Urteil des BVerwG vom 17.07.2003

Aufschiebende Wirkung, Kreuzung, Verkehr, Form

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 VR 15.03
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 17. Juli 2003
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht
Dr. S t o r o s t , Prof. Dr. R u b e l und Dr. E i c h b e r g e r
beschlossen:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage
des Antragstellers gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regie-
rungspräsidiums Leipzig vom 7. März 2003 wird abgelehnt.
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Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Antrag, mit dem sich der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluss des Regie-
rungspräsidiums Leipzig vom 7. März 2003 für das Vorhaben "Bundesstraße 6 (neu)/Bun-
desstraße 87 (neu), Ortsdurchfahrt Leipzig Mittlerer Ring vom Bereich Pittlerstraße bis
Wiederitzscher Weg (S 1 neu) - Staatsstraße 1, Verlegung südlich Lindenthal und Knoten-
punkt S 1/Max-Liebermann-Straße/Slevogtstraße" wendet, ist zulässig. Der angegriffene
Planfeststellungsbeschluss betrifft ein Vorhaben nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VerkPBG. Die
hiergegen vom Antragsteller erhobene Klage entfaltet daher keine aufschiebende Wirkung
(§ 5 Abs. 2 Satz 1 VerkPBG). Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet im ersten und letz-
ten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten gegen einen solchen Planfeststellungsbeschluss
(§ 5 Abs. 1 VerkPBG) und ist folglich auch nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO als Gericht der
Hauptsache für die Entscheidung über den beantragten vorläufigen Rechtsschutz zuständig.
Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Einwendungen, die der Antragsteller innerhalb der
Einwendungsfrist nach - ordnungsgemäß und mit Belehrung nach § 17 Abs. 4 Satz 2 FStrG
bekannt gemachter - Auslegung des Plans mit Schreiben vom 9. April 2002 vorgebracht hat,
können im Hauptsacheverfahren keinen Aufhebungsanspruch begründen. Mit den nunmehr
im Antragsverfahren geltend gemachten Einwendungen gegen die Planung eines Zwangs-
punktes am westlichen Ende der Trasse zwischen der Anknüpfung der B 6 (neu)/B 87 (neu)
an die Pittlerstraße und dem Ende der Ausbaustrecke an der Einmündung der Straße Am
Börnchen ist der Antragsteller im Klage- und Antragsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO aus-
geschlossen (§ 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG). Unter diesen Umständen besteht keine Veranlas-
sung, von der gesetzlich vorgesehenen Regel der sofortigen Vollziehbarkeit des Planfest-
stellungsbeschlusses abzusehen.
Der Antragsteller hat sich mit seinem Einwendungsschreiben vom 9. April 2002 gegen be-
fürchtete Lärmerhöhungen an seinem Anwesen S.platz ... und einen damit einhergehenden
Wertverlust der Immobilie gewandt. Diese Lärmerhöhung sei deshalb zu erwarten, weil mit
der Einbindung der neuen B 6 in die Pittlerstraße sämtlicher Verkehr über die Pittlerstraße in
die Georg-Schumann-Straße geleitet werde. Durch den zu erwartenden drastischen Anstieg
des Verkehrsaufkommens werde es an der Kreuzung Pittlerstraße/Georg-Schumann-Straße,
aber in noch viel größerem Umfang an der Kreuzung Georg-Schumann-Straße/Linkelstraße
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zu erheblichen Verkehrsbehinderungen kommen. Infolgedessen werde sich der Verkehr
"durch die Nebenstraßen, hauptsächlich durch die Auenseestraße - Stahmelner Straße -
Rittergutsstraße kämpfen". Im Hinblick auf diese Einwendungen leidet der angegriffene
Planfeststellungsbeschluss ersichtlich an keinem Abwägungsfehler zu Lasten des
Antragstellers. Soweit die befürchtete Verkehrszunahme durch Verdrängungsverkehr von
der Einbindung der vom Westen kommenden B 6 (neu) in die Pittlerstraße herrühren sollte,
kann sich der Antragsteller mit seiner Klage und seinem Eilantrag hiergegen schon deshalb
nicht mit Erfolg wehren, weil diese Straßenbaumaßnahme auf einem anderen, dem
Antragsteller gegenüber bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss beruht. Die Verwirkli-
chung des vom Antragsteller angegriffenen Vorhabens hingegen wird - worauf der
Planfeststellungsbeschluss zutreffend abhebt (S. 340) - durch die Fortführung der B 6 (neu)
von der Pittlerstraße nach Osten aller Voraussicht nach zu einer Entlastung der Georg-
Schumann-Straße und damit zu einer Verringerung des befürchteten Verdrängungsverkehrs
in der Auenseestraße führen.
