Urteil des BVerwG vom 26.04.2012

Mitgliedschaft, Grundstück, Dereliktion, Beendigung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
BVerwG 7 C 11.11
VGH 3 S 958/09
Verkündet
am 26. April 2012
Hardtmann
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 26. April 2012
durch den Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Guttenberger,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Schipper und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Verwal-
tungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 2. Februar
2011 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
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G r ü n d e :
I
Die Beteiligten streiten um den Fortbestand der Mitgliedschaft in einem Was-
serverband.
Die Klägerin, eine Weinbaugenossenschaft, hat ihren Geschäftsbetrieb schon
vor einigen Jahren eingestellt. Sie war Eigentümerin von vier Weinberggrund-
stücken in B., G., Rebgebiet R., die im Gebiet des beklagten Wasserverbands
liegen. Der Beklagte hat die Aufgabe der Beschaffung und Verteilung von
Brauchwasser zur Beregnung des Weinbergs (§ 3 Abs. 1 Verbandssatzung; § 2
Nr. 7 WVG). Mitglieder sind nach § 2 Abs. 1 Verbandssatzung die jeweiligen
Eigentümer der im Mitgliederverzeichnis aufgeführten Grundstücke (dingliche
Mitglieder). Im Jahr 1993 gab die Klägerin die Bewirtschaftung der Hang-
grundstücke auf. Am 6. Februar 2008 verzichtete sie nach § 928 BGB durch
Erklärung gegenüber dem Grundbuchamt auf ihr Eigentum an den Grundstü-
cken; der Verzicht wurde am 27. Februar 2008 im Grundbuch eingetragen. Mit
Bescheid vom 29. März 2008 zog der Beklagte die Klägerin zum Verbandsbei-
trag für das Jahr 2008 in Höhe von 889,95 € heran. Der nach erfolglosem Wi-
derspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht statt, weil
die Beitragspflicht der Klägerin nach § 28 Abs. 4 WVG mangels eines wirt-
schaftlichen Vorteils nicht mehr bestanden habe.
Auf die Berufung des Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage be-
züglich eines Betrags von 141,41 € abgewiesen und die Berufung im Übrigen
sowie die auf Feststellung des Nichtbestehens der Verbandsmitgliedschaft ge-
richtete Anschlussberufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat
er im Wesentlichen ausgeführt: Nur bis zur wirksamen Eigentumsaufgabe sei
die Klägerin als Voraussetzung der Beitragspflicht Verbandsmitglied nach § 22
WVG gewesen; für diesen Zeitraum habe die Klägerin auch einen Vorteil im
Sinne von § 28 Abs. 4 Satz 1 WVG aus den Leistungen des Beklagten erlangt.
Verbandsmitglieder könnten nach § 22 WVG nur Beteiligte sein. Die wichtigste
Gruppe der Beteiligten nach § 8 Abs. 1 WVG seien gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1
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WVG die jeweiligen Eigentümer von Grundstücken und Anlagen als dingliche
oder Realmitglieder. Neben die objektiv-dingliche Komponente der Mitglied-
schaft trete als subjektiv-personenbezogenes Element der Vorteil. § 24 WVG
regele einen Anspruch auf Aufhebung der Mitgliedschaft nur bei Wegfall des
Vorteils. Bei Wegfall des Eigentums gehe der Gesetzgeber hingegen, wie sich
aus § 22 WVG ergebe, von der automatischen Beendigung der Mitgliedschaft
aus. Eigentum und Verbandsmitgliedschaft seien nicht nur beim Eigentums-
wechsel untrennbar miteinander verknüpft, sondern bei jeglichem Eigentums-
verlust des dinglichen Verbandsmitglieds. Dessen Mitgliedschaft sei durch den
Verlust des Eigentums auflösend bedingt. Ohne ausdrückliche gesetzliche Re-
gelung könne es „eigentumslose“ Verbandsmitglieder nicht geben. Diese
Rechtslage führe zu keinen gravierenden, mit dem Solidarprinzip schlechthin
unvereinbaren Auswirkungen. Fälle der Eigentumsaufgabe landwirtschaftlicher
Grundstücke seien noch selten. Auch müsse die Eigentumsaufgabe sich am
Korrektiv der §§ 134, 138 BGB messen lassen. Schließlich lägen die Verbands-
beiträge nach § 29 WVG als öffentliche Last auf dem Grundstück, und nach
§ 33 WVG könnten die Grundstücke zur Durchführung der Verbandsaufgaben
weiterhin betreten und benutzt werden. Die Dereliktion sei wirksam. Die Grund-
sätze der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzulässigkeit des Ver-
zichts auf Miteigentumsanteile nach § 741 BGB und auf das Wohnungs- und
Teileigentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz seien nicht übertragbar.
