Urteil des BVerwG vom 12.08.2009

Kritik, Gutachter, Stand der Technik, Halle

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 9 A 64.07
Verkündet
am 12. August 2009
Jakob
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 9. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 5. und 6. August 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Storost,
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte und Domgörgen,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Buchberger und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Korbmacher
am 12. August 2009 für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerinnen zu 1
und 2 sowie die Kläger zu 4 und 7 zu je 3/50, der Kläger
zu 5 und die Klägerin zu 6 zu je 4/50, die Kläger zu 3
und 8 zu je 9/50 und der Kläger zu 9 zu 12/50.
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G r ü n d e :
I
Die Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten
vom 6. Juni 2007 für den Neubau der Bundesautobahn A 33, Abschnitt 6 Biele-
feld-Steinhagen, einschließlich des Zubringers Schnatweg zur B 68.
Die Kläger zu 1 bis 8 sind Eigentümer von Grundstücken, die mit von ihnen
selbst genutzten bzw. vermieteten Wohngebäuden bebaut sind. Der Kläger zu 9
führt auf einem landwirtschaftlichen Gehöft, das im Eigentum seiner Ehefrau
steht, einen Pferdepensionsbetrieb. Sämtliche Grundstücke sollen teilweise für
die Trasse selbst, für notwendige Änderungen im vorhandenen Straßennetz
oder für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in Anspruch
genommen werden.
Das Planvorhaben hat den Neubau eines Teils der A 33 zwischen der A 2 und
A 44 im Südosten und der A 1 und A 30 im Nordwesten zum Gegenstand. Zwi-
schen dem Anschluss der A 33 im Süden an die A 2 bei Bielefeld und dem An-
schluss der A 33 im Norden an die B 476 im Bereich der Stadt Borgholzhausen
besteht derzeit eine Lücke von etwa 27 km. Diese soll in drei Teilabschnitten
(5 B, 6 und 7.1) geschlossen werden. Gegenstand der vorliegenden Klage ist
der mittlere der drei Teilabschnitte.
Mit dem Lückenschluss werden drei Ziele verfolgt. Er soll zum einen der Schaf-
fung einer großräumigen Verbindung zwischen den Wirtschaftsräumen in
Nordwestdeutschland und den Niederlanden einerseits und in Süd- und Ost-
deutschland andererseits dienen, darüber hinaus der Schaffung einer Auto-
bahnverbindung zwischen den Oberzentren Bielefeld und Osnabrück und
schließlich der Entlastung der Siedlungsbereiche entlang der B 68 vom Durch-
gangsverkehr.
Der streitgegenständliche Abschnitt 6 verläuft - beginnend im Süden an der
B 61 - mit einer Länge von ca. 7,9 km und zwei Fahrstreifen pro Richtung auf
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dem Gebiet der Stadt Bielefeld und der Gemeinde Steinhagen nach Nordwes-
ten. An seinem nördlichen Ende (bei Bau-km 47+102) soll lediglich die nördliche
Richtungsfahrbahn rund 300 m weitergeführt und durch Ausbau der Straße
Schnatweg an die B 68 angebunden werden. Dieser Bereich liegt z.T. auf dem
Gebiet der Stadt Halle (Westfalen). Für die Übergangszeit bis zur Verwirkli-
chung des Folgeabschnitts 7.1 sollen die Verkehre Richtung Bielefeld und Os-
nabrück - jeweils einstreifig pro Richtung - über die nördliche Richtungsfahr-
bahn der A 33, den Schnatweg und die B 68 in Halle laufen.
Für den sich nordwestlich an den Abschnitt 6 anschließenden Abschnitt 7.1 ist
das Planfeststellungsverfahren noch nicht abgeschlossen; für diesen Abschnitt
hat sich der Vorhabenträger mit den Umweltverbänden auf eine sog. Konsens-
trasse vor allem mit Blick auf das FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ verständigt.
Für den südöstlich an den Abschnitt 6 anknüpfenden Abschnitt 5 B wurde vom
Ministerium für Bauen und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen am
6. März 2006 der Planfeststellungsbeschluss erlassen. Anträge auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bau dieses Abschnitts hat das Ober-
verwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen abgelehnt; die zugehöri-
gen Klagen sind dort noch anhängig.
Die Planungen für das Gesamtvorhaben gehen bis in die 1960er Jahre zurück.
Geplant war damals zunächst der Bau einer Ersatzbundesstraße (B 68n). In
einem nach § 16 FStrG durchgeführten raumordnerischen Verfahren wurden
mehrere Linienführungen untersucht. Mit Erlass vom 19. September 1968 er-
folgte die Linienbestimmung des Bundesverkehrsministeriums für den Neubau
einer B 68n im Bereich zwischen der B 61 in Bielefeld und der B 476 in Borg-
holzhausen. Im Bedarfsplan von 1970 wurde die B 68n als vierspurige Bundes-
straße ausgewiesen. In der Fortschreibung des Bedarfsplans wurde sie als
A 33 geführt. Im Bundesverkehrswegeplan 2004 ist sie als vordringlicher Bedarf
eingestellt. Im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsstudie aus dem Jahr 1993
(UVS 1993) wurde für den Bereich von der B 476 in Borgholzhausen bis zur
B 61 in Bielefeld eine Variantenuntersuchung durchgeführt, in deren Rahmen
insgesamt 40 Varianten untersucht wurden, darunter auch verschiedene Vari-
anten südlich von Steinhagen (sog. Südvarianten). Durch Erlass vom 23. Juli
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1993 legte das Bundesverkehrsministerium fest, dass den weiteren Planungen
die später planfestgestellte Variante V 16 zugrunde zu legen sei.
Nach dem Ergebnis der bundesweiten Verkehrszählung 2000 ist die B 68 in
dem Bereich, der parallel zum Abschnitt 6 der A 33 verläuft, mit einem durch-
schnittlichen täglichen Verkehr (DTV) zwischen 17 500 und 24 500 Kfz bei Lkw-
Anteilen von bis zu 16 % tagsüber und 19 % nachts belastet. Nach einer im
Vorfeld des Planfeststellungsverfahrens durchgeführten Verkehrsuntersuchung
aus dem Jahr 2003 soll durch die A 33 eine deutliche Entlastung der B 68 ein-
treten; bei einer vollständig ausgebauten A 33 soll diese mehr als 50 % betra-
gen. Bei einer vorübergehend am Schnatweg endenden Realisierung belaufe
sich die Entlastung auf mehr als 25 %. In diesem Fall seien auf der B 68 in
nördlicher Richtung und damit insbesondere in der Ortsdurchfahrt Halle deutli-
che Verkehrssteigerungen zu erwarten. Die L 778 (Bielefelder Straße) in unmit-
telbarer Nähe der geplanten Anschlussstelle A 33/L 778 werde durch zusätzli-
chen Schwerverkehr - unabhängig von Baustufen - belastet werden. Der
Schnatweg werde insbesondere im Fall des vorübergehenden Autobahnendes
einen deutlich höheren Schwerverkehrsanteil zu bewältigen haben.
Am 15. März 2004 beantragte der Landesbetrieb Straßen Nordrhein-Westfalen,
Niederlassung Bielefeld (Vorhabenträger) bei der Beklagten, für den Ab-
schnitt 6 der A 33 (damals noch ohne den Bereich des Zubringers Schnatweg)
das Anhörungsverfahren einzuleiten. Die Planunterlagen lagen unter Hinweis
auf die Einwendungsfrist und den Ausschluss verspäteter Einwendungen vom
19. April bis 18. Mai 2004 unter anderem in der Gemeinde Steinhagen aus.
In der Folgezeit holte der Vorhabenträger weitere Gutachten ein: Ein neues
Luftschadstoffgutachten für den Abschnitt 6 (ohne den Zubringer Schnatweg)
kam in Anwendung des Rechenverfahrens PROKAS auf der Grundlage der
Verkehrsuntersuchung 2003 zu dem Ergebnis, dass alle Schadstoffgrenzwerte
einschließlich der Anzahl der zulässigen Überschreitungen des PM
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-Tages-
wertes eingehalten werden. Ebenfalls nach Auslegung der Planunterlagen ließ
der Vorhabenträger die „Umweltverträglichkeitsstudie Südtrasse 2005“ (zu den
Abschnitten 6 und 7.1) erstellen, bestehend aus einer Verkehrsuntersuchung,
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einem Gutachten zur bebauten Umwelt und einem Gutachten zu den Auswir-
kungen auf Natur und Landschaft. Darin wurden die von einer Bürgerinitiative
(Südtrassen-Union - STU) vorgeschlagene Südtrasse südlich der Ortslagen von
Halle und Steinhagen (Variante STU) sowie eine Untervariante zur Umgehung
der Justizvollzugsanstalt Ummeln (Variante STU-Süd), die eine gemeinsame
Anschlussstelle für Halle und Steinhagen im Kreuzungsbereich zwischen A 33
und L 782 vorsehen, mit der linienbestimmten Variante verglichen.
Am 22. Januar 2007 brachte der Vorhabenträger über zwei Deckblätter er-
gänzte und überarbeitete Planunterlagen in das Verfahren ein; betroffene An-
lieger wurden darüber mit Schreiben vom selben Tag unterrichtet. Durch das
Deckblatt I, das den Abschnitt 6 ohne den Zubringer Schnatweg betrifft, erfolg-
te u.a. eine Ergänzung der aktiven Lärmschutzmaßnahmen und eine Überar-
beitung des landschaftspflegerischen Begleitplans mit Blick auf die Ergebnisse
von ergänzenden Untersuchungen aus dem Jahr 2005 zu streng geschützten
Arten, die in einem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag enthalten sind. Mit dem
Deckblatt II wurde der Bereich der Anschlussstelle Schnatweg, der bislang zum
Abschnitt 7.1 gehörte, in den Abschnitt 6 einbezogen; es umfasst die Fort-
führung der nördlichen Richtungsfahrbahn der A 33 um ca. 300 m, den Bau der
nordöstlichen Tangentialfahrt sowie den (Aus-)Bau des ca. 1,5 km langen
Autobahnzubringers Schnatweg. Gegenstand des Deckblatts II waren auch
eine lärmtechnische Berechnung, ein Luftschadstoffgutachten sowie eine ar-
tenschutzrechtliche Untersuchung.
Sämtliche Kläger - die Klägerinnen zu 1 und 2 als Anlieger des Schnatwegs
erstmals gegen das Deckblatt II - erhoben Einwendungen gegen das Vorha-
ben. Sie wandten sich im Wesentlichen gegen die Inanspruchnahme ihrer
Grundstücke, die Belastung mit Lärm und Luftschadstoffen, die Beeinträchti-
gung von Natur und Landschaft und geschützten Arten sowie gegen die Tras-
senführung.
Unter dem 6. Juni 2007 stellte die Beklagte den Plan fest. In dem Planfeststel-
lungsbeschluss wurde das Vorhaben in Gestalt der Trassenvariante V 16/K 1
zugelassen und dem Vorhabenträger vorsorglich eine Befreiung von den arten-
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schutzrechtlichen Zugriffsverboten bezüglich zahlreicher Fledermausarten, eu-
ropäischer Vogelarten und einer Amphibienart gewährt. Des Weiteren wurden
Befreiungen und Ausnahmen von landesrechtlichen Verboten erteilt. Die Ein-
wendungen Privater gegen das Vorhaben wurden zurückgewiesen, soweit ih-
nen nicht durch Planänderung oder Zusagen des Vorhabenträgers oder durch
Auflagen im Planfeststellungsbeschluss entsprochen wurde oder sie sich erle-
digt hatten. Der Planfeststellungsbeschluss begründete die Trassenwahl und
erläuterte das Lärmschutzkonzept, insbesondere zur Unverhältnismäßigkeit
weitergehenden aktiven Lärmschutzes. Er erwähnte nachrichtlich eine Verein-
barung des Vorhabenträgers mit den Gebietskörperschaften über freiwillige
Maßnahmen weitergehenden aktiven Lärmschutzes.
Die Kläger haben am 22. September 2007 Klage erhoben.
Am 4. August 2008 hat die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss auf Antrag
des Vorhabenträgers gemäß § 76 Abs. 2 VwVfG NRW in einem die Kläger nicht
betreffenden Punkt geändert. In der mündlichen Verhandlung vom 5. und
6. August 2009 hat die Beklagte den Planfeststellungsbeschluss durch weitere
Erklärungen ergänzt und modifiziert.
Die Kläger haben ihre Einwände gegen das Vorhaben in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht umfangreich begründet: Das Linienbestimmungsverfahren
hätte wiederholt werden müssen. Die Umweltverträglichkeitsprüfung sei fehler-
haft. Die Planrechtfertigung werde angezweifelt. Der Planfeststellungsbeschluss
verstoße gegen nationales Artenschutzrecht und genüge nicht europa-
rechtlichen Vorgaben. Das Abwägungsgebot sei verletzt. Die der Abwägungs-
entscheidung zugrundeliegenden Gutachten seien in verschiedener Hinsicht
unzutreffend bzw. unvollständig. Dies gelte für die Verkehrsuntersuchung 2003,
die Lärmprognose und die Luftschadstoffgutachten. Des Weiteren seien Ab-
schnittsbildung und Trassenwahl fehlerhaft.
Die Kläger beantragen,
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den Planfeststellungsbeschluss der Beklagten vom 6. Juni
2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom
4. August 2008 und der in der mündlichen Verhandlung
vom 5./6. August 2009 zu Protokoll gegebenen Erklärun-
gen der Beklagten aufzuheben,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, im Wege der Planergänzung
durch Festsetzung geeigneter Maßnahmen des aktiven
Lärmschutzes sicherzustellen, dass der durch Bau und
Betrieb der planfestgestellten Straßen verursachte Ver-
kehrslärm die Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverord-
nung auf den Grundstücken der Kläger einhält,
äußerst hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, den Klägern Kosten für Maß-
nahmen passiven Lärmschutzes zu erstatten, durch die
sichergestellt wird, dass in den Schlafräumen der Kläger
Einzelschallpegel von 40 dB(A) und ein äquivalenter Dau-
erschallpegel von 30 bis 35 dB(A) nicht überschritten so-
wie die Grenzwerte der Verkehrswege-Schallschutzmaß-
nahmenverordnung in den einzelnen Räumen eingehalten
werden, sowie Entschädigung für Einschränkungen der
Nutzung der Außenwohnbereiche zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie tritt dem Vortrag der Kläger im Einzelnen inhaltlich entgegen.
Der Berichterstatter des Senats hat sich am 27. Juli 2009 in einem Ortstermin
einen unmittelbaren Eindruck von der Lage der Grundstücke der Kläger und
ihren Betroffenheiten verschafft. Auf das Protokoll dieses Ortstermins wird Be-
zug genommen.
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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A. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss in seiner zur gerichtlichen Prü-
fung gestellten Form einschließlich der in der mündlichen Verhandlung vom
5./6. August 2009 zu Protokoll gegebenen Erklärungen der Beklagten leidet an
keinem Rechtsfehler, der die Kläger mit der Folge einer mit dem Hauptantrag
begehrten - vollständigen oder teilweisen - Aufhebung des Planfeststellungsbe-
schlusses oder zumindest der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nicht-
vollziehbarkeit in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Dem Planfeststellungsbeschluss kommt, da er Grundlage der nachfolgenden
Enteignung ist (§ 19 Abs. 1 des Bundesfernstraßengesetzes - FStrG - in der
seit dem 17. Dezember 2006 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom
28. Juni 2007, BGBl I S. 1206), enteignungsrechtliche Vorwirkung zu. Daher
haben die Kläger zu 1 bis 8, deren durch Art. 14 Abs. 1 GG geschütztes
Grundeigentum (teilweise) für das Planvorhaben in Anspruch genommen wer-
den soll, einen Anspruch darauf, von einer Entziehung ihres Grundeigentums
verschont zu bleiben, die nicht dem Wohl der Allgemeinheit dient, insbesondere
nicht gesetzmäßig ist (Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG), und auf eine dahingehende
umfassende gerichtliche Überprüfung des Planfeststellungsbeschlusses. Das-
selbe gilt für den Kläger zu 9, dessen Pferdepensionsbetrieb in erheblichem
Umfang durch Flächeninanspruchnahme betroffen ist; insoweit geht der Senat
zugunsten des Klägers zu 9 davon aus, dass dieser sich unter dem Gesichts-
punkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ebenfalls auf den
Schutzbereich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG berufen kann (of-
fen gelassen zuletzt vom BVerfG, Beschluss vom 10. Juni 2009 - 1 BvR
198/08 - NVwZ 2009, 1426 <1428>).
Der Anspruch des von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen auf
gerichtliche Überprüfung des Plans auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog.
Vollüberprüfungsanspruch) unterliegt allerdings Einschränkungen. Danach führt
nicht jeder objektiv-rechtliche Fehler, der einer Planung anhaftet, zur (vollstän-
digen oder teilweisen) Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses oder zur
Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit. Diese Rechtsfolge
scheidet vielmehr aus, wenn der geltend gemachte Rechtsfehler für die Ei-
gentumsbetroffenheit des Klägers aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen
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nicht erheblich, insbesondere nicht kausal ist. Das ist etwa dann der Fall, wenn
ein als verletzt geltend gemachter öffentlicher Belang nur von örtlicher Bedeu-
tung ist und auch die fehlerfreie Beachtung dieses Belangs nicht zu einer Ver-
änderung der Planung im Bereich des klägerischen Grundstücks führen würde
(Beschluss vom 5. Oktober 1990 - BVerwG 4 B 249.89 - NVwZ-RR 1991, 118
<127> und Urteil vom 28. Februar 1996 - BVerwG 4 A 27.95 - Buchholz 407.4
§ 17 FStrG Nr. 110 S. 82). Dem entspricht es, dass ein behaupteter Verstoß
gegen die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nur dann der Anfechtungs-
klage eines Eigentumsbetroffenen zum Erfolg verhelfen kann, wenn dieser Ver-
stoß kausal gerade für seine Eigentumsinanspruchnahme ist (Urteil vom
21. März 1996 - BVerwG 4 C 19.94 - BVerwGE 100, 370 <382>). Schließlich
können behauptete Verstöße gegen zwingende Vorschriften des nationalen
oder gemeinschaftsrechtlichen Naturschutzrechts, namentlich der Habitat- und
Vogelschutzrichtlinie, dann nicht zu einem Erfolg eines Anfechtungsbegehrens
führen, wenn die Planung lediglich an Mängeln leidet, die für die Sachentschei-
dung nicht von Einfluss gewesen oder durch eine schlichte Planergänzung zu
beheben sind i.S.v. § 17e Abs. 6 FStrG (Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A
14.07 - BVerwGE 131, 274 ).
II. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet an einem Verfahrens-
fehler. Zwar bedurfte es entgegen der Ansicht der Kläger weder einer neuen
Linienbestimmung (1.) noch einer neuen Umweltverträglichkeitsprüfung (2.).
Verfahrensfehlerhaft war jedoch, dass die Beklagte den Bereich Schnatweg
ohne erneute Offenlegung der geänderten Planunterlagen in das Planfeststel-
lungsverfahren einbezogen hat; dieser Verfahrensmangel hat sich auf die Ent-
scheidung über das Vorhaben allerdings nicht ausgewirkt (3.).
