Urteil des BVerwG vom 31.03.2015

Bebauungsplan, Ausnahme, Bekanntmachung, Landwirtschaft

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 29.14
OVG 8 A 3002/11
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 31. März 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Nolte
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Brandt
beschlossen:
Die Beschwerde der Beigeladenen gegen die Nichtzulas-
sung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsge-
richts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. Mai 2014
wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfah-
rens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Der Kläger wendet sich gegen zwei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen
erteilte immissionsschutzrechtliche Änderungsgenehmigungen des Beklagten;
diese betreibt eine Anlage zur Aufbereitung und zeitweiligen Lagerung von
Aluminiumschrott.
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Das Verwaltungsgericht hat der Klage stattgegeben und die Änderungsgeneh-
migungen aufgehoben.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufungen des Beklagten und der Beige-
ladenen zurückgewiesen. Die erste Änderungsgenehmigung verstoße zum
Nachteil des Klägers gegen Bauplanungsrecht.
Das Vorhaben widerspreche den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 408
der Stadt D. Die Anlage in ihrer geänderten Gestalt sei gemäß § 30 Abs. 1
BauGB in Verbindung mit den Festsetzungen des Bebauungsplans in dessen
Zonen 1 und 2 nicht zulässig. Der Bebauungsplan habe insoweit von der Mög-
lichkeit des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO Gebrauch gemacht und das dorti-
ge Industrie- und Gewerbegebiet unter Bezugnahme auf einen Runderlass des
Ministers für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-
Westfalen vom 21. März 1990 in Zonen gegliedert; die Anlage sei als "Schrott-
platz" im Sinne von Nr. 146 der im Runderlass enthaltenen Abstandsliste am
gegebenen Standort unzulässig.
Eine Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans sei nicht recht-
mäßig erteilt worden. Es fehle bereits an der erforderlichen Ermessensent-
scheidung. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für die Erteilung auf der
Grundlage der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans nicht vor. Danach
seien zwar ausnahmsweise atypische Anlagen und Betriebe des nächstgröße-
ren Abstands der Abstandsliste zuzulassen. Auch möge einiges dafür sprechen,
dass die Anlage der Beigeladenen wegen ihrer Einhausung atypisch sei. Die
textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ließen aber auch bei atypischen
Anlagen nur eine Ausnahme hinsichtlich von Anlagen des nächstgrößeren Ab-
stands der Abstandsliste zu. Darum gehe es hier aber nicht.
Die zweite Änderungsgenehmigung sei akzessorisch zur ersten und könne oh-
ne diese keinen eigenständigen rechtlichen Bestand haben.
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II
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche
Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem ange-
strebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklär-
ten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall
hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137
Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage,
ob eine Anlage, die aufgrund ihrer Beschaffenheit als aty-
pisch anzusehen ist, überhaupt einem der Anlagentypen
zugeordnet werden kann, welche ein Bebauungsplan auf
der Grundlage des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO nach
der Art der Betriebe und Anlagen und damit im Sinne einer
typisierenden Betrachtung als unzulässig festsetzt.
Diese Frage lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwor-
ten.
Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO (Baunutzungsverordnung i.d.F. der
Bekanntmachung vom 23. Januar 1990 zuletzt geändert durch
Art. 2 des Gesetzes vom 11. Juni 2013 ) können im Bebau-
ungsplan für bestimmte Baugebiete Festsetzungen getroffen werden, die das
Baugebiet unter anderem nach der Art der Betriebe und Anlagen gliedern. Ent-
hält ein Bebauungsplan eine derartige Gliederung, ist zu prüfen, ob ein Vorha-
ben den entsprechenden Festsetzungen des Bebauungsplans nicht wider-
spricht (§ 30 Abs. 1 BauGB - Baugesetzbuch i.d.F. der Bekanntmachung vom
23. September 2004 , zuletzt geändert durch Art. 1 des Ge-
setzes vom 20. November 2014 ). Widerspricht danach ein
Vorhaben diesen Festsetzungen, können von den Festsetzungen solche Aus-
nahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang
ausdrücklich vorgesehen sind (§ 31 Abs. 1 BauGB).
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Aus § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO ergibt sich nicht, dass derartige Festset-
zungen in einem Bebauungsplan allgemein nicht für atypische Betriebe und
Anlagen gelten; es stellt keinen Widerspruch dar, Betrieben oder Anlagen die in
der planerischen Festsetzung vorausgesetzten artspezifischen Merkmale zuzu-
erkennen und sie dennoch aufgrund von Besonderheiten als atypisch zu bewer-
ten. Das Oberverwaltungsgericht hat sich deshalb zu Recht mit der Frage der
Atypik von Anlagen allein bei der Prüfung der Frage befasst, ob die Vorausset-
zungen einer Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans gemäß §
31 Abs. 1 BauGB vorliegen. Dabei ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass eine
Ausnahme von den Festsetzungen des Bebauungsplans hier auch dann nicht
möglich ist, wenn man die Anlage als atypisch bewertet. Dies hat es in Ausle-
gung des Bebauungsplans - unter Berücksichtigung des Abstandserlasses des
Landes Nordrhein-Westfalen, auf den dieser zurückgeht - begründet. Es ist so-
mit zu seinem Ergebnis in Auslegung irrevisiblen Landesrechts gelangt. Eine
Frage zur Auslegung und Anwendung von Bundesrecht ist von der Beschwerde
in diesem Zusammenhang nicht - auch nicht sinngemäß - gestellt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und 3 VwGO. Die Streitwert-
festsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Nolte
Krauß
Brandt
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