Der Eigentumsverzicht sei auch nicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig ge-
wesen. Hiervon könne grundsätzlich nur ausgegangen werden, wenn ihm die
ausschließliche oder primäre Absicht zugrunde liege, Dritte - darunter auch die
öffentliche Hand - zu schädigen bzw. sich sein Zweck in der Abwälzung der
Grundstückslasten auf Dritte oder die Allgemeinheit erschöpfe. Demgegenüber
reiche es nicht aus, dass sich der Eigentümer auch künftiger öffentlich-
rechtlicher Verpflichtungen entledigen wolle. Der Eigentumsverzicht der Kläge-
rin habe auf dem nicht verwerflichen Wunsch beruht, die Genossenschaft viele
Jahre nach Aufgabe des Weinbaus rechtlich auflösen zu können, nachdem eine
Übertragung der Grundstücke nicht möglich gewesen sei.
Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision rügt der Beklag-
te die Verletzung materiellen Rechts und trägt im Wesentlichen vor: Aus § 22
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Satz 1 WVG folge, dass ein Verbandsmitglied nur dann von Gesetzes wegen
ausscheide, wenn seine Mitgliedschaft auf einen Rechtsnachfolger übergehe.
Folge man dem nicht, so liege für den Fall der Dereliktion von Grundstücken im
Wasserverbandsrecht eine Regelungslücke vor. Aus der im Wasserverbands-
gesetz verankerten Solidarität der Mitglieder folge im Falle der dinglichen Mit-
gliedschaft, dass ein Grundstück einen Eigentümer haben müsse. Das werde
durch die Regelung über die Mitgliedschaft des Rechtsnachfolgers gesichert.
Die Beendigung der Mitgliedschaft sei ausgehend vom Solidarprinzip und im
Interesse des Gläubigerschutzes nur unter den einschränkenden Vorausset-
zungen des § 24 WVG möglich. Ansonsten gebe es nur die Auflösung des Ver-
bands nach § 62 WVG. Die Dereliktion könne folglich kein Instrument sein, um
sich lastenfrei aus der Solidargemeinschaft zu entfernen. Die Ausfüllungsbe-
dürftigkeit der Regelungslücke hänge nicht davon ab, ob die Fälle häufig oder
selten sein. Die Lücke sei durch die Kriterien des § 24 Abs. 1 WVG auszufüllen;
danach scheide eine Aufhebung der Mitgliedschaft aus, wenn erhebliche
Nachteile für das öffentliche Interesse, den Verband oder dessen Gläubiger zu
besorgen seien. Insoweit könne auch auf die Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs zum Verzicht auf den Miteigentumsanteil und das Teileigentum zu-
rückgegriffen werden. Schließlich verstoße die Annahme gegen Bundesrecht,
die Eigentumsaufgabe der Klägerin sei nicht treuwidrig. Die Klägerin verletze
vielmehr die Treuepflicht, die sich aus dem im Wasserverband verankerten So-
lidarprinzip ergebe.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und verweist insbesondere auf
die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung. Rechtliche
Verpflichtungen eines Eigentümers bedürften einer gesetzlichen Grundlage.
Schließlich sei die Aufgabe des Eigentums nicht treuwidrig erfolgt. Sie habe das
Eigentum aufgegeben, nachdem insbesondere jahrelange Bemühungen um
eine Übertragung des Grundstücks fehlgeschlagen seien.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt
die Revision.
