen Fassung hauptsächlich darin, diesen Zugang
zum d-Box-Betriebssystem unter dem Vorbehalt, dass zwischen Kirch und den Dritten eine
Vereinbarung über faire, angemessene und nichtdiskriminierende Bedingungen zustande kommt, an
das als DVB Multimedia Home Platform (MHP) bekannte Application Programming Interface
(nachstehend: API) zu knüpfen. Im Übrigen bedeuten die neuen Bestimmungen über Tests, denen die
Dritten ihre Applikationen unterziehen dürfen, keine Änderung der Tragweite der Zusage.
396.
Daher ist festzustellen, dass der Gehalt der Zusage, den Zugang Dritter zum d-Box-System von
Kirch zu erweitern, unverändert bleibt und dass die Änderungen Verbesserungen im Sinne von
Nummer 37 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen darstellen.
397.
Was die Zusage 5 betreffend die Interoperabilität der Applikationen über die API angeht, so
beschränken sich die Änderungen in der endgültigen Fassung auf eine Änderung der Frist, binnen
deren diese Interoperabilität herzustellen ist, und darauf, auszuschließen, dass für die Entwicklung
MHP-kompatibler Applikationen eine zusätzliche Lizenz verlangt wird.
398.
Zur Zusage 6 betreffend die Interoperabilität miteinander im Wettbewerb stehender Plattformen
wird in der endgültigen Fassung lediglich näher erläutert, unter welchen Bedingungen Kirch den
Anbietern von digitalen Zugangskontrollsystemen den Abschluss von Simulcrypt-Vereinbarungen
anbietet. So verpflichtet sich Kirch, alles zu unternehmen, um sicherzustellen, dass die Simulcrypt-
Vereinbarungen möglichst bald, spätestens innerhalb von 12 Monaten in Kraft treten. Die Einhaltung
dieser Verpflichtung hängt überdies davon ab, dass der Anbieter eines Zugangskontrollsystems und
Kirch „so weit wie objektiv notwendig“ zusammenarbeiten. Durch diese Änderungen bleiben die
Zusagen ihrer Art und der Sache nach unverändert.
399.
Was die Zusage 7 betreffend den Zugang anderer technischer Plattformen zu den
Bezahlfernsehdiensten von Kirch angeht, so stellt die Bedingung, dass Abonnenten, die
Fernsehprogramme über die technische Plattform von Kirch empfangen, und solche, die sie über
andere Plattformen empfangen, gleich zu behandeln sind, die als Ergänzung der Verpflichtung von
Kirch, ihre Bezahlfernsehdienste unmittelbar den Kunden (oder Abonnenten) anzubieten,
aufgenommen wurde, eine Verbesserung der ersten Fassung dieser Zusage dar, die jedoch deren
Tragweite oder Art nicht berührt.
400.
Was die Zusage 8 betreffend die Benutzung der Technologie des d-Box-Systems durch
konkurrierende Plattformen angeht, so stellen die Änderungen der ursprünglichen Fassung eine
Verbesserung dieser Zusage dar, da die Bedingungen hinsichtlich der von den Dritten zu stellenden
Garantien durch die Gewährung einer Lizenz auf einer angemessenen und nichtdiskriminierenden
Grundlage an jeden interessierten Dritten, der dies verlangt, ersetzt wurden.
401.
Durch die Änderungen der Zusage 9 betreffend die Herstellung von „Multiple-system“-Boxen wurde
die Tragweite der Zusage von Kirch näher erläutert und der Zugang für Dritte weiter erleichtert. In der
geänderten Fassung dieser Zusage verpflichtet sich Kirch nämlich dazu, die Hersteller nicht daran zu
hindern, solche Dekoder mit einem Zugangskontrollsystem für einen dritten Anbieter auszustatten
und dessen Kunden (oder Abonnenten) ihre Bezahlfernsehdienste nicht bloß deshalb vorzuenthalten,
weil sie ein d-Box-System mit einer solchen Ausstattung verwenden möchten. In der endgültigen
Fassung wird hinzugefügt, dass Kirch sich verpflichtet, den Herstellern keine anderen Beschränkungen
aufzuerlegen, die sie daran hindern würden, Dekoder mit zusätzlichen Zugangskontrollsystemen
herzustellen.