1. Der Einwand der Kläger, es hätte einer neuen Linienbestimmung bedurft,
geht fehl. Sie rügen insoweit, nach mehr als vierzig Jahren könne sich die Be-
klagte nicht mehr auf die in den 1960er Jahren getroffene raumordnerische Pla-
nung berufen, zumal sich seitdem die gesetzlichen Grundlagen verändert hät-
ten und die Planung erheblich modifiziert worden sei. Diese Kritik beruht auf
einem unzutreffenden Verständnis des Verhältnisses von Linienbestimmung
und Planfeststellung. Die Linienbestimmung ist weder eine formelle noch eine
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materielle Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Planfeststellung. Sie ist nicht
auf unmittelbare Rechtswirkungen nach außen gerichtet, sondern hat innerhalb
des Planungsverlaufs den Charakter einer vorbereitenden Grundentscheidung
mit allein verwaltungsinterner Bedeutung. Rechtliche Verbindlichkeit gegenüber
dem Träger der Straßenbaulast und gegenüber Dritten erlangt sie erst dadurch,
dass sie in den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses ihren Nieder-
schlag findet (stRspr, vgl. Urteile vom 14. Februar 1975 - BVerwG 4 C 21.74 -
BVerwGE 48, 56 <60> und vom 26. Juni 1981 - BVerwG 4 C 5.78 - BVerwGE
62, 342 <343 ff.>). Ein Planfeststellungsbeschluss ist nicht deshalb rechtswid-
rig, weil ihm kein Linienbestimmungsverfahren vorangegangen ist oder weil er
von der festgelegten Linie abweicht. Umgekehrt lässt sich die Planung Dritten
gegenüber nicht allein damit rechtfertigen, dass sie den ministeriellen Vorgaben
entspricht. Vielmehr muss die Entscheidung der Planfeststellungsbehörde aus
sich heraus den rechtlichen Anforderungen genügen (Beschlüsse vom 22. Juni
1993 - BVerwG 4 B 45.93 - VkBl 1995, 210 und vom 29. November 1995
- BVerwG 11 VR 15.95 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 7 S. 16). Entscheidend
und ausreichend ist daher, dass die Planfeststellungsbehörde - so auch im
Streitfall - eine eigene, selbstständige Abwägung zur Trassenwahl vorgenom-
men hat, ohne sich an die Linienbestimmung gebunden zu fühlen, und dass sie
insgesamt eine auf aktuellen sachverständigen Stellungnahmen beruhende
Entscheidung über das Planvorhaben getroffen hat. Ob diese in der Sache zu
beanstanden ist, ist im jeweiligen rechtlichen Zusammenhang zu erörtern.
2. Ebenso bedurfte es keiner neuen gesonderten Umweltverträglichkeitsprü-
fung. Die Kläger rügen, die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) aus dem Jahr
1993 sei bereits wegen Zeitablaufs nicht mehr geeignet, die umweltrelevanten
Einflussgrößen des Vorhabens im Zeitpunkt des Erlasses des Planfeststel-
lungsbeschlusses zutreffend zu beschreiben; die ergänzende Umweltverträg-
lichkeitsstudie aus dem Jahr 2005 genüge nicht den insoweit zu stellenden An-
forderungen. Auch diese Kritik geht fehl. Die Vorschriften über die Umweltver-
träglichkeitsprüfung verlangen vom Vorhabenträger bestimmte inhaltliche An-
gaben, stellen ihm aber frei, in welcher Form er sie vorlegt. Es reicht aus, wenn
die erforderlichen Angaben sich aus verschiedenen Unterlagen ergeben, etwa
aus dem landschaftspflegerischen Begleitplan, dem Erläuterungsbericht, der
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schalltechnischen Untersuchung oder der Schadstoffuntersuchung. Sie müssen
auch nicht zwingend in einem von der Zulassungsentscheidung gesonderten
Dokument dargestellt werden (Beschluss vom 10. Oktober 2006 - BVerwG 9 B
27.05 - Buchholz 406.251 § 11 UVPG Nr. 4 S. 2 Rn. 15 ff. m.w.N.). Auch eine
konkrete Zeitvorgabe, innerhalb derer eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu
erstellen ist, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Daher ist auch im Streitfall
ausreichend, dass dem angefochtenen Planfeststellungsbeschluss mehrere
zeitnah erstellte Untersuchungen zu den von dem Vorhaben berührten Um-
weltbelangen zugrunde lagen und diese einer ausführlichen Würdigung unter-
zogen wurden.
3. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet jedoch insofern an ei-
nem Verfahrensfehler, als es nicht ausreichte, die nach Durchführung der Öf-
fentlichkeitsbeteiligung mit dem Deckblattverfahren II vorgenommene Einbezie-
hung des bislang zum Abschnitt 7.1 gehörigen Bereichs Schnatweg den Betrof-
fenen im Wege einer bloßen Änderungsmitteilung gemäß § 73 Abs. 8 VwVfG
bekanntzugeben. Vielmehr hätte es einer erneuten Öffentlichkeitsbeteiligung
bedurft.
Gemäß § 73 Abs. 8 VwVfG ist, wenn ein ausgelegter Plan geändert werden soll
und dadurch der Aufgabenbereich einer Behörde oder Belange Dritter erstmalig
oder stärker als bisher berührt werden, diesen die Änderung mitzuteilen und ih-
nen Gelegenheit zu Stellungnahmen und Einwendungen binnen zwei Wochen
zu geben. So ist die Beklagte im Streitfall verfahren. Ein Vorgehen nach dieser
Norm ist jedoch nur zulässig, wenn die Änderungen das Gesamtkonzept der
Planung nicht berühren und die Identität des Vorhabens wahren. Sie dürfen
nicht zu einem Vorhaben führen, das nach Gegenstand, Art, Größe und Be-
triebsweise im Wesentlichen andersartig ist (Urteil vom 27. Oktober 2000
- BVerwG 4 A 18.99 - BVerwGE 112, 140 <145 f.>; Bonk/Neumann, in: Stel-
kens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 73 Rn. 134, jeweils m.w.N.). Die
Grenze einer wesentlichen Änderung des Vorhabens ist hier überschritten, weil
der planfestzustellende Abschnitt 6 durch die mit dem Deckblatt II vorgesehe-
nen Änderungen, namentlich durch den Ausbau des Schnatwegs als Verbin-
dung der A 33 zur B 68, erstmals eine - den Vorwurf einer unzulässigen Ab-
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schnittsbildung ausschließende - eigenständige Verkehrsfunktion (Verkehrsbe-
deutung) durch Anbindung des Nordendes des Abschnitts 6 an das übrige Ver-
kehrsnetz erhalten hat. Darin liegt eine Änderung der Identität des Vorhabens,
die eine erneute Öffentlichkeitsbeteiligung erforderlich gemacht hätte.
Sämtliche Kläger - nicht nur die am Schnatweg gelegenen Klägerinnen zu 1
und 2 - sind durch dieses verfahrensrechtliche Vorgehen auch nachteilig betrof-
fen, da dadurch die Frist zur Erhebung von Einwendungen gegen das geänder-
te Vorhaben auf zwei Wochen verkürzt wurde (anstelle einer einmonatigen
Auslegungs- und zweiwöchigen Einwendungsfrist bei einer Öffentlichkeitsbetei-
ligung, vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 VwVfG). Dass diese Beteili-
gungsmöglichkeit dem Schutz ihrer subjektiven Rechte dient, mithin drittschüt-
zend ist, bedarf keiner weiteren Begründung.
Gleichwohl führt dieser Verfahrensmangel nicht zum Erfolg des Hauptantrags,
weil er sich im Ergebnis auf die Entscheidung über das Vorhaben und damit auf
die Inanspruchnahme des Grundeigentums der Kläger zu 1 bis 8 bzw. der Be-
triebsflächen des Klägers zu 9 nicht ausgewirkt hat. Eine Entscheidungserheb-
lichkeit in diesem Sinne ist nur dann gegeben, wenn die konkrete Möglichkeit
besteht, dass die Planfeststellungsbehörde ohne den in Rede stehenden Ver-
fahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen hätte; eine bloß abstrakte
Möglichkeit reicht dafür nicht aus (Urteile vom 30. Mai 1984 - BVerwG 4 C
58.81 - BVerwGE 69, 256 <270>, vom 5. Dezember 1986 - BVerwG 4 C 13.85 -
BVerwGE 75, 214 <228> und vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 -
BVerwGE 100, 238 <252>). Diese Voraussetzung liegt im Streitfall nicht vor.
Nach dem damaligen Stand des Planfeststellungsverfahrens, insbesondere den
seinerzeit bereits vorliegenden Einwendungen und den Stellungnahmen
öffentlicher Träger, ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung der Beklagten
über den Trassenverlauf möglicherweise anders ausgefallen wäre, zumal es
sich lediglich um eine Verschiebung (Herausnahme) des Bereichs des Zubrin-
gers Schnatweg aus dem Planfeststellungsverfahren zum nördlich anschlie-
ßenden Abschnitt 7.1 und seine Einbeziehung nunmehr in den Abschnitt 6
handelt.
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III. Der Planfeststellungsbeschluss leidet in materiell-rechtlicher Hinsicht an kei-
nem Rechtsfehler, der nach dem eingangs dargestellten Prüfungsmaßstab zum
Erfolg des Anfechtungsantrags führen könnte.
1. Die Planrechtfertigung für das Vorhaben ist gegeben. Die A 33 ist im Be-
darfsplan für die Bundesfernstraßen als vordringlicher Bedarf ausgewiesen. Für
eine Überschreitung der gesetzgeberischen Ermessensgrenzen ist nichts er-
sichtlich. Die drei Ziele des Vorhabens, nämlich die Schaffung einer großräumi-
gen Verbindung zwischen den Wirtschaftsräumen in Nordwestdeutschland und
den Niederlanden einerseits und denen in Süd- und Ostdeutschland anderer-
seits, ferner der Bau einer Autobahnverbindung zwischen den Oberzentren Bie-
lefeld und Osnabrück sowie die Entlastung der Siedlungsbereiche entlang der
B 68 vom Durchgangsverkehr, sind - gemessen an den Zielsetzungen des Bun-
desfernstraßengesetzes - vernünftigerweise geboten. Die von den Klägern er-
hobenen Einwände gegen die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde lie-
gende Verkehrsprognose betreffen nur das Ausmaß der zu erwartenden Ent-
lastung der B 68. Die Planrechtfertigung vermögen sie damit schon deshalb
nicht in Frage zu stellen, weil ihre Einwände jedenfalls die weiteren mit dem
Vorhaben verfolgten Zielsetzungen unberührt lassen, die die Planrechtfertigung
ihrerseits selbstständig tragen.
2. Der Planfeststellungsbeschluss weist keine artenschutzrechtlichen Mängel
auf, derentwegen die Kläger seine Aufhebung oder zumindest die Feststellung
seiner Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit verlangen könnten.
Die Einwendungen der Kläger zum Artenschutz sind nach den vorstehenden
Ausführungen zur verfahrensfehlerhaften Änderung und Erweiterung des Plan-
vorhabens um den Bereich Schnatweg durch das Deckblatt II zwar nicht gemäß
§ 73 Abs. 4 Satz 3 VwVfG ausgeschlossen. Sie sind aber im Ergebnis nicht
begründet. Entgegen der Auffassung der Kläger sind Methodik und Umfang der
dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden artenschutzrechtlichen
Bestandsaufnahme rechtlich nicht zu beanstanden (a). Auf dieser Grundlage
verstößt das Vorhaben nicht gegen artenschutzrechtliche Zugriffsverbote (b). Im
Übrigen ist nicht ersichtlich, dass verbleibende naturschutzrechtliche Mängel
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oder Unsicherheiten - wenn sie vorlägen - nach Art und Umfang nicht im Rah-
men der angeordneten begleitenden ökologischen Bauüberwachung aufgefan-
gen bzw. durch schlichte Planergänzung behoben werden könnten, so dass sie
für die Entscheidung über den Trassenverlauf nicht erheblich wären (c).
a) Methodik und Umfang der gutachtlichen Ermittlungen zum Artenschutz und
die Bewertung der von dem Vorhaben voraussichtlich verursachten arten-
schutzrechtlichen Betroffenheiten sind rechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt die Prü-
fung, ob ein Vorhaben gegen artenschutzrechtliche Verbote verstößt, eine aus-
reichende Bestandsaufnahme der im Trassenbereich vorhandenen Arten, die in
den Anwendungsbereich der Verbote fallen, und ihrer Lebensräume voraus.
Das verpflichtet die Behörde nicht, ein lückenloses Arteninventar zu fertigen.
Welche Anforderungen an Art, Umfang und Tiefe der Untersuchungen zu stel-
len sind, hängt vielmehr von den naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall
sowie von Art und Ausgestaltung des Vorhabens ab. Erforderlich, aber auch
ausreichend ist - auch nach den Vorgaben des europäischen Gemeinschafts-
rechts - eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Prüfung.
Die notwendige Bestandsaufnahme wird sich regelmäßig aus zwei wesentlichen
Quellen speisen, nämlich der Auswertung bereits vorhandener Erkenntnisse
und einer Bestandserfassung vor Ort, deren Methodik und Intensität von den
konkreten Verhältnissen im Einzelfall abhängt. Erst durch eine aus beiden
Quellen gewonnene Gesamtschau kann sich die Planfeststellungsbehörde re-
gelmäßig die erforderliche hinreichende Erkenntnisgrundlage verschaffen. Las-
sen allgemeine Erkenntnisse zu artspezifischen Verhaltensweisen, Habitatan-
sprüchen und dafür erforderlichen Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse
auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein bestimmter Arten zu, ist es
nicht zu beanstanden, wenn die Planfeststellungsbehörde daraus entsprechen-
de Schlussfolgerungen zieht. Diese bedürfen ebenso wie sonstige Analogie-
schlüsse der plausiblen, naturschutzfachlich begründeten Darlegung. Ebenso
ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten, Schätzungen und, sofern der
Sachverhalt dadurch angemessen erfasst werden kann, mit Worst-Case-Be-
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- 16 -
trachtungen zu arbeiten. Da die Bestandserfassung und die daran anschlie-
ßende Beurteilung, ob und inwieweit naturschutzrechtlich relevante Betroffen-
heiten vorliegen, auf ökologische Bewertungen angewiesen sind, für die norm-
konkretisierende Maßstäbe und verbreitet auch gesicherte naturwissenschaftli-
che Erkenntnisse und Standards fehlen, steht der Planfeststellungsbehörde
insoweit eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die in diesem
Rahmen getroffenen, auf fachgutachtliche Stellungnahmen gestützten Annah-
men der Planfeststellungsbehörde unterliegen gerichtlicher Prüfung nur dahin,
ob sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und nicht auf einem Be-
wertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes
Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (vgl. ins-
gesamt zum Vorstehenden das Urteil vom 9. Juli 2008 - BVerwG 9 A 14.07 -
BVerwGE 131, 274 m.w.N.).
(2) Diesen Anforderungen genügt die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde
liegende Bestandsaufnahme sowohl in ihrem grundsätzlichen methodischen
Ansatz als auch in ihrer Durchführung.
(a) Die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden artenschutzfachli-
chen Untersuchungen speisen sich im Wesentlichen aus den beiden oben be-
schriebenen Quellen, die sich wechselseitig ergänzen: Ihnen liegen zum einen
die in den Fachbeiträgen dargestellten und ergänzend in der mündlichen Ver-
handlung vor dem Senat erläuterten faunistischen Untersuchungen vor Ort zu-
grunde; zum anderen beruhen sie auf der Abfrage vorhandener Erkenntnisse
bei Fachbehörden und ehrenamtlichen Stellen des Naturschutzes sowie auf der
Auswertung bereits vorliegender Daten, gutachterlicher Untersuchungen und
der einschlägigen Fachliteratur zu den in Rede stehenden streng oder beson-
ders geschützten Arten, deren Verhaltensweisen und Habitatansprüchen. Die-
ses methodische Vorgehen entspricht in seinem grundsätzlichen Ansatz dem
nach dem Vorstehenden rechtlich Gebotenen und gewährleistet eine breite Da-
tenbasis für die Prüfung der artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände. Ob und
in welchem Umfang es geboten sein kann, im Rahmen einer ordnungsgemäßen
Bestandsaufnahme auch mit dem Naturraum vertraute, weil dort lebende,
sachkundige Personen zu befragen, bedarf hier keiner abschließenden Er-
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örterung. Die Kläger behaupten insoweit, dass der mit der Erfassung der Avi-
fauna befasste Gutachter P. die Jagdpächter und Hofbewohner im Untersu-
chungsraum nicht befragt habe. Während der Gutachter auch von solchen Per-
sonen Auskünfte eingeholt haben will, legen die Kläger eine Liste von Personen
vor, die ihre Behauptung stützen. Ungeachtet der Frage der Beweistauglichkeit
einer solchen „Negativliste“ folgt daraus im Streitfall kein Ermittlungsdefizit. Der
Sachverständige hat dargelegt, dass der auch in seinem Fachbeitrag bestätigte
Nachweis der Schleiereule aus einer solchen Befragung stamme, auch wenn er
nicht mehr die konkrete Person benennen konnte und es offenbar nicht die
Bewohner des Hofes D. waren, die in der mündlichen Verhandlung bestritten
haben, befragt worden zu sein. Eine fehlende Befragung könnte sich auf die
Güte der Bestandsaufnahme allenfalls auswirken, wenn anders die erforderli-
chen artenschutzrechtlichen Erkenntnisse nicht zu gewinnen wären oder die
weiteren artenschutzrechtlichen Quellen Lücken erkennen ließen (vgl. dazu
Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 62 a.E.). Dafür vermag der Senat keine trag-
fähigen Anhaltspunkte festzustellen.
(b) Die Einwände der Kläger gegen Methodik, praktische Durchführung, Um-
fang und Ermittlungstiefe der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegen-
den artenschutzfachlichen Bestandsaufnahme bleiben - in ihrer allgemeinen
Kritik wie in den Einzelheiten, auch in deren Summe - ohne Erfolg, weil sie nicht
den vorstehenden rechtlichen Maßstab zugrunde legen, sei es dass sie weiter-
gehende Ermittlungen in einem Umfang fordern, der aus Rechtsgründen nicht
gefordert ist, sei es dass ihre Kritik angesichts des naturschutzfachlichen Ein-
schätzungsspielraums der sachverständig beratenen Beklagten nicht durch-
dringt, sei es dass die Kläger aufgrund eigener nachträglicher Erhebungen von
weitergehenden artenschutzrechtlichen Betroffenheiten ausgehen, die indes
nicht zu berücksichtigen sind.
(aa) Bezüglich der Fledermausarten ist zunächst festzuhalten, dass - auch
nach Ansicht der Kläger - das betreffende Artenspektrum vollständig erfasst ist.