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II
Die zulässige Revision ist nicht begründet und deswegen zurückzuweisen
(§ 144 Abs. 2 VwGO). Der Verwaltungsgerichtshof ist ohne Verstoß gegen Bun-
desrecht davon ausgegangen, dass die Klägerin in dem für das Revisionsver-
fahren streitigen Zeitraum nicht mehr beitragspflichtig war. Die Klägerin war
zwar ursprünglich Mitglied des Beklagten. Diese Mitgliedschaft als Vorausset-
zung der Beitragspflicht nach § 21 Abs. 1 der Verbandssatzung vom 24. April
1996 ist aber mit der - wirksamen - Aufgabe des Eigentums an den Grundstü-
cken beendet worden; einer Aufhebung der Mitgliedschaft bedurfte es nicht.
1. Zur Leistung eines Verbandsbeitrags sind - abgesehen vom hier nicht ein-
schlägigen Sonderfall des Nutznießers nach § 28 Abs. 3 des Gesetzes über
Wasser- und Bodenverbände (Wasserverbandsgesetz - WVG -) vom 12. Feb-
ruar 1991 (BGBl I S. 405) - nach § 28 Abs. 1 WVG allein Verbandsmitglieder
verpflichtet. Gemäß § 22 Satz 1 WVG sind Verbandsmitglieder - vorbehaltlich
der Regelungen in den §§ 23 und 24 WVG - die Beteiligten, die der Errichtung
des Verbands zugestimmt haben oder die zur Mitgliedschaft herangezogen
worden sind, sowie deren jeweilige Rechtsnachfolger.
Bei der Bestimmung des Kreises der Verbandsmitglieder geht das Gesetz
demnach zunächst von der nunmehr in §§ 7 ff. WVG geregelten Errichtung des
Verbands aus und benennt die zu diesem Zeitpunkt gegebenen („originären“)
Mitglieder. Das sind alle von der Aufsichtsbehörde nach § 13 Abs. 1 Satz 1
WVG festgestellten Beteiligten im Sinne von § 8 WVG, die sich entweder freiwil-
lig dem Verband angeschlossen haben oder - bei fehlender Zustimmung -
gegen ihren Willen herangezogen worden sind. Abgeleitet von einer solchen
originären Mitgliedschaft ist die anschließend erwähnte Mitgliedschaft des je-
weiligen Rechtsnachfolgers. Weitere Änderungen im Mitgliederbestand im Sin-
ne einer Erweiterung können sich auf der Grundlage des § 23 WVG ergeben.
Danach kann bei Veränderungen der Aufgabenstellung die Mitgliedschaft in
einem bereits bestehenden Verband - wiederum freiwillig oder zwangsweise -
neu begründet werden. Neben diesen Bestimmungen über die Begründung der
Mitgliedschaft eröffnet § 24 WVG schließlich bei Wegfall des Vorteils die Mög-
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lichkeit einer Aufhebung der Mitgliedschaft, über die der Vorstand nach § 24
Abs. 2 Satz 1 WVG konstitutiv - vorbehaltlich des Widerspruchs der Aufsichts-
behörde - entscheidet.
2. Die in § 24 WVG normierte, auf den Vorteil bezogene Aufhebung der Mit-
gliedschaft ist nicht die einzige Möglichkeit der Beendigung einer einmal be-
gründeten Verbandsmitgliedschaft. Daneben steht deren Erlöschen durch Ver-
lust des Eigentums am Grundstück (vgl. Rapsch, Wasserverbandsrecht, 1993,
Rn. 151). Diese Möglichkeit des Ausscheidens aus dem Verband ist im Gesetz
zwar nicht ausdrücklich geregelt, sie folgt jedoch aus der Rechtsstellung des
„Beteiligten“ im Sinne von § 8 Abs. 1 WVG bzw. des Rechtsnachfolgers.
a) § 8 Abs. 1 WVG verknüpft mit dem Verweis auf „die nach § 4 als Verbands-
mitglieder in Betracht kommenden Personen“ die dort genannten Mitglied-
schaftsvoraussetzungen mit dem verbandlichen Vorteils- bzw. Schädigerprinzip.
