Urteil des BVerwG vom 16.10.2013

Verfügung, Erwerb, Internet, Geldwerte Leistung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 8 C 21.12
VGH 6 S 389/11
Verkündet
am 16. Oktober 2013
Hardtmann
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2013
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Hauser, Dr. Held-Daab
und Dr. Rudolph
für Recht erkannt:
Die Revision wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass
die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom
12. November 2009 aufgehoben und festgestellt wird,
dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison
2009/2010 im Internet unter der Domain www… angebo-
tene „Managerspiel“ kein Glücksspiel im Sinne von § 3
Abs. 1 GlüStV ist.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin wendet sich gegen eine Untersagungsverfügung wegen unerlaub-
ten Glücksspiels.
Die Klägerin - ein Medienunternehmen - bot in der Bundesligasaison 2009/2010
auf ihrer Webseite www… ein Bundesligamanagerspiel („…“) an und machte
hierfür Werbung. Den Spielregeln zufolge stellt jeder Teilnehmer aus Spielern
der ersten Fußballbundesliga eine fiktive Mannschaft zusammen, die während
einer Bundesligasaison nach festgelegten Bewertungskriterien mit ebenfalls
fiktiven Mannschaften anderer Teilnehmer konkurriert. Pro Mannschaft entrich-
tet der Teilnehmer, der mit höchstens zehn Mannschaften antreten kann, einen
Betrag von 7,99 €, wobei jede dritte Mannschaft eines Teilnehmers kostenlos
ist. Nach der Zahlung registrieren sich die Spieler über das Internet und stellen
für jeden Spieltag ihre Mannschaft zusammen. Vom Veranstalter erhalten die
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Teilnehmer laufend Bewertungen für die Spieler ihrer Mannschaft. Es werden
monatlich Sachpreise für die besten fünf Teilnehmer der nach Geschicklich-
keitsstufen eingeteilten drei Ligen und am Ende der Saison für die Plätze 4 bis
100 ausgeschüttet. Geldpreise erhalten die Bestplatzierten nach der Hin- und
Rückrunde (insgesamt je 8 000 €) sowie die drei Bestplatzierten der Gesamt-
wertung am Ende der Saison (insgesamt 135 000 €). Die Vergabe der Punkte
an die Teilnehmer erfolgt zum einen auf der Grundlage der Bewertung der ein-
zelnen Bundesligaspieler durch eine Jury der …-Redaktion, zum anderen auf-
grund bestimmter weiterer Bewertungskriterien, die im Verhältnis zur Redak-
tionsbewertung der Spieler eine doppelte Wertigkeit haben.
Nach Anhörung der Klägerin untersagte ihr das Regierungspräsidium Karlsruhe
mit Verfügung vom 12. November 2009, in Baden-Württemberg öffentliches
Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu
werben oder solche Tätigkeiten zu unterstützen (Nr. 1). Ferner wurde verfügt,
die untersagten Tätigkeiten unverzüglich einzustellen und die Einstellung vor-
bezeichneter Tätigkeiten dem Regierungspräsidium Karlsruhe schriftlich mitzu-
teilen (Nr. 2). Für den Fall, dass die Klägerin den Verpflichtungen aus den
Nummern 1 und 2 der Verfügung bis zwei Wochen nach Bekanntgabe der Ver-
fügung nicht nachkam, wurde ihr ein Zwangsgeld in Höhe von 10 000 € ange-
droht (Nr. 3). Zur Begründung der Verfügung wurde ausgeführt: Die Untersa-
gung beruhe auf § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV. Bei dem von der Klägerin veranstal-
teten Turnier handele es sich um ein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1
GlüStV.
Das Verwaltungsgericht hat die dagegen erhobene Anfechtungsklage der Klä-
gerin abgewiesen, weil es sich bei dem von der Klägerin angebotenen Bundes-
ligamanagerspiel um öffentliches Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaats-
vertrages handele. Die Klägerin verfüge nicht über die dazu erforderliche Er-
laubnis. Zudem verstoße sie gegen das Internetverbot. Die Verfügung sei auch
im Übrigen ermessensfehlerfrei.
