Urteil des BVerwG vom 14.05.2009

Neue Anlage, Dachgeschoss, Beweismittel, Augenschein

BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 4 B 2.09
OVG 7 A 696/07
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 14. Mai 2009
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Rubel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Gatz und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Bumke
beschlossen:
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Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung
der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2008
wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 € fest-
gesetzt.
G r ü n d e :
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Er-
folg.
1. Mit der - sinngemäßen - Frage, unter welchen Voraussetzungen ein behörd-
liches Schreiben als Verwaltungsakt gemäß § 35 VwVfG anzusehen ist (Be-
schwerdebegründung S. 4 - 9), wendet sich die Klägerin ungeachtet der allge-
mein gehaltenen Formulierung gegen die Auffassung des Berufungsgerichts,
der Beklagte habe mit dem Schreiben vom 16. Juli 2002 keine Stilllegung oder
Untersagung der Bauarbeiten ausgesprochen, sondern lediglich auf die Rechts-
lage hingewiesen, die sich ohne Umsetzungsakt aus § 77 Abs. 1 BauO NRW
ergebe (UA S. 18). Rechtsfragen zu § 35 Satz 1 VwVfG, insbesondere zu dem
Tatbestandsmerkmal der Regelung, die allgemeiner, fallübergreifender Klärung
bedürften, wirft sie indes nicht auf, sondern beschränkt sich auf ein einzelfall-
bezogene Kritik an der vorinstanzlichen Auslegung des umstrittenen Schrei-
bens. Damit ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt.
2. Die weitere Grundsatzrüge, mit der die Klägerin unter Berufung auf den bun-
desrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine „grundsätzliche Klarstel-
lung der Notwendigkeit einer Anhörung“ vor Erlass einer Baustilllegungsverfü-
gung fordert (Beschwerdebegründung S. 9 - 11), führt ebenfalls nicht zur Zu-
lassung der Revision. Die von der Klägerin angegriffene Stilllegung erfolgte
durch unmittelbaren Zwang in Form der Versiegelung auf der Grundlage des
landesrechtlichen Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (UA S. 10). Dessen Vor-
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schriften sind irrevisibel (§ 173 VwGO i.V.m. § 560 ZPO). Irrevisibel ist damit
auch der bei ihrer Anwendung zu beachtende Grundsatz der Verhältnismäßig-
keit. Dass sich der im Landesrecht Geltung beanspruchende Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Verhältnismä-
ßigkeit deckt, ändert daran nichts. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, dass die bloße Übereinstimmung einer Vorschrift
oder eines Grundsatzes des irrevisiblen Rechts mit einer Vorschrift oder einem
Grundsatz des revisiblen Rechts nicht zur Revisibilität führt (vgl. Beschluss vom
22. März 1991 - BVerwG 7 B 30.91 - NVwZ 1991, 681).
3. Die Verfahrensrügen, die die Klägerin mit der Notwendigkeit einer umfas-
senden Sachverhaltsaufklärung durch externen Sachverstand, unzureichender
Sachverhaltskenntnis und mangelnder Sachkunde des Berufungsgerichts be-
gründet, bleiben ebenfalls erfolglos.
Die behaupteten Aufklärungsmängel hat die Beschwerde nicht hinreichend ge-
mäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet. Hierfür hätte sie substantiiert dar-
legen müssen, hinsichtlich welcher tatsächlicher Umstände Aufklärungsbedarf
bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungs-
maßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen
Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung
voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt
werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in
der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung,
deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich
dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken
von sich aus hätten aufdrängen müssen (Beschluss vom 19. August 1997
- BVerwG 7 B 261.97 - NJW 1997, 3328). Denn die Aufklärungsrüge stellt kein
Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsachenin-
stanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kom-
pensieren. Lediglich schriftsätzlich angekündigte Beweisanträge genügen den
letztgenannten Anforderungen nicht. Die von der Klägerin genannten schrift-
sätzlichen Hinweise auf entsprechende Sachverständigengutachten als Be-
weismittel (Beschwerdebegründung S. 18) sind lediglich Beweisangebote. Auch
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soweit die Klägerin rügt, beim Ortstermin sei das Dachgeschoss nicht besichtigt
worden (Beschwerdebegründung S. 18), legt sie nicht dar, welche entschei-
dungserheblichen Erkenntnisse ein Augenschein erbracht hätte.
Dem Berufungsgericht musste sich eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht
aufdrängen. Die Klägerin meint, es habe sachverständig geklärt werden müs-
sen, welche Unterfangungsarbeiten zur Errichtung des Bauvorhabens aus sta-
tischen Gründen notwendig seien und gegebenenfalls nachgenehmigt worden
wären, weil es sich um eine einheitliche Baumaßnahme handele, die den Neu-
bau und den Umbau des Bestandsgebäudes umfasse; wobei die Klägerin selbst
einräumt, dass zum Teil Unterfangungsarbeiten noch nicht in den Bau-
ausführungsunterlagen waren (Beschwerdebegründung S. 14). Auf die Not-
wendigkeit von Unterfangungsarbeiten unter dem Gesichtspunkt der Statik
kommt es jedoch nach der bei der Beurteilung eines Verfahrensfehlers zugrun-
de zu legenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht an. Denn selbst
wenn die Notwendigkeit der Arbeiten bejaht würde, wäre eine bautechnische
Abweichung von den genehmigten Entwurfsplänen nicht von der Baugenehmi-
gung gedeckt (UA S. 14). Maßgeblich ist danach nur die Baugenehmigung mit
den dazugehörigen Bauvorlagen, denen das Berufungsgericht entnommen hat,
dass darin nur der Bestand des Altbaus eingezeichnet ist (UA S. 13). Dass das
Berufungsgericht der sachverständigen Unterstützung beim „Lesen“ der Bau-
vorlagen bedurft hätte, behauptet auch die Klägerin nicht; sie wendet sich letzt-
lich nur gegen die Schlussfolgerung des Gerichts, dass die streitigen Unterfan-
gungsarbeiten am Altbau daher - weil nur der Bestand des Altbaus eingezeich-
net sei - keine Maßnahmen waren, die der Ausführung der hier maßgeblichen
Baugenehmigung dienten. Auch soweit die Klägerin auf Arbeiten im Dachge-
schoss verweist und geltend macht, es handele sich um eine einheitliche Maß-
nahme (Beschwerdebegründung S. 17), bzw. hinsichtlich der Entwässerungs-
anlage meint, die neue Anlage sei notwendiger Bestandteil des geplanten Vor-
habens (Beschwerdebegründung S. 16), wendet sie sich nur gegen die
Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass allein die Bauvorlagen maßgeb-
lich sind.
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Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2
VwGO ab, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizu-
tragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestset-
zung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Prof. Dr. Rubel
Gatz
Dr. Bumke
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