§ 4 Abs. 1 WVG beschreibt dabei lediglich generell mögliche Gruppen von Ver-
bandsmitgliedern bzw. Mitgliedschaftstypen, während § 8 Abs. 1 WVG weitere
personenbezogene - materielle - Voraussetzungen der Mitgliedschaft hinzufügt
(vgl. Hasche/Klein, in: Reinhard/Hasche, WVG, Kommentar, 2011, § 8 Rn. 6;
Rapsch, Kommentar zur Wasserverbandverordnung, 1989, § 153 Rn. 1;
Kasten, ZfW 1985, 152 <153 f.>; Löwer, Wasserverbandsrecht, in: Achterberg
u.a. , Besonderes Verwaltungsrecht, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 12
Rn. 67 ff.).
Zu den möglichen Verbandsmitgliedern zählen nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 WVG die
jeweiligen Eigentümer von Grundstücken und Anlagen, jeweilige Erbbauberech-
tigte sowie Inhaber von Bergwerkseigentum. Mit der Bezugnahme auf den „je-
weiligen“ Eigentümer übernimmt das Wasserverbandsgesetz den hergebrach-
ten Grundsatz der verdinglichten oder Realmitgliedschaft, wonach die Mitglied-
schaft im Verband, der nach der ausdrücklichen Klarstellung in § 1 Abs. 1
Halbs. 2 WVG keine Gebietskörperschaft ist, untrennbar mit dem Grundstück
verknüpft ist (BTDrucks 11/6764 S. 24; so bereits § 210 des preußischen Was-
sergesetzes vom 7. April 1913 , hierzu Bochalli, Die Wassergenos-
senschaften nach dem neuen preußischen Wassergesetze, 1913, § 210
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Anm. 1; nachfolgend § 3 Nr. 1 der Ersten Verordnung über Wasser- und Bo-
denverbände vom 3. September
1937 ; hierzu Tönnesmann, Wasserverbandverordnung,
2. Aufl. 1941, § 3 Rn. 2; Kaiser/Linckelmann/Schlegelberger, Wasserverband-
verordnung, 1967, § 3 Rn. 1, sowie Rapsch, Kommentar zur Wasserverband-
verordnung, 1989, § 3 Rn. 1). Sie kann nach Maßgabe des § 4 Abs. 1 Nr. 2 bis
Nr. 5 WVG durch personalkörperschaftliche Elemente ergänzt werden (vgl.
Reinhardt, in: Reinhardt/Hasche, a.a.O, Einleitung Rn. 54). Diese spielen beim
Beklagten nach der satzungsrechtlichen Beschränkung auf dingliche Mitglieder
(§ 2 Abs. 1 Verbandssatzung) allerdings keine Rolle.
b) Die Mitgliedschaft ist insoweit verdinglicht, als sie durch das Eigentum an
einem der beteiligten Grundstücke bedingt (so BTDrucks 11/6764 S. 24) und
hierauf radiziert ist. Dies rechtfertigt sich aus dem Umstand, dass Wasser- und
Bodenverbände ihre Aufgabe für bestimmte Grundstücke auf Dauer zu erfüllen
haben ohne Rücksicht auf die Person des Eigentümers; insoweit wird - untech-
nisch - von der „Mitgliedschaft des Grundstücks“ gesprochen, das vom Eigen-
tümer repräsentiert werde (so etwa Rapsch, Wasserverbandsrecht, Rn. 138;
Bochalli, a.a.O). Aus dieser Abhängigkeit von Eigentümerstellung und Mitglied-
schaft folgt, dass im Falle des Wechsels in der Eigentümerstellung von Geset-
zes wegen zugleich ein Wechsel in der Mitgliedschaft stattfindet. § 22 Satz 1
WVG bringt dies mit der Formulierung, dass Verbandsmitglieder die bei der Er-
richtung vorhandenen Beteiligten (als originäre Mitglieder) „und die jeweiligen
Rechtsnachfolger“ sind, zwar nicht eindeutig zum Ausdruck, weil von diesem
Wortlaut auch eine kumulative Mitgliedschaft gedeckt wäre. Nach einhelliger
- und auch vom Beklagten geteilter - Ansicht liegt dem Gesetz ausweislich von
§ 4 Abs. 1 Nr. 1 WVG jedoch die Vorstellung zugrunde, dass der Rechtsnach-
folger in der Eigentümerstellung auch im Verband an die Stelle seines Rechts-
vorgängers tritt (vgl. Urteil vom 11. Dezember 2003 - BVerwG 7 CN 2.02 -
Buchholz 445.1 Allg. Wasserrecht Nr. 8 Rn. 14 S. 10; sowie Hasche, in:
Reinhardt/Hasche, a.a.O., § 22 Rn. 15).