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Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert
und die Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 12. November
2009 aufgehoben. Ferner hat er festgestellt, dass die Klägerin in Baden-
Württemberg ohne Erlaubnis gemäß § 4 Abs. 1 GlüStV berechtigt ist, im Inter-
net das in der Bundesligasaison 2009/2010 unter der Domain www… angebo-
tene Managerspiel zu veranstalten. Zur Begründung hat er im Wesentlichen
ausgeführt, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3
Nr. 3 GlüStV seien nicht gegeben. Bei dem von der Klägerin in der Bundesliga-
saison 2009/2010 angebotenen Fußballmanagerspiel handele es sich nicht um
Glücksspiel im Sinne des Gesetzes. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV liege ein
Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinn-
chance ein Entgelt verlangt werde und die Entscheidung über den Gewinn ganz
oder überwiegend vom Zufall abhänge. Letzteres könne offenbleiben. Jeden-
falls fehle es für die Einordnung als Glücksspiel an dem erforderlichen Erwerb
einer Gewinnchance gegen Entgelt. Bei dem von der Klägerin erhobenen Be-
trag von 7,99 € pro Team handele es sich nicht um ein solches Entgelt. Unter
„Entgelt“ im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV sei nicht jede geldwerte Leis-
tung zu verstehen, die für die Teilnahme am Spiel erbracht werde. Vorausset-
zung sei vielmehr, dass gerade aus diesem Entgelt die Gewinnchance des Ein-
zelnen erwachse (sogenannter Einsatz). Daran fehle es bei einer Teilnahmege-
bühr, die bloß eine Mitspielberechtigung gewähre, etwa um die Spieler an den
Aufwendungen für die Organisation des Spiels zu beteiligen. Insoweit stimme
der Glücksspielbegriff des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV mit dem strafrechtlichen
Glücksspielbegriff des § 284 StGB überein. Das in § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV
vorausgesetzte Entgelt müsse in den Gewinn einfließen. Für diese Deutung
sprächen der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte des Glücksspielstaats-
vertrages, die auf eine Deckungsgleichheit des Glücksspielbegriffs im Glücks-
spielstaatsvertrag und im Strafrecht schließen ließen. Darüber hinaus stünden
nur solche Glücksspiele einer Regelung durch Landesgesetz offen, die der Be-
griffsbestimmung des § 284 StGB unterlägen. Da die Teilnahmegebühr hier
lediglich der Deckung der Veranstaltungskosten, nicht aber der Finanzierung
der von Sponsoren zur Verfügung gestellten Gewinne diene, erwachse aus ihr
nicht die Gewinnchance des Einzelnen. Die von der Klägerin erhobene Teil-
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nahmegebühr ermögliche lediglich die Teilnahme am Spiel und sei stets verlo-
ren.
Selbst wenn das Bundesligamanagerspiel als Glücksspiel im Sinne des Glücks-
spielstaatsvertrages anzusehen sein sollte, sei die Untersagungsverfügung
nicht ermessensfehlerfrei ergangen, schon weil der Beklagte offensichtlich un-
zutreffend davon ausgegangen sei, dass es sich bei dem Fußballmanagerspiel
der Klägerin um die strafbare Veranstaltung öffentlichen Glücksspiels nach
§ 284 StGB handele. Zudem habe der Beklagte nicht sämtliche für die Aus-
übung des Ermessens maßgeblichen Gesichtspunkte in seine Erwägungen
eingestellt. Zwar könne er sich bei der Ausübung seines Untersagungsermes-
sens von dem Ziel der Suchtvorbeugung und -bekämpfung und den weiteren in
§ 1 GlüStV genannten Zielen leiten lassen. Bei relativ geringen Einsätzen, die
zudem nur einmal im Jahr - zu Beginn der Bundesligasaison - zu leisten seien
und dann zur Teilnahme an dem Managerspiel über den Zeitraum einer ganzen
Bundesligasaison berechtigten, sei jedoch die Gefahr, dass die Spielsucht die
Lebensgrundlage zerstören und zu Beschaffungskriminalität führen könne,
ebenso nahezu ausgeschlossen wie die Gefahr der Geldwäsche, Manipulation
oder nicht ordnungsgemäßer Gewinnauszahlung durch den Veranstalter. Kenn-
zeichnend für das pathologische Glücksspiel und dessen Gefahren sei insbe-
sondere das Kriterium des sich wiederholenden und gegebenenfalls steigern-
den Einsatzes zur Erreichung und Steigerung des Gewinns. Dies sei bei dem
Managerspiel der Klägerin nicht gegeben.
