Urteil des BVerwG vom 15.10.2014

Zweitwohnung, Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Kapitalanlage, Gemeinde

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Sonstiges Abgabenrecht
Rechtsquelle/n:
GG Art. 105 Abs. 2a
VwGO § 137 Abs. 1 Nr. 1
AO § 165 Abs. 1
BayKAG Art. 13 Abs. 1
Titelzeile:
Zweitwohnungsteuer bei Leerstand zur Kapitalanlage
Stichwort/e:
Aufwandsteuer; Zweitwohnung; Zweitwohnungsteuer; Nutzung;
Nutzungsmöglichkeit; Leerstand; Aufwand; persönliche Lebensführung;
Vermutung; innere Tatsache; Kapitalanlage; Zweckbestimmung;
Zweitwohnungsinhaber.
Leitsatz/-sätze:
Die Gemeinde darf grundsätzlich an das Vorhalten einer Zweitwohnung, auch
wenn diese nicht tatsächlich genutzt wird, zunächst die Vermutung knüpfen, dass
die Wohnung für die persönliche Lebensführung vorgehalten wird. Diese
Vermutung wird aber erschüttert, wenn der Inhaber seinen subjektiven
Entschluss, die Wohnung ausschließlich zur Kapitalanlage zu nutzen, durch
objektive Umstände erhärten kann. Als einer dieser Umstände kann auch ein
nachgewiesener Leerstand in Betracht kommen, insbesondere, wenn er schon
über Jahre hinweg andauert.
Urteil des 9. Senats vom 15. Oktober 2014 - BVerwG 9 C 5.13
I. VG München vom 19. April 2012
Az: VG M 10 K 11.4145
II. VGH München vom 27. Juni 2013
Az: VGH 4 B 13.592
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 C 5.13
VGH 4 B 13.592
Verkündet
am 15. Oktober 2014
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bier,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Steinkühler
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayeri-
schen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juni 2013 wird
zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen seine Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer. Er
ist Miteigentümer einer etwa 50 m² großen Wohnung im Gemeindegebiet der
Beklagten und bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau ein etwa 300 m entfernt
gelegenes Einfamilienhaus.
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Die Beklagte erhebt Zweitwohnungsteuer aufgrund ihrer am 1. Januar 2011 in
Kraft getretenen „Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der
Gemeinde F.“ vom 20. Juli 2010 (ZwStS), die unter anderem bestimmt:
㤠2 Steuergegenstand
Zweitwohnung ist jede Wohnung in der Gemeinde F., die eine
Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung
hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Fami-
lienangehörigen innehat. Die vorübergehende Nutzung zu an-
deren Zwecken, insbesondere zur Überlassung an Dritte, steht
der Zweitwohnungseigenschaft nicht entgegen. …
§ 3 Steuerpflicht
(1) Steuerpflichtig ist, wer im Gemeindegebiet eine Zweitwoh-
nung im Sinne des § 2 innehat.
…..
§ 7 Festsetzung und Fälligkeit der Steuer
(1) Die Gemeinde F. setzt die Steuer für ein Kalenderjahr oder
- wenn die Steuerpflicht erst während des Kalenderjahres ent-
steht - für den Rest des Kalenderjahres durch Bescheid fest.
In dem Bescheid kann bestimmt werden, dass er auch für
künftige Zeitabschnitte gilt, solange sich die Bemessungs-
grundlagen und der Steuerbetrag nicht ändern.
(2) Die Steuer wird erstmalig einen Monat nach der Bekannt-
gabe des Steuerbescheids fällig. Bis zur Bekanntgabe eines
neuen Steuerbescheides ist die Steuer jeweils zur Hälfte ihres
Jahresbeitrages am 1. April und am 1. Oktober eines jeden
Jahres fällig und ohne Aufforderung weiter zu entrichten.
…..