Die zwingende Verbindung von Eigentum und Mitgliedschaft gilt auch im Falle
der Eigentumsaufgabe; hier endet die Mitgliedschaft im Verband ebenfalls mit
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dem Verlust des Eigentums (vgl. hierzu etwa die ausdrückliche Erwähnung der
„Beendigung“ des Eigentums neben dem Wechsel in der Eigentümerstellung
bei Tönnesmann, a.a.O., sowie bei Rapsch, Kommentar, § 3 Rn. 1; die vor die-
sem Hintergrund missverständlichen Ausführungen in § 14 Rn. 8 a.E. beziehen
sich offensichtlich auf die abweichende Fallgestaltung der wechselnden Ver-
bandsaufgaben, siehe hierzu Feuchthofen, ZfW 1985, 81 <84>; sowie Rapsch,
Wasserverbandsrecht, Rn. 138).
Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, es könne ein „subjektloses“ Grundstück
im Verband nicht geben. Folglich sei es zwingend erforderlich, jedes Grund-
stück einem Verbandsmitglied zuordnen zu können. Der Alteigentümer könne
demnach nur bei einer Rechtsnachfolge aus seinen mitgliedschaftlichen Ver-
pflichtungen entlassen werden. Diese Argumentation überzeugt nicht. Sie will
letztlich aus einer vermeintlichen Mitgliedschaft des Grundstücks Rechtsfolgen
ableiten. Wenn das Prinzip der Realmitgliedschaft auch mit der „Mitgliedschaft
des Grundstücks“ umschrieben wird, ist das aber nicht in einem rechtstechni-
schen, sondern lediglich faktischen Sinne gemeint.
Die Zuordnung des Grundstücks zu einem Eigentümer ist auch für die Funkti-
onsfähigkeit des Verbands nicht zwingend erforderlich. Soweit der Verband zur
Durchführung seiner satzungsmäßigen Aufgaben auf die Nutzung des Grund-
stücks angewiesen ist, steht dem die Herrenlosigkeit nämlich nicht entgegen.
Denn entsprechende Betretungs- und Benutzungsrechte stehen dem Verband
nach § 33 Abs. 1 WVG zu. Diese Rechte beziehen sich auf Grundstücke, die
die dingliche Mitgliedschaft im Verband begründen. Das deckt auch die Fall-
konstellation, dass die dingliche Mitgliedschaft wegen Fehlens eines Eigentü-
mers nicht aktualisiert werden kann. Im Übrigen könnten im Stadium der Her-
renlosigkeit Ansprüche nach § 1004 BGB, die auf die Verbandstätigkeit einwir-
ken, nicht geltend gemacht werden.