Zur Begründung seiner Revision trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Der
Verwaltungsgerichtshof gehe von einem fehlerhaften Verständnis des § 284
StGB aus. Der Strafrechtsgesetzgeber habe den Begriff des Glücksspiels nicht
definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei neben der Zu-
fallsabhängigkeit die Zahlung eines Einsatzes erforderlich. Unter Einsatz ver-
stehe der Bundesgerichtshof eine Leistung, die erbracht werde in der Hoffnung,
im Falle eines Gewinns eine gleich oder höhere Leistung zu erhalten, und in der
Befürchtung, dass diese im Falle des Verlierens dem Gegenspieler oder dem
Veranstalter anheim falle. Diese Definition verlange nicht, dass der Einsatz zur
Finanzierung der Gewinne herangezogen werde. Wende man diese Maßstäbe
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des Bundesgerichtshofs auf das Managerspiel der Klägerin an, dann handele
es sich bei dem Entgelt, das je nach der Zahl der Mannschaften pro Spieler zwi-
schen 7,99 € und 55,93 € betrage, um einen Einsatz im Sinne des § 284 StGB.
Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zahlung des Ent-
gelts und der Möglichkeit, die ausgelobten Gewinne zu erhalten. Da diese Ge-
winne im Verhältnis zu dem zu zahlenden Entgelt sehr hoch seien, dürfte die
Aussicht auf die ausgelobten Gewinne für viele Spieler auch einen Anreiz set-
zen, an dem Spiel teilzunehmen. Es sei anerkannt, dass auch kleine Lotterien
im Sinne des § 18 GlüStV, deren Gewinne häufig von Sponsoren finanziert
würden, Glücksspiele im Sinne des Gesetzes seien. Der Verwaltungsgerichts-
hof verkenne auch, dass bei jedem Glücksspiel der Einsatz stets verloren sei.
Der Spieler erhalte den Einsatz im Falle eines Gewinnes nicht zurück, sondern
erhalte nur den Gewinn. Man könne bei dem Entgelt des Managerspiels auch
keine Parallele zu den Eintrittsgeldern bei den Spielbanken ziehen, die in der
Tat nicht als glücksspielrechtliches Entgelt angesehen werden könnten. Über-
dies habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Begriffs „öffentliches
Glücksspiel“ entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs bewusst
weiter gefasst als der Strafgesetzgeber und dazu im Glücksspielstaatsvertrag
eine eigene gesetzliche Definition des Glücksspiels aufgenommen. Danach sei
das Vorliegen eines Glücksspiels nur dann ausgeschlossen, wenn für die Teil-
nahme an dem Spiel keinerlei Entgelt verlangt werde. Bei Glücksspielen im In-
ternet liege stets eine Ermessensreduktion auf Null vor. Nichts anderes könne
beim Anbieten von Glücksspielen über das Internet gelten. Der Verwaltungs-
gerichtshof habe auch das Verhältnismäßigkeitsgebot fehlerhaft angewendet.
Eine Untersagungsverfügung, die der Klägerin nur das untersage, was ihr auch
kraft Gesetzes verboten sei, belaste die Klägerin nicht zusätzlich.
Der Beklagte beantragt,
das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23. Mai
2012 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichtshofs
Baden-Württemberg zu ändern und die Berufung der Klä-
gerin gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung
vom 18. Oktober 2010 ergangene Urteil des Verwaltungs-
gerichts Karlsruhe zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die
Verfügung des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom
12. November 2009 aufgehoben und festgestellt wird,
dass das von der Klägerin in der Bundesligasaison
2009/2010 im Internet unter der Domain www… angebo-
tene „Managerspiel“ kein Glücksspiel im Sinne von
§ 3 Abs. 1 GlüStV ist.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil des Berufungsgerichts.