§ 9 Steuererklärung
(1) Der Inhaber einer Zweitwohnung ist zur Abgabe einer
Steuererklärung verpflichtet. Zur Abgabe einer Steuererklä-
rung ist auch verpflichtet, wer hierzu von der Gemeinde F.
aufgefordert wird.
….
(5) Es sind die Bestimmungen der Abgabenordnung in ihrer
jeweils geltenden Fassung heranzuziehen, soweit das Kom-
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munalabgabengesetz in seiner jeweils geltenden Fassung auf
diese verweist.“
Die Beklagte setzte mit Bescheid vom 17. Februar 2011 gegenüber dem Kläger
eine Zweitwohnungsteuer für das Jahr 2011 sowie für die Folgejahre in Höhe
von jährlich 646,79 € fest. Der hiergegen gerichtete Widerspruch des Klägers
sowie dessen Klage blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die
von ihm zugelassene Berufung das Urteil des Verwaltungsgerichts vom
19. April 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2011 aufgehoben.
Im Wesentlichen hat er dazu ausgeführt: Nur der konsumtive Aufwand für den
persönlichen Lebensbedarf dürfe Gegenstand der Besteuerung nach Art. 105
Abs. 2a GG sein. Deshalb schieden solche Zweitwohnungen als Gegenstand
einer örtlichen Aufwandsteuer aus, die von ihrem Inhaber als reine Geld- oder
Vermögensanlage in der Form des Immobiliarbesitzes gehalten würden. Die
bloße objektive Möglichkeit der Eigennutzung durch den Inhaber der Zweitwoh-
nung schließe dabei die Annahme einer zweitwohnungsteuerfreien Kapitalanla-
ge nicht aus. Allerdings dürfe die steuererhebende Gemeinde zunächst grund-
sätzlich davon ausgehen, dass eine Zweitwohnung zumindest auch für Zwecke
der persönlichen Lebensführung vorgehalten werde, solange der Zweitwoh-
nungsinhaber keine Umstände vortrage, die diese Vermutung erschütterten. Die
bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch nicht nutzen zu
wollen, reiche als Äußerung einer subjektiven Vorstellung grundsätzlich nicht
aus, die Vermutung zu widerlegen. Im vorliegenden Fall habe der Kläger aber
seinen subjektiven Entschluss, die Wohnung ausschließlich zur Kapitalanlage
zu nutzen, durch weitere objektive Umstände erhärten können. Hierfür spreche
nach den Gesamtumständen vor allem, dass - unwidersprochen - die streitge-
genständliche Wohnung bereits seit 2004 von niemandem mehr benutzt worden
sei und jahrelang kein Strom und Wasser verbraucht worden seien. Die belegte
objektive Tatsache, dass eine Wohnung über mehrere Jahre hinweg vom Ver-
fügungsberechtigten weder für sich noch für seine Familienangehörigen tat-
sächlich zu Wohnzwecken genutzt worden sei, lasse darauf schließen, dass
diese nicht zur persönlichen Wohnnutzung und damit zur persönlichen Lebens-
führung im Sinne der gemeindlichen Zweitwohnungsteuersatzung vorgehalten
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werde. Die Wohnung bleibe auch ohne gleichzeitige Vermietung und Verpach-
tung eine besonders sichere Vermögensanlage, bei der der Inhaber aufgrund
der Wertsteigerung im Falle eines späteren Verkaufs sogar noch auf Rendite
hoffen könne.