Die Bestandsaufnahme zu den einzelnen Fledermausarten ist weder in ihrer
Methodik noch in ihrem Umfang gerichtlich zu beanstanden. Der Gutachter
Dr. L. hat zur Frage seines methodischen Vorgehens in der mündlichen Ver-
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handlung darauf hingewiesen, dass es derzeit keinen allgemeingültigen Stan-
dard für sämtliche Anlässe und Gegebenheiten gebe. Vielmehr sei eine von ihm
selbst geleitete Arbeitsgruppe im Rahmen eines Forschungsauftrags des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) damit
befasst, einen fachlichen Konsens hierüber herbeizuführen. Diverse, teilweise
lediglich als Entwurf vorliegende Papiere interessierter (Arbeits-)Gruppen könn-
ten lediglich als Beiträge auf diesem Wege angesehen werden. Dies entspricht
dem Kenntnisstand des Senats aus anderen Planfeststellungsverfahren und ist
ein Grund dafür, dass den Planfeststellungsbehörden hinsichtlich naturschutz-
fachlicher Fragestellungen die dargestellte Einschätzungsprärogative zusteht.
Wie der Gutachter Dr. L. in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Kritik
der klägerischen Sachbeistände weiter erläutert hat, beruht sein Vorgehen im
Streitfall auf einem „Methodenmix“: Danach sind aufgrund mehrerer Ortsbesich-
tigungen, einer Höhlenkartierung im 10-Meter-Wirkraum der Trasse (Baufeld)
und unter Ausnutzung aller verfügbaren Fremddaten sowie allgemeiner Er-
kenntnisse zunächst die nach dem vermuteten Fledermauspotenzial näher zu
betrachtenden Teile des Untersuchungsgebiets gemäß der Habitatstruktur ei-
nerseits und den Wirkungen des Vorhabens andererseits festgelegt worden; ein
solches Vorgehen ist nicht zu beanstanden, weil Methodik und Umfang der
erforderlichen Bestandsaufnahme maßgeblich von der Ausstattung des Natur-
raums und den Habitatansprüchen der Arten abhängen.
Der Gutachter Dr. L. hat sein Vorgehen weiter dahingehend beschrieben, dass
er eine sog. Potenzialbetrachtung anhand einer Detektorkartierung und Sicht-
beobachtung durchgeführt habe, die bei quartieranzeigendem Verhalten
(Schwärmen, Ausflug, Sozialrufe) auch Rückschlüsse auf das Bestehen von
Quartieren erlaube. Dass dabei nur eine geringe Anzahl von Fledermausquar-
tieren festgestellt worden sei, deute nicht auf eine unsystematische Untersu-
chung hin, sondern entspreche der tatsächlichen Ausstattung des Naturraums
im Untersuchungszeitraum. Die Bestandsaufnahme vor Ort habe sich über 18
Nächte von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang erstreckt. Die Untersuchun-
gen hätten 40 Detektor-Probeflächen betroffen, die mindestens fünf Mal in den
Jahren 2004/2005 begangen worden seien, sowie neun Netzfangprobeflächen,
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die jeweils zweifach untersucht worden seien. Ergänzend seien Horchbox-Un-
tersuchungen durchgeführt worden. Mit diesem Methodenmix sei das Potenzial
an Quartierhabitaten sicher erfasst worden; durch die Netzfänge seien zusätzli-
che Informationen über Weibchen (und vermutete Wochenstuben) erlangt wor-
den.
Dass die Bestandsaufnahme (lediglich) anhand von Detektoren und nicht mit-
tels Telemetrie erfolgte, ist nicht zu beanstanden. Gegenüber dem Einwand der
Kläger, dass bestimmte, ansonsten nicht unterscheidbare Fledermausarten
nicht per Detektor, sondern nur durch Netzfänge sicher zu erfassen seien, hat
der Gutachter zum einen auf seine tatsächlich durchgeführten Netzfänge ver-
wiesen und zum anderen erwidert, dass die planfestgestellten Maßnahmen, mit
denen die Verwirklichung artenschutzrechtlicher Verbotstatbestände vermieden
werden soll, so angelegt worden seien, dass sie für alle insoweit in Betracht
kommenden Arten wirksam würden. Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag der
Einwand, dass die Jagdgebiete einzelner Arten mittels Telemetrie hätten abge-
grenzt werden müssen, um festzustellen, ob durch das Vorhaben ein so erheb-
licher Teil des Gebiets wegfällt, dass Verbotstatbestände verwirklicht sein könn-
ten; denn bei den vorkommenden Arten handelt es sich überwiegend um solche
mit großen oder mehreren Jagdhabitaten, so dass der mögliche Wegfall von
Teilbereichen nicht ins Gewicht fällt und deshalb auch keiner weiteren Be-
stimmung bedarf.
Der weitere Einwand, es sei keine gezielte oder ausreichende Erfassung von
Flugrouten vorgenommen worden, verkennt, dass der artenschutzrechtliche
Fachbeitrag gerade für den von den Klägern beispielhaft angeführten Pulver-
bach einen Flugweg mit hoher Bedeutung ausweist. Dass die Untersuchung zu
den Fledermäusen in ihrem Umfang und ihrer Zielrichtung hinter einem allge-
mein anerkannten Fachkonsens zurückgeblieben wäre, vermag der Senat nicht
zu erkennen.
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(bb) Die Erfassung der Vogelarten im Untersuchungsraum ist ebenfalls weder
mit Blick auf die angewandte Methode noch mit Blick auf ihren Umfang von
Rechts wegen zu beanstanden.
Der Forderung der Kläger nach einer (umfassenderen) Revierkartierung steht
entgegen, dass eine solche - im Vergleich zu anderen Kartierungsmethoden -
zwar darauf zielt, die vollständigsten und genauesten Daten zur Avifauna eines
Lebensraums zu liefern, ein solches lückenloses Arteninventar aufzustellen
aber im Rahmen einer artenschutzrechtlichen Prüfung von Rechts wegen gera-
de nicht gefordert ist. Abgesehen davon ist die Beklagte der Kritik der Kläger,
dass im Streitfall lediglich eine Linientaxierung durchgeführt worden sei, wäh-
rend sie eine Brutvogel-Revierkartierung für erforderlich halten, in der mündli-
chen Verhandlung, unterstützt durch den Gutachter P. und die Vertreterin der
Höheren Landschaftsbehörde, plausibel entgegengetreten. Danach ist der Gut-
achter nach einer vorhabenbezogenen Methodik vorgegangen, die sich an der
Ausstattung des konkret zu betrachtenden Naturraums ausgerichtet hat. Diese
stelle der Sache nach eine „selektive Revierkartierung“ dar, weil zwar hinsicht-
lich der allgemeinen Vogelarten in der Tat lediglich eine Linientaxierung, hin-
sichtlich der sog. planungsrelevanten Arten, d.h. der streng geschützten Arten,
dagegen sehr wohl eine Revierkartierung durchgeführt worden sei, in deren
Rahmen die Reviere (Fortpflanzungs- und Ruhestätten) dieser Arten beschrie-
ben und erfasst worden seien. Dabei sei ein Brutnachweis bereits bei zweimali-
gem revieranzeigenden Verhalten angenommen worden. Eine Kartierung der
Höhlenbäume im Trassenbereich sei ebenfalls erfolgt. Zu dem weiteren Ein-
wand der Kläger, es sei eine Herbstkartierung zur Erfassung von Zugvögeln
erforderlich gewesen, hat der Gutachter plausibel ausgeschlossen, dass der
Untersuchungsraum aufgrund seiner Gebietsstruktur eine besondere Funktion
als Durchzugs- und Rastgebiet für bewertungsrelevante Vogelarten habe. Von
den Klägern behauptete punktuelle - nach ihrer Ansicht gravierende - Erfas-
sungslücken sind ebenfalls nicht geeignet, Methodik oder Umfang der Be-
standsaufnahme zur Avifauna als ungeeignet erscheinen zu lassen. So kann
dahinstehen, ob namentlich das Braunkehlchen in den artenschutzrechtlichen
Fachbeiträgen zu Recht lediglich als Nahrungsgast angesprochen wird oder ob
- wie die Kläger behaupten - der Umstand, dass es sich um ein Alttier mit Nah-
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rung im Schnabel gehandelt habe, ein Indiz dafür ist, dass diese für eine in der
Nähe zu vermutende Brut bestimmt war. Selbst wenn man insoweit der Wer-
tung der Kläger folgt, handelt es sich dabei lediglich um eine Diskrepanz im
Detail, ohne dass dadurch die gesamte Methodik in Frage gestellt wäre. Den
„wahren“ Bestand von Fauna und Flora eines Naturraums vollständig abzubil-
den, ist weder tatsächlich möglich noch rechtlich geboten (Urteil vom 9. Juli
2008 a.a.O. Rn. 62).
(cc) Hinsichtlich der Untersuchungen zu den Amphibien im Plangebiet sieht der
Senat nach dem auch hierüber schriftsätzlich ausgetragenen Streit der Parteien
die von den Klägern erhobenen Einwände als widerlegt an. Entgegen ihrer Dar-
stellung sind im Rahmen der Bestandsaufnahme alle Zuwanderungssektoren
des Kammmolchs mit nachgewiesenen oder potenziellen Vorkommen der Art
untersucht worden; insoweit berücksichtigen die Kläger nicht die auf das
Kammmolchvorkommen im Bereich Hexenbrink ausgerichtete Fangzaununter-
suchung. Auf die Forderung nach umfangreicheren Untersuchungen, für die
sich die Kläger auf das Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen (MAmS),
Ausgabe 2000, stützen, hat die Beklagte erwidert, dass aus den Ergebnissen
der Fangzaununtersuchung und der darüber hinaus durchgeführten Wande-
rungskontrollen im Herbst die funktionalen Zusammenhänge so eindeutig ab-
leitbar gewesen seien, dass weitergehende Untersuchungen absehbar keine
neuen Erkenntnisse erbracht hätten. Diese Einschätzung ist naturschutzfachlich
mindestens vertretbar, da auch das erwähnte Merkblatt es erlaubt, von dem
dort dargestellten weitergehenden Ermittlungsaufwand abzusehen, wenn ver-
lässliche Daten vorhanden sind. Von Letzterem durfte die Beklagte hier ausge-
hen. Die Beklagte hat weiter unter Hinweis auf zwei Amphibienkartierungen und
Veränderungen im Naturraum nachvollziehbar dargelegt, dass ein Vorkommen
der Kreuzkröte im Untersuchungsraum ausgeschlossen werden könne.
dd) Die der Planung zugrunde liegenden artenschutzfachlichen Ermittlungen
und Bewertungen der Fachgutachter werden durch die später von den Klägern
angestellten eigenen Erhebungen nicht erschüttert. Nach Erlass des Planfest-
stellungsbeschlusses durchgeführte Erhebungen in einem Naturraum sind in
der Regel nicht geeignet, eine der Planung zugrunde liegende frühere, nach
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Methodik und Umfang ordnungsgemäße artenschutzrechtliche Bestandsauf-
nahme in Frage zu stellen. So liegen die Dinge auch hier. Wie sich aus der von
den Klägern zu den Gerichtsakten gereichten „Dokumentation der Avifauna in
Steinhagen - Planungsrelevante Vogelarten auf der geplanten A-33-Trasse,
Abschnitt 6“ (Karten und Tabellen) ergibt, stammen die dort angeführten Be-
obachtungen zu im Plangebiet angetroffenen geschützten Arten zum ganz
überwiegenden Teil aus den Jahren 2008 und 2009, zu einem geringeren Teil
aus dem zweiten Halbjahr 2007, mithin aus der Zeit nach dem Erlass des am
6. Juni 2007 ergangenen Planfeststellungsbeschlusses. Soweit danach einige
Befunde aus der Zeit vor dessen Erlass dokumentiert sind, fehlt es teilweise an
genauen Datumsangaben („00.06.2007“) oder die Zuordnung ist völlig unklar
(„00.00.2007“, „ganzjährig“). In der mündlichen Verhandlung haben die Kläger
angeben, dass sie „schon im Juli 2007“, mithin erst nach Erlass des Planfest-
stellungsbeschlusses, mit ihrer Kartierung begonnen hätten. In jedem Fall er-
folgte die Bestandserhebung der Kläger deutlich nach derjenigen, die den plan-
festgestellten artenschutzrechtlichen Fachbeiträgen zugrunde liegt. Dass ihrer
Erhebung, soweit sie auf sachverständigen Beobachtungen beruht, ein natur-
schutzfachlich anerkanntes methodisches Vorgehen zugrunde gelegen hätte,
ist ebenfalls nicht zu erkennen, jedenfalls ist ein solches nicht - wie erforder-
lich - substantiiert dargetan.
b) Ausgehend von der somit zugrunde zu legenden Bestandsaufnahme der Be-
klagten hat der Planfeststellungsbeschluss unter Berücksichtigung der darin
angeordneten landschaftspflegerischen Begleit- und Vermeidungsmaßnahmen
alle erforderlichen Regelungen getroffen, damit durch das Vorhaben keine ar-
tenschutzrechtlichen Verbotstatbestände erfüllt werden.
Dabei ist im vorliegenden Verfahren nicht allein die dem Planfeststellungsbe-
schluss zugrunde liegende Fassung der Verbotstatbestände gemäß dem Bun-
desnaturschutzgesetz vom 25. März 2002 (BGBl I S. 1193, nachfolgend
BNatSchG a.F.) maßgeblich. Vielmehr ist, soweit sie zu Einschränkungen der
Verbotstatbestände geführt hat, auch deren Neufassung durch das Erste Ge-
setz zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes vom 12. Dezember 2007
(BGBl I S. 2873, nachfolgend BNatSchG n.F.) zu berücksichtigen. Abweichend
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von dem Grundsatz, dass es für die gerichtliche Kontrolle eines Planfeststel-
lungsbeschlusses auf die Sach- und Rechtslage bei dessen Erlass ankommt,
sind Rechtsänderungen, die zum Fortfall eines vormaligen Rechtsverstoßes
des Planfeststellungsbeschlusses führen, nämlich bei dessen Überprüfung zu
berücksichtigen. Denn es kann keinen Anspruch auf Aufhebung des Planfest-
stellungsbeschlusses oder auf Feststellung seiner Rechtswidrigkeit und Nicht-
vollziehbarkeit geben, wenn er aufgrund der Rechtsänderung mit gleichem In-
halt und gleicher Begründung erneut erlassen werden könnte (Urteile vom
12. März 2008 - BVerwG 9 A 3.06 - BVerwGE 130, 299 Rn. 255 f. und vom
9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 87).
Allerdings ist dem angegriffenen Planfeststellungsbeschluss selbst nicht unmit-
telbar zu entnehmen, hinsichtlich welcher wild lebenden Tiere der besonders
oder streng geschützten Arten und in welchem Umfang die Planfeststellungs-
behörde Verbotstatbestände des § 42 Abs. 1 BNatSchG als erfüllt ansieht. Im
verfügenden Teil des Planfeststellungsbeschlusses ist, bevor im Rahmen der
vorsorglich erteilten Befreiung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG (a.F.)
die betroffenen Arten aufgelistet werden, nur allgemein von „Verboten des § 42
Abs. 1 BNatSchG“ (PFB S. 23) bzw. in der Begründung (PFB S. 402 ff.) von
den Verbotstatbeständen der Nrn. 1 und 3 die Rede, ohne zwischen den Alter-
nativen der Nr. 1 zu unterscheiden oder eine genaue Subsumtion hinsichtlich
der jeweils betroffenen Arten vorzunehmen. Dies kann jedoch den unter A.2
(PFB S. 10 ff.) planfestgestellten und nochmals ausdrücklich (PFB S. 26 f.) in
Bezug genommenen Artenschutzfachbeiträgen entnommen werden. Zwar sind
auch diese wegen ihres rein populationsbezogenen Ansatzes nicht einwandfrei.
Dieser Mangel ist jedoch nicht entscheidungsrelevant, weil sich den genannten
Untersuchungen gleichwohl die - bei Anlegung des zutreffenden rechtlichen
Maßstabs - erforderlichen und hinreichend tragfähigen tatsächlichen Aussagen
entnehmen lassen. Jedenfalls durch die Einbeziehung dieser gutachtlichen
Feststellungen und Einschätzungen ist dem allgemeinen verfahrensrechtlichen
Bestimmtheits- und Begründungsgebot (§§ 37, 39, 72 VwVfG NRW) - gerade
noch - Genüge getan.
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(1) Dass durch das Vorhaben bau- oder betriebsbedingt der Verbotstatbestand
des § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG (a.F. wie n.F.) erfüllt wird, ist nicht zu
befürchten.
Nach dieser Vorschrift ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders ge-
schützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten. So-
wohl die Kläger als auch die Planfeststellungsbehörde (PFB S. 398 f.) gehen
davon aus, dass dieser Verbotstatbestand in Gestalt des Tötungsverbots hin-
sichtlich mehrerer Fledermaus- und Vogelarten sowie des Kammmolches mög-
licherweise erfüllt wird. Grund dafür ist die Befürchtung, dass nicht auszu-
schließen sei, dass einzelne Exemplare dieser Arten aufgrund einer Kollision
mit Kraftfahrzeugen zu Schaden kommen. Das reicht aber nicht aus, um den
Tatbestand des § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BNatSchG als erfüllt anzusehen. Bei
Anlegung des zutreffenden rechtlichen Maßstabs ist dies vielmehr zu vernei-
nen.
(a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand des Tötungsver-
bots mit Blick auf die bei einem Straßenbauvorhaben nie völlig auszuschlie-
ßende Gefahr von Kollisionen geschützter Tiere mit Kraftfahrzeugen erst dann
erfüllt, wenn das Vorhaben dieses Risiko in einer für die betroffene Tierart sig-
nifikanten Weise erhöht (Urteile vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 219 und vom
9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 91). Dabei sind Maßnahmen, mittels derer solche Kolli-
sionen vermieden werden, in die Betrachtung einzubeziehen. Der Tatbestand
ist nicht erfüllt, wenn das Risiko kollisionsbedingter Verluste von Einzelexemp-
laren in einem Risikobereich verbleibt, der mit einem Verkehrsweg im Natur-
raum immer verbunden ist.
(b) Dass diese Schwelle erreicht würde, ist nach den tatsächlichen Annahmen
der planfestgestellten Gutachten unter Berücksichtigung der festgesetzten Be-
gleit- und Vermeidungsmaßnahmen zu verneinen.
(aa) Das gilt zunächst hinsichtlich der Fledermausarten. Der landschaftspflege-
rische Begleitplan sieht im Anschluss an den Artenschutzfachbeitrag des Deck-
blatts I zur Vermeidung von Kollisionsrisiken Leit- und Sperreinrichtungen wie
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kombinierte Schutzwände und -zäune, Verwallungen (auch mit Bepflanzungen),
Leitpflanzungen sowie Querungshilfen (Unterführungsbauwerke, Durchlässe)
vor. Ziel dieser Maßnahmen ist es, in den für Fledermäuse als gefährlich einge-
schätzten Abschnitten eine möglichst lückenlose Schutzwirkung zu erreichen.