3. Das Ziel der Vermeidung der Existenz von Grundstücken, die nur noch po-
tenziell die dingliche Mitgliedschaft im Verband vermitteln, kann schließlich nicht
in der Weise erreicht werden, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit des Eigen-
tumsverzichts, sei es über § 134 BGB, sei es über gesetzliche Grenzen der
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Eigentümerbefugnisse nach § 903 Satz 1 BGB (vgl. BGH, Beschluss vom
10. Mai 2007 - V ZB 6/07 - BGHZ 172, 209 <212, 217 f.> Rn. 8, 23), angenom-
men wird. Ein gesetzliches Verbot der Dereliktion eines Grundstücks kann näm-
lich allein wegen der Auswirkungen auf einen öffentlich-rechtlichen Verband
nicht bejaht werden. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unzuläs-
sigkeit des Verzichts auf einen Miteigentumsanteil bzw. auf das Wohnungsei-
gentum nach dem Wohnungseigentumsgesetz ist nicht übertragbar. In beiden
Fällen ist das Eigentum bereits in seiner rechtlichen Konstruktion durch die
Verbundenheit mit anderen gleichartigen Rechtspositionen gekennzeichnet.
Denn das Miteigentum erschöpft sich - in gleicher Weise wie das Wohnungs-
und Teileigentum - nicht in der sachenrechtlichen Beziehung, sondern hat
zugleich die Beteiligung an einer wechselseitige Rechte und Pflichten begrün-
denden Miteigentümergemeinschaft bzw. Wohnungs- und Teileigentümerge-
meinschaft zum Inhalt. Deren rechtliches Schicksal steht dem Verzicht ent-
gegen; vielmehr ist jeder Teilhaber an diese Gemeinschaft bis zu deren geset-
zeskonformer Aufhebung gebunden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Mai 2007
a.a.O. <214 ff.> Rn. 15 ff. und vom 14. Juni 2007 - V ZB 18/07 - BGHZ 172, 338
<342 ff.> Rn. 10 ff.). Im Fall des Alleineigentums an einem Grundstück, das im
Gebiet eines Wasserverbands belegen ist, geht es demgegenüber um rechtli-
che Bindungen, die lediglich ergänzend an das Eigentum anknüpfen, ohne es in
zivilrechtlicher Hinsicht zu modifizieren.
Auch die Sicherung des Vorrangs der Vorschriften über die Auflösung des Ver-
bandes nach §§ 62 ff. WVG fordert keine Einschränkung der Möglichkeit der
Aufgabe des Eigentums. Denn die Existenz eines Wasser- und Bodenverbands
endet nicht, wenn ein Grundstück, das die dingliche Mitgliedschaft begründet,
keinen Eigentümer mehr hat.
4. Neben der Unzulässigkeit der Dereliktion, die sich aus speziellen gesetzli-
chen Bestimmungen ergeben kann, steht die allgemeine Vorschrift des § 138
Abs. 1 BGB, wonach ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt,
nichtig ist. Deren Voraussetzungen liegen ebenso wenig vor. Ein Verstoß gegen
die guten Sitten - als das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden -
kann sich nicht nur aus dem hier indifferenten Inhalt, sondern auch aus dem
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Gesamtcharakter des Rechtsgeschäfts ergeben, wobei auch Beweggrund und
Zweck des Rechtsgeschäfts einzubeziehen sind (vgl. Staudinger/Sack/
Fischinger <2011> § 138 Rn. 5 f. m.w.N.). Die Sittenwidrigkeit lässt sich ent-
gegen der Ansicht des Beklagten nicht mit dem Hinweis auf die Treuepflicht des
Verbandsmitglieds begründen. Diese bezieht sich jedenfalls in erster Linie auf
das Verhalten innerhalb des bestehenden Mitgliedschaftsverhältnisses. Ein all-
gemeiner Zwang zur Fortführung der Mitgliedschaft ergibt sich daraus nicht.