Zur Begründung der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision führt
die Beklagte aus:
Das Berufungsgericht verletze Art. 105 Abs. 2a und Art. 28 Abs. 2 GG. Eine
Zweitwohnung dürfe besteuert werden, wenn sie auch für den eigenen Lebens-
bedarf oder den von Angehörigen vorgehalten und damit die Möglichkeit der
Eigennutzung offen gehalten werde. Das sei der Fall, wenn eine rechtlich gesi-
cherte und tatsächliche Verfügungsbefugnis des Steuerpflichtigen über die
Zweitwohnung bestehe. Auf die tatsächliche Nutzung komme es nicht an. Solle
die Zweitwohnung der Kapitalanlage dienen, müsse die Absicht des Zweitwoh-
nungsinhabers als innere Tatsache auf der Grundlage von objektiven, nach au-
ßen in Erscheinung tretenden, verfestigten und von Dritten nachprüfbaren Um-
ständen beurteilt werden. Hierfür genüge ein, wenn auch jahrelanger, Leerstand
nicht. Im Übrigen sei es für die Beklagte aus Praktikabilitätsgründen nicht zu-
mutbar, vor Erlass eines Steuerbescheids den Verbrauch von Wasser und
Strom zu kontrollieren. Schließlich werde der Kommune ein zulässiges Len-
kungsinstrument genommen, wenn bei Leerstand und Nachweis des fehlenden
Wasser- und Stromverbrauchs die Zweitwohnungsteuer entfallen müsste. Denn
mit der Zweitwohnungsteuer dürfe so genannten „Rollladensiedlungen“ entge-
gengewirkt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom
27. Juni 2013 zu ändern und die Berufung des Klägers
gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom
19. April 2012 zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt die angegriffene Entscheidung.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet. Das angefochte-
ne Urteil verstößt nicht gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das
Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Voraussetzungen für die
Erhebung einer Zweitwohnungsteuer als Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105
Abs. 2a GG nicht vorliegen.
Der Verwaltungsgerichtshof meint, nach § 2 ZwStS bedeute ein Innehaben der
Wohnung zur persönlichen Lebensführung ein Bewohnen oder jedenfalls eine
entsprechende Absicht, die allerdings nicht auch tatsächlich verwirklicht werden
müsse. Die Wohnung müsse aber immerhin dafür vorgehalten werden. Der
Leerstand einer Wohnung ohne aktuellen Nutzungszweck sei gerade kein Inne-
haben zu Wohnzwecken. An diese Auslegung ist das Revisionsgericht gebun-
den. Die Anwendung und Auslegung einer gemeindlichen Satzung ist zunächst
eine Frage des grundsätzlich nicht revisiblen Landesrechts. Die Entscheidung
des Verwaltungsgerichtshofs ist der revisionsgerichtlichen Kontrolle jedoch in-
soweit unterworfen, als sie bei der Auslegung und Anwendung der Steuersat-
zung den mit Art. 105 Abs. 2a GG bundesrechtlich vorgegebenen Aufwandsbe-
griff nicht verletzen darf (stRspr, vgl. nur Urteil vom 27. Oktober 2004 - BVerwG
10 C 2.04 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 21 S. 28). Das ist hier
nicht der Fall.
Bei der Auslegung der Satzung der Beklagten geht der Verwaltungsgerichtshof
zutreffend von dem in der Rechtsprechung entwickelten Begriff der Aufwand-
steuer aus. Die Zweitwohnungsteuer ist danach eine Steuer auf die wirtschaftli-
che Leistungsfähigkeit, die in der Verwendung des Einkommens für den per-
sönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt (BVerfG, Beschluss vom 6. De-
zember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325 <346>; BVerwG, Urteil vom
13. Mai 2009 - BVerwG 9 C 8.08 - Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer
Nr. 27 Rn. 23). Das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen
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Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ist ein besonderer
Aufwand, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln erfordert und
in der Regel wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zum Ausdruck bringt. Das nach
dem Aufwandsbegriff im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG gebotene Innehaben
einer weiteren Wohnung für die persönliche Lebensführung setzt eine dahinge-
hende Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung voraus (Urteile
vom 10. Oktober 1995 - BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <305> = Buch-
holz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 9 S. 6 und vom 13. Mai 2009 a.a.O.).
