Urteil des BVerwG vom 05.02.2015

Konkretisierung, Fahreignung, Eingrenzung, Gutachter

BVerwGE: nein
Fachpresse: ja
Sachgebiet:
Recht der Verkehrswirtschaft und Verkehrsrecht, ferner des
Betriebs von Wasserstraßen sowie der Streitigkeiten über
Straßen-Sondernutzungen
Rechtsquelle/n:
FeV
§ 11 Abs. 2, 6 und 8, § 46 Abs. 1 und 3
Stichworte:
Fahrerlaubnis; Entziehung der Fahrerlaubnis; Fahreignungsgutachten;
fachärztliches Gutachten; Begutachtung der Fahreignung; Fachrichtung des
begutachtenden Arztes; Beibringungsanordnung; Konkretisierung der zu
begutachtenden Fragestellung; Mitteilung der Fragestellung an den Betroffenen;
Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit der Begutachtung; Nichtvorlage
eines angeforderten Fahreignungsgutachtens.
Leitsatz/-sätze:
Fordert die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV die
Vorlage eines fachärztlichen Fahreignungsgutachtens, hat sie dem Betroffenen in
der Beibringungsanordnung außer den Tatsachen, die die Eignungsbedenken
begründen, und der Fachrichtung des Arztes, der die Begutachtung durchführen
soll, auch die zu untersuchende Fragestellung so mitzuteilen, dass der Betroffene
unter Einbeziehung der weiteren Darlegungen in der Beibringungsanordnung
zweifelsfrei erkennen kann, welche Problematik in welcher Weise geklärt werden
soll, und er in der Lage ist zu beurteilen, ob die Aufforderung rechtmäßig,
insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist.
Beschluss des 3. Senats vom 5. Februar 2015 - BVerwG 3 B 16.14
I. VG Stuttgart vom 15. Juni 2012
Az: VG 1 K 3395/11
II. VGH Mannheim vom 10. Dezember 2013
Az: VGH 10 S 2397/12
BUNDESVERWALTUNGSGERICHT
BESCHLUSS
BVerwG 3 B 16.14
VGH 10 S 2397/12
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 5. Februar 2015
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Kley und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Liebler und Rothfuß
beschlossen:
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Das Verfahren wird eingestellt.
Die Urteile des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 15. Juni
2012 und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-
Württemberg vom 10. Dezember 2013 sind wirkungslos.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwer-
deverfahren auf 27 500 € festgesetzt.
G r ü n d e :
Nach dem Tod des Klägers haben seine Prozessbevollmächtigte (§ 173 Satz 1
VwGO i.V.m. §§ 239, 246 ZPO) und der Beklagte den Rechtsstreit überein-
stimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Danach ist das Verfahren ent-
sprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO i.V.m. § 125 Abs. 1 Satz 1 und § 141
Satz 1 VwGO einzustellen. Die im Verfahren ergangenen Urteile sind gemäß
§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 ZPO für unwirksam zu
erklären.
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach
billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstan-
des zu entscheiden. Danach ist es hier angemessen, dass diese Kosten vom
Beklagten getragen werden; er wäre voraussichtlich unterlegen.
1. Der Kläger hatte sich gegen die auf § 11 Abs. 8 der Fahrerlaubnis-
Verordnung (FeV) gestützte Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A, B,
BE, C1, C1E, C, CE, D1, D1E, D, DE, M, L, T/S gewandt. Sie war vom Beklag-
ten unter Anordnung des Sofortvollzugs im Oktober 2010 verfügt worden, nach-
dem der Kläger der auf § 46 Abs. 3 i.V.m. §§ 11, 13 und 14 FeV gestützten Auf-
forderung vom 8. Februar 2010 nicht nachgekommen war, ein Fahreignungs-
gutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie beizubringen. Der
Beklagte hatte diese Aufforderung mit verschiedenen ihm von der Polizei mitge-
teilten Vorkommnissen begründet (Kreislaufzusammenbruch und Krampfanfall;
Notruf des Klägers bei der Polizei, dass fremde Personen in seiner Wohnung
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seien, die sich „wie Pantomime“ bewegten; wiederholtes Auffälligwerden des
Klägers unter erheblicher Alkoholeinwirkung); deshalb sei nun generell zu über-
prüfen, ob der Kläger noch geeignet sei, am öffentlichen Straßenverkehr teilzu-
nehmen. Es sei zur Frage Stellung zu nehmen, ob eine Erkrankung vorliege,
die die Kraftfahreignung des Klägers gegebenenfalls einschränke oder sogar
ausschließe. Die gegen die Fahrerlaubnisentziehung nach erfolglosem Wider-
spruchsverfahren erhobene Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht ab-
gewiesen. Diese Entscheidung hat das Berufungsgericht geändert und die an-
gegriffenen Bescheide aufgehoben. Zwar habe hinreichender Anlass bestan-
den, die Fahreignung des Klägers durch einen Facharzt für Neurologie und
Psychiatrie begutachten zu lassen, doch habe die Aufforderung zur Vorlage des
Gutachtens nicht den formellen Anforderungen von § 11 Abs. 6 FeV genügt.