Dabei werden auch die die Trasse nahezu vollständig umgebenden Lärm-
schutzwände und -verwallungen einbezogen. Die Geeignetheit dieses Schutz-
konzepts haben die Kläger mit ihren Einwänden nicht zu erschüttern vermocht.
Dies gilt für Arten wie den Großen Abendsegler oder die Breitflügelfledermaus,
bei denen ein gesteigertes Kollisionsrisiko bereits artbedingt unwahrscheinlich
ist, aber auch für Arten wie die Fransenfledermaus oder das Braune Langohr,
die ohne (hier aber gerade vorgesehene) Vermeidungsmaßnahmen besonders
gefährdet sein mögen. Diese naturschutzfachlich vertretbare Einschätzung der
sachverständig beratenen Planfeststellungsbehörde, der insoweit ein Einschät-
zungsspielraum eingeräumt ist, wird durch die insoweit geübte Kritik der Kläger
nicht erschüttert.
Eine eventuelle Verwirklichung des Tötungsverbots im Rahmen der Baufeld-
freimachung durch das Fällen von Bäumen mit aktuell besetzten Fledermaus-
quartieren wird durch die Vorgabe des planfestgestellten landschaftspflegeri-
schen Begleitplans bzw. der Artenschutzfachbeiträge ausgeschlossen, wonach
Baumfällarbeiten grundsätzlich im Zeitraum zwischen Mitte September und En-
de Oktober/Anfang November stattfinden sollen, weil sich die Fledermäuse in
diesem Zeitraum in ihrer Schwarm- und Ausbreitungsphase befinden, in der sie
ihre Quartiere besonders häufig wechseln und daher die geringste Gefährdung
besteht. Insoweit hat die Beklagte ein offensichtliches Redaktionsversehen des
Planfeststellungsbeschlusses in der mündlichen Verhandlung dadurch berichtigt
(§ 42 VwVfG NRW), dass sie die ursprünglich nur Vogelarten betreffende
Nebenbestimmung 8.4.5 (PFB S. 36) ausdrücklich auch auf die Fledermausar-
ten erstreckt hat (Sitzungsprotokoll S. 6 Mitte). Durch die außerdem vorgese-
hene vorherige Begutachtung wird zugleich sichergestellt, dass eventuelle den-
noch aktuell besetzte Quartiere entdeckt werden und darauf reagiert werden
kann (z.B. durch Vergrämung der Fledermäuse, Warten auf deren Ausflug), um
eine Verwirklichung des Tötungstatbestandes zu vermeiden. Auf die Kritik der
Kläger an der im Planfeststellungsbeschluss ursprünglich weiter vorgesehenen
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„Umsetzung“ von Einzelexemplaren aus aktuell besetzten Quartieren (PFB
S. 260) hat die Beklagte reagiert und auf diese ohnehin nur nachrangig vorge-
sehene Maßnahme verzichtet; sie ist durch Protokollerklärung in der mündli-
chen Verhandlung aus dem Planfeststellungsbeschluss gestrichen worden (Sit-
zungsprotokoll S. 6 unten), ohne dass die Wirksamkeit des Schutzkonzepts
dadurch in Frage gestellt wird.
(bb) Hinsichtlich der Vogelarten gilt zu möglichen Verlusten durch Kollisionen
mit Kraftfahrzeugen das zu den Fledermausarten Ausgeführte entsprechend.
Ein signifikant gesteigertes Risiko solcher Kollisionsschäden ist noch nicht da-
durch erreicht, dass nach dem Planfeststellungsbeschluss möglicherweise ein-
zelne Individuen zu Schaden kommen. Nach den planfestgestellten Arten-
schutzfachbeiträgen ist unter Berücksichtigung der bereits beschriebenen Ver-
meidungsmaßnahmen für die meisten Vogelarten davon auszugehen, dass der
Gefahr etwaiger Verluste durch direktes Einfliegen in die Trasse so wirksam
begegnet wird, dass allenfalls ein Risiko des Verlustes von Einzelexemplaren
zu besorgen ist.
Der mit Blick insbesondere auf verschiedene Spechtarten von den Klägern er-
hobene Einwand, die vorgesehenen Schutzeinrichtungen verfügten nicht über
die - nach Ansicht der Kläger - erforderliche Höhe von mindestens vier Metern,
greift nicht durch. Abgesehen davon, dass dem von den Klägern insoweit ange-
führten „Merkblatt zur Anlage von Querungshilfen für Tiere und zur Vernetzung
von Lebensräumen an Straßen“ derart zwingende Vorgaben nicht zu entneh-
men sind, ist die Beklagte der Kritik der Kläger überzeugend entgegengetreten:
Danach ist die Trasse unter Berücksichtigung der mit den Deckblättern I und II
nochmals erweiterten Schutz- und Vermeidungseinrichtungen beinahe durch-
gängig auf der Nordseite von einem drei Meter hohen Wall und vier Meter ho-
hen Schutzwänden umgeben, auf der Südseite mit einem drei Meter hohen
Wall und zusätzlicher Bepflanzung. Zur Bepflanzung hat der Gutachter Dr. L.
darauf hingewiesen, dass regelmäßig Pflanzware von mindestens ein Meter
Höhe verwandt werde; bei Realisierung des Vorhabens könne mit einer Höhe
der Bepflanzung von 1,80 Meter gerechnet werden, was eine „Schutzhöhe“ von
insgesamt mindestens 4,80 Meter bedeuten würde. Eine noch weiter gehende
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Bepflanzung könnte - sofern sie sich als erforderlich erweisen sollte - im Moni-
toringwege oder durch schlichte Planergänzung angeordnet werden.
Der Planfeststellungsbeschluss trifft auch die erforderlichen Maßnahmen, um
ein erhöhtes Kollisionsrisiko für die derzeit auf dem Hof H. angesiedelte Schlei-
ereule und deren Brutvorkommen (50 Meter von der Trasse entfernt) auszu-
schließen. Der landschaftspflegerische Begleitplan sieht insoweit im Anschluss
an den Artenschutzfachbeitrag vor (Maßnahme M 1), wegen der wahrscheinli-
chen Aufgabe des Brutplatzes spätestens im Herbst vor Baubeginn auf einem
Hof bzw. in einer Scheune im Umfeld von ca. 1 km um den beeinträchtigten
Brutplatz eine Nisthilfe anzubringen, wobei die Habitatansprüche zu berücksich-
tigen seien. Zur Minimierung des Kollisionsrisikos solle der Ausweichbrutplatz
mindestens 200 Meter Abstand von der Trasse aufweisen. Eine weitere Mini-
mierung des Kollisionsrisikos werde dadurch bewirkt, dass beidseitig der Trasse
gelegene und derzeit zur Jagd genutzte Offenlandbereiche infolge der im
landschaftspflegerischen Begleitplan vorgesehenen Aufforstung verloren gehen.
Die Kritik der Kläger an diesen Maßnahmen überzeugt den Senat nicht: Der
landschaftspflegerische Begleitplan legt nicht fest, dass der Ausweichbrutplatz
in einer Entfernung von 200 Metern vorzusehen ist, sondern gibt einen
Mindestabstand vor und stellt im Übrigen materielle Kriterien für die Standort-
suche auf (u.a. zur Störungsarmut des Tagesruheplatzes in der Nähe des Nist-
platzes). Dass sich ein geeigneter Standort - mindestens im Rahmen der ange-
ordneten qualifizierten ökologischen Baubegleitung - nicht finden lässt, machen
auch die Kläger nicht geltend und erscheint dem Senat ausgeschlossen. Die
Einschätzung der Beklagten, dass derartige Nisthilfen für Eulenarten in der Re-
gel gut und schnell angenommen werden, ist naturschutzfachlich vertretbar und
entspricht dem Kenntnisstand des Senats aus anderen Planfeststellungsverfah-
ren.
Bei der Waldohreule geht auch der planfestgestellte Artenschutzfachbeitrag von
einer grundsätzlichen Gefährdung durch Kollisionen aus, die jedoch im Bereich
nachgewiesener Vorkommen durch vier Meter hohe Irritationsschutzein-
richtungen, die eine kollisionsfreie Flughöhe erzwingen, völlig vermieden, min-
destens aber auf ein nicht erhebliches Restrisiko gesenkt werden. Hinsichtlich
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des Turmfalken erkennt der Artenschutzfachbeitrag an, dass aufgrund der auch
in Straßenrandzonen stattfindenden Jagd betriebsbedingte Verluste einzelner
Exemplare grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden könnten. Ein signifikant
erhöhtes Kollisionsrisiko im Sinne der dargestellten Erheblichkeitsschwelle ist
damit jedoch nicht beschrieben. Das von den Klägern hervorgehobene Braun-
kehlchen führt der Artenschutzfachbeitrag als eine Vogelart an, die vergleichba-
re Autobahnen problemlos quere und für die sich keine Barrierewirkung im vor-
stehend erheblichen Sinne ergebe.
Eine Verwirklichung des Tötungstatbestandes in Form des Verlustes von Gele-
gen und der Tötung von nicht flüggen Jungvögeln schließt der Planfeststel-
lungsbeschluss durch die generelle Beschränkung der Baufeldfreimachung auf
den Zeitraum zwischen dem Ende der Brutsaison (Ende September) und dem
Beginn der nächsten Saison (Anfang Februar) aus. Insoweit kann auf die obi-
gen Ausführungen zur gleichgearteten Problematik bei den Fledermausarten
Bezug genommen werden. Für einzelne Vogelarten sieht der landschaftspfle-
gerische Begleitplan im Anschluss an den Artenschutzfachbeitrag artbedingte
zeitliche Verschiebungen vor. Die Annahme der Beklagten, mit diesem auf die
jeweiligen Artspezifika eingehenden Schutzkonzept seien hinreichende Vorkeh-
rungen gegen die Verwirklichung des Tötungstatbestandes getroffen, ist von
ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative gedeckt.
(cc) Dasselbe gilt mit Blick auf die Amphibienarten für den insoweit allein anzu-
sprechenden Kammmolch. Für die Bauphase ist zur Vermeidung größerer Indi-
viduenverluste ein Amphibienschutzraum vorgesehen. Während des Betriebs
der Autobahn wird einem signifikant gesteigerten Tötungsrisiko infolge der Zer-
schneidungswirkungen in dem risikobehafteten Trassenbereich durch beidseiti-
ge Amphibienleiteinrichtungen und die Ausbildung der Durchlässe BW 627 und
BW 628 als kombinierte Gewässer-Amphibien-Durchlässe sowie durch das
Brückenbauwerk über den Foddenbach entgegengewirkt. Soweit die Kläger
dies als defizitär rügen, weil im nahen Umfeld des Laichgewässers allein der
Durchlass BW 627 keine ausreichende Querungsmöglichkeit darstelle, überse-
hen sie, dass der landschaftspflegerische Begleitplan zur Minimierung der
Trennwirkungen des Vorhabens im Umfeld des Laichgewässers zwei zusätzli-
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che Durchlässe im Abstand von jeweils 25 Metern zum BW 627 bei Bau-km
46+405 und Bau-km 46+455 vorsieht.
(2) Ein Verstoß gegen das Beschädigungs- und Zerstörungsverbot ist ebenfalls
zu verneinen.
Gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 BNatSchG a.F. war es untersagt, Entwicklungs-
formen, Nist-, Brut-, Wohn- oder Zufluchtstätten wild lebender Tiere der beson-
ders geschützten Arten der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zer-
stören. Nach der neuen Gesetzeslage gilt Entsprechendes für Fortpflanzungs-
oder Ruhestätten (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG n.F.). Nach § 42 Abs. 5 Satz 1
und 2 BNatSchG n.F. liegt bei nach § 19 BNatSchG zulässigen Eingriffen in
Natur und Landschaft, soweit in Anhang IVa der Habitatrichtlinie aufgeführte
Tierarten oder europäische Vogelarten betroffen sind, ein Verstoß gegen das
Beschädigungs- und Zerstörungsverbot (Abs. 1 Nr. 3 n.F.) und im Hinblick auf
damit verbundene unvermeidbare Beeinträchtigungen auch gegen das Verbot
des Abs. 1 Nr. 1 n.F. nicht vor, soweit die ökologische Funktion der von dem
Eingriff betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusam-
menhang weiterhin erfüllt wird. Nach Satz 3 können, soweit erforderlich, auch
vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen festgesetzt werden.
(a) Der Schutz des Beschädigungs- und Zerstörungsverbots wird nach der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 42 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2
BNatSchG a.F. nicht dem Lebensraum der geschützten Arten insgesamt, son-
dern nur selektiv den ausdrücklich bezeichneten Lebensstätten zuteil, die durch
bestimmte Funktionen für die jeweilige Art geprägt sind. Zum Schutzobjekt ge-
hört daher nicht das gesamte Jagd- oder Nahrungsrevier einer Art (Urteil vom
11. Januar 2001 - BVerwG 4 C 6.00 - BVerwGE 112, 321 <325 f.>; Beschluss
vom 8. März 2007 - BVerwG 9 B 19.06 - NVwZ 2007, 708 Rn. 8). Ebenso wenig
fallen potenzielle (d.h. nicht genutzte, sondern lediglich zur Nutzung geeignete)
Lebensstätten unter den Verbotstatbestand, weil es insoweit an dem erforderli-
chen Individuenbezug fehlt (Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 222). An der
damit verbundenen engen räumlichen und funktionalen Begrenzung des Beg-
riffs der Lebensstätte hat sich durch die Neuregelung nichts geändert (Urteil
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vom 18. März 2009 - BVerwG 9 A 39.07 - NuR 2009, 776 Rn. 66 f.). Geschützt
ist danach der als Ort der Fortpflanzung oder Ruhe dienende Gegenstand, z.B.
einzelne Nester oder Höhlenbäume, und zwar allein w e g e n dieser ihm
zukommenden Funktion. In zeitlicher Hinsicht betrifft die Verbotsnorm primär
die Phase aktueller Nutzung der Lebensstätte; nach dem Zweck der Regelung
ist der Schutz auf Abwesenheitszeiten auszudehnen, d.h. es können auch vo-
rübergehend verlassene Lebensstätten einzubeziehen sein bei Tierarten, die
regelmäßig zu derselben Lebensstätte (z.B. einem konkreten Nest) zurückkeh-
ren (Urteile vom 21. Juni 2006 - BVerwG 9 A 28.05 - BVerwGE 126, 166 Rn. 33
und vom 18. März 2009 a.a.O. Rn. 66). Das Verbot ist dagegen infolge der er-
gänzenden Regelung in § 42 Abs. 5 Satz 2 und 3 BNatSchG n.F. nicht erfüllt,
wenn z.B. einem Vogelpaar weitere geeignete Nistplätze in seinem Brutrevier
zur Verfügung stehen oder durch Ausgleichsmaßnahmen ohne zeitlichen Bruch
bereit gestellt werden (Urteil vom 18. März 2009 a.a.O. Rn. 67). Dasselbe gilt
z.B. für Fledermausarten, die einen Verbund von mehreren Höhlenbäumen
nutzen, zwischen denen sie regelmäßig wechseln, wenn im Falle der Rodung
einzelner Bäume dieses Verbundes deren Funktion von den verbleibenden
Bäumen oder durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen im räumlichen Zu-
sammenhang weiter erfüllt werden kann (Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG 9 A
73.07 - NVwZ 2009, 1296 Rn. 91).
Wie der Senat wiederholt entschieden hat, steht die Neufassung des Beschä-
digungs- und Zerstörungsverbots jedenfalls in Fallkonstellationen der auch hier
allein zur Entscheidung stehenden Art mit den gemeinschaftsrechtlichen Vor-
gaben der Habitatrichtlinie und der Vogelschutzrichtlinie in Einklang. Er hat un-
ter Hinweis auf den Leitfaden der Europäischen Kommission zum Artenschutz
eingehend begründet, dass daran gemeinschaftsrechtlich kein vernünftiger
Zweifel besteht (insbesondere Urteil vom 18. März 2009 a.a.O. Rn. 68 ff.; ferner
Urteile vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 98 und vom 13. Mai 2009 a.a.O. Rn. 90 f.).
Für ein von den Klägern insoweit angeregtes Vorabentscheidungsersuchen an
den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften nach Art. 234 EG besteht
daher kein Anlass.
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(b) Ausgehend von der dargestellten neuen Rechtslage ist im Streitfall eine
Verwirklichung des Beschädigungs- oder Zerstörungsverbots durch den Bau
oder Betrieb der geplanten Trasse nicht zu besorgen, weil der Planfeststel-
lungsbeschluss unter Einschluss der in ihm angeordneten vorgezogenen Aus-
gleichsmaßnahmen die erforderlichen Vorkehrungen trifft, um dem entgegen-
zuwirken.
Eine unmittelbare Zerstörung aktuell besetzter Nester oder Baumhöhlen soll
nach dem Planfeststellungsbeschluss durch die zeitliche Beschränkung der
Baufeldfreimachung sowie durch weitere Sicherungsmaßnahmen vermieden
werden; insoweit wird auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Tötungs-
verbote Bezug genommen.
Daneben kämen als schädigender Eingriff allenfalls mittelbare Einwirkungen der
künftigen Autobahn durch Lärm oder andere Störeffekte in Betracht. Unge-
achtet der Frage, ob und inwieweit solche mittelbaren Einwirkungen aufgrund
funktionaler Erwägungen den Beschädigungs- oder Zerstörungstatbestand er-
füllen können, ist auch dies vorliegend nicht anzunehmen. Der Gefahr, dass
von den Fachgutachtern des Vorhabenträgers ermittelte oder vorsorglich be-
trachtete Lebensstätten besonders geschützter Arten, denen eine Fortpflan-
zungs- oder Ruhefunktion zuzuschreiben wäre, infolge solcher mittelbarer Ein-
wirkungen verloren gehen könnten, wirkt der Planfeststellungsbeschluss durch
verschiedene Begleit- und Vermeidungsmaßnahmen so weit entgegen, dass
nach der rechtlich nicht zu beanstandenden, weil jedenfalls vertretbaren natur-
schutzfachlichen Einschätzung der Beklagten wegen der im Planungsraum vor-
handenen Ausweichmöglichkeiten Auswirkungen auf deren ökologische Funkti-
on i.S.v. § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG n.F. nicht zu befürchten sind.
(aa) Bei den Fledermausarten geht der Planfeststellungsbeschluss mit Blick auf
den standorttreuen, im Verbund wechselnder Quartiere lebenden Großen
Abendsegler davon aus, dass dessen in einem Alteichenbestand an der Biele-
felder Straße gelegenes Quartier beeinträchtigt sein könnte, weil der zur Zeit
der Bestandsaufnahme konkret genutzte Quartierbaum nicht eindeutig habe
identifiziert werden können und im Zuge der Rodung verloren gehen könnte.
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Um zu vermeiden, dass insoweit der Zerstörungstatbestand verwirklicht wird,
sieht der landschaftspflegerische Begleitplan als Maßnahme M 4 bei Bau-km
43+750 die Sicherung von fünf Höhlenbäumen für diese Art vor. Die Kläger ha-
ben mit ihrer Kritik nicht die naturschutzfachlich vertretbare Einschätzung der
Beklagten zu erschüttern vermocht, dass der verbleibende Höhlenverbund aus-
reichend ist bzw. dass die betroffenen Individuen den von ihnen ohnehin im
Wechsel genutzten Quartierverbund ggf. um einen oder mehrere Quartierbäu-
me ergänzen können. Allein dass sich die Anzahl der Quartierbäume verringert,
reicht dafür nicht aus.