Demzufolge liegt eine steuerbare Zweitwohnung dann nicht vor, wenn sie nach
dem subjektiven Verwendungszweck nicht der persönlichen Lebensführung
dient, sondern der reinen Geld- oder Vermögensanlage in der Form des Immo-
biliarbesitzes (Urteile vom 26. Juli 1979 - BVerwG 7 C 12.77 - Buchholz 401.61
Zweitwohnungssteuer Nr. 2 S. 16 und vom 10. Oktober 1995 a.a.O.). Das Beru-
fungsgericht nimmt weiter zutreffend an, dass für die im Ausgangspunkt subjek-
tive Bestimmung des Verwendungszwecks der Zweitwohnung nicht die
- unüberprüfbare - innere Absicht des Zweitwohnungsinhabers maßgeblich ist,
sondern dass diese innere Tatsache nur auf der Grundlage objektiver, nach
außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten nachprüfbarer Um-
stände im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen ist (Urteil vom 10. Oktober 1995
a.a.O.).
Die Gemeinde darf an das Innehaben einer Zweitwohnung bei bestehendem
Nutzungsrecht und der offen gehaltenen Nutzungsmöglichkeit grundsätzlich
zunächst die Vermutung knüpfen, dass die Wohnung zumindest auch für Zwe-
cke der persönlichen Lebensführung vorgehalten wird. Es ist gerade der Leer-
stand der Zweitwohnung trotz rechtlich bestehender Nutzungsmöglichkeit, der
in der Regel auf die der Besteuerung zugrunde liegende Leistungsfähigkeit des
Wohnungsinhabers schließen lässt (Urteil vom 27. Oktober 2004 a.a.O. S. 29;
Beschluss vom 17. August 2000 - BVerwG 11 B 43.00 - NVwZ-RR 2001, 682
<683>). Dies gilt, solange der Zweitwohnungsinhaber keine objektiven Umstän-
de vorträgt, die diese Vermutung erschüttern. Hierfür genügt einerseits nicht die
bloße Behauptung, die Zweitwohnung nicht zu nutzen und auch künftig nicht
zum Wohnen nutzen zu wollen. Andererseits steht der fehlende vertragliche
Ausschluss einer objektiven Eigennutzungsmöglichkeit der Annahme ei-
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ner reinen Kapitalanlage nicht entgegen (Urteil vom 26. September 2001
- BVerwG 9 C 1.01 - BVerwGE 115, 165 <169> = Buchholz 401.61 Zweitwoh-
nungssteuer Nr. 19 S. 17). Auch in einem solchen Fall muss dem Wohnungsin-
haber der Nachweis gestattet sein, dass seine Wohnung entgegen einer mög-
licherweise zunächst begründeten Vermutung nicht der persönlichen Lebens-
führung dient (BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Juni 1995 - 1 BvR 1800/94,
1 BvR 2480/94 - NVwZ 1996, 57 <58>; BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995
- BVerwG 8 C 40.93 - BVerwGE 99, 303 <307> = Buchholz 401.61 Zweitwoh-
nungssteuer Nr. 9 S. 7). Dieser Nachweis kann nicht nur dadurch geführt wer-
den, dass die Wohnung mehr oder weniger regelmäßig vermietet wird. Die Ka-
pitalanlageabsicht kann sich auch aus anderen Umständen ergeben. Es kommt
deshalb auf eine umfassende Würdigung aller objektiven Umstände des Einzel-
falles an (Urteile vom 10. Oktober 1995 a.a.O., vom 26. September 2001 a.a.O.
und vom 27. Oktober 2004 a.a.O. S. 30). Das gilt unbeschadet der Fälle von
Mischnutzungen, in denen die Zweitwohnung sowohl für die eigene Lebensfüh-
rung als auch zur Kapitalanlage vorgehalten wird. In diesen Fällen, in denen die
Nutzung zumindest auch zur persönlichen Lebensführung feststeht, bedarf es
der einzelfallbezogenen Abgrenzung zur „reinen Kapitalanlage“ nicht (mehr).