402.
Nur die Zusagen 10 und 11 betreffend den Wechsel vom analogen zum digitalen System und die
Begrenzung zusätzlicher Kabelplätze kamen neu hinzu. Im Vergleich mit den anderen neun Zusagen
kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass diese Ergänzung eine erhebliche Änderung
darstellt, da mit den neuen Zusagen lediglich eine Verbesserung des Zutritts Dritter zu den
verschiedenen betroffenen Märkten, den die ersten neun Zusagen sicherstellen sollen, bezweckt wird.
403.
Da nämlich die Zusage betreffend den Wechsel vom analogen zum digitalen System den Zweck hat,
zu vermeiden, dass die Tätigkeiten interessierter Dritter auf dem Bezahlfernsehmarkt oder dem Markt
für digitale interaktive Fernsehdienste dadurch beeinträchtigt werden, dass Verbraucher analoge
Dekoder verwenden, die für diese Tätigkeiten nicht passen, ist sie nicht als erhebliche Änderung
anzusehen, sondern im Gegenteil als eine Verbesserung, die den Zugang Dritter zum Kirchschen
System erweitert.
404.
Ebenso wenig ist die letzte Zusage von Kirch, bis zum 31. Dezember 2000 keine weiteren digitalen
Kabelplätze zu verlangen, mit der vermieden werden soll, dass das Bezahlfernsehangebot von Kirch
gegenüber dem Angebot Dritter eine Vormachtstellung einnimmt, als erhebliche Änderung anzusehen,
sondern vielmehr als eine Verbesserung der ersten Fassung der Zusagen, die dazu dient, diese
anwendbar und wirksam zu machen.
405.
Aus alldem ergibt sich, dass die geänderte und die endgültige Fassung der Zusagen als begrenzte
Änderungen angesehen werden können, die die Kommission gemäß Nummer 37 der Mitteilung über
Abhilfemaßnahmen nach der Frist des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 447/98 akzeptieren
kann.
406.
Überdies hat die Klägerin in ihren Schriftsätzen mehrfach wiederholt, die fraglichen Änderungen
seien „ständige taktische Veränderungen bereits in ihrer ursprünglichen Form völlig ungeeigneter und
unzureichender Zusagen“. Aus diesen Ausführungen ist zu folgern, dass die Klägerin in Wirklichkeit die
ursprünglichen Zusagen angreift und nicht die Änderungen, die nach den Stellungnahmen Dritter
vorgenommen wurden, um sie wirksam und anwendbar zu machen, und dass weder die Art noch die
Tragweite dieser Zusagen verändert wurde.
407.
Nach alledem haben die Änderungen der ursprünglichen Zusagen einen begrenzten Umfang im
Sinne von Nummer 37 der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen.
408.
Es ist jedoch noch zu untersuchen, ob die Kommission, wie die Klägerin geltend macht, durch die
Annahme der Änderungen der ursprünglichen Zusagen nach der Dreiwochenfrist die
Verfahrensrechte der Klägerin beeinträchtigt hat.
409.
Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Klägerin, bevor sie von der Kommission am 29. Februar
2000 über die von BSkyB und Kirch vorgeschlagenen Zusagen unterrichtet wurde, als Dritte am
Verfahren beteiligt war und von der Kommission am 11. Januar 2000 ein Auskunftsersuchen erhielt, in
dem sie gebeten wurde, zu den Auswirkungen des Zusammenschlussvorhabens auf den Wettbewerb
Stellung zu nehmen. Ihren am 14. und am 21. Januar 2000 eingereichten Stellungnahmen folgte am 9.
Februar 2000 eine Besprechung mit der Generaldirektion Wettbewerb.
410.