Das Untersuchungsthema müsse bereits in der gegenüber dem Betroffenen
ergehenden Beibringungsanordnung konkretisiert werden. Hier sei die gebote-
ne Eingrenzung und Begründung des Untersuchungsthemas aber weder in der
an den Kläger gerichteten Aufforderung vom 8. Februar 2010 noch in den
Übersendungsschreiben an die vom Kläger daraufhin benannten Fachärzte er-
folgt; in jenen Schreiben habe der Beklagte als klärungsbedürftig nur die Fragen
benannt, ob beim Kläger eine Krankheit vorliege, die nach Anlage 4 zur FeV
dessen Fahreignung in Frage stelle und ob der Kläger (wieder) in der Lage sei,
den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Keiner
abschließenden Klärung bedürfe, ob bei der Gutachtensanforderung stets die
genaue(n) Nummer(n) der Anlage 4 zur FeV festzulegen sei(en). Hier habe, wie
der Beklagte im Berufungsverfahren klargestellt habe, lediglich begutachtet
werden sollen, ob der Kläger an einer neurologischen oder psychischen Er-
krankung im Sinne der Nummern 6 und 7 leide. Es wäre ihm unschwer möglich
gewesen, die gemäß § 11 Abs. 6 FeV vorzugebende Fragestellung auch bereits
im Verwaltungsverfahren weiter einzugrenzen. Der Betroffene habe auch nicht
aufgrund des in der Anordnung mitgeteilten Sachverhalts unzweideutig erken-
nen können, worauf sich die Untersuchung beziehen solle. Im Aufforderungs-
schreiben seien mehrere Sachverhalte dargestellt worden, die unter verschie-
denen Gesichtspunkten Eignungszweifel begründen könnten (Nr. 7.6: Psycho-
se; Nr. 6.4: kreislaufabhängige Störung der Hirntätigkeit; Nrn. 8.1 bzw. 8.3: Al-
kohol). Jedenfalls bei einer Fallgestaltung, in der mehrere eignungsausschlie-
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ßende Störungen in Betracht kämen, sei es unabdingbar, dass die Fahrerlaub-
nisbehörde selbst, etwa durch Zuordnung zu einer konkreten Ziffer der Anlage 4
zur FeV verlautbare, unter welchem Gesichtspunkt sie den geschilderten Sach-
verhalt für bedenklich hinsichtlich der Fahreignung halte.
2. Der Antrag des Beklagten, die Revision gegen dieses Urteil des Berufungs-
gerichts wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne von
§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, wäre voraussichtlich ohne Erfolg geblie-
ben.
a) Die nach Auffassung des Beklagten in einem Revisionsverfahren klärungs-
bedürftigen Fragen, ob
die Fragestellung einer Gutachtensanordnung nach § 11
FeV bei unbekanntem Krankheitsbild auf Ziffern bzw. Un-
terziffern der Anlage 4 zur FeV präzisiert werden darf;
bejahendenfalls, die Fahrerlaubnisbehörde bei Verdacht
auf mehrere eignungsausschließende Störungen im Rah-
men der Gutachtensanordnung verpflichtet ist, neben der
genauen Angabe der Fachrichtung des Arztes die Frage-
stellung auf Ziffern bzw. Unterziffern der Anlage 4 zur FeV
zu präzisieren;
sich die Fahrerlaubnisbehörde zur Konkretisierung der
Fragestellung des öffentlichen Gesundheitsdienstes be-
dienen darf?
waren nicht geeignet, die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Be-
deutung der Rechtssache zu rechtfertigen.