Für diese Fälle ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ge-
klärt, dass Bundesrecht lediglich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Be-
stimmung der eigenen Nutzungszeiten im Veranlagungsjahr fordert, um eine,
gemessen an der Eigennutzungsmöglichkeit, unverhältnismäßige Steuerbelas-
tung auszuschließen (Urteile vom 30. Juni 1999 - BVerwG 8 C 6.98 - BVerwGE
109, 188 <191> = Buchholz 401.61 Zweitwohnungssteuer Nr. 16 S. 3, vom
26. September 2001 a.a.O. und vom 27. Oktober 2004 a.a.O.).
Die von einem Zweitwohnungsinhaber vorgetragene Absicht, die Wohnung
aus Kapitalanlagegründen vorzuhalten, erfordert einerseits eine in die Zukunft
gerichtete Beurteilung. Andererseits können aber die Verhältnisse vergangener
Veranlagungszeiträume wichtige Anhaltspunkte bieten und die behaupteten
Tatsachen plausibilisieren (BVerwG, Urteil vom 10. Oktober 1995 a.a.O.; zum
Einkommensteuerrecht vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 - X R 109/87 -
BFHE 159, 128 <132>). Dabei dürfen die Anforderungen an die Darlegung der
Kapitalanlageabsicht nicht überspannt werden, denn die Erhebung einer Auf-
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wandsteuer stellt keine Sanktion für fehlende Vermietung oder eine unwirt-
schaftliche Kapitalanlage dar, sondern eine Besteuerung eines bestimmten,
persönlichen Wohnzwecken dienenden Aufwandes (so zutreffend OVG Müns-
ter, Beschluss vom 8. Juni 2000 - 14 B 2135/99 - NVwZ-RR 2001, 54 <55>).
Diesen rechtlichen Ansatz hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung zu-
grunde gelegt. Es hat angenommen, die bloße Behauptung des Klägers, die
Wohnung nicht zu nutzen und auch künftig nicht zum Wohnen nutzen zu wol-
len, reiche als bloße Äußerung einer subjektiven Vorstellung grundsätzlich nicht
aus, die Vermutung des Vorhaltens für die persönliche Lebensführung zu er-
schüttern. Es hat weiter berücksichtigt, dass der Kläger das bisherige Fehlen
von tatsächlichen Verkaufsbemühungen bei einer generellen Verkaufsabsicht
plausibel damit habe erklären können, dass der Verkauf der Wohnung wegen
eines nicht abgeschlossenen Baumängelprozesses bislang unterblieben sei.
Ein Zuwarten mit dem Verkauf sei unabhängig von der Tatsache, dass auch
nach Einschätzung der Beklagten die Grundstücks- und Wohnungspreise in
ihrem Gebiet in den vergangenen Jahren stetig und erheblich gestiegen seien,
nachvollziehbar. Jedoch schließe das für sich genommen ein Vorhalten der
Wohnung zur persönlichen Lebensführung nicht zwingend aus.
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus als weiteren erheblichen Grund für die
Annahme, die Wohnung werde nicht für die persönliche Lebensführung des
Klägers vorgehalten, dessen unwidersprochenen und unwiderlegten Vortrag
angesehen, dass die streitgegenständliche Wohnung bereits seit 2004 von
niemandem mehr benutzt worden sei. Für die Zeit ab 2009 und damit zwei Jah-
re vor Einsetzen der Zweitwohnungsteuerpflicht seien auch objektive Nachwei-
se zu den Verbrauchsdaten der Wohnung vorgelegt worden. Der Kläger habe in
Zusammenschau mit den weiteren genannten Umständen und den durch feh-
lenden Strom- und Wasserverbrauch nachgewiesenen langjährigen Leerstand
die Kapitalanlageabsicht belegt und damit die Vermutung, die Wohnung diene
der persönlichen Lebensführung, erschüttert. Diese tatrichterliche Würdigung ist
von Bundesrechts wegen nicht zu beanstanden. Ein derart langer Leerstand in
der Vergangenheit kann einen wichtigen Anhaltspunkt für das Verhalten in der
Zukunft bieten (vgl. BFH, Urteil vom 25. Oktober 1989 a.a.O.), weil aus ihm er-
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sichtlich ist, ob die hier allein in der Wertsteigerung des Grundstücks liegende
Kapitalanlageabsicht plausibel ist.