Ähnliches gilt für das Quartier der Breitflügelfledermaus in oder nahe einem
trassennahen Gehöft im Bereich der Bielefelder Straße, von dem auch der ar-
tenschutzrechtliche Fachbeitrag ausgeht. Auch insoweit ist die Einschätzung
der Beklagten gerichtlich nicht zu beanstanden, dass die ökologische Funktion
des Quartiers i.S.v. § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG n.F. gewahrt bleibt, weil die
betroffenen Exemplare aufgrund ihres artbedingten Wechselverhaltens andere,
in ausreichender Anzahl vorhandene geeignete Quartiere werden nutzen kön-
nen. Dass dafür geeignete Mauerspalten, Dachüberstände o.ä. im Untersu-
chungsraum nicht vorhanden wären, kann ausgeschlossen werden.
Für das Braune Langohr, bei dem auch der artenschutzrechtliche Fachbeitrag
von sechs möglicherweise verloren gehenden Quartieren ausgeht, sieht der
landschaftspflegerische Begleitplan als Maßnahme M 3 die Sicherung von je
fünf quartiergeeigneten Altbäumen im Umfeld der beeinträchtigten Bereiche
bzw. in einem Fall die Anbringung von fünf Nistkästen vor, die schnell und er-
folgreich besiedelt würden. Zur Vermeidung von Jagdhabitatverlusten, die sich
indirekt auf die Nutzbarkeit der Quartiere auswirken könnten, sind vorsorglich
weitere vorgezogene Maßnahmen in allen Funktionsräumen angeordnet, in de-
nen Quartiere vorkommen. Auch hier gilt mit Blick auf das Quartierwechselver-
halten der Art (alle ein bis vier Tage), dass nichts dafür spricht, dass die ökolo-
gische Funktion i.S.v. § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG n.F. dadurch nicht gewahrt
werden könnte.
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(bb) Eine mittelbare Beeinträchtigung von Vogelarten durch bau- oder betriebs-
bedingte Verlärmung mit der Folge, dass Fortpflanzungsstätten aufgegeben
würden, wird vom artenschutzrechtlichen Fachbeitrag verneint. Gegenteiliges
kann auch mit Blick auf das Vorbringen der Kläger nicht angenommen werden.
Soweit sich die Kläger zur Untermauerung ihrer diesbezüglichen Kritik darauf
berufen, geschützte Stätten bestimmter Vogelarten würden deshalb beeinträch-
tigt, weil sog. Effektdistanzen gemäß der Untersuchung „Vögel und Verkehrs-
lärm“ des Kieler Instituts für Landschaftsökologie vom November 2007 (Gar-
niel/Mierwald u.a.) nicht eingehalten würden, greift dieser Einwand aus einem
doppelten Grunde nicht durch: Zum einen ist mit diesen Effektdistanzen ledig-
lich eine Obergrenze bezeichnet, bis zu der negative Auswirkungen des Stra-
ßenverkehrs auf die räumliche Verteilung der Vögel einer Art nicht ausge-
schlossen werden können (ebd. S. 61, 226 f.). Zum anderen beschreiben sie
lediglich Lärmauswirkungen bei ungehinderter Schallausbreitung. Im Streitfall ist
die geplante Trasse der A 33 dagegen beinahe vollständig von Lärmschutz-
wänden bzw. -wällen umgeben. Die fachliche Einschätzung der Beklagten, dass
dadurch Störwirkungen weitgehend abgefangen werden und deshalb keine
Funktionseinbuße der in Rede stehenden Fortpflanzungsstätten eintritt, er-
scheint schlüssig und ist jedenfalls von ihrer Einschätzungsprärogative gedeckt.
Für das nur 20 Meter von der Trasse entfernt gelegene Brutvorkommen des re-
viertreuen, sein Nest jährlich neu bauenden Gartenrotschwanzes auf dem Hof
H. sieht der landschaftspflegerische Begleitplan als Maßnahme M 2 vor, dass
eine Vegetationsperiode vor Baubeginn östlich des Hofes und im Umfeld des
Umspannwerkes Nistkästen (je fünf Halbhöhlen- und fünf Normalnistkästen)
abseits der Trasse angebracht werden; dadurch könne die ökologische Funkti-
on des bisherigen Nistplatzes aufgefangen werden. Soweit die Kläger dies be-
zweifeln, weil die vorgesehenen Standorte nur 100 und 250 Meter von der
Trasse entfernt und damit innerhalb der sog. Effektdistanz von 300 Metern lä-
gen, ist dieser Einwand schon deshalb unerheblich, weil der Planfeststellungs-
beschluss die von den Klägern behaupteten Standortentfernungen nicht fest-
legt, sondern den genauen Standort der Ausführungsplanung überlässt und der
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vom landschaftspflegerischen Begleitplan vorgegebene Rahmen die Einhaltung
eines Trassenabstands von 300 Metern zulässt.
Mit Blick auf die Heidelerche geht der artenschutzrechtliche Fachbeitrag von
zwei Revieren (zwei Brutpaaren) im Untersuchungsgebiet aus, je einem nörd-
lich und südlich der Trasse. Denkbare Randeffekte auf das nördliche Gesamt-
habitat, dessen Minimalabstand zur Trasse 150 Meter betrage, sollen durch die
dort vorgesehene Immissionsschutzwand vermieden werden. Bei dem südli-
chen Revier betrage der Minimalabstand zwischen Trasse und Gesamthabitat
100 Meter; der fragliche Brutplatz liege aber mehr als 300 Meter von der Trasse
entfernt in einem Waldrandbereich. Die naturschutzfachliche Einschätzung der
Beklagten, dass eine Verwirklichung des Verbotstatbestandes deshalb nicht zu
besorgen sei, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
Ähnlich verhält es sich beim relativ brutplatztreuen, gleichwohl eine kleinräumi-
ge Flexibilität aufweisenden Kiebitz und dessen - auch vom artenschutzrechtli-
chen Fachbeitrag angesprochenen - beiden Brutplätzen: Der eine, nördlich der
Queller Straße (K 31) rund 100 Meter von der Trasse entfernte Brutplatz werde
durch die Trasse eingeengt und isoliert (nördliches Brutpaar); hinsichtlich des
anderen, nördlich der Justizvollzugsanstalt gelegenen, rund 300 Meter von der
Trasse entfernten Brutplatzes komme es zu einer Einengung des Offenlandbe-
reichs (südliches Brutpaar). Die für beide Plätze relevante Störwirkung durch
Verkehrslärm werde hinsichtlich des südlichen Brutpaares schon durch die
beidseitigen Lärmschutzwälle begrenzt. Zur Stabilisierung beider Vorkommen,
deren Verlust andernfalls auch nach dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag zu
erwarten ist, sieht der landschaftspflegerische Begleitplan als Maßnahmen
M/A 26.4 und M/A 26.15 vor, durch die Entwicklung von Extensivgrünland mit
Blänken im Bereich offener Weideflächen westlich der Trasse mindestens eine
Vegetationsperiode vor Baubeginn Ausweichhabitate zu schaffen. Die Kritik der
Kläger, dass die Ersatzflächen ihrerseits nur 400 Meter von der Trasse entfernt
seien, geht fehl, weil sie bei dieser Entfernung beginnen und sich bis zu
600 Meter entfernt von der Trasse erstrecken; für die Befürchtung, die Ersatz-
brutplätze stünden möglicherweise nicht zur Verfügung, fehlt jeder greifbare
Anhalt.
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Hinsichtlich des Grünspechts ist auf der Grundlage der Bestandsaufnahme des
artenschutzrechtlichen Fachbeitrags davon auszugehen, dass im Trassenbe-
reich und dessen Umfeld kein Nachweis vorliegt. Beim Kleinspecht verhält es
sich im Ergebnis ähnlich. Insoweit geht der artenschutzrechtliche Fachbeitrag
von drei Brutrevieren im weiteren Trassenumfeld aus. Anders als für das Vor-
kommen in der Lutterniederung seien für die beiden Brutreviere östlich der Jus-
tizvollzugsanstalt (südlich der Zinnstraße) und am Foddenbach baubedingte
Lärmeinwirkungen nicht auszuschließen; sie führten aber nicht zur Aufgabe des
Brutvorkommens. Betriebsbedingte Beeinträchtigungen für alle drei Brutreviere
würden durch die Immissionsschutzeinrichtungen deutlich reduziert. Hiernach
ist mit Blick auf das artbedingte Wechselverhalten des Kleinspechts, der im
Jahr mehrere (Brut- und Schlaf-)Höhlen schlägt, und angesichts der ausrei-
chend großen Ausstattung des näheren Naturraums mit erforderlichem Weich-
und Totholz nicht davon auszugehen, dass der gesamte Funktionsraum zur
Anlage von Bruthöhlen entfällt. Diese jedenfalls gemäß § 42 Abs. 5 Satz 2
BNatSchG n.F. den Beschädigungs- und Zerstörungstatbestand ausschließen-
de Einschätzung der Beklagten haben die Kläger nicht zu erschüttern vermocht.
Beim Rebhuhn ist nach der nicht zu beanstandenden artenschutzrechtlichen
Bestandsaufnahme lediglich vom Vorhandensein potenzieller Brutplätze aus-
zugehen, deren Beseitigung nicht tatbestandsmäßig ist, da es an dem erforder-
lichen Individuenbezug fehlt. Eine Zerstörung aktuell besetzter Nester der Art ist
angesichts der nur außerhalb der Brut- und Aufzuchtzeiten erlaubten Bau-
feldfreimachung nicht zu besorgen. Für den vollständigen Verlust des Funkti-
onsraums ist auch hier nichts ersichtlich.
Unter den Eulenarten geht der artenschutzrechtliche Fachbeitrag für die hier
zunächst anzusprechende Schleiereule davon aus, dass durch das Heranrü-
cken der Trasse an deren Brutplatz in einer Scheune auf Hof H. die zugehöri-
gen günstigen Jagdgebiete im Westen abgeschnitten werden und durch die
vorgesehenen Aufforstungsmaßnahmen für die Jagd nutzbare Offenlandberei-
che verloren gehen. Der deswegen höchstwahrscheinlich drohenden Aufgabe
des Brutplatzes setzt der landschaftspflegerische Begleitplan die frühzeitige
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Schaffung einer Nisthilfe in 1 km Entfernung entgegen (Maßnahme M 1); auf
die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des Tötungsverbots wird Bezug
genommen. Selbst wenn hiernach der von der standorttreuen Schleiereule ge-
nutzte Scheunenbereich verloren ginge, würde dessen Funktion von dieser
Nisthilfe i.S.v. § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG n.F. übernommen. Entsprechen-
des gilt für die damit bewirkte Verlagerung des Tagesruheplatzes als Ruhestät-
te. Dass die Schleiereule artbedingt zwingend auf die Nutzung bzw. Wieder-
verwendung gerade des Scheunenbereichs angewiesen wäre und nicht auf
künstlich geschaffene oder natürlich vorhandene und von der Art akzeptierte
Ersatzstandorte ausweichen könnte, ist nicht ersichtlich.
Für die Waldohreule weist der artenschutzrechtliche Fachbeitrag kein Nest im
Trassenbereich nach, sondern geht lediglich von einem potenziellen Brutrevier
im Bereich Patthorst und Upheide im Trassenumfeld aus. Dessen Beeinträchti-
gung ist mangels Individuenbezug bereits nicht tatbestandsmäßig. Unabhängig
davon und ungeachtet der von den Klägern betonten Neigung der Schleiereule,
gerne und über Jahre hinweg ihre früheren Brutstandorte zu nutzen, greift je-
denfalls auch hier § 42 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG n.F., weil auch für diese Eu-
lenart, die selbst keine Nester baut, eine wiederkehrende Nutzung von ausrei-
chend vorhandenen Fremdnestern (z.B. Nestern von Krähenvögeln) zu erwar-
ten ist. Nichts anderes gilt für den - in seinem Nistverhalten vergleichbaren, d.h.
ebenfalls nur relativ revier- und brutplatztreuen - Waldkauz, für den der arten-
schutzrechtliche Fachbeitrag wiederum keinen Nachweis konkreter Brutplätze
im Trassenbereich erbracht hat, aber von sechs bis sieben Brutvorkommen im
gesamten Untersuchungsgebiet, mithin von unterstellten Brutplätzen ausgeht.
Auch insoweit ist nach der vertretbaren naturschutzfachlichen Einschätzung der
Beklagten davon auszugehen, dass wegen der ausreichenden Flexibilität dieser
Art zur Annahme von Ausweichmöglichkeiten im räumlichen Zusammenhang
beim Brutplatzangebot kein verbotsrelevanter Engpass eintreten wird.
Was den Verlust des Brutplatzes des Turmfalken nach dem Abriss eines dem
Straßenbauvorhaben entgegenstehenden Hauses betrifft, gilt Ähnliches: Nach
dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag weist die Art eine hohe Flexibilität in
der Nistplatzwahl bei auch im Umfeld vorhandenen Ausweichmöglichkeiten auf;
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als solche könnten Nischen, Nistkästen und Nester anderer Arten dienen. Die
Einschätzung der Beklagten, dass die ökologische Funktion des bisherigen
Brutplatzes von solchen vergleichbaren und nutzbaren Ausweichstandorten
übernommen werden könne, hält - weil naturschutzfachlich jedenfalls vertret-
bar - gerichtlicher Kontrolle stand.
(cc) Hinsichtlich des unter den Amphibien allein zu betrachtenden Kammmolchs
wird nach dem artenschutzrechtlichen Fachbeitrag das Laichgewässer dieser
Art im Bereich Hexenbrink weder bau- oder anlagenbedingt in Anspruch
genommen, noch wird es mittelbar funktionslos. Die gleichwohl im landschafts-
pflegerischen Begleitplan vorgesehene Anlage eines Ersatzlaichgewässers
dient lediglich dem Auffangen vorsorglich unterstellter Funktionsverluste.
(3) Eine Verwirklichung des Störungstatbestandes ist bei einer Zulassung des
Vorhabens ebenfalls nicht zu befürchten.
§ 42 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG a.F. verbot es, wild lebende Tiere der streng ge-
schützten Arten und der europäischen Vogelarten an ihren Nist-, Brut-, Wohn-
oder Zufluchtstätten durch Aufsuchen, Fotografieren, Filmen oder ähnliche
Handlungen zu stören. Nach der Neufassung (Nr. 2 n.F.) ist es verboten, die
Tiere während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und
Wanderungszeiten erheblich zu stören; dabei liegt nach der Definition des
2. Halbsatzes eine erhebliche Störung dann vor, wenn sich durch sie der Erhal-
tungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.
(a) Der Senat hegt keine Zweifel an der Gemeinschaftsrechtskonformität der
durch die Neufassung eingeführten Erheblichkeitsschwelle. Mit den Vorgaben
der Habitatrichtlinie steht das nationale Recht in Einklang, weil auch der ent-
sprechende gemeinschaftsrechtliche Störungstatbestand des Art. 12 Abs. 1
Buchst. b FFH-RL gemäß seinem eindeutigen Wortlaut nur Störungen „dieser
Arten“ verbietet - im Gegensatz zur Tötung von „Exemplaren dieser Arten“ in
Art. 12 Abs. 1 Buchst. a FFH-RL - und daher ebenfalls einen art- bzw. populati-
onsbezogenen Ansatz aufweist (vgl. Urteile vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 237
und vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 104). Dass dies mit dem durch Art. 12 Abs. 1
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Buchst. b FFH-RL umgesetzten Art. 6 Buchst. c der Berner Konvention nicht
vereinbar wäre (so Gellermann, NuR 2009, 8 <12>), vermag der Senat der an-
geführten Vorschrift dieses völkerrechtlichen Vertrages nicht zu entnehmen.
Nichts anderes gilt für den Störungstatbestand des Art. 5 Buchst. d VRL, wo-
nach sich die Störung auf die Zielsetzung dieser Richtlinie erheblich auswirken
muss. Das ist mit Blick auf das Schutzziel der Erhaltung der wildlebenden Vo-
gelarten (vgl. die Präambel und Art. 1 VRL) und das Verschlechterungsverbot
(Art. 13 VRL) nicht der Fall, wenn der aktuelle Erhaltungszustand der betroffe-
nen Arten sichergestellt ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 44).
(b) Der somit in seiner Neufassung anzuwendende Störungstatbestand kann
vor allem durch bau- und betriebsbedingte Beeinträchtigungen der geschützten
Tierarten in Gestalt von akustischen und optischen Störwirkungen erfüllt werden
(vgl. Urteil vom 21. Juni 2006 a.a.O. Rn. 34 m.w.N.). Der Planfeststellungsbe-
schluss hält die Möglichkeit solcher Störungen während der Balz- und
Paarungszeit bzw. während der Fortpflanzungs- und Aufzuchtzeiten für Fle-
dermaus- und Vogelarten nicht für ausgeschlossen. Bei Zugrundelegung der
neuen Gesetzeslage, die der Planfeststellungsbeschluss noch nicht berücksich-
tigen konnte, ist indes nicht zu besorgen, dass von dem Vorhaben ausgehende
Störwirkungen - unter Einschluss der angeordneten Vermeidungsmaßnahmen -
die tatbestandliche Erheblichkeitsschwelle überschreiten. Das gilt für alle in Be-
tracht zu ziehenden Teile des Artenspektrums. Dem Hinweis der Beklagten,
dass die relevanten Fledermausarten während des Zeitraums der Baufeldfrei-
machung besonders aktiv und deshalb unempfindlich gegen Störungen seien,
haben die Kläger nichts Substanzielles entgegengesetzt. Dass Störungen po-
tenzieller Vogelbrutvorkommen während der Bauzeit oder beim Betrieb der Au-
tobahn - unter Berücksichtigung der Vermeidungsmaßnahmen - Populations-
wirksamkeit erreichen könnten, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Für den Kamm-
molch ist nichts Abweichendes zu erkennen.
c) Die von den Klägern behaupteten Betroffenheiten geschützter Tierarten, die
über die dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegende Bestandsaufnah-
me hinausgehen, soweit sie auf stets möglichen Veränderungen im Naturraum
beruhen können, sind nicht entscheidungserheblich. Es liegt auf der Hand, dass
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der in Rede stehende Naturraum einem stetigem Wechsel unterliegt. Das Nest
eines Vogels oder die Baumhöhle einer Fledermaus, die zur Zeit der ar-
tenschutzrechtlichen Bestandsaufnahme noch aktuell besetzt waren, können
- je nach Artverhalten - zu späteren Zeitpunkten längst verlassen und stattdes-
sen andere geschützte Stätten in Nutzung genommen worden sein. Dies relati-
viert auch den in Verfahren der vorliegenden Art von den Parteien häufig ge-
führten Streit, ob bei einer Bestandsaufnahme ein konkretes Nest oder ein be-
stimmter Baum erfasst oder übersehen worden ist; jedenfalls bei nicht zwingend
auf ein konkretes Nest oder eine bestimmte Baumhöhle fixierten Arten kann es
zielführender sein, wie auch im Streitfall geschehen, neben der - nie vollständig
möglichen - Erfassung konkret genutzter Schutzstätten das grundsätzliche
Habitatpotenzial eines Untersuchungsraums abzuschätzen. Den wegen des
stetigen Wechsels der Natur möglichen Veränderungen der arten-
schutzrechtlichen Betroffenheiten nach Erlass des Planfeststellungsbeschlus-
ses darf die Planfeststellungsbehörde regelmäßig dadurch Rechnung tragen,
dass sie im Planfeststellungsbeschluss ein naturschutzfachliches Monitoring
oder eine qualifizierte begleitende ökologische Bauüberwachung anordnet.
