Urteil des BVerwG vom 07.06.2014

Vernehmung Von Zeugen, Zusicherung, Aufklärungspflicht, Entzug

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 9 B 70.13
OVG 9 C 10338/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 7. Juni 2014
durch die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Christ und
Prof. Dr. Korbmacher und die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bick
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts für
Rheinland-Pfalz und das Saarland vom 9. Oktober 2013
wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde
kann keinen Erfolg haben.
1. Die Revision ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssa-
che (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
a) Die Frage,
„ob es gem. § 44 Abs. 2 FlurbG abwägungsfehlerhaft ist,
wenn einem Teilnehmer ein zunächst gemäß Planwunsch
(…) im Rahmen des Flurbereinigungsplans zuerkanntes
Flurstück für ein Aussiedlungsvorhaben im Rahmen eines
Nachtrags wieder aberkannt wird“,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Sie lässt sich wörtlich genommen
nicht verallgemeinerungsfähig beantworten. Vielmehr hängt es von den Um-
ständen des Einzelfalles ab, ob der Spielraum der Flurbereinigungsbehörde bei
der Abwägung der gegenläufigen Belange nach § 44 Abs. 2 FlurbG ausnahms-
weise so eingeengt ist, dass jede andere Entscheidung als die Aufrechterhal-
tung der Zuteilung des Abfindungsgrundstücks an den aussiedlungswilligen
Teilnehmer abwägungsfehlerhaft wäre.
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Die Grundsatzrüge vermag im Übrigen auch insoweit nicht durchzudringen, als
die Beschwerde der Sache nach darauf abstellen sollte, dass der Entzug eines
gemäß einem Aussiedlungswunsch zugeteilten Abfindungsgrundstücks stets
einer Abwägung nach § 44 Abs. 2 FlurbG bedürfe, weil dann kein Zweifel daran
bestehen könne, dass die Flurbereinigungsbehörde Kenntnis von der Aussied-
lungsabsicht habe. Das Flurbereinigungsgericht hat eine solche Kenntnis der
Behörde bereits im Zeitpunkt des Planwunschtermins unterstellt. Es hat jedoch
in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ange-
nommen, dass dies nicht ausreiche, sondern nur ein hinreichend konkretisiertes
und verfestigtes Aussiedlungsvorhaben abwägungserheblich sei (Urteil vom
23. August 2006 - BVerwG 10 C 4.05 - BVerwGE 126, 303 Rn. 31). Diese Vo-
raussetzung sei hier nicht gegeben. Die Kläger hätten das Aussiedlungsvorha-
ben auch im Anschluss an den Planwunschtermin nicht weiter dadurch konkre-
tisiert, dass sie den von der Flurbereinigungsbehörde erstellten Entwurf einer
Bauvoranfrage samt Lageplan eingereicht hätten. Selbst mit ihrem Widerspruch
gegen den Nachtrag I zum Flurbereinigungsplan, mit dem das Abfindungs-
grundstück wieder entzogen worden sei, und in der Verhandlung über diesen
Widerspruch hätten die Kläger nicht auf Nachteile für ihre Aussiedlungsabsicht
hingewiesen. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Rechtssache vor
dem Hintergrund dieser Ausführungen Anlass zu einer Fortentwicklung der
Rechtsprechung zur Anwendung des § 44 Abs. 2 FlurbG in Fällen geben könn-
te, in denen ein Wunsch auf Zuteilung eines bestimmten Grundstücks zum
Zwecke der Aussiedlung erkennbar geworden ist.
b) Die weitere Frage,
„ob es sich bei der Zuweisung einer Aussiedlungsfläche
gemäß Planwunsch durch den Flurbereinigungsplan nicht
um eine verbindliche Zusage der Flurbereinigungsbehörde
handelt, die gegenüber dem begünstigten Teilnehmer
nachträglich nicht mehr geändert werden kann“,
ist nicht klärungsbedürftig. Sie kann auf der Grundlage der bisherigen höchst-
richterlichen Rechtsprechung ohne weiteres verneint werden. Danach steht je-
de Abfindung unter dem Vorbehalt möglicher Änderungen nach Maßgabe des
§ 60 FlurbG, es sei denn, alle den Flurbereinigungsplan betreffenden Festset-
zungen sind bereits bestandskräftig geworden oder die Zuteilung beruht auf
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einer - gesonderten - Zusicherung nach § 38 VwVfG (vgl. Urteile vom 20. Mai
1998 - BVerwG 11 C 7.97
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Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 78 und vom
25. Mai 1961 - BVerwG 1 C 102.58 - NJW 1961, 1882, <1883 f.>; Beschluss
vom 18. Juni 1987 - BVerwG 5 B 165.85 - Buchholz 424.01 § 2 FlurbG Nr. 3;
vgl. auch Wingerter/Mayr, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 60 Rn. 4 m.w.N.). Daher
kann der Zuteilung eines Abfindungsgrundstücks gemäß Planwunsch für sich
genommen nicht die Bedeutung einer nicht mehr abänderbaren „Zusicherung“
auf Behalt dieses Grundstücks zukommen.
2. Die Divergenzrügen (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gehen fehl. Sie nehmen Be-
zug auf Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach der Entzug eines
auf der Grundlage einer wirksamen Zusicherung nach § 38 VwVfG zugeteilten
Abfindungsgrundstücks grundsätzlich ausgeschlossen ist. Hiervon kann das
Flurbereinigungsgericht nicht abgewichen sein, weil es das Vorliegen einer Zu-
sicherung mangels Schriftform und Bindungswillen verneint hat. Soweit die Be-
schwerde diese Annahme angreift, verfehlt sie den Anwendungsbereich der
Zulassung der Revision wegen Divergenz.
3. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde schließlich die Zurückweisung des Antrags
der Kläger auf Vernehmung von Zeugen zum Beweis für eine bereits vor dem
Planwunschtermin bestehende Kenntnis der Flurbereinigungsbehörde von
ihrem Aussiedlungswunsch als Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 132 Abs. 2
Nr. 3 i.V.m. § 86 Abs. 1 VwGO). Das Flurbereinigungsgericht hat diesen Be-
weisantrag als unerheblich zurückgewiesen, weil die unter Beweis gestellte
Tatsache nichts daran ändere, dass es - aus den oben genannten Gründen - an
der für eine Abwägungserheblichkeit nach § 44 Abs. 2 FlurbG notwendigen
Konkretisierung und Verfestigung der Aussiedlungsabsicht fehle. Das begegnet
unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht keinen Bedenken. Der Sache
nach wendet sich die Beschwerde denn auch im Gewande der Aufklärungsrüge
gegen die Rechtsauffassung des Flurbereinigungsgerichts.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des
Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Dr. Christ
Prof. Dr. Korbmacher
Dr. Bick
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