Urteil des BVerwG vom 25.02.2014

Hundezucht, Einfluss, Kritik, Konkretisierung

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 2.14
OVG 1 LB 233/07
In der Verwaltungsstreitsache
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hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 25. Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gatz und Dr. Külpmann
beschlossen:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Ober-
verwaltungsgerichts vom 10. September 2013 wird zu-
rückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht er-
stattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Be-
schwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Das Beru-
fungsurteil weicht nicht von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts
ab.
Der Kläger rügt, dass das Oberverwaltungsgericht die Frage, ob von der Hun-
dezucht des Beigeladenen schädliche Umwelteinwirkungen durch Lärm ausge-
hen, ausschließlich anhand der Regeln der Technischen Anleitung zum Schutz
gegen Lärm (TA Lärm) vom 26. August 1998 (GMBl S. 503) beantwortet und
auf eine einzelfallbezogene Markierung der Schädlichkeitsgrenze aufgrund ei-
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ner eigenen Würdigung verzichtet habe. Der rechtliche Ansatz des Oberverwal-
tungsgerichts stehe im Widerspruch zu den Entscheidungen des Bundesverwal-
tungsgerichts vom 29. April 1988 - BVerwG 7 C 33.87 - (BVerwGE 79, 254
= Buchholz 406.25 § 22 BImSchG Nr. 5), vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C
77.87 - (BVerwGE 81, 197 = Buchholz 406.25 § 22 BImSchG Nr. 6), vom
20. Oktober 1989 - BVerwG 4 C 12.87 - (BVerwGE 84, 31 = Buchholz 407.4
§ 18c FStrG Nr. 2) und vom 19. Februar 2013 - BVerwG 7 B 38.12 - (juris), aus
denen sich ergebe, dass auch vom Tatrichter zu wertende Elemente wie bei-
spielsweise Herkömmlichkeit, Sozialadäquanz und allgemeine Akzeptanz der
Geräuschquelle mitbestimmend seien.
Die vom Kläger geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor. Nach der Recht-
sprechung des Senats kommt der TA Lärm eine im gerichtlichen Verfahren zu
beachtende Bindungswirkung zu, soweit sie für Geräusche den unbestimmten
Rechtsbegriff der schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des § 35 Abs. 3
Satz 1 Nr. 3 BauGB, § 3 Abs. 1 BImSchG konkretisiert (Urteile vom 29. August
2007 - BVerwG 4 C 2.07 - BVerwGE 129, 209 Rn. 12 und vom 29. November
2012 - BVerwG 4 C 8.11 - BVerwGE 145, 145 Rn. 18 sowie Beschluss vom
8. Januar 2013 - BVerwG 4 B 23.12 - BauR 2013, 739 Rn. 5). Die normative
Konkretisierung des gesetzlichen Maßstabs für die Schädlichkeit von Geräu-
schen ist insoweit abschließend, als sie bestimmte Gebietsarten und Tageszei-
ten entsprechend ihrer Schutzbedürftigkeit bestimmten Immissionsrichtwerten
zuordnet und das Verfahren der Ermittlung und Beurteilung der Geräuschim-
missionen vorschreibt. Für eine einzelfallbezogene Beurteilung der Schädlich-
keitsgrenze aufgrund tatrichterlicher Würdigung lässt das normkonkretisierende
Regelungskonzept nur insoweit Raum, als die TA Lärm insbesondere durch
Kann-Vorschriften und Bewertungsspannen Spielräume eröffnet.
Das Oberverwaltungsgericht hat nicht angenommen, dass eine einzelfallbezo-
gene Beurteilung der Schädlichkeitsgrenze von vornherein unzulässig sei, und
deshalb keinen Rechtssatz aufgestellt, der einem Rechtssatz des Bundesver-
waltungsgerichts widerspricht. Es hat auf Nr. 3.2.2 der TA Lärm hingewiesen
(UA S. 10), die vorsieht, dass bei Vorliegen besonderer Umstände des Einzel-
falls, die bei der Regelfallprüfung nach Nr. 3.2.1 der TA Lärm keine Berücksich-
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tigung finden, nach Art und Gewicht jedoch wesentlichen Einfluss auf die Be-
urteilung haben können, ob die Anlage zum Entstehen schädlicher Umweltein-
wirkungen relevant beiträgt, ergänzend zu prüfen ist, ob sich unter Berücksich-
tigung dieser Umstände des Einzelfalls eine vom Ergebnis der Regelfallprüfung
abweichende Beurteilung ergibt. Das Oberverwaltungsgericht hat angenom-
men, dass eine Hundezucht Lärmauswirkungen mit sich bringt, die einer be-
sonderen Prüfung zu unterwerfen sind. Seine tatrichterliche Würdigung, dass
mit den - zahlreichen - Zuschlägen u.a. für Impulshaltigkeit und Informationshal-
tigkeit der Geräusche die besondere Lästigkeit von Hundegebell zureichend
erfasst wird, kann mit der Divergenzrüge nicht angegriffen werden.
2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Die
Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
Der Kläger wirft - im Kern - die Frage auf, ob zur Klärung des Umfangs der
Umwelteinwirkungen durch Geräusche, die eine Hundezucht im Außenbereich
hervorruft, eine Regelfallprüfung ausreicht oder eine ergänzende Prüfung we-
gen eines Sonderfalls erforderlich ist, in die u.a. die Aspekte Herkömmlichkeit,
Sozialadäquanz und eine Vielzahl weiterer Parameter einzubeziehen sind. Die
Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Zum einen ist die Würdigung, ob
eine ergänzende Prüfung nach Nr. 3.2.2 der TA Lärm durchzuführen ist, eine
Aufgabe der Tatsachengerichte (vgl. Urteil vom 29. August 2007 a.a.O. Rn. 31
zur Vergabe eines Impulszuschlags). Zum anderen hat das Oberverwaltungs-
gericht die Frage dergestalt im Sinne des Klägers zu Gunsten einer Sonderfall-
prüfung beantwortet, dass es der besonderen Lästigkeit von Hundegebell durch
Zuschläge nach Nr. 3.2.2 der TA Lärm Rechnung getragen hat (UA S. 10).
Dass diese Prüfung nicht zu dem Ergebnis geführt hat, das der Kläger für richtig
hält, ist ohne Belang. Mit einer Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltswür-
digung und Rechtsanwendung lässt sich die grundsätzliche Bedeutung einer
Rechtssache nicht aufzeigen.
3. Die Revision ist schließlich nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen eines
Verfahrensmangels zuzulassen. Der Kläger legt nicht den Anforderungen des
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§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dar, dass das Oberverwaltungsgericht
seine Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) verletzt hat.
Eine Aufklärungsrüge kann nur Erfolg haben, wenn substantiiert dargetan wird,
hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat,
welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür
in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der
Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen
worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Kläger
günstigeren Entscheidung hätte führen können (Beschluss vom 19. August
1997 - BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328; stRspr). Diesen Anforderungen
genügt der Kläger nicht. Er legt nicht dar, anhand welcher Erkenntnismittel das
Oberverwaltungsgericht den Wahrheitsgehalt der Tatsachenbehauptungen des
Beigeladenen zum bisherigen Kapitaleinsatz und den künftigen Gewinnerwar-
tungen seines Hundezuchtbetriebs einer Prüfung hätte unterziehen können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die
Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Dr. Gatz
Dr. Külpmann
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