Urteil des BVerwG vom 15.02.2006

Grundstück, Verordnung, Miteigentumsanteil, Verwalter

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 8.06
VG 29 A 236.00
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 15. Februar 2006
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht H e r b e r t und N e u m a n n
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom
27. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit
Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen,
die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdever-
fahren auf 500 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Der Kläger begehrt, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass er
Berechtigter hinsichtlich eines Miteigentumsanteils zu 1/2 an einem Grundstück in
Berlin ist und die Herausgabe des hälftigen Erlöses aus der Veräußerung dieses
Grundstücks beanspruchen kann. Der Kläger stützt seinen Anspruch darauf, dass
seine Rechtsvorgänger ihren hälftigen Miteigentumsanteil an dem Grundstück wäh-
rend der Zeit des Nationalsozialismus durch eine Schädigungsmaßnahme im Sinne
des § 1 Abs. 6 VermG verloren hätten. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abge-
wiesen, weil die Rechtsvorgänger des Klägers während der Zeit der NS-Herrschaft
nicht vollständig und endgültig aus ihrem hälftigen Bruchteilseigentum an dem strei-
tigen Grundstück verdrängt worden seien. Das Verwaltungsgericht hat die Revision
gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klä-
gers.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Verfahrensfeh-
ler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen nicht vor.
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1. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das Verwal-
tungsgericht den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 VwGO verletzt hat.
Der Kläger erhebt diesen Vorwurf insoweit, als das Verwaltungsgericht
eine faktische Enteignung seiner Rechtsvorgänger auch für den Fall verneint hat,
dass der hälftige Miteigentumsanteil an dem Grundstück nach der Verordnung über
die Behandlung feindlichen Vermögens vom 15. Januar 1940 (RGBl I S. 191) staat-
lich verwaltet worden ist. Das Verwaltungsgericht geht insoweit von der Rechtspre-
chung des Bundesverwaltungsgerichts aus, nach der die Anordnung der staatlichen
Verwaltung jüdischen Vermögens auf Grund dieser Verordnung nicht als ein Vermö-
gensverlust auf andere Weise im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG anzusehen ist (Urteil
vom 2. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 46.98 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG
Nr. 5). Ein solcher Vermögensverlust lag in diesen Fällen nur und erst dann vor,
wenn der staatliche Verwalter über das Vermögen verfügte oder wenn gegen den
Eigentümer unabhängig von der Feindvermögensverwaltung andere auf die Vernich-
tung seines Eigentums gerichtete Verfolgungsmaßnahmen ergriffen wurden. In tat-
sächlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht hierzu festgestellt, dass der staatliche
Verwalter allenfalls den Verkauf des Grundstücks an einen Dritten beabsichtigt und
das Grundstück zu diesem Zweck vorgehalten hatte, die beabsichtigte Veräußerung
aber an einer fehlenden Einigung über den Kaufpreis gescheitert ist.
Diese tatsächliche Feststellung greift der Kläger nicht an. Er wendet sich
lediglich gegen die rechtliche Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass eine
bloße Verkaufsabsicht und die Vorhaltung des Grundstücks zu diesem Zweck nicht
geeignet sind, die dargestellten Voraussetzungen eines Vermögensverlustes auf an-
dere Weise auszufüllen. Der Überzeugungsgrundsatz ist aber nicht dann verletzt,
wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht rechtlich fehlerhafte Bewertung der festge-
stellten Tatsachen rügt, aus denen er andere rechtliche Schlüsse ziehen will als das
Gericht. Denn damit wird nur ein angeblicher Fehler bei der Anwendung materiellen
Rechts angesprochen. Ein Verfahrensfehler kann auf diese Weise nicht begründet
werden.
2. Das angefochtene Urteil ist entgegen der Behauptung des Klägers im
Verständnis von § 138 Nr. 6 VwGO mit Gründen versehen.
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Ein Urteil ist auch dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht
zwar Entscheidungsgründe niedergeschrieben hat, die niedergeschriebenen Gründe
aber so unbrauchbar sind, dass sie zur Rechtfertigung des Urteilstenors ungeeignet
sind. In diesem Sinne schon formell ungeeignet sind die Entscheidungsgründe, wenn
das Gericht lediglich inhaltslose oder unverständliche Wendungen niedergeschrieben
hat, die nicht erkennen lassen, von welchen Erwägungen das Gericht ausgeht, oder
wenn die Begründung keinen Bezug zu dem zu entscheidenden Fall aufweist und in
diesem Sinne nicht nachvollziehbar ist.
Von derartigen Mängeln kann hier keine Rede sein. Das Verwaltungsge-
richt hat dargelegt, warum es die in der Rechtsprechung aufgestellten Vorausset-
zungen einer faktischen Enteignung auf der Grundlage des festgestellten Sachver-
halts nicht für erfüllt ansieht. Wenn das Verwaltungsgericht eine gescheiterte Ver-
kaufsabsicht nicht mit einer Veräußerung des Grundstücks oder einer dieser ver-
gleichbaren Vernichtung der Rechtsposition des Eigentümers gleichstellen will, ist
dies auch ohne weitere Ausführungen aus sich heraus nachvollziehbar und genügt
den formellen Anforderungen an eine Urteilsbegründung.
3. Weil die Rügen des Klägers gegen diesen selbstständig tragenden
Teil der Urteilsbegründung nicht durchgreifen, kann offen bleiben, ob der Kläger be-
gründete Verfahrensrügen vorgebracht hat, soweit das Verwaltungsgericht ange-
nommen hat, der Miteigentumsanteil an dem Grundstück habe schon keiner staatli-
chen Verwaltung nach der Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens
unterlegen.
Im Übrigen ist auch insoweit ein Verfahrensmangel nicht erkennbar.
Namentlich hat das Verwaltungsgericht nicht seine Pflicht zur Aufklärung des Sach-
verhalts aus § 86 Abs. 1 VwGO verletzt.
Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Unterlagen ver-
fälscht oder nicht echt seien, welche die Kläger vorgelegt hatten und aus denen sich
ergeben sollte, dass das streitige Grundstück nach der Feindvermögensverordnung
verwaltet werde. Das Verwaltungsgericht hat sich für diese Annahme auf eine Stel-
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lungnahme des Bundesarchivs bezogen, die nach der ersten mündlichen Verhand-
lung vom 7. April 2005 zu den Akten gereicht worden ist. Der Kläger hat in der ab-
schließenden mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2005 keinen Beweisantrag
dahin gestellt, die Echtheit der von ihm eingereichten Unterlagen weiter zu untersu-
chen. Er hat in seiner Beschwerde nicht dargelegt, dass und aus welchen Gründen
sich dem Verwaltungsgericht angesichts der vorliegenden Stellungnahme des Bun-
desarchivs eine weitere Untersuchung von Amts wegen hätte aufdrängen müssen.
Entgegen der Darstellung des Klägers hat das Verwaltungsgericht nicht bloße Zwei-
fel an der Echtheit der Unterlagen geäußert, die das Verwaltungsgericht selbst schon
zu weiterer Klärung hätten veranlassen müssen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1
und Abs. 4 GKG.
Sailer
Herbert
Neumann