Diese Instrumente sind grundsätzlich geeignet und ausreichend, neue (d.h. zu-
vor nicht ermittelte oder nicht vorhandene) artenschutzrechtliche Betroffenhei-
ten zu erkennen und sie einer naturschutzrechtlichen Problembewältigung zu-
zuführen. Behauptete artenschutzrechtliche Mängel oder Unsicherheiten, die im
Rahmen dieser Instrumente behoben werden können, können der Anfech-
tungsklage eines von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen man-
gels Kausalität für dessen Eigentumsbetroffenheit grundsätzlich nicht zum Er-
folg verhelfen.
So liegt es auch im Streitfall: Selbst wenn die von den Klägern behaupteten
(insbesondere selbst ermittelten) weitergehenden Betroffenheiten geschützter
Tierarten vorliegen und die Schwelle eines Verbotstatbestandes überschreiten
sollten, ist nicht erkennbar, dass sie nach Art oder Umfang über das hinausge-
hen, was ein Planfeststellungsbeschluss durch eine qualifizierte begleitende
ökologische Bauüberwachung zu beherrschen in der Lage ist. Eine solche ist
auch im Streitfall angeordnet (PFB Ziff. 8.4.1, 8.4.3, 8.4.8; landschaftspflegeri-
scher Begleitplan, Deckblatt I S. 112; artenschutzrechtlicher Fachbeitrag,
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Deckblatt I, Teil B, S. 28). In deren Rahmen können artenschutzrechtliche
Mängel oder Unsicherheiten der beschriebenen Art grundsätzlich aufgefangen
(erkannt und behoben) werden.
Selbst wenn aber die von den Klägern behaupteten artenschutzrechtlichen
Mängel und Unsicherheiten über den mittels der angeordneten ökologischen
Baubegleitung zu bewältigenden Rahmen hinaus gehen sollten, steht ihrem mit
dem Hauptantrag verfolgten Begehren entgegen, dass artenschutzrechtliche
Defizite, die durch schlichte Planergänzung behoben werden können, nicht zu
einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Planfeststellungsbeschluss füh-
ren können (Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 129 ff.). Die von den Klägern
behaupteten artenschutzrechtlichen Risiken gehen nach Art und Umfang jeden-
falls über diesen Bereich nicht hinaus. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass ihnen
nicht durch weitere, ggf. ergänzend anzuordnende Vermeidungs- oder Aus-
gleichsmaßnahmen Rechnung getragen werden könnte, ohne dass sich an der
planfestgestellten Trasse etwas ändern würde. Dann aber kann ihre Klage
mangels Kausalität der behaupteten Mängel für ihre Eigentumsbetroffenheit
insoweit keinen Erfolg haben.
3. Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss genügt auch dem in § 17
Satz 2 FStrG normierten Gebot, bei der Planfeststellung die von dem Vorhaben
berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträg-
lichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (fachplanerisches Abwä-
gungsgebot). Die Belange der Kläger, insbesondere ihr Schutz vor schädlichem
Verkehrslärm und Luftschadstoffen, sind rechtsfehlerfrei abgewogen worden.
Soweit die Kläger die dem Gutachten zur künftigen Lärmbelastung zugrunde-
liegende Verkehrsprognose angreifen, kann ihren dagegen erhobenen Einwän-
den nicht gefolgt werden (a). Dasselbe gilt für die Prognose zur Luftschadstoff-
belastung (b). Das Vorhaben ist ferner weder unter dem Gesichtspunkt einer
unzulässigen Abschnittsbildung (c) noch hinsichtlich der Trassenwahl zu bean-
standen (d). Schließlich sind die persönlichen Betroffenheiten der Kläger durch
die Inanspruchnahme von Flächen abwägungsfehlerfrei behandelt worden (e).
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- 41 -
a) Es lässt sich nicht feststellen, dass der Planfeststellungsbehörde bei der Er-
mittlung und Bewertung der Belange des Lärmschutzes der Wohnbevölkerung
im Allgemeinen und der Kläger im Besonderen Fehler unterlaufen sind, auf die
das Anfechtungs- oder zumindest das hilfsweise verfolgte Feststellungsbegeh-
ren gestützt werden könnte. Die Kläger wenden gegen die lärmtechnische Be-
rechnung und die darauf aufbauende Behandlung der Lärmschutzbelange im
Wesentlichen ein, sie beruhten auf einer verfehlten Verkehrsprognose, in der
die tatsächlich zu erwartende Verkehrsbelastung der A 33 weit unterschätzt
worden sei. Träfe diese Kritik zu, könnte davon die konzeptionelle Planungs-
entscheidung einschließlich der Trassenwahl betroffen sein; Abwägungsdefizi-
ten aufgrund einer fehlerhaften Verkehrsprognose könnte deshalb nicht durch
eine Planergänzung um Schutzauflagen abgeholfen werden. Die Prognose der
künftigen Verkehrsbelastung der A 33 ist jedoch nicht zu beanstanden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts setzt eine
ordnungsgemäße Untersuchung der von einem Straßenbauvorhaben voraus-
sichtlich ausgehenden Geräuschimmissionen voraus, dass die ihr zugrunde lie-
gende Verkehrsprognose mit den zu ihrer Zeit verfügbaren Erkenntnismitteln
unter Beachtung der dafür erheblichen Umstände sachgerecht, d.h. methodisch
fachgerecht erstellt worden ist. Die Überprüfungsbefugnis des Gerichts er-
streckt sich allein darauf, ob eine geeignete fachspezifische Methode gewählt
wurde, ob die Prognose nicht auf unrealistischen Annahmen beruht und ob das
Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist (Beschluss vom 5. Ok-
tober 1990 - BVerwG 4 CB 1.90 - NVwZ-RR 1991, 129 <131>; Urteil vom
27. Oktober 1998 - BVerwG 11 A 1.97 - BVerwGE 107, 313 <326> m.w.N.).
Diesem Maßstab genügt die im Streitfall angegriffene Verkehrsprognose.
Die von den Klägern und ihrem Sachbeistand Dipl.-Geogr. Ha. (Büro Regio-
Consult) geäußerte Kritik vor allem an der Verkehrsuntersuchung 2003 geht im
Wesentlichen dahin, dass lediglich eine nach der RAS-Q 96 unzureichende
Trendprognose angestellt worden sei, dass diese auf unzutreffenden oder un-
sicheren Annahmen und intransparenten Daten beruhe, dass sie im Vergleich
mit anderweitigen Daten einer bestimmten Zählstation bzw. eines Gutachtens
95
96
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- 42 -
des Büros IVV (Ingenieurgruppe für Verkehrswesen und Verfahrensentwicklung
GmbH & Co. KG) nicht plausibel und dass der Anteil des Lkw-Segments zwi-
schen 2,8 und 3,5 Tonnen Gesamtgewicht nicht zutreffend erfasst worden sei.
Sämtlichen Einwänden sind die Beklagte und der Gutachter Dr. Z. vom Büro
DTV-Verkehrsconsult (DTV-VC), vormals HB-Verkehrsconsult (HB-VC), über-
zeugend entgegentreten:
Danach hat der genannte Gutachter im Streitfall keine Trendprognose, sondern
- wie dies von Ziff. 1.2.2 des Anhangs zur RAS-Q 96 bei der Neuplanung von
Verkehrsanlagen grundsätzlich gefordert wird - eine Modellprognose durchge-
führt, die auf der Basis eines vorhandenen Verkehrsmodells des Untersu-
chungsgebiets sowie vorhandener und eigener Zählungen verkehrszellenbezo-
gen anhand eines Steigerungsfaktorenmodells erarbeitet worden ist. Dies war
im Übrigen (wenn auch sehr verkürzt) der Verkehrsuntersuchung 2003 selbst
zu entnehmen (S. 2 ff.). In der mündlichen Verhandlung hat der Gutachter die
Grundlagen und Einzelschritte seines Vorgehens näher erläutert. Danach liegen
seiner Untersuchung aktuelle Daten aus der offiziellen Straßenverkehrszählung
2000, aus eigenen Zählungen an acht Knotenpunkten, darunter aus zwei
zweiwöchigen Dauerzählungen, sowie aus Befragungen an vier Quer-
schnittstellen zugrunde. Unter Einbeziehung anderer zum Untersuchungsraum
vorliegender Gutachten sei ein bestehendes Verkehrsmodell des Untersu-
chungsraums aktualisiert und mit den Realdaten so weit kalibriert worden, dass
es Plausibilitätsprüfungen standgehalten habe. Bei der hierauf aufbauenden
Umlegung des Modells auf den Prognosefall anhand von Steigerungsfaktoren
für jede einzelne Quelle-Ziel-Beziehung seien rund 140 Verkehrszellen und
rund 22 000 Einzelbeziehungen betrachtet worden.
Auf den Vorwurf der intransparenten Datengrundlage hat der Gutachter darauf
verwiesen, dass die wesentlichen Arbeitsschritte dokumentiert worden seien
und beim Vorhabenträger hätten eingesehen werden können. Die behauptete
Inplausibilität der Prognose im Vergleich mit anderen Daten hat er u.a. damit
entkräftet, dass die von den Klägern hierfür angeführte Dauerzählstelle Halle-
Gartnisch in der Vergangenheit häufig ausgefallen sei, unzuverlässige Ergeb-
99
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- 43 -
nisse geliefert habe und deshalb im Jahr 2006 abgeschaltet worden sei. Auf die
weitere Kritik der Kläger, wonach die Befragungen von HB-VC nur im Stadtge-
biet von Bielefeld und in einer zu kurzen Zeitspanne durchgeführt worden seien
und die am Nachmittag gewonnenen Ergebnisse nicht auf den Vormittag hätten
gespiegelt werden dürfen, hat der Gutachter erwidert, dass die von ihm erarbei-
tete Prognose nicht bloß auf die Befragungen in Bielefeld, sondern - wie be-
schrieben - auf eine wesentlich breitere Datengrundlage gestützt sei, die über
das geforderte Maß weit hinaus gehe, ferner dass es methodisch sehr wohl
zulässig sei, Vier-Stunden-Zählungen hochzurechnen, und dass die Ver-
kehrsteilnehmer in beide Richtungen (zur Hin- und Rückfahrt) befragt worden
seien. Aus der bundesweiten Verkehrszählung ergebe sich, dass im Untersu-
chungsraum weitgehend symmetrische Belastungsverhältnisse herrschten. Das
von den Klägern angeführte Gutachten des Büros IVV sei für eine kommunale
Untersuchung mit einem anderen Ansatz erstellt worden, so dass ein direkter
Vergleich nicht möglich sei. Einzelne starke Abweichungen resultierten aus ei-
ner unterschiedlichen Netztopologie, unterschiedlichen Nachfragematrizen und
einer unterschiedlichen Berücksichtigung von Quell-, Ziel- und Binnenverkehren
mit unterschiedlich gut erreichbaren Anschlussstellen. Dass daraus teilweise
abweichende Ergebnisse resultierten, liege auf der Hand.
Soweit der Sachbeistand der Kläger Dipl.-Geogr. Ha. in der mündlichen Ver-
handlung die der Planung zugrunde liegende Verkehrsprognose anhand kon-
kreter Zahlen aus der IVV-Untersuchung in Zweifel ziehen wollte, war dem - un-
geachtet des Vorstehenden - schon deshalb nicht weiter nachzugehen, weil er
die behauptete geringere Entlastungswirkung der geplanten A 33 anhand eines
Vergleichs der Daten der Analyse 2008 mit dem Prognose-Planfall 2020 herlei-
ten wollte (Folien 6 und 7 der Präsentation). Eine sachgerechte Betrachtung
würde voraussetzen, dass der Prognose-Nullfall 2020 mit dem Prognose Plan-
fall 2020 verglichen würde. Zahlen für den Prognose-Nullfall 2020 (DTV-Werte
ohne Verwirklichung des Vorhabens) konnte er indes nicht nennen. Im Übrigen
würde sich bei einem - wie dargestellt: an sich unstatthaften - Vergleich der
DTV-Werte von HB-VC (Nullfall 28 000, Planfall 13 000 Kfz/24 h) und von IVV
(Analyse 2008: 22 600, Planfall mit A 33: 20.800 Kfz/24 h) ergeben, dass da-
102
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nach immerhin eine Entlastung von 7 200 Kfz/24 h (von 28 000 auf 20 800
Kfz/24 h) zu erwarten wäre.
Zurückzuweisen ist schließlich der Einwand, in der Verkehrsprognose seien nur
Lkw über 3,5 t berücksichtigt worden. Dies ist unzutreffend. Vielmehr ist der
planfestgestellten lärmtechnischen Untersuchung - wie vorgeschrieben (Anla-
ge 1 zu § 3 der 16. BImSchV sowie Tabelle 3 der RLS-90) - der Lkw-Anteil mit
mehr als 2,8 t zulässigem Gesamtgewicht zugrunde gelegt worden (vgl. Deck-
blatt I Unterlage 11 S. 5). Dies hat der Gutachter Dr. Z. in der mündlichen Ver-
handlung nochmals bestätigt. Der zwischenzeitliche Vortrag der Beklagten, ge-
stützt auf eine Mitteilung der Bundesanstalt für das Straßenwesen (BASt), wo-
nach im Rahmen der Verkehrslärmberechnung auf eine Ermittlung und Be-
rechnung des fraglichen Lkw-Segments verzichtet werden könne (BASt 1/2009,
Straßenverkehrstechnik 5.2009 S. 313), ist damit gegenstandslos und gibt le-
diglich Anlass zu dem Hinweis, dass eine fachtechnische Mitteilung der BASt
nicht in der Lage ist, geltendes Recht (s.o.) abzuändern.
Entgegen der Kritik der Kläger kann der Senat auch nicht erkennen, dass das
Lkw-Segment zwischen 2,8 und 3,5 t zulässigem Gesamtgewicht nicht fachge-
recht ermittelt worden ist. Der Gutachter Dr. Z. hat in der mündlichen Ver-
handlung dargestellt, dass - wie dem Senat auch aus anderen Verfahren be-
kannt ist (vgl. Urteil vom 9. Juli 2008 a.a.O. Rn. 157) - mangels bindender Vor-
gaben durch Regelwerke die Wahl der „richtigen“ Methode zur Ermittlung die-
ses Lkw-Segments der fachlichen Einschätzung des mit der Verkehrsprognose
befassten Sachverständigen obliege. Sein Büro verfahre in ständiger Praxis in
der Weise, dass das fragliche Segment anhand der Bereifung der Fahrzeuge
ermittelt, d.h. dass danach unterschieden werde, ob die Fahrzeuge über eine
Doppelbereifung verfügten oder nicht; dieses für die Zählpersonen leicht er-
kennbare Kriterium habe sich bei einer Gesamtschau des derzeitigen Fahr-
zeugtypenkatalogs im Großen und Ganzen als tragfähig erwiesen. Ein solches
Vorgehen sei jedenfalls genauer und zuverlässiger, als auf prozentuale Um-
rechnungsfaktoren der BASt zurückzugreifen, die nur pauschale Annahmen
darstellten, oder als darauf zu setzen, dass die Zählpersonen nach einer „Ty-
penschulung“ die Fahrzeugtypen selbst zutreffend erfassten, was wegen der
103
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- 45 -
Vielzahl von oft kaum unterscheidbaren Fahrzeugtypen kaum fehlerfrei möglich
sei. Dies erscheint dem Senat plausibel. Hiernach ist das Vorgehen des Sach-
verständigen jedenfalls nicht als methodisch unzulänglich oder gar ungeeignet
zu beanstanden.
b) Das Planvorhaben wirft auch keine Probleme für die Luftqualität auf, die im
angefochtenen Planfeststellungsbeschluss hätten bewältigt werden müssen.
Die Einhaltung der Grenzwerte der Verordnung über Immissionswerte für
Schadstoffe in der Luft (22. BImSchV) stellt keine Rechtmäßigkeitsvorausset-
zung für die Planfeststellung des Vorhabens dar. Grund dafür ist, dass die
Grenzwerte, die diese Verordnung für Schwefeldioxid, Stickstoffdioxid und
Stickstoffoxide, Partikel, Blei, Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft festlegt, in
engem Zusammenhang mit dem System der Luftreinhalteplanung stehen (vgl.
§ 47 BImSchG, § 11 der 22. BImSchV). Mit diesem System hat der deutsche
Gesetz- und Verordnungsgeber in Umsetzung der Vorgaben gemeinschafts-
rechtlicher Luftqualitätsrichtlinien einen abgestuften Regelungsmechanismus
vorgesehen, der Grenzwertüberschreitungen immissionsquellenunabhängig
begegnen soll. Die durch das Gemeinschaftsrecht gewährte Freiheit, zwischen
den zur Einhaltung der Grenzwerte geeigneten Mitteln zu wählen, wird dadurch
jedoch nicht beschränkt. Sie schließt grundsätzlich eine Verpflichtung der Plan-
feststellungsbehörde aus, die Einhaltung der Grenzwerte vorhabenbezogen zu
garantieren (Urteil vom 26. Mai 2004 - BVerwG 9 A 6.03 - BVerwGE 121, 57
<61> und vom 23. Februar 2005 - BVerwG 4 A 5.04 - BVerwGE 123, 23 <28>).
Die genannten Grenzwerte erlangen allerdings im Rahmen des planungsrecht-
lichen Abwägungsgebots insoweit Bedeutung, als danach die Auswirkungen
des Vorhabens auf die Luftqualität in der Planfeststellung zu berücksichtigen
sind. Der Vorhabenträger ist grundsätzlich gehalten, die durch die Planungsent-
scheidung geschaffenen Konflikte zu bewältigen. Die Konfliktbewältigung kann
auch darin bestehen, dass die Planfeststellungsbehörde die endgültige Prob-
lemlösung einem spezialisierten und verbindlichen, auf gesetzlichen Regelun-
gen beruhenden Verfahren überlässt. Das Gebot der Konfliktbewältigung als
Ausformung des Abwägungsgebots ist erst verletzt, wenn die Planfeststellungs-
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- 46 -
behörde das Vorhaben zulässt, obgleich absehbar ist, dass seine Verwirkli-
chung die Möglichkeit ausschließt, die Einhaltung der Grenzwerte mit den Mit-
teln der Luftreinhalteplanung in einer mit der Funktion des Vorhabens zu ver-
einbarenden Weise zu sichern. Das ist insbesondere der Fall, wenn die von
einer planfestgestellten Straße herrührenden Immissionen bereits für sich ge-
nommen die maßgeblichen Grenzwerte überschreiten. Von diesem Fall abge-
sehen geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich die Einhaltung der Grenz-
werte mit den Mitteln der Luftreinhalteplanung sichern lässt. Für die Annahme,
dass dies nicht möglich ist, müssen deshalb besondere Umstände vorliegen,
wie sie zum Beispiel an zentralen Verkehrsknotenpunkten gegeben sein können
(vgl. Urteil vom 23. Februar 2005 a.a.O. m.w.N.).