Der Einwand der Beklagten, die Erhebung der Zweitwohnungsteuer sei unter
diesen Umständen mit einem für die Gemeinde nicht mehr zumutbaren Verwal-
tungsaufwand verbunden, greift nicht durch. Unbeschadet der bereits beschrie-
benen, die Gemeinde regelmäßig entlastenden tatsächlichen Vermutung, eine
Zweitwohnung werde (auch) für die persönliche Lebensführung vorgehalten,
kann die Gemeinde, soweit im Einzelfall dennoch ungewiss ist, ob die Voraus-
setzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind, gegebenenfalls auf
die Möglichkeit der vorläufigen Steuerfestsetzung zurückgreifen (Art. 13 Abs. 1
Nr. 4 Buchst. b) aa) BayKAG i.V.m. § 165 Abs. 1 AO). Die subjektive Bestim-
mung des Verwendungszwecks einer Zweitwohnung ist eine innere Tatsache,
die je nach den Umständen des Falles in einer die Vorläufigkeit nach § 165
Abs. 1 AO rechtfertigenden Weise ungewiss sein kann (vgl. auch BFH, Urteil
vom 25. Oktober 1989 a.a.O.; Cöster, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung,
2. Aufl. 2009, § 165 Rn. 12).
Der mit einem solchen Vorgehen verbundene Verwaltungsaufwand ist im Inte-
resse verfassungskonformen Vorgehens unvermeidbar, aber auch zumutbar.
Verwaltungsaufwand mit der Kontrolle von Steuererklärungen hat die Beklagte
schließlich auch etwa in Fällen der Mischnutzung und in solchen Fällen, in de-
nen sie aufgrund von Vermietungsverträgen oder ähnlichem von einer Kapital-
anlageabsicht ausgeht.
Der weitere Einwand der Beklagten, sie dürfe mit der Zweitwohnungsteuer zu-
lässigerweise den Zweck verfolgen, so genannte „Rollladensiedlungen“ zu un-
terbinden, weil sich diese auf die Auslastung der kommunalen Infrastruktur
auswirkten und zur Verödung des Ortes beitragen könnten, bleibt ebenfalls oh-
ne Erfolg. Zwar darf die Beklagte grundsätzlich mit der Steuererhebung auch
Lenkungsziele verfolgen (BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 u.a. -
BVerfGE 98,106 <117 f.>; Beschluss vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 -
NVwZ 2014, 1084 Rn. 81; BVerwG, Beschluss vom 27. Oktober 2003 - BVerwG
9 B 102.03 - juris Rn. 4 f.). Sie darf aber nicht die durch Art. 105 Abs. 2a GG
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vorgegebenen Anforderungen der Aufwandsteuer unter Hinweis auf den Len-
kungszweck überspielen. Ebenso wenig kann eine Verletzung der der Beklag-
ten im Rahmen des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts (Art. 28 Abs. 2
Satz 3 GG) gewährleisteten Finanzhoheit darin liegen, dass ihr die Erhebung
einer gegen Art. 105 Abs. 2a GG verstoßenden Steuer verwehrt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Dr. Bier
Buchberger
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Bick
Steinkühler
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 263,76 € festgesetzt (§ 47 Abs. 1,
§ 52 Abs. 3 GKG i.V.m. Nr. 3.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsge-
richtsbarkeit).
Dr. Bier
Buchberger
Dr. Bick
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