Diese Fragen zielten auf die Auslegung von § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV; dort
sind die formellen Anforderungen an die Aufforderung zur Beibringung eines
Fahreignungsgutachtens geregelt. Nach dieser Bestimmung legt die Fahrer-
laubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und
unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur FeV in der Anordnung zur Beibrin-
gung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Be-
troffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind (Satz 1); die Behörde
teilt dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eig-
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nung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle
oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine
Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat;
sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen
kann (Satz 2).
b) Der Sache nach wäre es dem Beklagten mit seinen beiden ersten (Teil-)
Fragen um eine Präzisierung gegangen, wie weit die nach § 11 Abs. 6 Satz 1
FeV gebotene Konkretisierung der durch Begutachtung zu klärenden Fragestel-
lung gegenüber dem Betroffenen gehen darf bzw. gehen muss. Diese Fragen
hätten sich hier nur hinsichtlich der Aufforderung gestellt, ein fachärztliches
Gutachten vorzulegen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV).
Für deren Beantwortung hätte es aber, soweit sie entsprechend § 132 Abs. 2
Nr. 1 VwGO fallübergreifend sein soll, nicht erst der Durchführung eines Revisi-
onsverfahrens bedurft. Die Anforderungen, die an die Konkretisierung des Un-
tersuchungsthemas bei der Aufforderung zur Beibringung eines fachärztlichen
Gutachtens nach § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV abstrakt zu stellen sind, er-
schließen sich unmittelbar aus dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck von
§ 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV. Der Betroffene soll durch die Mitteilung der zu
begutachtenden Fragestellung, die ebenso wie die Angabe der Gründe, die
Zweifel an der Fahreignung begründen, sowie der Fachrichtung des zur Begut-
achtung einzuschaltenden Facharztes bereits in der an ihn gerichteten Beibrin-
gungsanordnung zu erfolgen hat, in die Lage versetzt werden, sich innerhalb
der nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV zu bestimmenden Frist zur Vorlage dieses
Gutachtens ein Urteil darüber zu bilden, ob die Aufforderung zu dessen Bei-
bringung rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist
(vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 - 3 C 21.04 - Buchholz 442.10 § 2
StVG Nr. 11 S. 6 m.w.N.). Davon hängt es ab, ob sich der Betroffene dieser
Aufforderung verweigern kann, ohne befürchten zu müssen, dass ihm die Fahr-
erlaubnisbehörde bei nicht fristgerechter Vorlage des Gutachtens unter Beru-
fung auf § 11 Abs. 8 FeV seine Fahrerlaubnis entzieht. Ebenso wenig ist es zu
beanstanden, wenn das Berufungsgericht außerdem darauf abstellt, dass sich
der Betroffene nur bei genauer Kenntnis der Fragestellung darüber schlüssig
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werden könne, ob er sich - unbeschadet der Rechtmäßigkeit der Anordnung -
der mit einer Exploration voraussichtlich verbundenen Offenlegung von Details
aus seiner Privatsphäre aussetzen will. Schließlich nimmt das Berufungsgericht
zu Recht an, dass die Mitteilung der konkreten Fragestellung an den Betroffe-
nen auch deshalb geboten ist, um ihm die Prüfung zu ermöglichen, ob die an
den/die Gutachter mitgeteilte(n) Frage(n) mit der Beibringungsanordnung iden-
tisch sind und sich die Begutachtungsstelle daran hält (ebenso wie das Beru-
fungsgericht: OVG Magdeburg, Beschluss vom 16. April 2012 - 3 M 527/11 -
NJW 2012, 2604 = juris Rn. 4; vgl. auch VGH München, Beschluss vom
15. November 2010 - 11 C 10.2329 - juris Rn. 37 f.; sowie Dauer, in:
Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 11 FeV
Rn. 42 f.).
Hinsichtlich des genauen Grades der Konkretisierung, die die von der Fahrer-
laubnisbehörde festzulegende und mitzuteilende Fragestellung aufweisen
muss, kommt es ausgehend von diesen abstrakten Anforderungen auf die be-
sonderen Umstände jedes Einzelfalls an. Das kann ebenfalls unmittelbar aus
§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV entnommen werden, der anordnet, dass die Fahrer-
laubnisbehörde die Festlegung der zu klärenden Fragen unter Berücksichtigung
der Besonderheiten des Einzelfalls vorzunehmen hat. Der Beibringungsanord-
nung muss sich - mit anderen Worten - zweifelsfrei entnehmen lassen, welche
Problematik auf welche Weise geklärt werden soll. Das verbietet zugleich eine
generalisierende Aussage darüber, ob die Fahrerlaubnisbehörde stets bereits
im Rahmen der Beibringungsanordnung genau die entsprechende(n) Num-
mer(n) der Anlage 4 zur FeV angeben muss. Eine Vorgabe, die für die Begut-
achtung maßgebliche Nummer der Anlage 4 zur FeV festzulegen, hat auch das
Berufungsgericht nicht gemacht, sondern dies offengelassen. Ebenso wenig
lässt sich von vornherein ausschließen, dass sich die vom Gutachter zu klären-
de Frage, selbst wenn sie nicht konkret ausformuliert ist, dennoch mit hinrei-
chender Deutlichkeit den Gründen entnehmen lassen kann, mit denen die Be-
hörde ihre Eignungsbedenken dargelegt hat. Unter welchen Voraussetzungen
das anzunehmen ist, bestimmt sich gleichermaßen nach den jeweiligen tatsäch-
lichen Gegebenheiten.
