Urteil des BVerwG vom 29.09.2015

Verwertung, Einheit, Abfall, Avv

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 20.15
OVG 8 A 11003/14.OVG
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. September 2015
durch die Richterinnen am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp und Schipper
und den Richter am Bundesverwaltungsgericht Brandt
beschlossen:
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung
vom 11. März 2015 ergangenen Urteil des Oberverwal-
tungsgerichts Rheinland-Pfalz wird verworfen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
I
Die Klägerin betreibt in Trier ein Verbundkrankenhaus mit zwei Standorten und
insgesamt ca. 365 Betten. Sie wendet sich gegen die Anordnung des Beklag-
ten, die bei ihr anfallenden gemischten Siedlungs- und Krankenhausabfälle dem
öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zu überlassen.
Das Abfallgemisch besteht zu 80 % aus Krankenhausabfällen (18 01 04 AVV)
und im Übrigen aus Restabfall (20 03 01 AVV); die Fraktionen Glas, Papier,
Pappe, Karton, Plastik/PE-Folien, Leichtverpackungen (gelber Sack) und im
Bereich der Kantine/Cafeteria die biologisch abbaubaren Küchen- und Kanti-
nenabfälle sowie Speiseöle und -fette werden getrennt erfasst. Die vermischten
Siedlungs- und Krankenhausabfälle werden an beiden Standorten mittels Be-
hälterpresse gesammelt und im Müllheizkraftwerk Mainz (MHKW) verbrannt.
Das MHKW erreicht einen Effizienzfaktor von 0,87 im Sinne der amtlichen An-
merkung zum Verwertungsverfahren R 1 der Anlage 2 zum Kreislaufwirtschafts-
gesetz (KrWG).
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Das Verwaltungsgericht wies die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren er-
hobene Klage ab. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungs-
gerichts geändert und Ausgangs- und Widerspruchsbescheid aufgehoben: Die
Klägerin unterliege keiner Anschlusspflicht nach § 17 Abs. 1 Satz 2 KrWG. Es
bestehe zwar die Vermutung, dass es sich bei dem Gemisch aus Siedlungs-
und Krankenhausabfällen um Abfall zur Beseitigung handele, der unter Verstoß
gegen das Trennungsgebot des § 7 GewAbfV entstanden sei. Die Klägerin
habe diese Vermutung aber widerlegt, indem sie nachgewiesen habe, dass das
Abfallgemisch energetisch verwertet werden dürfe und im MHKW auch verwer-
tet werde. Zwar dürften bestimmte biologisch abbaubare Abfälle wegen ihres
hohen Wassergehalts nach § 6 Satz 1 Nr. 4 GewAbfV ohne Vorbehandlung
nicht thermisch verwertet werden. Das Abfallgemisch enthalte aber keine rele-
vante Menge solcher Abfälle.
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelas-
sen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten.
II
Die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechts-
sache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unzulässig.
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie
eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen
Rechts aufwirft, die im Interesse der Einheit und Fortbildung des Rechts revisi-
onsgerichtlicher Klärung bedarf. Das Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3
Satz 3 VwGO setzt insoweit die Formulierung einer bestimmten, höchstrichter-
lich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechts-
frage des revisiblen Rechts und außerdem die Angabe voraus, worin die allge-
meine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll. Die Be-
gründungspflicht verlangt, dass sich die Beschwerde mit den Erwägungen des
angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage von angeblich
grundsätzlicher Bedeutung bezieht, substanziiert auseinandersetzt. Soweit sich
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die Vorinstanz mit der Frage beschäftigt hat, gehört zu der erforderlichen
Durchdringung des Prozessstoffs die Erörterung sämtlicher Gesichtspunkte, die
im Einzelfall für die Zulassung der Revision Bedeutung haben (BVerwG, Be-
schluss vom 30. Januar 2014 - 5 B 44.13 - juris Rn. 2). Diesen Anforderungen
wird die Beschwerdebegründung vom 1. Juni 2015 nicht gerecht; der nachge-
reichte Schriftsatz vom 5. August 2015 kann insoweit nicht berücksichtigt wer-
den, weil er erst nach Ablauf der Begründungfrist des § 133 Abs. 3 Satz 1
VwGO eingegangen ist.
Unter Rn. 2 (und - geringfügig anders formuliert - unter Rn. 6) der Beschwer-
debegründung wird zwar die Frage als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig
aufgeworfen,
ob sich das Getrennthaltungsgebot des § 6 Satz 1 Nr. 4
GewAbfV generell auf biologisch abbaubare Abfälle - mit
Ausnahme von Fehlwürfen - bezieht, oder ob eine Vermi-
schung von gewerblichen Siedlungsabfällen mit biologisch
abbaubaren Abfällen nur dann zum Verbot thermischer
Verwertung führt, wenn die biologisch abbaubaren Abfälle
aus dem Bereich von Küchen, Kantinen, Gärten, Parks
oder Märkten angefallen sind.
Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung dieser Frage beschränkt sich die
Beschwerde aber auf den Hinweis, dass die Vorinstanzen diese Frage unter-
schiedlich beantwortet hätten, das Getrennthaltungsgebot des § 6 Satz 1 Nr. 4
GewAbfV bis zur Novellierung der Abfallrahmenrichtlinie im Jahre 2008 und der
dadurch bedingten Verschiebung des Marktes für die thermische Behandlung
zugunsten der Abfälle zur Verwertung in der Praxis keine Rolle gespielt habe
und im Revisionsverfahren Rechtssicherheit für eine Vielzahl von Sachverhal-
ten geschaffen werden könne, die aufgrund der Änderung der Marktverhältnisse
zu erwarten seien. Das genügt den Darlegungsanforderungen nicht.
Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung in der gebotenen Weise
aufzeigt, warum die o.g. Rechtsfrage über den vorliegenden Einzelfall hinaus
für die Einheit oder Weiterentwicklung des Rechts relevant ist.
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Denn jedenfalls fehlt es an der erforderlichen inhaltlichen Auseinandersetzung
mit der angegriffenen Entscheidung. Das Oberverwaltungsgericht hat auf den
Wortlaut des § 6 Satz 1 Nr. 4 GewAbfV sowie den Sinn und Zweck dieser Vor-
schrift abgestellt und sich auf die Begründung zur Gewerbeabfallverordnung
(BR-Drs. 278/02), ein Urteil des Senats vom 17. Februar 2005 - 7 C 25.03 -
(BVerwGE 123, 1) und ein Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom
13. Februar 2003 - C-458/00 [ECLI:EU:C:2003:94] - gestützt. Mit alledem setzt
sich die Beschwerdebegründung nicht auseinander. Sie enthält auch keine
Hinweise auf die in der Rechtsprechung und im Schrifttum zu den Folgen etwa-
iger Verstöße gegen Getrennthaltungspflichten für die Zulässigkeit des Entsor-
gungswegs vertretenen Rechtsauffassungen.
Zu der unter Rn. 7 der Beschwerdebegründung angesprochenen Frage, ob § 6
Satz 2 GewAbfV keine Bedeutung hat, wenn der beigemischte biologisch ab-
baubare Abfall nicht aus Küchen, Kantinen, Gärten, Parks oder von Märkten
stammt, oder es eine quantitativ zu ziehende Grenze gibt, bei deren Über-
schreiten organisatorische Maßnahmen im Sinne der Vorschrift zu ergreifen
sind, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 5. August 2015 (Rn. 5) klargestellt,
dass damit keine weitere Grundsatzfrage aufgeworfen werden sollte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestset-
zung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Dr. Philipp Schipper Brandt
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