Das folgt insbesondere nicht aus dem vom Beklagten angeführten Solidarprin-
zip. Denn solidarisch sollen sich die Eigentümer der betroffenen Grundstücke
verhalten. Sie sollen sich insbesondere, wie sich aus dem auf das Aufhebungs-
verlangen bezogenen Ablehnungsgrund der Beseitigung des Vorteils durch
eigene Maßnahmen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 WVG) ergibt, die Vorteile, die sie aus
dem Unternehmen des Verbands erlangen können, nicht unter dessen Umge-
hung selbst beschaffen (vgl. Hasche, in: Reinhardt/ Hasche, a.a.O, § 24
Rn. 11). Dieses Argument geht jedoch ins Leere, wenn der bisherige Eigentü-
mer eine sinnvolle Verwendung für das Grundstück nicht mehr hat und sich die
Frage, wie er sich die für dessen Bewirtschaftung benötigten Vorteile beschafft,
für ihn gar nicht mehr stellt. Die geforderte Solidarität wäre dann nur noch eine
einseitige; dies widerspräche dem Grundsatz gegenseitiger Unterstützung. Un-
ter welchen besonderen Voraussetzungen - ausnahmsweise - von der Sitten-
widrigkeit einer Dereliktion auszugehen wäre - hierzu könnte der Fall zählen,
dass der Eigentümer sich den Lasten einer ordnungsgemäßen Liquidation des
Verbands entziehen will -, kann dahinstehen. Denn für eine solche Ausnahme-
situation, insbesondere wegen einer Schädigungsabsicht, ist hier nach den
Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs, die mit Verfahrensrügen nicht an-
gegriffen worden und folglich nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend sind, nichts
ersichtlich.
5. Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung auf das Interesse des
Verbands bzw. seiner verbleibenden Mitglieder verwiesen hat, die Klägerin
nicht nur an den Unterhaltungslasten, sondern insbesondere auch an in Zukunft
anfallenden Kosten für die Beseitigung der Verbandseinrichtungen zu beteili-
gen, könnte dem etwa durch eine nach Maßgabe haushaltsrechtlicher Bestim-
mungen der Bildung von Rücklagen dienende Zahlungspflicht Rechnung getra-
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gen werden, die im Unterschied zum Verbandsbeitrag vom Fortbestand der Mit-
gliedschaft unabhängig ist. Eine solche Leistungsverpflichtung im Sinne einer
Abstandszahlung (vgl. Hasche, in: Reinhardt/ Hasche, a.a.O, § 24 Rn. 21;
Löwer, a.a.O., Rn. 89) hat der Beklagte mit dem streitigen Beitragsbescheid
aber nicht geltend gemacht. Im Übrigen wäre hierfür eine Rechtsgrundlage
nicht ersichtlich. § 24 Abs. 3 WVG, der die Festsetzung von nachwirkenden
Verpflichtungen ehemaliger Verbandsmitglieder ermöglicht, bezieht sich zum
einen lediglich auf den Fall der Aufhebung der Mitgliedschaft nach § 24 Abs. 1
WVG, zum anderen ermächtigt er nur die Aufsichtsbehörde. Eine Vorschrift, die
wie § 78 Abs. 2 Satz 2 WVVO vom persönlichen Anwendungsbereich auch ein
Ausscheiden infolge des Eigentumsverlusts erfasst (vgl. Rapsch, Kommentar
zur Wasserverbandverordnung, 1989, § 78 Rn. 7), findet sich im Wasserver-
bandsgesetz nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Krauß Dr. von Heimburg Guttenberger
Schipper Brandt
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Sachgebiet:
BVerwGE:
ja
Recht der Wasser- und Bodenverbände
Fachpresse ja
Rechtsquellen:
WVG § 4 Abs. 1, § 8 Abs. 1, §§ 22, 24, 28 Abs. 1
BGB
§§ 134, 138 Abs. 1, § 928
Stichworte:
Wasserverband; Beregnungsverband; Mitgliedschaft, dingliche; Grundstücks-
eigentum; Eigentumswechsel; Eigentumsaufgabe; Sittenwidrigkeit.
Leitsatz:
Die dingliche Mitgliedschaft in einem Wasser- und Bodenverband erlischt mit
dem Verlust des Eigentums; das gilt auch für den Fall der Eigentumsaufgabe.
Urteil des 7. Senats vom 26. April 2012 - BVerwG 7 C 11.11
I. VG Stuttgart
vom 11.03.2009 - Az.: VG 3 K 3163/08 -
II. VGH Mannheim vom 02.02.2011 - Az.: VGH 3 S 958/09 -