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Bei einer Durchführung des vom Beklagten erstrebten Revisionsverfahrens wä-
re im Übrigen von den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht
in Frage gestellten tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auszu-
gehen gewesen. Danach war dem Kläger hier selbst bei einer Gesamtschau
der Beibringungsanordnung mit den Schreiben an die in Aussicht genommenen
Gutachter und unter Berücksichtigung des dort mitgeteilten Sachverhalts nicht
ohne Weiteres erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten die Fahrerlaubnisbe-
hörde Eignungszweifel durch die Begutachtung aufklären wollte. Insoweit ver-
hält es sich hier anders als in dem Fall, der dem Beschluss des Bayerischen
Verwaltungsgerichtshofs vom 15. November 2010 - 11 C 10.2329 - (juris
Rn. 37 f.) zugrunde lag, und auf den sich der Beklagte daher in der Beschwerde
zu Unrecht beruft, um eine „Divergenz“ zu dessen Rechtsprechung darzulegen.
Festgestellt hat das Berufungsgericht darüber hinaus, dass es dem Beklagten
unschwer möglich gewesen wäre, die gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV vorzuge-
bende Fragestellung auf die aus seiner Sicht tatsächlich klärungsbedürftigen
Fahreignungsmängel - neurologische oder psychische Erkrankung im Sinne der
Nummern 6 und 7 der Anlage 4 zur FeV - einzuschränken.
Ansonsten hat sich die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde weitge-
hend darin erschöpft, dass der Beklagte in der Art einer Revisionsbegründung
dargelegt hat, weshalb aus seiner Sicht die Fragestellung hinreichend konkret
war und die Bewertung des Berufungsgerichts damit unzutreffend ist. Das wird
den Anforderungen, die an die Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der
Rechtssache zu stellen sind, nicht gerecht. Deshalb sei nur ergänzend darauf
hingewiesen, dass das Argument des Beklagten, die dem Kläger in der Gutach-
tensanforderung vom 8. Februar 2010 mitgeteilte Fragestellung entspreche der
aktuellen Erlasslage (Erlass des Ministeriums für Umwelt und Verkehr Baden
Württemberg zur Einführung des neuen Fahrerlaubnis- und Fahrlehrerrechts
vom 22. Dezember 1998) und den von der Deutschen Gesellschaft für Ver-
kehrspsychologie und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin heraus-
gegebenen in den Beurteilungskriterien - Urteilsbildung in der Fahreignungsbe-
gutachtung (3. Aufl. 2013) aufgeführten „Musterfragen“, aus mehreren Gründen
nicht verfängt. Zum einen wird in der Beschwerdebegründung die dem Kläger in
der Beibringungsanordnung vom 8. Februar 2010 mitgeteilte Fragestellung
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nicht zutreffend wiedergegeben; sie lautete (lediglich) wie folgt: „… ist zu der
Frage Stellung zu nehmen, ob bei Ihnen eine Erkrankung vorliegt, die die Kraft-
fahreignung ggf. einschränkt oder sogar ausschließt“. Außerdem wird in diesem
Schreiben als Rechtsgrundlage für die Anforderung des fachärztlichen Gutach-
tens keineswegs nur § 11 FeV aufgeführt; genannt werden dort zusätzlich noch
§ 13 FeV (Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik) sowie § 14
FeV (Klärung von Eignungszweifeln im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arz-
neimittel). Damit ist zugleich der Hinweis in der Beschwerdebegründung nicht
tragfähig, die im Schreiben angegebene Rechtsgrundlage habe zu der vom Be-
rufungsgericht vermissten Eingrenzung der Fragestellung geführt. Im Übrigen
hat die Beschwerde den Umstand außer Acht gelassen, dass sich sowohl die
im genannten Erlass als auch in den „Begutachtungsleitlinien“ formulierten Fra-
gestellungen nicht als feste Vorgaben, sondern ausdrücklich nur als Empfeh-
lungen verstehen (vgl. Nr. 2.6 des Erlasses: „Empfehlung für die behördlichen
Fragestellungen im ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachten
nach § 11 Abs. 6 FeV“ sowie S. 58 der „Beurteilungskriterien“: „Empfehlung für
einen einheitlichen Katalog von Fragestellungen“). Abgesehen davon sehen
auch diese Empfehlungen im Zusammenhang mit der Anforderung eines ärztli-
chen Gutachtens nach § 11 Abs. 2 FeV nach dem Wort „Erkrankung“ einen
Klammerzusatz vor, so dass offensichtlich konkretisierende Hinweise zu den in
Betracht kommenden Krankheiten gemacht werden sollen (zweifelnd, ob die
„Musterfragen“ den Anforderungen an eine hinreichende Eingrenzung des Un-
tersuchungsthemas genügen auch Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßen-
verkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 11 FeV Rn. 42).