Ferner legte die Klägerin auf Anfrage der Kommission mit Schriftsatz vom 22. Februar 2000 dar,
welche Auflagen, Bedingungen und öffentlich-rechtlichen Zusagen sie im Hinblick auf das
Wettbewerbsrecht für erforderlich hielt.
411.
Außerdem wurde die Klägerin, wie sie in der Klageschrift ausgeführt hat, aufgefordert, zu den
ursprünglichen Zusagen binnen einer Frist von knapp 48 Stunden und zur ersten Änderung des
Zusagenpakets binnen 24 Stunden Stellung zu nehmen.
412.
So beanstandete die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 2. März 2000, die angebotenen Zusagen
stellten nicht mehr als das bloße Versprechen dar, die marktbeherrschende Stellung von KirchPayTV
nicht zu missbrauchen. Sie wiederholte ihre Auffassung, dass das Zusammenschlussvorhaben selbst
bei weiter gehenden Zusagen nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sei.
413.
Überdies hatte die Klägerin die Möglichkeit, zu der ersten Änderung des Zusagenpakets in ihrem
Schreiben vom 15. März 2000 Stellung zu nehmen. Sie wiederholte einmal mehr ihre Befürchtung
hinsichtlich der Verstärkung der beherrschenden Stellung von Kirch auf dem Markt für
Bezahlfernsehen in Deutschland und hinsichtlich der Begründung einer Quasi-Monopol-Stellung für die
Lieferung technischer Plattformen und Dienstleistungen. Außerdem forderte sie Änderungen
hinsichtlich der Modalitäten der Zusagen, um eine Erweiterung des Marktzugangs für andere Set-Top-
Boxen als die d-Box und die Öffnung des Kirchschen Systems für den MHP-Standard zu erreichen, ohne
dass dies an Fristen, Bedingungen oder diskriminierenden geschäftlichen Auflagen geknüpft sein
dürfe.
414.
Demnach hat die Kommission in der ersten Phase Dritte, darunter die Klägerin, angehört.
415.
Folglich ist festzustellen, dass die Klägerin sehr wohl in der Lage war, ihren Standpunkt zur
Tragweite und zur Art der Zusagen, die nach ihrer Auffassung von den am Zusammenschluss
Beteiligten anzubieten und von der Kommission als Bedingungen oder Auflagen aufzuerlegen waren,
mitzuteilen.
416.
Das Gericht hat im Urteil Kaysersberg/Kommission (Randnr. 119) festgestellt, dass dem
berechtigten Interesse Dritter wie der Klägerin, ihren Standpunkt hinsichtlich der nachteiligen
Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb darzulegen, in vollem Umfang Genüge
getan wird, wenn diese Dritten in der Lage sind, aufgrund sämtlicher Informationen, die ihnen von der
Kommission während des Verfahrens nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89
mitgeteilt worden sind, und insbesondere aufgrund der von den betroffenen Unternehmen
angebotenen Zusagen zu den Änderungen Stellung zu nehmen, die an dem
Zusammenschlussvorhaben vorgenommen werden sollen, um ernsthafte Bedenken gegen dessen
Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt auszuräumen. In einem solchen Fall ist nämlich
hinreichend gewährleistet, dass die Stellungnahme der konkurrierenden Dritten gegebenenfalls von
der Kommission berücksichtigt werden kann, um die Vereinbarkeit des Zusammenschlussvorhabens
mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen und insbesondere zu entscheiden, ob die von den
betroffenen Unternehmen angebotenen Zusagen ihr hierfür ausreichend erscheinen.
417.