II
Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Der Verwaltungsgerichtshof hat
den streitgegenständlichen Bescheid vom 12. November 2009 zu Recht aufge-
hoben (1.). Seine Feststellung, dass das von der Klägerin in der Bundes-
ligasaison 2009/2010 in Baden-Württemberg ohne Erlaubnis im Internet ange-
botene und dort beworbene Fußballmanagerspiel kein Glücksspiel im Sinne des
Glücksspielstaatsvertrages ist, hält der revisionsgerichtlichen Prüfung stand
(2.).
1. Die Anfechtungsklage der Klägerin hat schon deshalb Erfolg, weil die Unter-
sagungsverfügung vom 12. November 2009 in ihrer Nummer 1 als Einzelfallre-
gelung nicht dem Bestimmtheitserfordernis genügt (vgl. § 37 Abs. 1 VwVfG,
§ 37 Abs. 1 LVwVfG BW, Art. 20 Abs. 3 GG). Revisionsrechtlich fehlerfrei hat
das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin damit nicht nur das für
die Bundesligasaison 2009/2010 angebotene Glücksspiel untersagt wird, son-
dern darüber hinaus die Veranstaltung, Vermittlung, Werbung oder Unterstüt-
zung weiteren öffentlichen Glücksspiels, obwohl nichts dafür ersichtlich ist, dass
die Klägerin neben dem Angebot des Bundesligamanagerspiels andere Glücks-
spiele im Sinne des § 3 Abs. 1 GlüStV angeboten hätte oder deren Veranstal-
tung für die Zukunft beabsichtigte.
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Gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG, § 37 Abs. 1 LVwVfG BW muss ein Verwaltungsakt
inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Das bedeutet zum einen, dass der Adres-
sat in die Lage versetzt werden muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird.
Zum anderen muss der Verwaltungsakt geeignete Grundlage für Maßnahmen
zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können. Im Einzelnen richten sich
die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit eines Verwaltungsakts nach
den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt
umzusetzenden materiellen Rechts (Urteil vom 15. Februar 1990 - BVerwG 4 C
41.87 - BVerwGE 84, 335 <338> = Buchholz 406.11 § 39b BBauG Nr. 1).
Der Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend §§ 133, 157 BGB
durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist der erklärte Wille maßgebend, wie ihn
der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr; vgl. Be-
schluss vom 4. Dezember 2008 - BVerwG 2 B 60.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Bei
der Ermittlung dieses objektiven Erklärungswertes sind alle dem Empfänger
bekannten oder erkennbaren Umstände heranzuziehen, insbesondere auch die
Begründung des Verwaltungsakts (Urteil vom 18. Juni 1980 - BVerwG 6 C
55.79 - BVerwGE 60, 223 <228 f.> = Buchholz 448.0 § 25a WPflG Nr. 2). Die
Begründung hat einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsge-
halt. Sie ist die Erläuterung der Behörde, warum sie den verfügenden Teil ihres
Verwaltungsakts so und nicht anders erlassen hat. Die Begründung bestimmt
damit den Inhalt der getroffenen Regelung mit, sodass sie in aller Regel unver-
zichtbares Auslegungskriterium ist (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs,
VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 39 Rn. 26 m.w.N.).
In Nummer 1 der angefochtenen Verfügung wird der Klägerin allgemein unter-
sagt, in Baden-Württemberg öffentliches Glücksspiel im Sinne von § 3 GlüStV
zu veranstalten, zu vermitteln, hierfür zu werben oder solche Tätigkeiten zu un-
terstützen. Dass der Beklagte damit nicht nur das von der Klägerin in der Bun-
desligasaison 2009/2010 im Internet angebotene und beworbene Spiel unter-
sagte, sondern jegliche künftigen Internetauftritte der Klägerin, mit denen öffent-
liches Glücksspiel betrieben wird, verdeutlicht die Begründung des Bescheids
auf Seite 7. Mit dieser weiten Fassung der Untersagungsverfügung hat der Be-
klagte keine bestimmte, konkrete Einzelfallregelung getroffen, sondern lediglich
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die abstrakt-generelle gesetzliche Regelung wiedergegeben und deren Konkre-
tisierung offengelassen.