Mit der Klage und seinem Eilantrag wendet sich der Antragsteller nunmehr dagegen, dass
durch die konkrete Ausgestaltung des westlichen Trassenendes in Form des Y-Knoten-
punkts der B 6 (neu)/B 87 (neu) mit der Pittlerstraße und der Fortführung der vierstreifigen
Neubautrasse auf ca. 150 m nach Süden bis zur Einmündung der Straße Am Börnchen ein
Zwangspunkt geschaffen werde, der die künftige Weiterführung der B 87 (neu) durch die
Auenseestraße zur Gustav-Esche-Straße vorpräge. Damit werde es zu einer drastischen
Verkehrszunahme in der Auenseestraße verbunden mit entsprechenden Verkehrsimmissio-
nen an seinem Anwesen kommen, die zum Wertverlust des Mietshauses führen würden. Die
mit diesem Zwangspunkt verbundene Abschnittsbildung des planfestgestellten Vorhabens
zwischen Pittlerstraße und der Straße Am Börnchen sei fehlerhaft, weil ohne eigene
Verkehrsfunktion. Außerdem werde die Weiterführung der B 87 (neu) nach Süden an un-
überwindbaren Belangen des Naturschutzes scheitern.
Mit diesem Vorbringen ist der Antragsteller im Klage- und Antragsverfahren gemäß § 17
Abs. 4 Satz 1 FStrG ausgeschlossen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesver-
waltungsgerichts muss eine Einwendung im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG erkennen
lassen, in welcher Hinsicht Bedenken gegen die in Aussicht genommene Planfeststellung
- aus der Sicht des Einwendenden - bestehen könnten. Das Vorbringen muss so konkret
sein, dass die Planfeststellungsbehörde erkennen kann, in welcher Weise sie bestimmte
Belange einer näheren Betrachtung unterziehen soll (vgl. etwa Beschluss vom 16. Oktober
2001 - BVerwG 4 VR 20.01 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 165, S. 83 = NVwZ 2002, 726;
vgl. ferner Beschluss vom 12. Februar 1996 - BVerwG 4 A 38.95 - Buchholz 407.4 § 17
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FStrG Nr. 109 = NVwZ 1997, 171). Das bedeutet, dass der Einwendende nicht nur die eige-
ne Betroffenheit, die hinzunehmen er nicht bereit ist, hinreichend konkret zu benennen hat,
sondern dass er auch bezeichnen muss, weshalb - durch welche Auswirkungen des Vorha-
bens also - eine solche Betroffenheit befürchtet wird, sofern dies nicht nach Lage der Dinge
offenkundig ist. Insbesondere wenn - wie hier beim Antragsteller - der Ort der Betroffenheit
des Einwenders nicht unmittelbar an dem beanstandeten Vorhaben liegt, wird es in aller Re-
gel der Erläuterung bedürfen, inwiefern durch das Vorhaben schutzwürdige Belange des
Einwendenden betroffen sind, damit sich der Vorhabenträger und die Planfeststellungsbe-
hörde darauf einstellen und sachgerecht damit auseinander setzen können.
Gemessen hieran ist der Antragsteller mit seinen erstmals im Erörterungstermin und nun-
mehr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebrachten Einwendungen gegen die
Zwangspunktbildung durch das angegriffene Vorhaben ausgeschlossen. Zwar macht er wie
bereits in seinem Einwendungsschreiben vom 9. April 2002 Beeinträchtigungen seines An-
wesens durch Verkehrsimmissionen geltend; die Ursache für diese Beeinträchtigungen und
damit die Zielrichtung der Einwendungen geht nunmehr indes in eine grundsätzlich andere
Richtung. Er wendet sich nicht mehr gegen den befürchteten Verdrängungsverkehr, sondern
will mit seinen Einwendungen eine Vorfestlegung für die künftige Weiterführung der B 87
(neu) durch die an seinem Anwesen vorbeiführende Auenseestraße verhindern, für die er in
dem angegriffenen Vorhaben einen Zwangspunkt sieht. Mit diesen Einwendungen brauchte
sich die Planfeststellungsbehörde aufgrund des Vorbringens des Antragstellers in seinem
Schreiben vom 9. April 2002 nicht auseinander zu setzen, da nicht erkennbar war, dass die-
se darauf zielten.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers führt die Befassung der Anhörungsbehörde und
des Vorhabenträgers mit diesen neuen Einwendungen des Antragstellers im Erörterungs-
termin auch nicht dazu, dass die materielle Präklusion des § 17 Abs. 4 Satz 1 FStrG nun
nicht mehr griffe. Denn selbst die Befassung der Planfeststellungsbehörde mit präkludierten
Einwendungen von Amts wegen hat nicht zur Folge, dass dem mit seinen Einwendungen
ausgeschlossenen Bürger dadurch zu einem neuen Klagerecht verholfen wird (BVerwG, Be-
schluss vom 11. Februar 2000 - BVerwG 4 VR 17.99 - juris -; Gerichtsbescheid vom 30. Juli
1998 - BVerwG 4 A 1.98 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 140 = NVwZ-RR 1999, 162).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung folgt aus § 13 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 3 GKG.
Dr. Storost
Richter am Bundes- Dr. Eichberger
verwaltungsgericht
Prof. Dr. Rubel
ist wegen Urlaubs verhindert,
seine Unterschrift beizufügen.
Dr. Storost