Ebenso wenig kann sich der Beklagte gegenüber dem Berufungsgericht auf den
in der Beschwerde angeführten Aufsatz von Geiger (ZVS 2013, 260 ff.) stützen.
Diesem Aufsatz kann nicht die Auffassung entnommen werden, dass den for-
mellen Anforderungen von § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV mit der Benennung der
Fachrichtung des als Gutachter einzuschaltenden Facharztes Genüge getan ist.
Zwar heißt es dort, dass es, soweit die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung
eines fachärztlichen Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV anordne,
die hinreichende Bestimmtheit der Anordnung grundsätzlich die genaue Angabe
der Fachrichtung des Arztes fordere, bei dem die gebotene Untersuchung erfol-
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gen könne. Doch wird im Anschluss daran weiter ausgeführt, dass es zur
Rechtmäßigkeit einer Gutachtensanordnung gehöre, dass dem betroffenen
Fahrerlaubnisinhaber die konkrete Fragestellung mitgeteilt werde (Geiger, ZVS
2013, 260 <261>). Dabei geht der Autor davon aus, dass es nicht genüge, un-
differenziert nach dem Vorliegen von Krankheiten oder Mängeln nach den An-
lagen 4 oder 5 zur FeV zu fragen. Vielmehr seien die Krankheit oder der Man-
gel genau zu benennen, wobei regelmäßig auf die Bezeichnung in der entspre-
chenden Anlage abzustellen sei (Geiger, ZVS 2013, 189).
c) Die dritte vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob sich die Fahrerlaubnisbe-
hörde zur Konkretisierung der durch die Begutachtung zu klärenden Frage(n)
des öffentlichen Gesundheitsdienstes bedienen darf, hätte sich nicht entschei-
dungserheblich gestellt; deshalb wäre ihre Beantwortung im Revisionsverfahren
auch nicht zu erwarten gewesen. Auch diese Frage hätte somit nicht auf die
grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1
VwGO geführt.
Die vom Beklagten im Berufungsverfahren abgegebene Stellungnahme
(Schriftsatz vom 13. November 2012 S. 4) zeigt nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts, er sei davon ausgegangen, dass sich die durchzuführende
Untersuchung auf Krankheitsbilder der Anlage 4 Nummern 6 (Krankheiten des
Nervensystems) und 7 zur FeV (Psychische - geistige - Störungen) zu be-
schränken habe. Der Beklagte war danach - wie das Berufungsgericht weiter
festgestellt hat (UA S. 18) - zu einer Eingrenzung des Untersuchungsauftrags
auch ohne eine Einbeziehung des öffentlichen Gesundheitsdienstes, gegen die
er nun unter anderem datenschutzrechtliche Bedenken geltend macht, in der
Lage und hätte dem Kläger diese konkretisierte Fragestellung damit auch in der
Beibringungsanordnung mitteilen können und - ausgehend von den Feststel-
lungen des Berufungsgerichts zu dessen mangelnden Erkenntnismöglichkei-
ten - auch mitteilen müssen. Eine weitergehende Eingrenzung des Gutachten-
auftrags auf Unternummern der Anlage 4 zur FeV, zu der sich der Beklagte
nach seinem Vortrag nicht in der Lage gesehen hat, hat das Berufungsgericht
im vorliegenden Fall nicht für notwendig erachtet.
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3. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52
Abs. 1 GKG.
Kley
Liebler
Rothfuß
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