Diesen Grundsätzen wird der Planfeststellungsbeschluss gerecht.
Die planfestgestellte Schadstoffuntersuchung durch das Ingenieurbüro L.
GmbH & Co. KG vom September 2004 hat sich auf eine Abschätzung der vor
allem durch den Straßenverkehr erzeugten Schadstoffe Stickstoffdioxid, Benzol
und Feinstaubpartikel PM
10
beschränkt. Dem liegt die Erwägung zugrunde, für
die Schadstoffbelastung mit Blei, Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid seien die
Beiträge des Straßenverkehrs von untergeordneter Bedeutung. Dagegen sind
Einwände nicht zu erheben. Die Untersuchung gelangt - abweichend von einer
ersten, auf der Basis des Merkblatts für Luftverunreinigungen an Straßen ohne
oder mit lockerer Randbebauung, Ausgabe 2002, (MLuS 02) erstellten Ab-
schätzung vom August 2003 - nunmehr in Anwendung des Rechenverfahrens
PROKAS - auf der Grundlage der Verkehrsuntersuchung 2003 für den Planfall
2020 zu dem Ergebnis, dass alle Schadstoffgrenzwerte, auch die Anzahl der
zulässigen Überschreitungen des PM
10
-Tageswertes, eingehalten werden, und
zwar auch ohne dass die prognostizierte Reduktion der Hintergrundbelastung
berücksichtigt würde. Das im Rahmen des Deckblatts II eingeholte weitere
Luftschadstoffgutachten desselben Büros vom März 2006 kommt für den Be-
reich des Autobahnzubringers Schnatweg für den Planfall 2020 zu dem glei-
chen Ergebnis, weist aber auf eine erhöhte Belastung in der Ortsdurchfahrt Hal-
le während der Phase des Ausbauendes am Schnatweg hin, die jedoch nur
vorübergehend sei. Auf der Grundlage dieser Untersuchungen ist die Beklagte
108
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- 47 -
im Planfeststellungsbeschluss zu der Einschätzung gelangt (PFB S. 365 ff.),
dass hinsichtlich der Luftschadstoffe kein Handlungsbedarf bestehe, weil die
durch das Vorhaben bewirkte Zusatzbelastung weder für sich noch zusammen
mit der bestehenden Hintergrundbelastung zu Grenzwertüberschreitungen füh-
ren werde; zudem würden die mit dem Deckblatt I noch deutlich erweiterten
aktiven Lärmschutzeinrichtungen sowie Böschungsbepflanzungen für eine wei-
tere Minderung des Schadstoffeintrags sorgen. Für die gesondert zu betrach-
tende Ortsdurchfahrt der B 68 in Halle seien besondere Maßnahmen zur Ver-
besserung des Verkehrsflusses und zur Minderung der Immissionsbelastung
während der beschriebenen Übergangsphase vorgesehen bzw. möglich (PFB
S. 367 f.). Insgesamt sei nicht ersichtlich, dass die Luftschadstoffbelastung im
Untersuchungsraum nicht mit dem dafür vorgesehenen Instrument der Luft-
reinhalteplanung zu bewältigen und stattdessen eine Problemlösung schon in
der Planfeststellung erforderlich wäre.
Die hiergegen gerichtete Kritik der Kläger greift nicht durch. Ihrem Einwand,
dass die Schadstoffabschätzung nach MLuS 02 zu anderen Ergebnissen ge-
führt habe, ist die Beklagte mit dem Hinweis entgegen getreten, dass die Vor-
aussetzungen für eine Abschätzung nach diesem Verfahren im Streitfall nicht
vorlägen, weil danach nur Lärmschutzbauten bis 6 m Höhe berücksichtigt wer-
den könnten, hier aber zum Teil deutlich höhere Einrichtungen vorgesehen sei-
en. Zudem könnten Kreuzungen und Anschlussstellen nur stark vereinfacht
berücksichtigt werden; dies sei für den Bereich des Zubringers Schnatweg rele-
vant. Auch die weitere die Grundlagen der Schadstoffprognose in Zweifel zie-
hende Kritik der Kläger, namentlich an der sog. Romberg-Formel und zu gene-
rellen Unsicherheitsmargen, hat der Gutachter Dr. B. in der mündlichen Ver-
handlung zurückgewiesen: Erstere sei nach wie vor herrschend; Unsicherheiten
seien bekannt, die vorgenommene Abschätzung sei aber eher konservativ und
bewege sich „auf der sicheren Seite“. Das Gericht hat auch unter Berücksichti-
gung des Vorbringens der Kläger nicht die Überzeugung gewinnen können,
dass seine Darlegungen insoweit fachlich-methodisch unvertretbar waren.
110
- 48 -
Die Kritik der Kläger an einzelnen Einsatzfaktoren der Luftschadstoffgutachten
rechtfertigt ebenfalls keine rechtliche Beanstandung. Da für die Hintergrundbe-
lastung im Untersuchungsgebiet keine genauen Messdaten vorlagen, hat die
Luftschadstoffuntersuchung insoweit einen Mittelwert aus den Messdaten an-
derer geeignet erscheinender Messstationen angesetzt. Auf die hieran geübte
Kritik des Sachbeistands der Kläger hat der Gutachter Dr. B. in der mündlichen
Verhandlung mit plausiblen Argumenten erwidert: Unter den herangezogenen
Stationen sei die Station Bielefeld-Ost eher ballungsraumtypisch, während die
Stationen Eggegebirge und Solling als ländliche Waldstationen zu charakteri-
sieren seien. Für das Luftschadstoffgutachten vom September 2004 seien je-
doch nicht allein die dort (Tab 4.1) aufgelisteten drei Stationen betrachtet wor-
den. Deren Nennung sei nicht abschließend; die Werte seien auch nicht arith-
metisch gemittelt worden. Aufgrund ihrer Lage und Umgebung am besten mit
dem Untersuchungsraum vergleichbar sei die Station Soest, die ebenfalls für
die Bildung des Mittelwertes maßgeblich gewesen sei; dass sie rund 60 km
(Luftlinie) von Bielefeld entfernt liege, sei insoweit irrelevant. Als wesentliches
Argument für die fachlich-methodische „Richtigkeit“ seines Vorgehens hat der
Gutachter hervorgehoben, dass die so erfolgte Abschätzung der Hintergrund-
belastung durch spätere Messwerte aus Halle bestätigt und dass sein Ansatz
vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (für den benachbar-
ten Planabschnitt 5 B) als plausibel bezeichnet worden sei. Soweit die Kläger
auch gegenüber der Luftschadstoffprognose beanstanden, dass der Lkw-Anteil
zu niedrig angesetzt sei, ist dem aus den oben im Zusammenhang mit der Ver-
kehrsprognose genannten Gründen nicht zu folgen. Hiernach sieht der Senat
keinen Anlass, die Luftschadstoffprognose als fehlerhaft zu beanstanden.
c) Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss leidet auch unter dem Blick-
winkel der Abschnittsbildung nicht an einem Abwägungsfehler, der eine Aufhe-
bung rechtfertigt.
(1) Entgegen der Ansicht der Kläger fehlt es dem planfestgestellten Abschnitt
nicht an einer eigenen Verkehrsfunktion (zu diesem Kriterium vgl. Urteil vom
7. März 1997 - BVerwG 4 C 10.96 - BVerwGE 104, 144 <152 f.> m.w.N.). Es ist
nicht zu erkennen, dass im Falle des Scheiterns der Gesamtplanung die Ver-
111
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- 49 -
wirklichung des Planabschnitts 6 nicht sinnvoll bliebe und lediglich einen Pla-
nungstorso darstellen würde. Auch die Kläger verkennen nicht, dass das (vor-
läufige) Autobahnende im Nordwesten über den Zubringer Schnatweg an das
allgemeine Verkehrsnetz angeschlossen sein wird. Anhaltspunkte dafür, dass
die in der Verkehrsuntersuchung 2003 ausgewiesenen Mehrbelastungen der
B 68 nicht zu bewältigen wären oder großräumige Verlagerungen nicht hinrei-
chend erfasst würden und deshalb eine noch höhere Mehrbelastung zu erwar-
ten wäre, sind nicht substantiiert dargelegt worden.
(2) Die Aufspaltung des Gesamtvorhabens in Teilabschnitte ist auch nicht des-
halb zu beanstanden, weil naturschutzrechtliche Probleme, die das Gesamt-
vorhaben im nördlichen Nachbarabschnitt 7.1 aufwirft, auf diese Weise ausge-
blendet worden wären und ungelöst blieben.
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Senats erfährt die grundsätzliche
Zulässigkeit der Abschnittsbildung durch das Habitatrecht keine Einschränkung;
für das Artenschutzrecht gilt nichts Anderes. Erforderlich, aber auch ausrei-
chend ist eine Vorausschau auf nachfolgende Abschnitte nach Art eines vorläu-
figen positiven Gesamturteils. Die Prognose muss ergeben, dass nach summa-
rischer Prüfung der Verwirklichung des Vorhabens auch im weiteren Verlauf
keine von vornherein unüberwindlichen Hindernisse entgegenstehen. Diese
Prognose fällt nicht schon deshalb negativ aus, weil das Vorhaben im weiteren
Verlauf voraussichtlich nachteilige Auswirkungen auf ein FFH-Gebiet haben
kann oder haben wird; vielmehr ist auch zu berücksichtigen, ob es möglich er-
scheint, mit Hilfe von Schutzmaßnahmen die Verträglichkeit zu gewährleisten
oder aufgrund einer Abweichungsprüfung zur Zulässigkeit des Vorhabens zu
gelangen (vgl. zum Ganzen das Urteil vom 12. März 2008 a.a.O. Rn. 270 f.).
Nach diesem Maßstab ist nicht substantiiert dargetan, dass dem Gesamtvorha-
ben der A 33 im nördlichen Nachbarabschnitt 7.1 mit Blick auf das durch die
Weiterführung der Trasse betroffene FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ ein un-
überwindbares naturschutzrechtliches Planungshindernis entgegensteht. In den
hierzu von Klägerseite vorgelegten Gutachten werden insoweit lediglich mögli-
che Beeinträchtigungen des genannten FFH-Gebiets dargestellt, geplante
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Schutzmaßnahmen bemängelt und Ermittlungsdefizite beklagt. Dem Vortrag
der Kläger ist aber nicht zu entnehmen, dass die befürchtete Beeinträchtigung
des FFH-Gebiets nicht durch geeignete Schutzmaßnahmen unter die Erheb-
lichkeitsschwelle gedrückt und das Vorhaben auch nicht im Rahmen der Ab-
weichungsprüfung zugelassen werden kann. Hinzu kommt, dass nach dem un-
bestritten gebliebenen Vortrag der Beklagten der Trassenverlauf im Abschnitt
7.1 in Abstimmung mit den Naturschutzverbänden inzwischen weiter modifiziert
worden ist mit der Folge, dass es nach derzeitigem Planungsstand zu keiner
flächenmäßigen Inanspruchnahme des genannten FFH-Gebiets kommen wird.
Mit Blick auf das Artenschutzrecht gilt nichts anderes; auch insoweit ist nicht
substantiiert dargetan, dass dem weiteren Trassenverlauf im Folgeabschnitt 7.1
unüberwindbare, d.h. auch nicht durch Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnah-
men oder ggf. im Wege der Ausnahme (§ 43 Abs. 8 BNatSchG) auszuräumen-
de artenschutzrechtliche Planungshindernisse entgegen stünden.
d) Die Trassenwahl ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Kläger rügen eine unzureichende und fehlerhafte Prüfung anderer in Be-
tracht zu ziehender Trassenvarianten. Sie haben zuletzt im Wesentlichen gel-
tend gemacht, es gebe mit der von ihnen bzw. der Bürgerinitiative „Südtrassen-
Union“ (STU) entwickelten, in dieser Form erst nach Erlass des Planfeststel-
lungsbeschlusses vorgelegten sog. optimierten Südtrasse eine vorteilhaftere
Linienführung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts handelt eine
Planfeststellungsbehörde nicht schon dann fehlerhaft, wenn eine andere als die
von ihr bevorzugte Trassenführung ebenfalls mit guten Gründen vertretbar ge-
wesen wäre. Die Grenze der planerischen Gestaltungsfreiheit bei der Auswahl
zwischen verschiedenen Trassenvarianten ist erst dann überschritten, wenn
eine alternative Linienführung sich unter Berücksichtigung aller abwägungser-
heblichen Belange eindeutig als die bessere, weil öffentliche und private Belan-
ge insgesamt schonendere darstellen würde, wenn sich mit anderen Worten
diese Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (vgl. Urteil vom 9. Juni
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- 51 -
2004 - BVerwG 9 A 11.03 - Buchholz 406.400 § 61 BNatSchG 2002 Nr. 5 S. 41
m.w.N.).
Diesem Maßstab genügt die Trassenwahl des Beklagten auch mit Blick auf die
von den Klägern favorisierten Trassenvarianten. Dass die Beklagte sich weder
für die STU-Südvariante noch für deren optimierte Form noch für eine andere
der untersuchten Varianten entschieden hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Im Planfeststellungsbeschluss ist die im Laufe der Jahre geführte Trassen-
diskussion eingehend dargestellt (PFB S. 143 - 216), darunter auch ein Ver-
gleich der schließlich planfestgestellten Trasse V 16/K 1 mit der STU-Trasse
(PFB S. 194 f., 210 ff.). Danach ist im Rahmen der Umweltverträglichkeitsstudie
im Jahr 1993 (UVS 1993) für den gesamten Untersuchungsraum (aller drei Ab-
schnitte) eine umfassende Untersuchung mit insgesamt 40 Varianten durchge-
führt worden. Im Bereich des hier zu betrachtenden Abschnitts 6 fanden sich
dabei vier verschiedene Linienvarianten. Bezogen auf den gesamten Untersu-
chungsraum schloss die später linienbestimmte Trasse (in der UVS 1993 als
V 16 bezeichnet) zwar schlechter ab als eine andere Nordvariante (V 38/V 37),
dies jedoch vor allem wegen ihrer Wirkungen auf die Umwelt im Abschnitt 7.1,
für den die Trassenführung inzwischen in diesem Punkt wesentlich optimiert
worden ist. Bezogen auf den Abschnitt 6 (ohne den Zubringer Schnatweg)
stimmen die beiden Varianten in den östlichen zwei Dritteln überein; im übrigen
Bereich verlaufen sie zwischen dem Ortskern von Steinhagen und Amshausen,
die linienbestimmte Variante max. 1 km weiter südlich. Alle untersuchten Süd-
varianten (V 1 bis V 8), die südlich von Steinhagen verlaufen, schieden u.a.
wegen der Beanspruchung gering belasteter Freiräume und wegen der geringe-
ren verkehrlichen Entlastung bereits bei einer Grobprüfung aus.
Auch der Planfeststellungsbeschluss geht davon aus, dass alle ernsthaft in Be-
tracht kommenden Varianten - nicht zuletzt unter Umweltaspekten - Konflikte in
sich trügen und teilweise kritisch zu beurteilen seien. Das wird auch für die
planfestgestellte Trasse konzediert; gleichwohl sei diese vorzugswürdig. Die
Nullvariante wird verworfen, weil mit ihr die Planungsziele, vor allem eine Ent-
lastung der bereits derzeit überbeanspruchten B 68, nicht zu erreichen seien.
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- 52 -
Dasselbe gelte für die Ausbauvariante (Ausbau der B 68 mit Ortsumgehungen),
die zudem erhebliche Eingriffe in die Siedlungsstruktur verursachen würde. Die
Variante V 37 sei in der noch in der UVS 1993 dargestellten Ausführung wegen
damit verbundener großer Eingriffe in Grundwasserleiter faktisch nicht zu ver-
wirklichen. Die Variante V 29 weiche im hier betrachteten Abschnitt 6 nicht ab-
wägungserheblich von der planfestgestellten Trasse V 16/K 1 ab. Die STU-Va-
rianten (Trasse STU und STU-Süd) seien mit Blick auf verschiedene Kriterien
nicht vorzugswürdig: Bei einer Betrachtung der Streckenlänge und der betroffe-
nen normierten Empfindlichkeit (BE-Wert) wiesen sie bei annähernd gleicher
Länge deutlich höhere BE-Werte auf als die planfestgestellte Variante V 16/K 1.
Die Variante V 16/K 1 schneide unter dem Gesichtspunkt des Arten- und
Biotopschutzes am besten ab, weil sie am wenigsten konfliktträchtige Bereiche
berühre, während die beiden Südtrassen Trenn- und Zerschneidungswirkungen
mit Blick auf das FFH-Gebiet „Ruthebach, Laibach, Loddenbach, Nordbruch“
und die Naturschutzgebiete „Foddenbach-Landbach“ und „Feuchtwiesen in den
Wösten“ mit sich brächten. Neben diesen (und weiteren) Umweltkriterien liege
ein weiterer Nachteil der Südvarianten in ihrer - aufgrund der Entfernung zu den
maßgeblichen Siedlungsgebieten auf der Hand liegenden - geringeren
verkehrlichen Entlastungswirkung für die B 68 und für das nachgeordnete
Straßennetz. Wenn die Beklagte - wie im Planfeststellungsbeschluss dar-
gestellt - nach eingehender Würdigung aller Parameter sich letztlich für die
planfestgestellte Trasse entschieden hat, liegt dies innerhalb ihres gerichtlich
nur beschränkt überprüfbaren Abwägungsspielraums.
Die von den Klägern insoweit geübte Kritik verfehlt den oben dargestellten
rechtlichen Maßstab. Die beiden erwähnten Südvarianten sind nach Auslegung
der Planunterlagen in der aus drei Gutachten bestehenden „Umweltverträglich-
keitsstudie Südtrasse 2005“ (UVS Südtrasse 2005) näher untersucht worden.
Dass diese UVS auf einer naturschutzfachlich unzureichenden Datengrundlage
und überhaupt auf einer defizitären Sachverhaltsermittlung beruhte, ist nicht zu
erkennen. Für eine von den Klägern geforderte Alternativenprüfung nach FFH-
und Artenschutzrecht bestand rechtlich kein Anlass, zumal das FFH-Gebiet
„Tatenhauser Wald“ erst im Planungsabschnitt 7.1 näher zu betrachten war.
