Urteil des BVerwG vom 03.06.2015

Nichtigkeit, Schadenersatz, Rechtskraft, Grundstück

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 8 B 69.14
VG 2 A 458/13
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 3. Juni 2015
durch den Vizepräsidenten des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Christ
und die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Hoock und Dr. Rublack
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts
Greifswald vom 15. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 113 760,30 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt die Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides des Lan-
desamtes zur Regelung offener Vermögensfragen Mecklenburg-Vorpommern
vom 16. Januar 2003, mit dem sein auf das restituierte Grundstück W. Stra-
ße 7/9 in G. bezogener Antrag u.a. auf Erstattung eines Mietausfallschadens
durch pflichtwidrige staatliche Verwaltung abgelehnt wurde. Das Verwaltungs-
gericht Greifswald hat die Feststellungsklage mit Urteil vom 15. Juli 2014 abge-
wiesen und die Revision nicht zugelassen.
1. Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Entscheidung selbstständig tra-
gend auf die Erwägung gestützt, dass die Klage mangels Feststellungsinteres-
ses unzulässig sei. Durch zivilgerichtliche Urteile sei sowohl im Verhältnis des
Klägers zum Beklagten als auch im Verhältnis zum Entschädigungsfonds als
Sondervermögen der Bundesrepublik Deutschland rechtskräftig festgestellt,
dass dem Kläger der nach § 13 VermG geltend gemachte Anspruch nicht zu-
stehe. Folglich könne auch bei einer unterstellten Nichtigkeit des Bescheides
vom 16. Januar 2003 keine andere Entscheidung ergehen, solange die betref-
fenden zivilgerichtlichen Urteile nicht aufgehoben seien. Die hiergegen gerichte-
ten Rügen bleiben ohne Erfolg.
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a) Die Frage:
"inwieweit (hat) eine zivilgerichtliche Vorentscheidung die
Unzulässigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage zur
Folge"
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung
der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Darlegung dieses Zulas-
sungsgrundes setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch
ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des
revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allgemeine, über
den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr, vgl. BVerwG,
Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO
Nr. 26 S. 14). Daran fehlt es hier. Die Frage ist in dieser Allgemeinheit
schon nicht in einem Revisionsverfahren klärungsfähig. Davon abgesehen lässt
die Beschwerdebegründung auch keinen Klärungsbedarf erkennen.
Die Beschwerde macht geltend, die Urteile der Zivilgerichte hinderten das be-
klagte Land nicht, nach Feststellung der Nichtigkeit des ablehnenden Beschei-
des vom 16. Januar 2003 dem Antrag des Klägers auf Gewährung von Scha-
denersatz stattzugeben. Zivilgerichtliche Urteile könnten keine Rechtskraft ge-
genüber einer Landesbehörde entfalten. Ohnehin sei nicht das Land, sondern
der Entschädigungsfonds als Sondervermögen der Bundesrepublik Deutsch-
land Beteiligter im zivilgerichtlichen Verfahren gewesen. Ferner gehe es hier
nicht, wie in den zivilgerichtlichen Verfahren, um die Verurteilung zur Zahlung
von Schadenersatz, sondern um die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwal-
tungsaktes. Außerdem könne sich die Rechtskraft der zivilgerichtlichen Ent-
scheidungen nicht auf den Zeitraum von 1954 bis 1958 erstrecken, weil dieser
nicht Gegenstand des Bescheides vom 16. Januar 2003 gewesen sei. Damit
wird keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aufgezeigt.