Zu dem Umstand, dass die Klägerin für die Stellungnahme zur ersten Änderung der ursprünglichen
Zusagen nur knapp 24 Stunden Zeit hatte, ist festzustellen, dass Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung
Nr. 4064/89 und die Verordnung Nr. 447/98 zur Dauer der von der Kommission festzusetzenden Frist
keine spezifische Verpflichtung vorsehen. Das Gericht hat hierzu im Urteil Kaysersberg/Kommission
bereits Folgendes entschieden:
„... der Umstand allein, dass die Klägerin nur über eine Frist von zwei Werktagen verfügt hat, um sich
zu den von [den Beteiligten] angebotenen Änderungen des geplanten Zusammenschlusses zu
äußern, [kann] im vorliegenden Fall nicht als Nachweis dafür dienen, dass die Kommission das
Anhörungsrecht der Klägerin nach Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 verletzt hat. Dies
gilt um so mehr, als das berechtigte Interesse der qualifizierten Dritten an einer Anhörung zwar die
Gewährung einer ausreichenden Frist hierfür erforderlich machen kann, dieses Erfordernis aber mit
dem Beschleunigungsgebot in Einklang gebracht werden muss, das für die allgemeine Systematik der
Verordnung Nr. 4064/89 kennzeichnend ist und von der Kommission verlangt, Ausschlussfristen für
den Erlass der endgültigen Entscheidung einzuhalten, da sonst das Vorhaben als mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt gilt ...“
418.
Aus den gleichen Gründen und zumal es sich um eine Entscheidung der Kommission in der Phase I
handelt, macht der Umstand, dass die Klägerin für die Stellungnahme zur ersten Änderung der ihr
bekannten ursprünglichen Zusagen nur knapp 24 Stunden Zeit hatte, die Entscheidung nicht
rechtswidrig.
419.
Außerdem trägt die Klägerin nichts vor, was darzutun geeignet wäre, inwiefern sie bei einer
längeren Frist zur ersten Änderung der von BSkyB und Kirch vorgeschlagenen Zusagen umfassender
Stellung hätte nehmen und ihre Meinung dazu hätte darlegen können, ob die Zusagen ausreichen
oder nicht; sie hat der Kommission lediglich vorgeworfen, dass die Frist nicht ausgereicht habe. Die
Klägerin erhebt insoweit im Wesentlichen die gleichen Rügen wie im Verwaltungsverfahren.
420.
Folglich ist die Rüge, die Frist, die der Klägerin für die Stellungnahme zu den von den Beteiligten des
Zusammenschlusses vorgeschlagenen Zusagen und den daran vorgenommenen Änderungen
gewährt worden sei, habe nicht ausgereicht, unbegründet.
421.
Zu der Rüge, die zweite Änderung sei der Klägerin nicht mitgeteilt worden, so dass sie nicht in der
Lage gewesen sei, zu diesen Änderungen der ursprünglichen Zusagen Stellung zu nehmen, ist
zunächst daran zu erinnern, dass die Klägerin, wie oben festgestellt, in der Lage war, ihren
Standpunkt zur Tragweite und zur Art der Zusagen mitzuteilen, die nach ihrer Auffassung von den am
Zusammenschluss Beteiligten anzubieten und von der Kommission als Bedingungen oder Auflagen
aufzuerlegen waren, damit der Zusammenschluss als vereinbar mit dem Gemeinsamen Markt
angesehen werden kann.
422.
Zudem ergibt sich aus dem Urteil Kaysersberg/Kommission (Randnr. 120), dass die Kommission in
der Phase II nach Artikel 18 Absatz 4 der Verordnung Nr. 4064/89 nicht verpflichtet ist, qualifizierten
Dritten für eine vorherige Stellungnahme die endgültige Fassung der Zusagen mitzuteilen, die die
betroffenen Unternehmen aufgrund der Einwände abgegeben haben, die die Kommission erhoben
hat, nachdem sie bei den Dritten Stellungnahmen zu den Zusagen der betreffenden Unternehmen
eingeholt hat.
423.
Dies gilt erst Recht für eine Entscheidung der Kommission in der Phase I.
424.
Ferner trägt die Klägerin zu ihrer Rüge, sie habe für ihre Stellungnahme über keine ausreichende
Frist verfügt, nichts vor, woraus ersichtlich wäre, welche Bemerkungen sie zur zweiten Änderung etwa
abgegeben hätte.
425.
Folglich ist der fünfte Klagegrund nicht stichhaltig.
