Urteil des BVerwG vom 01.11.2004

Miteigentumsanteil, DDR, Entschädigung, Vertragsabschluss

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 7 B 142.04
VG 31 A 12.04
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. November 2004
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht S a i l e r
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht K l e y und H e r b e r t
beschlossen:
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Juli
2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Be-
schwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kos-
ten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 80 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die Kläger machen vermögensrechtliche Ansprüche in Bezug auf ein Grundstück
geltend, an dem ihre Rechtsvorgängerin einen Miteigentumsanteil hielt, bis es auf der
Grundlage des Aufbaugesetzes in Anspruch genommen wurde. Im Rahmen der
Verhandlungen der Republik Österreich mit der DDR über die Regelung offener
vermögensrechtlicher Fragen reichte die österreichische Seite eine den Miteigen-
tumsanteil betreffende Anmeldung der Rechtsvorgängerin der Kläger ein. Das Ver-
waltungsgericht hat die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage ab-
gewiesen, weil der Miteigentumsanteil wirksam in das Entschädigungsabkommen
DDR/Österreich vom 21. August 1987 einbezogen worden sei. Das Verwaltungsge-
richt hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete,
auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO)
gestützte Beschwerde der Kläger hat keinen Erfolg.
Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob ein zwischenstaatliches Entschä-
digungsabkommen von der einen Vertragspartei in einem Sinn ausgelegt werden
dürfe, der einen nachhaltigen Verstoß gegen die Verfassung der anderen Vertrags-
partei bewirke, würde in einem Revisionsverfahren nicht zu beantworten sein. Die
Beschwerde sieht den Verfassungsverstoß darin, dass Österreich nach dem Urteil
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des Österreichischen Verfassungsgerichtshofs vom 25. Juni 1992 (RGV, B VI 4) in
dem Entschädigungsabkommen nicht namens seiner Staatsbürger auf deren An-
sprüche verzichtet habe, während die deutsche Seite von einem solchen Verzicht
ausgehe. Auf diese Streitfrage würde es in einem Revisionsverfahren nicht ankom-
men, weil der Restitutionsausschluss gemäß § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG nur vor-
aussetzt, dass der betroffene Vermögensgegenstand in das Entschädigungsab-
kommen wirksam einbezogen worden ist (Urteil vom 31. Juli 1997 - BVerwG 7 C
43.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 115). Ob individuelle Ansprüche, die Gegen-
stand des Entschädigungsabkommens waren, erloschen sind oder als erloschen
gelten, ist hiernach ebenso unerheblich wie die Frage, ob die österreichische Seite
durch den Vertragsabschluss auf die betroffenen Ansprüche ihrer Staatsbürger ver-
zichtet hat.
Auch die Fragen, ob aus der Vorschrift des § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG abgeleitet
werden könne, dass sie Ansprüche nach dem Vermögensgesetz allein deshalb aus-
schließe, weil wegen desselben Vermögensverlusts bereits Entschädigung gewährt
worden sei oder von dem Betroffenen hätte beansprucht werden können, rechtferti-
gen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Das folgt
schon daraus, dass das Verwaltungsgericht die Erwägung, auf die diese Fragen zie-
len, nur hilfsweise, nämlich für den Fall angestellt hat, dass der entscheidungs-
tragenden Hauptbegründung nicht zu folgen sein sollte. Die Hauptbegründung, mit
der das Verwaltungsgericht einen vorsorglich gestellten Beweisantrag der Kläger zur
Auslegung des Entschädigungsabkommens und zum vertraglichen Erklärungswillen
der österreichischen Bundesregierung abgelehnt hat, besteht darin, dass die Ver-
tragsauslegung eine dem Beweis nicht zugängliche Rechtsfrage und der Erklärungs-
wille durch ein Schreiben des österreichischen Bundeskanzlers vom 19. März 1999
geklärt sei. Da die Beschwerde in Bezug auf die Hauptbegründung keinen Zulas-
sungsgrund geltend gemacht hat, könnte die Revision selbst dann nicht zugelassen
werden, wenn die gegen die Hilfsbegründung erhobene Grundsatzrüge erfolgreich
wäre (Beschluss vom 9. März 1982 - BVerwG 7 B 40.82 - Buchholz 310 § 132 VwGO
Nr. 209).
Davon abgesehen ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt,
dass es Zweck des Ausschlusstatbestands des § 1 Abs. 8 Buchst. b VermG ist, ei-
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nen nochmaligen Ausgleich von Vermögensschädigungen zu vermeiden, die der
DDR zuzurechnen und bereits durch Gewährung einer Entschädigung ausgeglichen
sind (Urteil vom 28. September 1995 - 7 C 50.94 - BVerwGE 99, 276 <181>; Urteil
vom 31. Juli 1997 a.a.O). Eine sachwidrige Ungleichbehandlung verbindet sich damit
entgegen der Annahme der Beschwerde schon deshalb nicht, weil Entschädigungs-
abkommen völkerrechtliche Bindungen entfalten, die eine nachträgliche Rückabwick-
lung der durch die Vertragspartner ausgezahlten Entschädigungen nicht ohne weite-
res zulassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 und § 162 Abs. 3
VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m.
§ 52 Abs. 1 und § 72 Nr. 1 GKG n.F.
Sailer
Kley
Herbert