Wie sich dem im angegriffenen Urteil in Bezug genommenen Beschluss des
Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs vom 20. Feb-
ruar 2014 entnehmen lässt, ist für den als Staatshaftungsanspruch ausgestalte-
ten Anspruch auf Schadenersatz nach § 13 VermG wegen Pflichtverletzungen
des staatlichen Verwalters ungeachtet des vorgeschalteten Verwaltungsverfah-
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rens der ordentliche Rechtsweg gegeben (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Mai
2001 - 8 B 24.01 - Buchholz 428 § 13 VermG Nr. 2; vgl. auch BGH, Beschluss
vom 15. Dezember 1994 - III ZB 46/94 - BGHZ 128, 173). Die Beschwerde zeigt
nicht einmal ansatzweise auf, dass vor diesem Hintergrund die Frage der Bin-
dungswirkung zivilgerichtlicher Urteile zur Abweisung von Klagen auf Zahlung
von Schadenersatz nach § 13 VermG gegenüber dem Verwaltungsverfahren
klärungsbedürftig sein könnte. Dass sich die Rechtskraft grundsätzlich nur auf
die am Verfahren Beteiligten erstreckt, ist bereits geklärt (vgl. etwa BVerwG,
Urteil vom 27. August 1996 - 1 C 8.94 - BVerwGE 102, 12 <16>). Im Übrigen
verhält sich die Beschwerde nicht zu der Feststellung des Verwaltungsgerichts,
dass die fehlende Verpflichtung zur Zahlung von Schadenersatz an den Kläger
auch im Verhältnis zum - im zivilgerichtlichen Verfahren noch vom Landesamt
zur Regelung offener Vermögensfragen vertretenen - Land rechtskräftig fest-
stehe. Soweit auf die unterschiedlichen Rechtsschutzziele - Feststellung der
Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes einerseits und Zahlung von Schadenersatz
andererseits - verwiesen wird, übersieht die Beschwerde, dass das Verwal-
tungsgericht die Zulässigkeit der Klage nicht wegen entgegenstehender Rechts-
kraft, sondern wegen eines fehlenden Feststellungsinteresses verneint hat. Es
ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich aus dem Umstand, dass sich der Be-
scheid vom 16. Januar 2003 nicht auf den Zeitraum von 1954 bis 1958 er-
streckt, ein Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit dieses Bescheides er-
geben sollte.
Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die ohne weitere Begründung in den Raum
gestellte Angabe, die Feststellung der Nichtigkeit des genannten Bescheides
könne der Rehabilitation des Klägers dienen. Die weiteren Ausführungen gehen
an der maßgeblichen Erwägung des Verwaltungsgerichts zum fehlenden Fest-
stellungsinteresse vorbei. Sie erschöpfen sich nach Art einer Berufungsbegrün-
dung in der Darlegung einer vermeintlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides
vom 16. Januar 2003 etwa wegen unzureichender Ermittlung des Sachverhalts
oder wegen der unzutreffenden Annahme, dass das Grundstück in Volkseigen-
tum überführt worden sei.
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b) Soweit die Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) (auch) die Annahme
eines fehlenden Feststellungsinteresses im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO be-
treffen sollte, zeigt die Beschwerde keine auf diese Annahme bezogenen, sich
widersprechenden abstrakten Rechtssätze des Bundesverwaltungsgerichts und
des Verwaltungsgerichts auf (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B
261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14).
2. Es kann dahinstehen, ob hinsichtlich der weiteren Annahme des Verwal-
tungsgerichts, es fehle an einer Nichtigkeit des Bescheides vom 16. Januar
2003 im Sinne des § 44 VwVfG, ein Zulassungsgrund gegeben ist. Denn im
Falle einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Be-
gründung des angefochtenen Urteils hat die Beschwerde nur dann Erfolg, wenn
in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund geltend gemacht
wird und vorliegt (BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 -
Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 15). Das ist nach den Ausführun-
gen unter 1. nicht der Fall.
Im Übrigen ist ein Zulassungsgrund auch insoweit nicht hinreichend dargetan.
Die Grundsatzrüge vermag schon deshalb nicht durchzudringen, weil keine be-
stimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts benannt wird, die einer höchstrich-
terlichen Klärung bedarf. Unabhängig davon ist in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein Ver-
waltungsakt nach § 44 Abs. 1 VwVfG nichtig ist (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom
17. Oktober 1997 - 8 C 1.96 - Buchholz 401.0 § 125 AO Nr. 1). Die Beschwerde
legt nicht dar, weshalb das vorliegende Verfahren Gelegenheit zur Fortentwick-
lung dieser Rechtsprechung bieten könnte. Vielmehr wird im Wesentlichen nur
eine auf den Einzelfall bezogene vermeintliche Fehlerhaftigkeit des Bescheides
vom 16. Januar 2003 aufgezeigt. Dasselbe gilt für die Divergenzrüge.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des
Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Christ
Hoock
Dr. Rublack
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