Dass die UVS Südtrasse 2005 in Umfang und Detailliertheit hinter den Unter-
123
- 53 -
suchungen für die planfestgestellte Trasse zurückbleibt, begründet kein Abwä-
gungsdefizit. Die Planfeststellungsbehörde ist befugt, Alternativen, die bereits
im Rahmen einer Grobanalyse als weniger geeignet erscheinen, frühzeitig aus-
zuscheiden. Ein Abwägungsfehler liegt auch in diesem Fall erst vor, wenn sich
die nicht näher untersuchte Lösung der Behörde hätte aufdrängen müssen (Ur-
teile vom 25. Januar 1996 - BVerwG 4 C 5.95 - BVerwGE 100, 238 <250> und
vom 8. Juli 1998 - BVerwG 11 A 53.97 - BVerwGE 107, 142 <149>, jeweils
m.w.N.). Das ist im Streitfall auch für die in der UVS Südtrasse 2005 behandel-
ten Varianten nicht zu erkennen.
(2) Die von den Klägern erst nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses in
dieser Form vorgelegte sog. optimierte Südtrasse musste sich der Planfeststel-
lungsbehörde ebenfalls nicht als vorzugswürdig aufdrängen, weil auch sie na-
turschutzrechtliche Konflikte aufwirft, vor allem aber weil sie sowohl wegen ei-
ner geringeren Entlastung der B 68 als auch unter straßenentwurfstechnischen
Gesichtspunkten schlechter zu bewerten ist als die planfestgestellte Trasse.
Auch die optimierte Südtrasse vermeidet nicht von vornherein die Beeinträchti-
gung von FFH-Gebieten. Sie verläuft im Folgeabschnitt 7.1 zwischen einzelnen
Teilen des FFH-Gebiets „Ruthebach, Laibach, Loddenbach, Nordbruch“, meh-
rere Kilometer am Rande einzelner Teilflächen sowie möglicherweise - je nach
Feintrassierung - ein kurzes Stück durch eine der Teilflächen. Eine erhebliche
Beeinträchtigung des genannten Gebiets mindestens unter dem Aspekt ent-
sprechender Trenn- und Zerschneidungswirkungen kann daher auch durch die
von den Klägern vorgelegte und als „FFH-Vorprüfung“ bezeichnete Untersu-
chung nicht ausgeschlossen werden. Auch diese geht vielmehr davon aus,
dass jedenfalls eine Beeinträchtigung der Wechselbeziehungen zwischen den
Teilflächen und zum FFH-Gebiet „Tatenhauser Wald“ möglich ist. Dessen Be-
einträchtigung durch die planfestgestellte Trasse (bei deren Weiterführung im
Abschnitt 7.1) ist dagegen durch die zwischenzeitlich erfolgten Umplanungen,
die die Kläger nicht berücksichtigen, deutlich reduziert worden. Gegen die op-
timierte Südtrasse spricht weiter, dass sie, da sie sich vom Siedlungsband stär-
ker absetzt, in wesentlich größerem Umfang Offenland beansprucht.
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Von starkem abwägungserheblichem Gewicht ist ferner, dass auch die opti-
mierte Südtrasse - wie schon deren Vorläufer - lediglich eine deutlich geringere
Entlastungswirkung für die B 68 hätte als die planfestgestellte Trasse und damit
eines der drei mit dem Vorhaben verbundenen Planungsziele verfehlt. Zwar
stellen die Kläger jedenfalls das Ausmaß dieser Entlastungswirkung und die
diesbezüglichen Annahmen des Planfeststellungsbeschlusses in Frage. Die
diesem zugrunde liegende Verkehrsprognose ist indes - wie dargelegt - nicht zu
beanstanden. Umgekehrt bleiben die Methode und die Validität ihrer eigenen
Prognose und der daraus abgeleiteten Entlastungswirkung ihres Trassenvor-
schlags unklar. Dass sich, wenn die im Planfeststellungsbeschluss behandelten
Südvarianten um eine weitere Anschlussstelle ergänzt würden, für die B 68 eine
vergleichbare Entlastungswirkung ergäbe, ist hiernach eine nicht hinreichend
belegte These und erscheint dem Senat schon wegen der Lage und der Entfer-
nung ihres Trassenvorschlags zur B 68 eher fraglich.
Der Senat folgt der Beklagten weiter in deren Einschätzung, dass die optimierte
Südtrasse deutliche Nachteile auch in straßenentwurfstechnischer Hinsicht auf-
weist. Dies hat der Regierungsbaudirektor O. vom Landesbetrieb Straßenbau
NRW, Niederlassung Ostwestfalen-Lippe, in der mündlichen Verhandlung an-
schaulich dargelegt. Hiernach führt die von den Klägern vorgeschlagene Trasse
- eben weil sie erklärtermaßen Streusiedlungen, Wohnbereiche und natur-
schutzrechtliche Problembereiche zu „umfahren“ sucht - zu einer hohen Kurvig-
keit mit häufig aufeinander folgenden Richtungswechseln und zu nach den
maßgeblichen Regelwerken grundsätzlich nicht vorgesehenen oder zu vermei-
denden Radien sowie damit verbundenen Folgeproblemen (z.B. für die Fahr-
bahnentwässerung). Die optimierte Südtrasse würde eine Linienführung und
einen Ausbau bedingen, die mit der Netzfunktion des Vorhabens nicht vereinbar
wären. Nach den Richtlinien RIN 2008 und RAA 2008, die gemäß Erlass des
Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung bereits ab 2007 bei
neuen Entwürfen für Autobahnen zugrunde zu legen waren, ist das
Planvorhaben als eine zwei Oberzentren verbindende und für den großenräu-
migen Verkehr bestimmte Autobahn der Straßenkategorie AS I und der Ent-
wurfsklasse EKA 1 A zuzuordnen mit einer Richtgeschwindigkeit von 130 km/h
und Mindestradien von 900 Metern. Demgegenüber ist nach Darstellung des
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Sachbeistands Dipl.-Geogr. Ha. beim Entwurf der optimierten Südtrasse ein
Mindestradius von 450 Metern verwandt worden. Sein Einwand, dass es nach
der (eine andere Systematik aufweisenden) RAS-L 95 durchaus statthaft sei,
unter bestimmten Bedingungen (freie Sicht, Hinweisschilder, Anordnung von
Geschwindigkeitsbeschränkungen) von den anzustrebenden Werten abzuwei-
chen, entkräftet nicht das Argument der Beklagten, dass eine Entwurfsplanung
dieser Art jedenfalls nicht anzustreben und daher als nachteilig zu bewerten ist.
Auf eine Einstufung des planfestgestellten Abschnitts der A 33 in die Straßen-
kategorie EKA 2 (autobahnähnliche Straße) oder sogar nur EKA 3 (Stadtauto-
bahn), wie von dem Sachbeistand Dipl.-Geogr. Ha. vorgeschlagen, brauchte
sich die Beklagte nicht einzulassen. Denn dies entspräche weder dessen Netz-
funktion noch dem mit dem Vorhaben verfolgten Planziel.
e) Anhaltspunkte dafür, dass der Planfeststellungsbeschluss die persönlichen
Betroffenheiten der Kläger, insbesondere Umfang und Bedeutung des Zugriffs
auf ihren Grundbesitz oder ihre Immissionsbelastung, verkannt und fehlerhaft
abgewogen hätte, sind nicht hervorgetreten. Das gilt namentlich für den Kläger
zu 9: Dass dessen Pferdepensionsbetrieb infolge der Inanspruchnahme des zu
dem Hof gehörenden Grundbesitzes existenzgefährdet ist, stellt der Planfest-
stellungsbeschluss abwägungsfehlerfrei in Rechnung, hält die Verwirklichung
des Vorhabens aber für vorrangig. Die Beklagte hat im Übrigen klargestellt,
dass eine Existenzgefährdung des Betriebs allein aufgrund der für die Trasse
selbst erforderlichen Landinanspruchnahme in Rechnung gestellt werden muss
und nicht erst durch den umfänglichen Zugriff auf Flächen zur Verwirklichung
von naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Vermeidungsmaßnahmen (zu den
insoweit zu stellenden Anforderungen vgl. Urteil vom 18. März 2009 - BVerwG
9 A 40.07 - juris Rn. 26 ff. . Daher
ist auch insoweit ein Abwägungsfehler nicht ersichtlich.
B. Der erste Hilfsantrag der Kläger auf weitergehende Maßnahmen des aktiven
Lärmschutzes ist ebenfalls unbegründet.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf zusätzlichen aktiven Lärmschutz gemäß
§§ 41, 43 BImSchG i.V.m. § 2 der 16. BImSchV. Nach näherer Maßgabe dieser
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Vorschriften ist bei dem Bau oder der wesentlichen Änderung von öffentlichen
Straßen sicherzustellen, dass durch diese keine schädlichen Umwelteinwirkun-
gen durch Verkehrsgeräusche hervorgerufen werden können, die nach dem
Stand der Technik vermeidbar sind.
Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass die Beklagte bei der Beurteilung des
Anspruchs der Kläger auf Schutz vor schädlichen Verkehrsgeräuschen von den
für Mischgebiete geltenden Grenzwerten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 3
der 16. BImSchV - und nicht von den niedrigeren Grenzwerten für Wohngebie-
te - ausgegangen ist. Die dem zugrunde liegende Annahme, dass die Grund-
stücke sämtlicher Kläger im Außenbereich gelegen sind, ist zutreffend. Dies gilt
auch für das Grundstück der Klägerin zu 6, bei dem dies allein ernsthaft fraglich
sein konnte. Nach dem vom Beklagten vorgelegten Bebauungsplan Nr. 6 A der
Gemeinde Steinhagen, in dessen Geltungsbereich es nicht einbezogen ist, und
dem vom Berichterstatter des Senats vor Ort gewonnenen Eindruck, den er
dem Senat auch durch die dabei angefertigten Fotoaufnahmen vermittelt hat,
nimmt das Grundstück wegen der bestehenden Freifläche von rund 40 Metern
zwischen ihm und der nächsten Bebauung an der Stralsunder Straße nicht
mehr am Bebauungszusammenhang des Ortsteils i.S.v. § 34 Abs. 1 BauGB teil.
Ohne Rechtsfehler hat die Beklagte ihrer Betrachtung die Verkehrsuntersu-
chung 2003 und die darauf aufbauenden Lärmberechnungen zugrunde gelegt.
Soweit sich die Kläger auf Mängel der Verkehrsprognose, insbesondere einen
zu gering angesetzten Lkw-Anteil, berufen, bleibt diese Kritik aus den oben be-
handelten Gründen ohne Erfolg. Zugrunde zu legen sind daher die auf dieser
Grundlage berechneten Lärmpegel und nicht die von den Klägern angeführten
„korrigierten Immissionspegel“. Nach den planfestgestellten lärmtechnischen
Unterlagen kommt es zwar auf den Grundstücken der meisten Kläger - mit
Ausnahme derjenigen der Kläger zu 6 und 7 - teilweise zu Überschreitungen
der für Außenbereichsgrundstücke geltenden Grenzwerte von 64 dB(A) tags
bzw. 54 dB(A) nachts. Von weitergehenden, diese Grenzwertüberschreitungen
beseitigenden Lärmschutzmaßnahmen durfte die Beklagte jedoch rechtsfehler-
frei absehen, weil der für einen sog. Vollschutz erforderliche Kostenaufwand für
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die sämtlich im Außenbereich liegenden Wohngebäude der Kläger unverhält-
nismäßig wäre (§ 41 Abs. 2 BImSchG).
Zwar genügen die im Planfeststellungsbeschluss hierzu angestellten Erwägun-
gen (PFB S. 345 ff.) nicht in jeder Hinsicht den nach der Rechtsprechung des
Senats an eine Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 41 Abs. 2 BImSchG zu
stellenden Anforderungen (vgl. hierzu das Urteil vom 13. Mai 2009 - BVerwG
9 A 72.07 - DVBl 2009, 1307 Rn. 62 ff.); dem braucht hier aber nicht weiter
nachgegangen zu werden. Entscheidend und die Ablehnung weitergehender
Schallschutzmaßnahmen selbstständig tragend ist die Erwägung der Beklagten
(PFB S. 347), dass die Gewährung von Vollschutz für die davon derzeit ausge-
schlossenen 65 Gebäude, die aus Gleichbehandlungsgründen gemeinsam zu
betrachten sind, einen Kostenaufwand von weiteren 2,85 Mio. € verursachen
würde. Abzüglich der Ersparnis von Kosten des passiven Lärmschutzes von
rund 625 000 € beliefen sich die Mehrkosten mithin auf rund 2,225 Mio. €. Dies
würde (dividiert durch die Zahl der 65 Schutzfälle/Gebäude) einen Aufwand von
rund 34 230 € pro Schutzfall bedeuten. Einen solchen Kostenaufwand für im
Außenbereich gelegene Grundstücke dem Vorhabenträger aufzubürden, durfte
die Beklagte i.S.v. § 41 Abs. 2 BImSchG als außer Verhältnis zu dem ange-
strebten Schutzzweck stehend ansehen und die Kläger insoweit auf passiven
Lärmschutz verweisen, d.h. im Wesentlichen auf die Erstattung von Aufwen-
dungen für Lärmschutzfenster (§ 42 BImSchG).
Dies gilt auch für die Kläger zu 1 und 2, deren besondere Grundstückssituation
am Schnatweg in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde: Nach den vom
Vorhabenträger vorsorglich erstellten Plänen wäre die bauliche Verwirklichung
von aktiven Lärmschutzmaßnahmen dort besonders schwierig und nur unter
bestimmten Voraussetzungen möglich (teilweise Errichtung auf dem Grundbe-
sitz der Kläger), die von diesen Klägern aber abgelehnt wurden. Unabhängig
davon gilt auch für sie, dass die Beklagte den nach der vorgetragenen Neube-
rechnung hierfür erforderlichen Kostenaufwand (54 000 € bzw. 89 000 €) als
unverhältnismäßig i.S.v. § 41 Abs. 2 BImSchG ansehen durfte.
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C. Der weitere Hilfsantrag auf Erstattung von Kosten für Maßnahmen des pas-
siven Schallschutzes und auf Gewährung einer Entschädigung für Einschrän-
kungen der Nutzung von Außenwohnbereichen musste ebenfalls ohne Erfolg
bleiben, weil der Planfeststellungsbeschluss dem insoweit formulierten Rechts-
schutzbegehren in Einklang mit den in Betracht kommenden Anspruchsgrund-
lagen (§§ 42, 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BImSchG i.V.m. § 3 der 24. BImSchV bzw.
§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG i.V.m. § 17b FStrG) bereits vollinhaltlich Rechnung
trägt (PFB S. 41 f.).
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 VwGO, § 100
Abs. 2 ZPO.
Dr. Storost
Dr. Nolte
Domgörgen
Buchberger
Prof. Dr. Korbmacher
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 250 000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 1
GKG), wobei die auf die einzelnen Kläger entfallenden Teilbeträge entspre-
chend dem Gewicht ihrer jeweiligen Betroffenheit sich aus den aus der Kosten-
grundentscheidung ersichtlichen Quoten ergeben.
Dr. Storost
Domgörgen
Buchberger
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136
Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Verwaltungsverfahrensrecht
Fachpresse:
ja
Straßenrecht
Naturschutzrecht
Immissionsschutzrecht
Rechtsquellen:
GG
Art. 14 Abs. 1 und 3
VwVfG
§ 73 Abs. 8
FStrG
§ 17 Satz 1 und 2, § 17a, § 17e Abs. 6, § 19
BNatSchG n.F. § 42 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 5 Satz 2 und 3
FFH-RL
Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, b und d
VRL
Art. 5 Buchst. d
BImSchG
§§ 41, 42, 43
16. BImSchV
§ 2
Stichworte:
Planfeststellung; enteignungsrechtliche Vorwirkung; gerichtliche Kontrolle; Prü-
fungsmaßstab; Vollüberprüfungsanspruch; Planänderung; Öffentlichkeitsbetei-
ligung; Änderungsmitteilung; eigenständige Verkehrsfunktion; Artenschutz; Be-
standsaufnahme; Ermittlungstiefe; naturschutzfachliche Einschätzungspräroga-
tive; nachträgliche Erhebungen; Verbotstatbestand; Zugriffsverbot; Gemein-
schaftsrechtskonformität; Tötungsverbot; Kollisionsrisiko; Rodungsarbeiten;
Baufeldfreimachung; Störungsverbot; Individuenbezug; Populationsbezug; Er-
heblichkeitsschwelle; Beschädigungs- und Zerstörungsverbot; mittelbare Ein-
wirkungen; Verkehrslärm; Effektdistanzen; artenschutzrechtliches Defizit; Ent-
scheidungserheblichkeit; Monitoring; begleitende ökologische Bauüberwa-
chung; Fehlerbehebung; Heilung; Planergänzung; Verkehrsprognose; Modell-
prognose; Schwerlastverkehr; Lkw-Anteil; Luftschadstoffprognose; Alternati-
venprüfung; Trassenvarianten; Grobanalyse; Entlastungswirkung; straßenent-
wurfstechnische Beurteilung; Netzfunktion; Lückenschluss; ergänzender aktiver
Lärmschutz; Außenbereichsgrundstück; Verhältnismäßigkeit.
Leitsätze:
1. Der Anspruch eines von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung eines Plan-
feststellungsbeschlusses Betroffenen auf gerichtliche Überprüfung des Plans
auf seine objektive Rechtmäßigkeit (sog. Vollüberprüfungsanspruch) unterliegt
Einschränkungen. Danach kann eine Anfechtungsklage keinen Erfolg haben,
wenn der geltend gemachte Rechtsfehler aus tatsächlichen oder rechtlichen
Gründen für die Eigentumsbetroffenheit des Klägers nicht erheblich, insbeson-
dere nicht kausal ist. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn behauptete naturschutz-
rechtliche Mängel des Beschlusses durch schlichte Planergänzung behoben
werden können.
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2. Eine Planänderung kann nicht im Wege einer bloßen Änderungsmitteilung
gemäß § 73 Abs. 8 VwVfG erfolgen, sondern bedarf einer erneuten Öffentlich-
keitsbeteiligung, wenn das Vorhaben durch die Planänderung erstmals eine
eigenständige Verkehrsfunktion durch Anbindung an das übrige Verkehrsnetz
erhält.
3. Nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses durchgeführte Erhebungen in
einem Naturraum sind in der Regel nicht geeignet, eine der Planung zugrunde
liegende frühere, nach Methodik und Umfang ordnungsgemäße artenschutz-
rechtliche Bestandsaufnahme in Frage zu stellen.
4. Behauptete artenschutzrechtliche Mängel oder Unsicherheiten eines Plan-
feststellungsbeschlusses, die nach Art und Umfang im Rahmen eines (in dem
Beschluss angeordneten) naturschutzfachlichen Monitorings oder einer qualifi-
zierten begleitenden ökologischen Bauüberwachung aufgefangen (erkannt und
behoben) werden können, können der Anfechtungsklage eines von der enteig-
nungsrechtlichen Vorwirkung Betroffenen grundsätzlich nicht zum Erfolg verhel-
fen.
Urteil des 9. Senats vom 12. August 2009 - BVerwG 9 A 64.07