426.
Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.
Kosten
427.
Nach Artikel 87 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichts ist die unterliegende Partei auf Antrag zur
Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß
den Anträgen der Kommission und der Streithelferinnen KirchPayTV und BSkyB neben ihren eigenen
Kosten auch deren Kosten aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen
hat
DAS GERICHT (Dritte Kammer)
für Recht erkannt und entschieden:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt ihre eigenen Kosten sowie die Kosten der Kommission und der
Streithelferinnen KirchPayTV und BSkyB.
Jaeger
Lenaerts
Azizi
Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 30. September 2003.
Der Kanzler
Der Präsident
H. Jung
K. Lenaerts
Inhaltsverzeichnis
Rechtlicher Rahmen
II -
Dem Rechtsstreit zugrunde liegender Sachverhalt
II -
Die angefochtene Entscheidung
II -
1. Markt für Bezahlfernsehen
II -
2. Markt für digitale interaktive Fernsehdienste
II -
3. Markt für den Erwerb von Senderechten
II -
4. Die Zusagen
II -
Verfahren und Anträge der Beteiligten
II -
Zur Zulässigkeit
II -
1. Zur Klagebefugnis
II -
Vorbringen der Beteiligten
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Bestehen eines gewissen Wettbewerbs zwischen dem frei empfangbaren und dem
Bezahlfernsehen
II -
Zukünftige Konvergenz zwischen dem frei empfangbaren und dem Bezahlfernsehen durch
die Digitalisierung
II -
Auswirkung des Zusammenschlusses auf die digitalen interaktiven Fernsehdienste
II -
Beteiligung der Klägerin am FUN-Projekt
II -
Erwerb von Senderechten
II -
2. Zu den Voraussetzungen von Artikel 44 § 1 der Verfahrensordnung
II -
Zur Begründetheit
II -
1. Zum ersten Klagegrund: fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts unter dem Gesichtspunkt
des Artikels 2 Absätze 3 und 4 der Verordnung Nr. 4064/89
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
2. Zum zweiten Klagegrund: Verletzung von Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 4064/89
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
3. Zum dritten Klagegrund: Unzulänglichkeit der Zusagen
II -
Vorbringen zu allen Zusagen gemeinsam
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Spezifisches Vorbringen zu einzelnen Zusagen
II -
Zugang Dritter zur Plattform Kirchs (Zusagen l bis 3)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Öffnung des Zugangs zum d-Box-System von Kirch für Applikationen Dritter (Zusage 4)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Interoperabilität der Applikationen (Zusage 5)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Interoperabilität miteinander im Wettbewerb stehender Plattformen (Zusage 6)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Zugang anderer technologischer Plattformen zu den Bezahlfernsehdiensten von Kirch
(Zusage 7)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Benutzung der Technologie des d-Box-Systems durch konkurrierende Plattformen (Zusage
8)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Herstellung von „Multiple-system“-Boxen (Zusage 9)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Wechsel vom analogen zum digitalen System (Zusage 10)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Begrenzung zusätzlicher Kabelplätze (Zusage 11)
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Vorbringen, mit denen das Fehlen angeblich gebotener Zusagen gerügt wird
II -
Keine Zusage der Ausstattung des d-Box-Dekoders mit einer gemeinsamen Schnittstelle
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Keine Zusage hinsichtlich etwaiger Beziehungen zwischen BetaResearch und Deutsche
Telekom
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
Keine Zusage zur Entbündelung von Programm, Technologie und Ausstattung
II -
- Vorbringen der Parteien
II -
- Würdigung durch das Gericht
II -
4. Zum vierten Klagegrund: Verfahrensfehler durch Nichteinleitung des Verfahrens nach Artikel 6
Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 4064/89
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
5. Zum fünften Klagegrund: unzulässige Verkürzung der Beteiligungsrechte Dritter am Verfahren
II -
Vorbringen der Parteien
II -
Würdigung durch das Gericht
II -
Kosten
II -
Verfahrenssprache: Deutsch.