2. Die Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig und begründet. Der Verwal-
tungsgerichtshof ist zu Recht davon ausgegangen, dass das von der Klägerin
angebotene Glücksspiel im Internet kein Glücksspiel im Sinne von § 3 Abs. 1
GlüStV ist.
a) Bedenken bezüglich der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen nicht.
Gemäß § 43 Abs. 1 VwGO kann durch Klage die Feststellung des Bestehens
oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Klä-
ger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellung
kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs-
oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2
VwGO). Diese Subsidiaritätsregelung will eine unnötige Feststellungsklage
vermeiden, wenn dem Kläger eine andere sachnähere oder effektivere Klageart
zur Verfügung steht. Aus Gründen der Prozessökonomie soll der Rechtsschutz
auf dasjenige Verfahren konzentriert werden, welches seinem Anliegen am wir-
kungsvollsten gerecht wird.
Die Anfechtungsklage gegen die Untersagungsverfügung stellt für die Klägerin
keinen gleich wirksamen Rechtsschutz dar. Namentlich ist offen, ob die Anfech-
tungsklage zur Klärung der Frage führt, ob das von der Klägerin betriebene
Managerspiel ein Glücksspiel im Sinne des Glücksspielstaatsvertrages ist. Für
die Klägerin bestand die Gefahr, dass diese Frage im gerichtlichen Verfahren
nicht entscheidungserheblich wird, etwa wegen der fehlenden Bestimmtheit der
Verfügung oder wegen Ermessensfehlern. Wirksamen und effektiven Rechts-
schutz bezüglich der Zulässigkeit ihres Geschäftsmodells konnte sie nur über
eine zusätzliche Feststellungsklage erreichen.
b) Der Verwaltungsgerichtshof hat das von der Klägerin angebotene Fußball-
managerspiel zu Recht nicht als Glücksspiel angesehen. Seine Annahme, die
von der Klägerin geforderten 7,99 € seien als Teilnahmegebühr zu qualifizieren
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und nicht als Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance, ist revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden. Da das Revisionsgericht diejenige Rechtslage zugrunde
legen muss, die das Berufungsgericht, entschiede es jetzt, anzuwenden hätte
(stRspr; vgl. Urteil vom 18. Dezember 1992 - BVerwG 7 C 16.92 - BVerwGE 91,
334 <338> = Buchholz 113 § 12 InVorG Nr. 1; Neumann, in: Sodan/Ziekow,
VwGO-Kommentar, Rn. 23 zu § 137; jeweils m.w.N.), beurteilt sich dies nach
dem Glücksspielstaatsvertrag in der Fassung des am 1. Juli 2012 in Baden-
Württemberg in Kraft getretenen Ersten Staatsvertrages zur Änderung des
Glücksspielstaatsvertrages vom 15. November 2011 - GlüStV -, der gemäß
§ 33 GlüStV nunmehr revisibel ist.
(1) Ein Glücksspiel liegt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vor, wenn im Rahmen
eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und
die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt
(§ 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV). Der Verwaltungsgerichtshof hat die Frage der Zu-
fallsabhängigkeit offengelassen und darauf abgestellt, dass es bei dem Fuß-
ballmanagerspiel der Klägerin jedenfalls an dem erforderlichen Erwerb einer
Gewinnchance gegen Entgelt fehle. Das Zahlungsverlangen von 7,99 € pro
Team sei eine Teilnahmegebühr an dem Spiel und kein Entgelt im Sinne des
Gesetzes.
Zu Recht geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass das Tatbestands-
merkmal des Entgelts für den Erwerb einer Gewinnchance gemäß § 3 Abs. 1
Satz 1 GlüStV sich mit dem des Einsatzes für ein Glücksspiel im Sinne des
§ 284 StGB jedenfalls insoweit deckt, als verlangt wird, dass die Gewinnchance
gerade aus dem Entgelt erwächst. Das Berufungsurteil nimmt nur unzutreffend
an, dies setze eine Verwendung des Entgelts zur Finanzierung der Gewinne
voraus. Stattdessen genügt es, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwi-
schen Entgelt und Gewinnchance besteht. Dazu muss die Gewinnchance - und
nicht der Gewinn selbst - sich gerade aus der Entgeltzahlung ergeben. Daran
fehlt es, wenn mit ihr lediglich die Berechtigung zur Teilnahme erworben wird.
Dann handelt es sich nur um eine Teilnahmegebühr mit der Folge, dass kein
Glücksspiel im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV vorliegt.
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Diese Auslegung ergibt sich aus dem systematischen Zusammenhang der
glücksspielrechtlichen Regelung mit § 33h Nr. 3 Gewerbeordnung (GewO), der
seinerseits auf § 284 StGB Bezug nimmt. Sie entspricht auch dem Sinn und
Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und ist mit dessen Wortlaut und der Ent-
stehungsgeschichte vereinbar.
§ 33h GewO normiert das Verhältnis der gewerberechtlichen Vorschriften, die
Gewinnspiele betreffen, zu den landesrechtlichen, ordnungsrechtlichen Glücks-
spielregelungen. Im Rahmen seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompe-
tenz für das Recht der Wirtschaft gemäß Art. 74 Nr. 11 Grundgesetz (GG) hat
der Bundesgesetzgeber das gewerbliche Aufstellen von Spielgeräten mit Ge-
winnmöglichkeit (§ 33c GewO) sowie das gewerbliche Veranstalten anderer
Spiele mit Gewinnmöglichkeit (§ 33d GewO) unter Erlaubnisvorbehalt gestellt
und in §§ 33c ff. GewO näher geregelt. § 33g Nr. 2 GewO normiert einen Vor-
behalt, die Erlaubnispflicht auf bestimmte nicht gewerbsmäßig betriebene Ge-
winnspiele auszudehnen. §§ 33c bis 33g GewO sind nach § 33h Nr. 1 und 2
GewO jedoch nicht auf die dort aufgeführten Spielbanken, Lotterien und Aus-
spielungen anzuwenden. Nach § 33h Nr. 3 GewO gelten sie auch nicht für die-
jenigen „anderen“ Spiele im Sinne des § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO, die Glücks-
spiele im Sinne des § 284 StGB sind. Diese - und nur diese - „anderen“ Spiele
bleiben der Regelung durch den Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Kom-
petenz für das Ordnungsrecht überlassen. Die Übrigen, die nicht unter § 284
StGB fallen, sind in § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO detailliert und abschließend ge-
regelt. Diese Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Gewerbeordnung voll-
zieht die Abgrenzung zwischen der Bundesgesetzgebungskompetenz für das
Wirtschaftsrecht und der Landesgesetzgebungskompetenz für das Ordnungs-
recht nach (vgl. BTDrucks 8/1863 S. 10 f.; Marcks, in: Landmann/Rohmer,
GewO, § 33h, Stand: Mai 2011, Rn. 1). Sie steht nicht zur Disposition des Lan-
desgesetzgebers. Er darf den ordnungsrechtlichen Begriff des Glücksspiels bei
„anderen“ Spielen mit Gewinnmöglichkeit, wie dem hier umstrittenen Fußball-
managerspiel, nicht weiter fassen als den Glücksspielbegriff des § 284 StGB.
Das Tatbestandsmerkmal des für den Erwerb einer Gewinnchance verlangten
Entgelts im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV darf deshalb nicht weiter aus-
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gelegt werden als der Begriff des Einsatzes, der Bestandteil der Definition des
Glücksspiels im Sinne des § 284 StGB ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gehört zu jedem Glücksspiel
in dem in § 284 StGB vorausgesetzten Sinn ein Einsatz; denn bei einem
Glücksspiel geht es um die Erzielung eines Gewinns oder um den Verlust eines
Einsatzes. Unter den Begriff des Einsatzes fällt jede Leistung, die in der Hoff-
nung erbracht wird, im Falle des Gewinnens eine gleiche oder höherwertige
Leistung zu erhalten, und in der Befürchtung, dass sie im Falle des Verlierens
dem Gegenspieler oder dem Veranstalter anheim fällt. Wegen der notwendigen
Abgrenzung zum bloßen Unterhaltungsspiel darf der Einsatz allerdings nicht nur
ganz unbeträchtlich sein. Von einem Glücksspieleinsatz kann jedoch nur aus-
gegangen werden, wenn zwischen Aufwendung eines Vermögenswerts und
dessen Gewinn oder Verlust ein notwendiger Zusammenhang besteht (BGH,
Beschluss vom 29. September 1986 - 4 StR 148/86 - BGHSt 34, 171 <171 ff.>
m.w.N.). Daraus folgt auch für den ordnungsrechtlichen Glücksspielbegriff, dass
sich bereits aufgrund der Zahlung des Entgelts die Gewinnchance oder die Ver-
lustmöglichkeit ergeben muss. Daran fehlt es, wenn erst weitere Umstände wie
etwa das Verhalten von Mitspielern oder Aktivitäten des Spielteilnehmers selbst
die Gewinnchance oder Verlustmöglichkeit entstehen lassen. Für den erforder-
lichen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und
der Gewinn- oder der Verlustmöglichkeit genügt nicht schon, dass die Zahlung
die Berechtigung zur Teilnahme am Spiel vermittelt.
Der Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV spricht ebenfalls dafür, als
Entgelt für den Erwerb einer Gewinnchance nur einen Einsatz im Sinne des
strafrechtlichen Glücksspielbegriffs zu verstehen. Die ordnungsrechtliche Rege-
lung dient nach § 1 GlüStV dazu, die Spielsucht zu bekämpfen, den Jugend-
schutz zu gewährleisten und vor Begleitkriminalität zu schützen. Dieser Zweck
erfordert nicht, über einen Einsatz hinaus auch eine bloße Teilnahmegebühr in
den Tatbestand einzubeziehen. Nach den tatsächlichen Annahmen der Vorin-
stanz besteht die potenziell zur Spielsucht führende Versuchung, die Gewinn-
chancen durch Erhöhen des Einsatzes steigern und erlittene Verluste mit weite-
ren Einsätzen wettmachen zu wollen, bei einer festen Teilnahmegebühr nicht
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oder jedenfalls nicht in vergleichbarem Maß. Gleiches gilt für das Risiko krimi-
nellen Verhaltens. An diese Feststellungen ist der Senat gemäß § 137 Abs. 2
VwGO mangels wirksamer Verfahrensrügen gebunden. Selbst der Beklagte hat
in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass von dem Fußballmanagerspiel
für die Spieler keine Suchtgefahr ausgehe.
Diese Feststellungen lassen die Auslegung des Entgelterfordernisses im Sinne
eines Einsatzes auch verfassungsrechtlich geboten erscheinen. Vor dem
rechtsstaatlichen Gebot der Verhältnismäßigkeit sind die Beschränkungen
durch den Glücksspielstaatsvertrag nur gerechtfertigt, soweit sie zur Bekämp-
fung der genannten Gefahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind.
Bei Spielen, für die kein Einsatz, sondern nur eine Teilnahmegebühr verlangt
wird, gehen die glücksspielrechtlichen Anforderungen an die Aufklärung der
Spieler, das Erstellen eines Sozialkonzepts und ein System der Spielersperre
(§§ 6 bis 8 GlüStV) weit über das zur Suchtbekämpfung erforderliche Maß hi-
naus. Den Anforderungen des Jugendschutzes und der Abwehr krimineller Ta-
ten kann bereits durch eine Regulierung auf dem Niveau des § 33d GewO
Rechnung getragen werden. Dass die Regelungen des Glücksspielstaatsver-
trages auf ein wesentlich höheres Gefahrenniveau zugeschnitten sind, zeigen
die Bestimmungen über die Ausnahmen vom Internetverbot (§ 4 Abs. 5
GlüStV), die eine Freigabe bei Einsätzen bis zu 1 000 € monatlich zulassen,
und die Öffnung des Glücksspielstaatsvertrages bezüglich der Erlaubnisertei-
lung für Lotterien mit geringerem Gefährdungspotenzial (vgl. §§ 12 ff. GlüStV).
Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist entgegen der Auffassung des Be-
klagten jeweils die konkrete Spielgestaltung in den Blick zu nehmen und nicht
auf eine mögliche Gefährdung durch ein Zusammenwirken aller auf dem Markt
angebotenen Glücksspiele abzustellen.
(2) Bei dem von der Klägerin angebotenen Fußballmanagerspiel ist der erfor-
derliche notwendige Zusammenhang zwischen der Zahlung des Entgelts und
der Gewinnchance bzw. der Verlustmöglichkeit nicht gegeben. Nicht die bloße
Zahlung hat eine Gewinnchance zur Folge, sondern erst das sich daran an-
schließende Spielverhalten des jeweiligen Spielteilnehmers und seiner Mitkon-
kurrenten. Eine Gewinnchance eröffnet sich nicht schon mit der entgeltlichen
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Registrierung, sondern erst und nur, wenn der Teilnehmer sich entscheidet,
sich in das Spielgeschehen einzubringen und den in der Spielsaison erforderli-
chen zeitlichen Aufwand zu investieren. Diese Entscheidung erfolgt unabhängig
von der Zahlung des Entgelts. Der Teilnehmer kann auch jederzeit aus dem
Spiel wieder aussteigen, ohne dass für ihn ein Anreiz besteht, einen Vermö-
gensverlust wieder wettmachen zu wollen. Das Entgelt für die Registrierung
erhält er in keinem Fall zurück. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, bei
dem von der Klägerin geforderten Betrag handele es sich nur um eine Teilnah-
megebühr, ist in Anbetracht des dargestellten Spielmodells revisionsrechtlich
nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert Dr. Deiseroth Dr. Hauser
Dr. Held-Daab Dr. Rudolph
B e s c h l u s s
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 20 000 €
festgesetzt.
Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert Dr. Deiseroth Dr. Hauser
Dr. Held-Daab Dr. Rudolph
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Wirtschaftsverwaltungsrecht
Fachpresse: ja
Rechtsquellen:
GG
Art. 20 Abs. 3
VwGO
§ 43
VwVfG
§ 37
StGB
§ 284
GewO
§§ 33h, 33d
GlüStV Baden-Württemberg
§§ 3, 9, 12
Stichworte:
Verwaltungsakt; Bestimmtheit; Begründung; Auslegung; Einzelfallregelung;
konkret; Fußballmanagerspiel; Glücksspiel; Entgelt; Einsatz; Gewinn; Verlust;
Zusammenhang, notwendiger; Deckungsgleichheit; Glücksspielbegriff; Teil-
nahmegebühr; Kompetenz; Landesgesetzgeber; Bundesgesetzgeber; Gefähr-
dungspotenzial; verfassungsrechtlich; Unterhaltungsspiel; Bagatelleinsatz; Fi-
nanzierung; Dauer; gering.
Leitsätze:
1. § 33h Nr. 3 i.V.m. § 33d Abs. 1 Satz 1 GewO lässt für eine landesrechtliche
Regelung anderer Spiele mit Gewinnmöglichkeit als der von § 33c GewO er-
fassten Spiele an Spielgeräten nur Raum, wenn diese anderen Spiele Glücks-
spiele im Sinne des § 284 StGB sind.
2. Ein Entgelt wird im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV für den Erwerb einer
Gewinnchance verlangt, wenn zwischen ihm und der Gewinn-/Verlustmöglich-
keit ein notwendiger Zusammenhang in der Weise besteht, dass keine weiteren
Umstände für die Realisierung der Gewinn-/Verlustmöglichkeit hinzutreten
müssen.
Urteil des 8. Senats vom 16. Oktober 2013 - BVerwG 8 C 21.12
I. VG Karlsruhe vom 18.10.2010 - Az.: VG 3 K 3226/09 -
II. VGH Mannheim vom 23.05.2012 - Az.: VGH 6 S 389/11 -